1820 / 5 p. 1 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Sat, 15 Jan 1820 18:00:01 GMT) scan diff

zögen. Die meisten von ihnen steckten nichts von ih⸗ ren Dieèten auf, wie man ihnen vorgeworfen, sondern sie legten noch von dem Ihrigen zu. Auch hätten sie in ihrem Archive nachgefehen und gefunden, daß in alten Zeiten die Verpflegung vom Hofe geschehen sey, und daß man sie später in den Wirthshäusern habe verpflegen laßen, wo dann das, was hier vemgehrt, von der Hofkammer sey bezahlt worden. Jetzt bezahlten sie es nun selber, indem ihre Verpflegung vom Lande beigenommem würde, obgleich solche eigentlich von der Hofkammer aus müßte besorgt werden.

Man sieht hieraus, daß die Stände Recht und Unrecht hatten, je nachdem man die Sache nehmen will. Erschienen sie in curia domini als Dienstleute von Berg und Jülich, so unterlag es keinem Zweifel, daß der Herzog sie verpflegen mußte, so wie solches in den wechselseitigen Rechten und Pflichten der Dienst⸗ mannschaft lag. Erschienen sie aber als Deputirte der Landschaft, so brauchte er dieses nicht, und ob und was die Landschaft ihren Deputirten an Tagegeldern geben wollte, das konnte natürlich nur die Landschaft bestimmen, und die Deputirten konnten dieses eben so wenig wie der Herzog.

Man steht an dieser historischen Entwickelung der Entstehung der Tagegelder, daß diese aus einem Zu⸗ stande der Gesellschaft hervorgegangen sind, der längst vorbei ist, und den man nur deswegen historisch un⸗ tersucht, nicht um es wieder so zu machen wie da⸗ mals, sondern um zu der klaren Einsicht zu gelangen, daß man es nicht machen kann wie damals, eben weil die ganze Einrichtung der Gesellschaft sich geändert hat.

Untersucht man nun jetzt die Frage, ob die De⸗ putirten Tagegelder genießen sollen, so ist gleich von Anfang klar, daß die Summe gar nicht in Betracht kommt, die solches dem Lande kostet, eben weil sie un⸗ bedeutend ist. In Frankreich kostet die Kammer der Gemeinen 600,000 Fr., welches 7 Pf. auf den Kopf macht. Ob diese Kammer nun das Doppelte oder das Dreifache koste, das kann die Staatslasten nicht merk⸗ lich in einem Lande vermehren, in dem jeder Einzelne 3 Rthl. zu den öffentlichen Abgaben bezahlen muß.

Die Frage ist einfach die: will man blos reiche Leute in der Kammerhaben oder nicht? Die⸗ jenigen, die nicht zu den reichen Leuten gehören, und doch einiges politische Talent in sich verspüren, find natürlich für die Meinung, daß die Deputirten Tagegelder bekommen müßen, damit auch die von mittlerem Vermögen hingehen können, nämlich die, die jährlich nur etwa 1000 Rthl. Einkünfte be⸗ sitzen. Sie glauben, daß die Nation einen großen Verlust erleiden würde, wenn die nicht geldreichen Talente dadurch von der Gesetzgebung entfernt wür⸗ den, daß sie genöthigt wären, die Land⸗ und Reichs⸗ tage auf eigene Kosten zu begehen.

Es läßt sich vieles für und gegen diese Meinung sagen, und es würde zu weitläuftig seyn, alles das zu wiederholen, was bereits für und gegen sie ist gesagt worden. Man kann annehmen, daß sich nichts Neues mehr über diesen Gegenstand sagen läßt.

In England hatten früher die Deputirten Tage⸗

; jetzt nicht mehr, ohne daß solches eben durch sonderes Gesetz wäre abgeschafft worden.

In Frankreich hatten unter Bonaparte die De⸗ putirten 10,000 Fr. Jetzt nicht mehr. Die Verständi⸗ gern sehen die jetzige Einrichtung für die beßere an, weil sie alle liberalen Institutionen eben dadurch für sehr be⸗ feßigt halten, daß sie in den Händen der reichsten Leute

liegen; denn diese sind immer die Unabhängigsten und die Stärksten. Die 8 Deputirten so Paris ge⸗ wählt hat, besitzen ein Vermögen, das in der Summe auf 30 Millonen geschätzt wird. Der Depurtirte Ter⸗

neaux, der zuletzt gewählt wurde, und den das Mi⸗ nisterium Herrn Benjamin Constant gegenüberstellte, bezahlt, obgleich er ein bloßer Fabrikherr ist, also kein eigentlicher Gutsbesitzer, doch 12000 Fr. Steuer.

Wenn man die Französischen Zeitungen mit Auf⸗ merksamkeit liest, so sieht man, daß den Ministern im⸗ mer mit den reichen Leuten gedrohet wird, die ih⸗ nen die Fonds könnten fallen machen, wenn sie sich beigehen ließen in einer anderen Richtung, als der der effentlichen Meinung regieren zu wollen. Von den Savants reden sie ihnen gar nicht.

Das ist aber an sich klar, daß die reichsten Leute immer die unabhängigsten sind, und ein Mann, der ein paar Millionen hinter seine Meinung zu S hat, ist immer ein sehr nübzlicher Landstand. azu kommt, daß solche Glieder nie in den Verdacht des Jakobinismus kommen, auch wenn sie ernsthaft mit dem Ministerium reden, da sie ihrer Natur nach im⸗ mer antirevolutionair sind, indem den reichsten Leu⸗ ten eines Landes mit einem deplacement des fortu- nes gerade am wenigsten gedient ist. Frankreich hat gegenwärtig eine Kammer, die von den 120,000 reich⸗ sten Leuten, denen ½ der gesammten Ackerfläche ge⸗ hört, gewählt worden, und durchaus in reichen Leu⸗ ten besteht, da keiner hereinkommen kann, der weniger als 1000 Franken Grundstexer zahlt. Es ist jetzt viel von einer Abänderung dieser Wahlein⸗ richtung die Rede, und man wird nicht in Abrede stellen können, daß die letzten Wahlen der Regierung und den Freunden der Ordnung und des Friedens be⸗ denklich haben erscheinen müßen, weil es einer Par⸗ thei, gleichviel ob durch ein Comité directeur oder durch andre Mittel, möglich geworden war, die Wah⸗ len auf ihre Freunde und Anhänger großentheils zu richten; eber insofern hier nur von dem Grundprin⸗ cip eines Wahlgesetzes „die Meistbegüterten, als die muthmaslichen Stützen der bestehenden Ordnung und der Ruhe, des Thrones und der gesetzmäßigen Frei⸗ heit, waͤhlen zu laßen und zu wählen“ die Rede ist, scheint es einer ernsthaften Erwägung zu bedürfen, ob jener Parthei nicht blos dadurch gelungen sey, auf die Wählenden einen Einstuß auszuüben, als ob in die⸗ sen die Besorgniß genährt worden, daß eine andre Parthei die Stabilität des Grund⸗-Eigenthumes durch Bekämpfung des Gesetzes wegen der Nationalgüter anzutasten im Begriff sey, und daß es zur Aufrecht⸗ haltung dieses Bestehenden gerade solcher Abgeordne⸗ ten bedürfe, von denen ein Widerstand gegen jene Maasregel gewiß erwartet werden könne. Wie dem aber auch seyn möge, so ist es nicht wahrscheinlich, daß man bei den bevorstehenden Abänderungen der Wahlvorschriften den Grundsatz „daß die Meistbegü⸗ terten den wesentlichsten Einfluß auf die Wahlen und in der Kammer selbst ausüben müßen“ aufgeben werde, weil durch sie die Möglichkeit einer neuen Revolution allein ausgeschloßen wird. Die Meistbeerbten sind im In⸗ tereße der Regierung, des Thrones und der bestehenden Gesetze, weil eine Veränderung der Dinge ihr Vermögern und ganzes bürgerliches Daseyn gefährdet. Englands Beispiel dient in diesem Augenblicke zum siegreichsten Beweise. Wiederum sind die Abgeordneten im Intereße der Meistbeerbten, von denen sie gewählt worden; denn auch sie können nur das Bestehende wollen. Eben so klar ist es, daß diese Abgeordneten auch in dem In⸗ tereße derer seyn werden, welche 200, 100 oder 50 Fr. Steuer bezahlen, weil alle diese das Bestehende wol⸗ len. Bei jeder Veränderung können sie nur verlieren, aber nicht gewinnen.

(Schluß folgt.)

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Aufsicht: von Staͤgemann. Reimersche Buchdruckerei

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Berlin, vom 15. Januar; Se. Majestät der König haben dem Fürsten zu Schwarzburg⸗ Sondershausen den schwarzen Adler⸗Orden zu verleihen geruhet.

Se. Königliche Majestät haben geruhet, den bisherigen Stadtgerichts⸗ Asseßor Klebs zu Königs⸗

I.

Nansidhhd8e* „vom 5. Januar. In der Sitzung der

Kammern der Abgeordneten vön gestern veranlaßte bei der Vorlesung des Protokolls der letzten Sitzung die Aufnahme der Bemerkungen des Herrn B. Constant über das Protokoll der Sitzung vom 246. v. M. eine Aeuserung des Ministers der auswärtigen Angelegen⸗ heiten, indem er aufmerksam machte, daß man nicht in den Irrthum des Herrn B. Constant verfallen möge, als ob derjenige Redner Recht habe, der das letzte Wort behalte. Dieses hatte wieder einige Aeu⸗ serungen der Herrn von Chäauvelin und Demar⸗

gay zur Folge, welche den Minister hart anklagten,

die Abgeordneten der dritten Reihe (die im letzten Jahre Gewählten) durch seine Rede vom 24. v. M. schwer beleidigt zu haben, indem er darin zu erkennen gab, daß sie durch den Einfluß einer Faktion gewählt worden. Er sagte nämlich „Eine Faktion ist vorhan⸗ den. Sie hat auf die Wahlversammlungen stark ein⸗ gewirkt. Dies ist ein Unglück, ein sehr großes Un⸗ glück, welchem für die Zukunft vorgebeugt werden muß. Denn ein solcher Einfluß ist mit einer freien Wahl unverträglich, und die Wahlen, so vortreflich sie seyn

mögen, müßen auf diesem Wege nicht erfolgen. Auch

zu dem besten, zu dem tugendhaftesten Mitbürger, der durch solche Mittel in die Kammer gelangt, darf man fagen: Sie sind gewählt; Sie haben ein Recht hier zu sitzen; Sie sind vollkommen würdig, Ihre Stelle hier einzunehmen und zu behaupten; aber daß derglei⸗ chen Macht besteht, unter deren Einfluß Sie hieher gekommen sind, das ist dennoch ein öffentliches Un⸗ glück.“ Der General Demargay legte diese Worte

zee Stuck. Berlin, den 15ten Januar 1820.

Zeitungs⸗Nachrichten.

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. ““ 88 1 berg in Preußen zum Stadt⸗Justiz⸗R

Stadtgerichte daselbst zu ernennen. 888

Daß der Titelbogen und die chronologische Uebersicht zur Gesetzsammlung des abgelaufenen Jahres 1819 erschis⸗ nen, davon werden die Intereßenten benachrichtigt. Berlin, den 15. Januar 1819. Koͤnigl. Pr. Debit⸗Komtoir f. d. Allgem. Gesetzssammlung.

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so aus, als habe der Minister gesagt:

Mann, der auf solche Art gewählt worden, müße sich schämen, in der Kammer zu sitzen.

Dieser Wortwechsel hatte keine weitere Folgen, un die Faßung des Protokolls ward genehmigt.

Nach dem Vortrage einiger Bittschriften, den der Bericht⸗Erstatter des Petitions Ausschußes hielt, legte der Finanzminister den Entwurf eines Gesetzes vor, welches die endliche Decharge der Erwerber und In⸗ haber von Nationalgütern zum Gegenstande hat. Es unterscheidet die Erwerbungen, die in Kraft der Ge⸗ setze vom 5. und 6. May 1802 oder früher gemacht worden, von den späteren. Die ersten bedürfen weiter keiner Quittung, als nur insofern die Grundstücke zu den Emigrantengütern gehören, in deren Beziehung das etwa rückständige Kaufgeld den ehemaligen Be⸗ sitzern dutch das Edikt vom 5. Detember 1814 über⸗ wiesen worden. In Beziehung auf die letzten soll eine allgemeine Nachweisung binnen Jahresfrist be⸗ kannt gemaäͤcht werden. Die Besitzer von Emigranten⸗ Gütern, die nicht auf dieser Nachweisung stehen, sind von allen Ansprüchen frei. Mit den späteren Erwer⸗ bern von Nationalgütern soll innerhalb zweier Jahre definitiv abgerechnet werden. Der Minister setzte die Rechtfertigungs⸗Gründe der Verordnung näher d& 1- einander.

Ihre Königl. Hoheit die Frau Herzogin von Or⸗ leans ist am 1. d. ven einem Prinzen glücklich ent bunden worden. Der König hat dem Neugebornen

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Herzog von Penthisvre beigelegt. Der Moniteur berichtet, daß die Untuhen in dee