1819 / 84 p. 3 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Tue, 19 Oct 1819 18:00:01 GMT) scan diff

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Daß aber die meisten Steuerbeschwerden darin ih⸗ ren Grund haben, daß die Steuernden die Nothwen⸗ digkeit der Steuern nicht einsehen, eben weil sie den Haushalt des Ganzen nicht übersehen, das sieht man

an der Leichtigkeit und an der Willigkeit, mit der man in wohlgeordneten Gemeinden die Gemeinde⸗Ausgaben aufbringt, eben weil diese für Zwecke sind, die nahe liegen, und die auch der weniger Unterrichtete begreift und übersieht; wo⸗

hingegen die Ausgaben für die Provinz oder gar fürs

Reich, nur mit Unwillen beigebracht werden, eben weil die Steuernden die Zwecke nicht begreifen, für die sie bestimmt sind, da diese jenseit ihrer Kennt⸗ niße des Staatshaushaltes liegen. Wenn die Gesetz⸗ gebung öffentlich ist, und in dieser alle Bedürfniße nach den Zwecken der Staats⸗Einrichtung berathen

soerden, so verbreiten sich diese Kenntniße auch unter dem Volke; und obgleich es immer der Mehrzahl des⸗

selben an Einsicht fehlen wird, die Staatshaushaltung zu begreifen und sich von der zweckmäßigen Verwen⸗ dung der Steuern zu überzeugen: so beruhigen sich

die Leute doch dabei, wenn sie sehen, daß die Rei⸗ chen und Vornehmen, so die Deputirten wählen, sie ebenfalls bezahlen, und daß diese es nicht ihun würden, wenn etwas hiebei zu er— innern wäre. Eine größere Willigkeit im Steuerbe⸗ zahlen ist daher die beständige Folge einer National⸗ repräsentation, bei der die zu bezahlenden Steuern öͤf⸗ fentlich berathen werden.

Außer den Steuerbeschwerden, so aus Mangel an Einsicht in die Haushaltung des Staates enrstehen und die völlig allgemein sind, giebt es aber noch andere, so jeder Provinz besonders eigen sind.

Hiezu gehört auf dem linken Rheinufer der Um⸗ stand, das die Alliirten im Jahr 1812, als sie diese Lande nach Vertreibung der Franzosen in Besitz nah⸗ men, erklärten, daß sie die gehäßigen droits reunis abschaffen würden, und daß diese hiemit abgeschafft wären. en

Diese Erklärung war damals allerdings zweckmäßig, um die Nationalsache des Freiheitkrieges auch unter den unteren Volksklaßen zu verbreiten. Auch konnte sie um so leichter gegeben werden, da das Kaßen⸗In⸗ tereße nichts dabei litt, indem diese Steuern durch den Gang der Begebenheiten auf dieselbe Weise ab⸗

eschafft worden, wie die Douanen. Denn ein großer Pheit der Beamten, so Franzosen waren, waren mit der Armee weggegangen, und hieju gehörten alle Ober— beamte. Die Maschine hatte sich also selber zerlegt. Aber wenn dieses auch nicht gewesen wäre, so hätte die Erhebung der vereinigten Rechte doch nicht fortgesetzt werden können, da dieses indirekte Abgaben⸗ system, so wie jedes andere, auf einer genauen und sicheren Bewachung der Gränze beruhte. So bald diese aufhörte, mußte das Ganze aufhören.

Diejenigen, welche nun die damaligen Proklama⸗ tionen der Alliirten so verstanden haben, daß die droits reunis zu ewigen Tagen abgeschafft wären, und daß nie wieder eine Besteurung der Getränke sollte ein- geführt werden, diese müßen sich allerdings jetzt sehr verwundern. g

Indeß da es sehr schwer seyn würde, die Bedürf⸗ niße der Gesellschaft blos durch direkte Steuern bei

gen, so bieten, sobald man indirekte einführen 11114““ ““ 8* 8 4 8 3

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will, die Getränke unstreitig einen sehr schicklichen Ge⸗ genstand für indirekte Steuern dar, da ein großes Kapital in ihnen rundgeht, und da sie un⸗ gleich mehr ein Gegenstand des Luxus sind, als das Salz und das Brod, obgleich diese auch in den meisten Ländern werden.

Soll nun eine Steuer auf die Getränke gelegt werden, so fragt sich's blos, welche Einrichtung die zweck⸗ mäßigere? Ob die Preußische, so die Getränke bei der Fabrikation besteuert, oder aber die Französische, so sie bei der Konsumtion besteuert.

Die Französische hat unstreitig größere Summen eingetragen, als die Preußische je eintragen wird. Denn bekanntlich soll blos das Roerdepartement beĩ einer Bevölkerung von 600000 Seelen in den letzten Jahren in den vereinigten Rechten 9 Mill. Franken eingetragen haben, welches auf den Kopf 11 Franken oder 4 Berliner Thaler macht.*)

Auch scheint man in Frankreich noch keine Einrichtung für die Besteurung der Getränke gefun⸗ den zu haben, da man sie unler Ludwig XVIHI. so hat fortbestehen lassen, wie sie unter Bonaparte war eingeführt worden. Sie ist verschiedene Mal aufs neue in der Kammer berathen worden, und ein⸗ zelne Zweige derselben, wie z. B. das Tabackmonopol, haben große Anfechtungen erlitten; allein alle diese Diskußionen haben immer damit geendigt, daß man die Sache gelaßen, wie sie war, eben weil man nichts beßeres an ihre Stelle zu setzen wußre. Wie groß die Summen waren, so aufkamen, geht daraus her⸗ vor, daß die vereinigten Rechte in dem kleinen Jülich⸗ schen Städtchen Erkelenz, so wol nicht über 2000 Seelen hat, das aber in einer wohthabenden und fruchtbaren Gegend liegt, jährlich 65000 Franken ein⸗ brachten.

Diejenigen, so die neuere Gesetzgebung über die Be⸗

besteuert

beßere

steurung der Getränke entworfen, haben unstreitig die

Gesetzg bungen der benachbarten Staaten über den⸗ selben Gegenstand gekannt, so wie auch die statistischen Resulrate, so die Regie seit zehn Jahren geliefert. In⸗ dem sie sich nun für das Princip entschieden, daß die Getränke bei der Fabrikation von der Steuer sollten getroffen werden, und nicht beim Debit, so haben sie gewiß ihre Gründe hiefür gehabt.

Wahrscheinlich haben sie sich durch den Umstand leiten laßen, daß eine Besteurung bei der Fabrika ion viel einfacher sey und viel weniger der Defraude un⸗ terworfen, als es beim Debite moͤglich, selbst wenn die Kontrolle noch so geschärft ist. Ferner habe man bei der Fabrikation mit viel weniger Menschen zu thun, man brauche daher auch nur wenigen Menschen durch die Kontrolle lästig zu fallen, und durch Visita⸗ tionen die Hausfreiheit zu stören.

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In den Jahren 1811, 12 und 13 waren die Getraͤnke sehr theuer, besonders war der Brantwein, da das Brennen verboten, auf das Doppelte seines gewoͤhnli⸗ chen Preises gestiegen, wodurch eine Abgabe, die 25 Prozent vom Konsumtionspreise betrug, nothwendig sehr viel einbringen mußte. Außer den Steuern auf die Getraͤnke umfaßten die vereinigten Rechte noch das Tabackmonopol, das Salzmonopol den Kartenstempel, die Abgaben auf die oͤffentlichen Waagen, den Silberstempel u. s. w.

(Schluß in der Beilage.) 1

nen Zettel für dieses Faß (congé),

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Die Franzosen erhoben auch eine kleine Abgabe bei der Fabrikation, die aber so mäßig war, daß ihr Ertrag in gar keinen Betracht kam. Auf den Brant⸗ wein etwa 1 Pfennig vom Maaße. Diese Abgabe, so wie eine ähnliche auf den Wein, wenn er aus dem Keller des Weinhändlers in einen andern ging (droit du moöuvement), war gar nicht des Ertrages wegen eingeführt, sondern blos als zu ihrem Steuersysten e gehörig. Sie beurtheilten und beobachteten den De⸗ bit nach dem, was der Wirth sich an Getränken ein⸗ legte, und sie führten deswegen eine conto courant über alle vorräthige Getränke im ganzen Reiche. Bei dem Weinhändler nahmen sie das Lager auf und tru⸗ gen dieses in ihr Buch. Verkaufte er ein Faß an den Wirth, so zeigte er dieses an. Die Regie schrieb ei⸗ wofür der Wein⸗ händler das kleine droit du mouvemeènt bezahlte, und nun ging das Faß nebst dem Zettel zum Wirthe. Der Regie⸗Beamte nahm ebenfalls den Keller des Wirthes auf, trug die Fäßer, nebst dem congé in sein Buch, und wenn der Wirth den Wein auf Fla⸗ schen zog, so wurden diese verharzt und mit dem Re⸗ giestempel versehen, dann gezählt und ins Buch ein⸗ getragen. Nach 3 Tagen, wenn der Regie⸗Beamte wiederkam, zählte er nach. Waren nun 1o00 weniger, so lieferte der Wirth von diesen 100 die Steuer ab, so er unterdeß von seinen Gästen eingezogen. Der Gast bezahlte also bei der Konsumtion und der Wirth war Steuerempfünger, der die Steuer blos ein⸗ zukaßiren und abzuliefern hatte, aber gar nicht vorzuschießen. 8 Das droit de fabrication beim Brantwein und das droit du mouvement beim Weine, waren blos des contö courant wegen da, so die General⸗Direk⸗ tion der vereinigten Rechte von Frankreich mit allen Wirthen von Frankreich führte, so ihre Untersteuer⸗ Empfänger waren. 1“ Man sieht leicht ein, daß wenn die Gränze gut bewacht ist, und dieses ist die erste Bedingung bei je⸗ dem indirekten Steuersysteme, und wenn die Bren⸗ nereien gut beaufsichtigt werden, die Defraude bei die⸗ sem Debit⸗Systeme, doch bedeutend geringer ist als sie auf den ersten Anblick erscheint, eben weil kein Wirth Wein oder Brantwein haben kann, der nicht in die Bücher der Regie bereits eingetragen sey- Beim Brantwein rechnet man die Defraude auf etwa I. Es war nämlich jeder Brennerei vorgeschrieben, wie viel Brantwein sie nach der Größe ihrer Gefäße machen sollte. Machte sie weniger, so mußte sie das fehlende, als heimlich verkauft, mit 25 Procent versteuern.

Machte sie mehr, so verkaufte sie dieses heimlich an Wirthe, die solches in Krügen holten. Der Satz, den die Regie hiebei angenommen, war so, daß gut einge⸗ kichtete Brennereien etwa 2 mehr machen konnten. Klein und schlecht eingerichtete Brennereien kamen aͤber nicht auf diesen Satz und konnten also auch nicht bestehen. Alle diese Besteuerarten aber haben den Vor⸗ theil, daß die klein und schlecht eingerichteten Bren⸗ nereien, die nur Frucht und Kartoffeln unnützer Weise verderben, nicht bestehen koͤnnen, und daß fie gleich äͤus der Konkurrenz ausscheiden müßen, wozu sie spä⸗ ter ohnehin genöthigt wären. Was nun die Hausherrlichkeit betrift, die al⸗ lerbings durch das tägliche Nachsehen der Regie; Be⸗ amten über die Kellervorräthe leidet, so sagten die Franzosen: Wir haben nicht mit allen Hausvätern der Gemeine, sondern nur mit wenigen, nemlich blos mit den Wirthen zu thun, und jeder, der ein Patent als Wirth löst, den sehen wir als unsern Steuer⸗ Empfänger an und als solchen köntrolliren wir ihn. nr Wirthshaus ist seiner Natur nach ein öffent⸗ iches Haus. Eine Art Karavansetei, wo Jeder⸗ . aus: und eingeht, und wo Niemand der geht der kommt nach seinem Namen gefragt wird. In

um gasten Stuͤcke der Algemeinen Preußischen Staats⸗Z

vom igten Oktober 1819.

889 einem solchen Hause, wo täglich 80 fremde Menschen aus⸗ und eingehen, können bie beiden Regie⸗ Beamten als der Ziste und 52ste ebenfalls aus und eingehen. Und diese sind nicht einmal Fremde, sondern des Wirths Vorgesetzte, der als Untersteuereinnehmer an diese, seine von den Gästen erhobenen Steuern ab⸗ zuliefern hat, und da ist es nartürlich, daß diese nachse⸗ hen, wie viel er erhoben und ob er auch Alles was er erhoben abliefert. Uebrigens rühren die Vexationen der Regie⸗Beamten, über die man klagt, blos von der Unredlichkeit der Wirthe her, die nicht Alles abliefern wollten, was sie von den Gästen erho⸗ ben hatten, sondern einen Theil für sich auf dem Wege der Defraude gewinnen.8 1“ .

Die Klagen über Vepationen von Seiten der Re⸗ giebeamten sind aber so allgemein gewesen, daß man wol annehmen darf, daß sie wenigstens zu einem gro⸗ ßen Theile gegründet waren. Sie rührten zunaäͤchst von der fremden Sprache her, wo die Regiebeamten öfter mehr empfingen, als gesetzmäßig war und als sie in ihr Buch eintrugen. Daß aber die Beamten gerne neben dem, was sie für den Staat erhoben, auch noch e was für sich erhoben, dieses haben wir auch in an⸗ dern Zweigen der Verwaltung gesehen, z. B. bei dem Enregistrement und selbst bei der Erhebung der Grund⸗ steuer, wo der Empfänger, wenn er zehn Frank er⸗ hoben, nicht dix, sondern six francs in die Quitkung schrieb, sobald er sah, daß der Bauer kein Französisch lesen konnte und keine Zeugen gegenwartig waren. Diese Betrügereien waren bei aͤllen Abgaben, und wenn man eine deswegen hätte abschaffen wollen, so hätte man sie alle abschaffen müßen. Dann klagten die Wirthe: sie wüßten nie wie viel sie zu bezahlen hätten, da sit die Rechnung der Re⸗ giebeamten nicht begriffen, und diese dald mehr, bald weniger von ihnen foderten. Diese Klage rührte zum Theil von der großen Gelehrsamkeit her, so die Regie in ihr Rechenwesen gebracht, das so verwickelt war, wie ein Compte d'ordre, so jeder Maire von seinem Gemeindehaushalt aufstellen sollte, und die auch eben wegen ihrer Gelehrsamkeit unter 100 Mairen von 90 gar nicht begriffen wurde. Zum Theil rührte es aber von dem öfteren Verändern der Vorschriften der Ge: neraldirektion her, die so wie sie einen Fehler auf⸗ fand, solchen durch eine neue Verordnung zu vervdetern suchte. Schon im Jahre 1815 bildeten die Verord⸗ nungen über die vereinigten Rechte eine Samm⸗ lung von sechs staͤrken und sehr enggedruckten Oktav⸗ bänden. Und abgleich in diesen alles systematisch geord⸗ net war, und in ihnen durchaäus die Klarheit der Fran⸗ zöfischen Geschäftsprache herrschte, so gehörte doch ein eigenes Studium dazu, um zu wißen, was nun wirk⸗ lich jetzt noch als bestehend und was als abgeschafft zu betrachten sey. Später sind, wie ich glaube, diese sechs Bände eben so umgegoßen worden, wie die vier Bände Katasterverordnungen, wo alles das in einem Bande zusammengestellt woöͤrden, was jetzt noch giltig.

Auch ist; wo ich nicht irre, ein populaires Hand⸗ buch für diejenigen erschienen, so mit der Regie in Berühr kamen, und in dem diesen gezeigt wurde, 8 sie sich zu benehmen und vor Schaden zu hüten

ätten.

Uebrigens erleichterte der Umstand, daß die ganze Verwaltung uUnter einer einzigen Generaldirekrion stand, die Erhebung dieser Rechte ungemein. Nicht allein durch die Gleichförmigkeit und Schnelligkeit, die hier⸗ aus hervorging, sondern vorzüglich dadurch, daß die Talenre, die einmal in dieser Direktion waren, schnell gegen die Mitte hinkamen, und schon in einem Alter von 36 und 40 J. in den höchsten Stellen waren, ehe sie sich auf den unteren abgearbeitet und ausgeschrieben hatten. Denn da bei einer Generaldirektion der Ge⸗ neraldirektor, wenigstens mit seinem Rufe, für den Erfolg verantwoͤrtlich ist, so sorgt dieser dafür, daß er in jedem Departement einen tüchtigen Mann

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