1820 / 48 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Tue, 13 Jun 1820 18:00:01 GMT) scan diff

und nur, wenn er sie an den Stufen des Altars ge⸗ funden, habe ihn der Muth verlaßen, und habe er sich gefragt: thue ich Unrecht? oder hab' ich Recht? (Dies ist um so merkwürdiger, da er in seinem Ver⸗ höre auch die Verachtung aller Religion, an die er niemals geglaubt und die er niemals ausgeübt, laut bekannt hat.) Vornehmlich habe er seine Mordgedanken auf den Herzog von Berry gerichter, weil er diesen allein für den Stammhalter seines Geschlechtes ange⸗ sehen; dann habe er der Reihe nach erst den Herzog von Angouleme, dann Monsieur und zuletzt den König selest ermorden wollen; vielleicht hatte er es indes beim Herzoge von Berry bewenden laßen. Er empfinde auch seit dem Augenblicke seiner Ver⸗ haftung nicht die geringste Reue, ausgenommen das Bedauern, daß er mit dem Herzoge nicht zugleich die Anderen auch getroffen hätte; vielmehr betrachte er seine That als schön und tugendhaft, und laße sich in diesem Gedanken weder durch das Urtheit anderer Men— chen, noch durch die Religion, an die er, wie schon bemerkt, nicht glaube, irre machen. Mitgenoßen des Verbrechens habe er nicht, und die officielte Anklag⸗ Akte zeig auch, daß trotz aller Nachforschungen, sich gegen Niemand ein Verdacht der Theilnahme er⸗ geben hat, daß vielmehr Louvel bis jebt, unbescha⸗ det etwaniger künftiger . Se , als der allein Schuldige zu betrachten ist. Hein eoiches Bekenntnis eines fanatischen Verbre⸗ chers und solche Verstockung ist unstreitig ein höch st merkwürdiges, hoffenrlich in aller Zeit seltenes Akten⸗ Stück in der Geschichte der Menschheit. ““ Die sogenannt⸗liberalen Blätter äußern sich übri⸗ gens mit einer Art von Triumph, den sie über die Behauptungen der royalistischen Zeitungen davon ge⸗ tragen, daß nun officiell feststehe, daß Louvel keine Mitschuldigen habe.

Der Spruch des Assisen⸗Hofes gegen die verant⸗ wortlichen Herausgeber des Constitutionel, Censeur, der Renommée, des Courier, Independent, Aris⸗ tarque und der Bibliotheque historique (worunter vie Comte, Dunoyer, Etienne und Gevaudan find), wegen der von ihnen aufge⸗ nommenen Subskription zur Unterstützung der in Folge der Ausnahm⸗Gesetze etwa verurtheilen Per⸗ sonen, welcher dahinausgefallen, daß sie zu fünfzäh⸗ riger Gefängnis⸗ und zu einer Geld⸗Strafe von resp. 12000 und 6000 Fr. verurtheilt worden sind, scheint den Herausgebern und ihren Freunden sehr unerwartet

esen zu seyn. 1ℳ2nn, AüAusfall der Sitzung der Deputirtenkam⸗ mer in Betreff der von Camille Jourdan in Antrag gebrachten Verbeßerung der neuen Wahlorbnung, sind die vorgeblich liberalen Blätter gleichmäßig in Erstaunen und Entrüstung gesetzt, und wenn man ihnen glauben wollte, das gesammte Publikum desgleichen; sie fürch⸗ ten, wie der Konstitutionel unverholen zu erkennen giebt, daß das Verwerfen der Camilte Jourdanschen Verbeßerung ein Vorläufer der Annahme des ganzen ministeriellen Entwurfes sey. Dies Resultar, sagt eben dieses Blatt, hat unsere Erwartung getäuscht. Wenn Männer, die dem Vaterlande und Könige gleiche Be⸗ weise von Ergebenheit gegeben, und deren Talente, Er⸗ fahrung und Rechtlichkeit Niemand in Zweifel zieht; wenn solche Männer Maasregeln in Vorschlag bringen, die den Zweck, Sicherheit des Thrones und Erhaltung der Freiheit, auf gleiche Weise befördern: konnte man denken, daß solche Maasregeln von den Depulirten der Nation verworfen werden würden? Die Frage ist doch einfach diese: die Minister wollen im Widerspruche mit der Charte zwei Grade der Wahl ein uüͤhren, Ca⸗ mille Jordan, im Einverständniße mit der Charte, sucht das Princip der direkten Wahl aufrecht zu er⸗ halten, und gleichwol wird sein Vorschlag zurückge⸗ wiesen. Doch giebt der Konstitutionel noch nicht alle Hoffnung in der Hauptsache auf; er meint nur, daß es den Ministern durch Anwendung aller ihrer

Kräfte und Künste, durch ihre Protestationen und

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Argumente gelungen sey, einige Deputirte des Cen⸗ trums zu täuschen, daß sie selbst aber sich einer gefähr⸗ lichen Täuschung überließen und nicht ruhig bedächten, wohin ihre retrograden Schritte sie gegen ihren Wil⸗ len führen könnten, und schließt dann mit folgender Deklamation: „Alle Franzosen wohnen diesen großen Debatten bei, sie blicken mit Bangigkeit auf ihr dar⸗ an geknüpftes Schicksal, sie haben die Reden der Patrio⸗ ten vernommenz noch hoffen sie und verzweifeln nicht.“

In einem ganz anderen Tone äußern sich dagegen die royalistischen Blätter, und besonders verspottet das eigentlich ministerielle Journal de Paris das Treiben der sogenannten Liberalen, und berührt dann noch die Sce⸗ nen, worin der Deputirte Marq. Chauvelin, bekannt⸗ lich einer der eifrigsten Redner der linken Seite, bei dieser Gelegenheit eine Rolle gespielt. Chauvelin, seit lan⸗ ger Zeit krank und dadurch abgehalten den Verhandlun⸗ gen über das Wahlgesetz beizuwohnen, hatte sich in einer Sänfte in die Versammlung tragen laßen und kam gerade, von zwei andern Deputiten geführt an, als eben über die Priorität dee Camilt⸗ Jourdan⸗ schen Verbeßerung abgestimmt wurde. Schnell unter⸗ richtet über den Gegenstand, wollte er die Tribune besteigen, als mehre Stimmen besorgt für seine Ge⸗ sundheit riefen, daß man die Urne und die Kugeln ihm nach seinem Sitz hinreiche, worauf er eine weihzt Kugel in die Urne warf. Im Momente, als sich nun die Priorirät für Camille Jourdan durch die Mehrheit Einer Stimme ergab, sturzten sogleich ale Deputirte der linken Seite auf Chauvelin zu, um ihm ihren Dank für seinen seiner Gesuncheit nict sconenden Eifer zu bringen. Von vieten jungen Leu⸗ ten mit frohlockendem Zuruf begleitet, wurde er so⸗ dann wieder nach Hause geiragen. Zum Kontraste mit dieser Scene erzählt das Journal de Paris, wie stiu und mit zugemachen Vorhangen, als Zeichen der Trauer, Herr von Chauvelin nach der Sitzung, in welcher die Camille Jourdansche Verbeßerung ver⸗ worfen worden, und zu welcher er sich abermals in einer Sanfte hätte bringen laßen, weggetragen sey.

Ohne Zweifel ist wol nur der klaren Darsleh⸗

lung bes Sachverhältnißes und der ruhigen Entwict⸗

lung des egenstaͤndes und aller dabei für und wider zur Sprache gekommenen Fragen durch den Siegelbewahte de Serre der Sieg der Minister bei dieser Gelegenheit hauptsächlich zuzuschreiben. Diese Auseinandersetzung ist indes viel zu lang, um hier aufgenommen werden zu können, und einen Auszug erlaubt sie nicht. Sie en⸗ regte nicht blos für ihren Inhalt, sondern auch für die Person des Redners Intereße; denn da er wäh rend seines Vortrages sichtbar ermattete, zeigte sich überall die theilnehmendste Bewegung, und es wurze ihm ein Stuhl gebracht, auf welchem er eine Weile ruhete und dann sich wieder erhob und fortfuhr.

Alle Pariser Theater haben gegen die Eröffnumg eines neuen unter dem Namen eines Gymnast dramatique, eine Protestation eingereicht, und der Staatsrath hat diese Protestation den Unternehmen des Neuen zur Beantwortung zufertigen laßen.

Ein Polizeikommißair hat bei einem gewißen Ve⸗ lois ein großes Felleisen voll Papiere und Brochürc gefunden und der Prafektur zum Depot überlieferg wo schon Untersuchung deshalb stattgefunden.

Spanien. Am 15. April ging, nach einer Fahl⸗ von einem Monate, ein Schiff von Corunna im Ha⸗ fen von Havanna vor Anker, und brachte die Nach⸗ richt mit, daß der König die Verfaßung angenommen,

Zu Saragoßa ist der Erzbischof seiner Haͤft zwal entlaßen, sein Pallast aber forrwährend mit Trup⸗ pen umstellt und die Ausgänge desselden nach denm Ebro zu sogar vermauert worden. Oer Marquis de Lazan, Bruder des bekannten Palafox, ist nag Madrid gegangen, um von seinem Betragen Rechen⸗ schaft abzulegen

Mehre Nonnen kommen mit Bittschriften ein, um

pletirt.

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ihres ihnen in frühster Jugend aufgedrungenen Klo⸗ stergelübdes entbunden zu werden.

Einem königl. Dekrete zufolge müßen Waisen⸗ Mädchen, welche aus öffentlichen Fonds ihre Aussteuer erhalten haben, vorzugsweise sich mit Soldaten, die auf dem Felde der Ehre verwundet worden, verheurathen.

Fast überall verhält sich hinsichtlich der Geistlichen und Layen die Zahl derjenigen, welche zu Wählern der Cortes gewählt werden, wie 7 zu 2.

Die Lorenziner, welche, jedoch vergeblich, auf die Absetzung des Kriegsministers drangen, werden Ultra⸗ Liberales genannt und haben, in dem Klubb St. Se⸗ bastian, eine mächtige Opppositionsparthei gesunden. Den bei der neuen Staatsanleihe betheiligten Gläubigern werden 10 Procent Zinsen zugestanden. Vom Patriotismus der Nation erwartet man indeßen, duß die benöthigte Summe zu 5 Protent Zinsen zu⸗ sammen kommen werde.

Großbritannien. Der Marquis von Lands⸗ down trug, zur Emporbringung des gegenwärtig so sehr gesunkenen Handels mit dem Auslande, auf mög⸗ lichste Aufhebung aller Handelsbeschränkungen, auf die Ertheilung der Erlaubnis an fremde Schiffe zu Ein⸗ führung Europäischer Produkte in Englische Häfen, auf die gänzliche Freigabe des Transttohandels, auf Herabsetzung des Zolles von Französischen Weinen, auf die von den Spanischen und Portugiesischen zu erhe⸗ benden Sätze und auf Verminderung des Zolles von den eingehenden Seidenwaaren an. Hinsichtlich des Handels nach Ostindien beschwerte sich der Marquis über die, der Ostindischen Kompagnie zustehenden, den, letzterer nicht gehörenden, Englischen Schiffen äußerst nachtheiligen Privilegien, und bat um Ernennung ei⸗ nes Ausschußes zur Erhaltung und Unterstützung des Handels von Großbritannien. Dieses Gesuch ward

gewährt, und der Marquis selbst zum Präsidenten

des Auschußes ernannt. Der Abreise des Herrn Brougham nach Frank⸗ reich legt man die Absicht unter, die Königin Maje⸗

stät nach England zu begleiten.

Das große Fallißement der Häuser Roche und Les⸗ lie zu YVork hat in Dublin, Limerick und selbst in London bedeutende Stockungen in mehren kaufmän⸗ nischen Geschäften veranlaßt.

Die Subskription zur Fundirung der 7 Millionen

Schatzkammerscheine ward auf der Londoner Bank an dem dazu bestimmten Tage in wenig Minuten kom⸗ N. M. Rothschild allein unterzeichnete mit 1,700,000 Pfd.; in die übrigen 5,500,000 Pfd. theilten sich noch neun große Handelshäuser⸗

Herr Holme Sumner trug im Unterhause, auf die Untersuchung, des bestehenden für den auswärti⸗ gen Getraidehandel sehr wichtigen Korngesetzes an, und äußerte die Meinung, daß ein höheres Maximum

es Preises anzunehmen sey, um die Einfuhr aus fremden Häfen zu verhüten. Noch langen Debatten ging dieser Vorschlag mit einer Mehrheit von a9 Stim⸗ men durch; indeßen ward die Sitzung auf Veranlaßung des Lord Castlereagh aufgehoben und die Debatte über diesen Gegenstand dem folgenden Tage vorbehal⸗ ten wo denn das Resultat sich nur auf Anordnung einer Untersuchung der Unterschleife beschränkte, welche bei Angabe der Durchschnittpreise in den Seedistrik⸗ ten stattgefunden haben sollen. Das Korngesetz selbst blieb unverändert

Lord Castlereaghs Vorschlag, die Fremden⸗Akte äauf 2 Jahre zu verlängern, ward genehmigt. Bei den gegenwärtigen Verhältnißen, sagte der Loro in der Rede, mit der er den desfalsigen Antrag begleitete,

und bei der übertriebenen Sucht, Revolurionen und

Umwälzung der guten Ordnung zu bewirken, halrte er es für sehr unweise, sich gaͤnzlich der Kontrolle über die Fremden zu begeben, welche wohl geneigt sehn könnten, Antheil an den Machinationen der Ruhestö⸗ rer zu nehmen, oder die Englische Regierung mit an⸗ deren zu kompromittiren.

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Daͤnemaek,

nommenen Gradmeßung halber wird der Prof. Schu⸗ macher sich nach dem Schleswigschen begeben, und dann diese Meßung, über Skagen, in den Hanböver⸗ schen Landen, mit Bewilligung der dortigen Regierung, fortseten.

Königreich der Niederlande. Die zweite Kammer der Generalstaaten hat die Gesetz⸗Entwürfe wegen der Amtsverrichtungen der Justiz und wegen Organisirung des obersten Reichsgerichtes verworfen, weil darin weder Ordnung noch Zweck zu finden sey, weil die Gesetzbücher des peinl. und bürgerlichen Rech⸗ tes der Kammer erst bekannt seyn müßten und die rich⸗ terliche Macht nicht mit der hinreichenden Selbststän⸗ digkeit begründet sey, indem die Richter lediglich vom Justizministerium abhangig gemacht wärden.

Hanover. Bereits im bevorstehenden Herbste wird mit dem Bau der Kunststraße von Celle nach Har⸗: burg der Anfang gemacht werden.

Der Oekonomierath D. Meyer ist als Physio⸗ graph angestellt, und ihm die Untersuchung und Be⸗ schreibung der vegetabilischen Produkte des Königrei⸗

ches übertragen worden.

öln. Die Schiffahrt ist jetzt hier nicht unbe⸗

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deutend, im April kamen 462 beladene Fahrzeuge an,

und 380 gingen ab. Der Preis des Rüböls und des wegen seiner vorzüglichen Güte sehr gesuchten 18191. Rheinweines ist fortwährend im Steigen.

Durch den Königlichen Befehl, daß der Weihbischof Freiherr Droste zu Vischering zur Ertheilung der Weyhe nach Köln kommen solle, sinb den Ordinanden die großen Kosten der Reise nach Münster erspart, und ist daher diese wohlthätige Anordnung von Seiten der hiesigen Einwohner mit dem lautesten Danke auf⸗ genommen worden.

Stettin. Wenn der Wunsch mehrer Stettiner Kaufleute, die erste Preußische See⸗Aßekurang⸗Kom⸗ pagnie auf Aktien zu bilden, in Erfüllung geht, der Swinemünder Hafenbau beendigt ist, und oie Ausfuhr von Getraide, Wolle und Holz sich mehr hebt: so ist dem hiesigen Handel eine recht erfreuliche Zukunft zu versprechen. Gedachter Hafenbau ist unbezu eifelt von gutem Erfolge; das Seewaßer hat sich in seiner Höhe von 8 bis 9 Fuß erhalten und ist durch den neuen Bau fester als vordem, wo es zum Naͤchtheile der Schif⸗ faͤhrt öfters wechselte. Zur Wegräͤäumung der Un⸗ tiefen in der Oder wird der Dampfdagger mit großem Vortheil gebraucht; mit dem Handbagger die Schacht⸗ ruthe Moder herauszubringen, kostete sonst 3 Rthlr. 17 Gr.; jetzt betragen die Kosten dieser, in weit schnelle⸗ rer Zeit bewirkten Arbeit nur 1 Rethlr. 25 Gr.

Hei der Zusammenziehung der Landwehr ersten Auf⸗ gebots stellten sich an allen Sammel⸗Plätzen, mehr Landwehrmänner, als angenommen werden konnten; unstreitig der sprechendste Beweis der Anhänglichkeit Pommerns an das neue Militairsystem, des guren Gei⸗ stes der im Volke lebt, und des Anrheils an dem glück⸗ lichen Ereigniße, Se. Maj. den König in der Pro⸗ vinz zu sehen. 1.“

Naugard. Am 15. May ward hier die Straf⸗ und Betzerungsanstalt eröfnet. 88 Bangefangene aus Stettin und Kolberg wurden eingeliefert, und die Sträf⸗ linge aus den Zuchthäusern zꝛu Seettin, Kolberg und Staͤrgard werden in kurzem nachfolgen. Möge dies Institut das seltene Pradikat der Beßerungsan

stalt im vollsten Umfange mit der Zeit verdienen.

Posen. Es ist in einigen Gegenden der Provinz

das Gerücht entstanden, daß zwei Kreise derselben ge⸗ gen zwei andere mit dein Königreiche Polen vertauscht werden sollten. Dies Gerücht ist eine leere Ersindung.