1829 / 120 p. 1 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

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1111121414A4“*“ Pairs⸗Kammer. Sitzung vom 22. April. Die Art. 8, 9, 12, 16 und 18 des Militair⸗Straf⸗Gesetzbuches, welche Tages zuvor nochmals der Commission uͤberwiesen worden waren, wurden angenommen. Die Art. 22. bis incl. 27 gaben zu einer weitlaͤuftigen Discussion Anlaß, in deren Laufe sich 19 Redner, worunter die Minister des Krieges und des oͤffentlichen Unterrichts, vernehmen ließen. Die Art. 22 und 27 wurden angenommen und die Art. 23, 24, 25 und 26 auf's Neue der Commission zugestellt. Aeußerlich vernimmt man uͤber diese Sitzung, daß ein Vorschlag des Grafen von Kergariou, wonach die Verur⸗

Strafe mit der Kugel die Unfaͤhigkeit zum fer⸗

neren Militair⸗Dienste nach sich ziehen soll, angenommen worden ist. Das Minimum dieser Strafe wurde, dem An⸗ trage der Regierung gemaͤß, auf 3 Jahre festgesetzt. 2

Deputirten⸗Kammer. In der Sitzung vom 22. April wurden, nachdem der Praͤsident eine von Herrn Voyer d'Argenson, nach der Vorlesung des Protokolls ge⸗ fuͤhrte, ehen so unerhebliche als ungegruͤndete Beschwerde uber einen Mangel in der Form bei einer Abstimmung in der vorhergehenden Sitzung zuruͤckgewiesen hatte, die Bera⸗ thungen uͤber den Gesetz⸗Entwurf wegen Dotation der Pairs⸗ Kammer fortgesetzt. Der Tages zuvor angenommene tiste Artikel ersetzt (wie bereits gestern erwaͤhnt) den 1sten, 6ten und Sten des urspruͤnglichen Entwurfs. Der 2te Artikel dieses Entwurfes lautet, wie folgt: -

„Art. 2. Diese Renten sind unveraͤußerlich und auf den Erben der Pairswuͤrde uͤbertragbar, jedoch blos fuͤr den Fall, wo dessen Privat⸗Vermoͤgen keinen reinen Er⸗ trag von 30,000 Fr. darbietet.“

Die Commission hatte dagegen folgende Abfassung vor⸗ geschlagen: gesch gagrt 2. Die Pensionen, deren die im vorigen Artikel be⸗ zeichneten Pairs genießen, koͤnnen, bis zur Hoͤhe von 10,000 Fr. eine jede, nach der Folge der Erstgeburt, in gerader, maͤnn⸗ licher und rechtmaͤßiger Linie, auf deren ersten Erben uͤber⸗ tragen werden, ohne daß also Diejenigen, deren beide Vorgaͤn⸗ ger eine Pension bezogen haben, Anspruch darauf machen koͤnnen“ er General Lamarque hatte statt dessen ein anderes Amendement folgenden Inhalts vorgeschlagen, das die Art. 2, 3, 4 und 5 der Commission ersetzen sollte: „Die Pensio⸗ nen, deren die im vorigen Artikel bezeichneten Pairs genie⸗ ßen, sind nicht uͤbertragbar und erloͤschen mit dem Tode der jetzigen Inhaber.“ Herr Béranger war mit einem aͤhn⸗ lichen Amendement hervorgetreten, erklaͤrte jedoch, daß er sich dem des Generals Lamarque anschloͤsse. Dieser wurde hierauf zur Entwickelung seines Vorschlages auf die Rednerbuͤhne berufen. Nachdem er denselben hauptsaͤchlich durch die Nothwendig⸗ keit begruͤndet hatte, das Geld der Steuerpflichtigen, das diese im Schweiße ihres Angesichtes verdienen muͤßten, nicht ohne Noth zu verschwenden, stellte er einige Betrachtungen uͤber die Behauptung des Finanz⸗Ministers an, daß man den Pairs die erforderlichen Mittel an die Hand geben muͤsse, ihr Ansehn zu behaupten. „Sind wir denn,“ fragte der edner, „so tief gesunken, daß sich Achtung und Ansehn nur um Gold erwerben lassen? Soll Fortunas Tempel fuͤr luns Das seyn, was den Roͤmern der Tempel der Tugend war? Muß man jenen betreten, um zu dem Tempel des Ruhmes zu gelangen? Und glaubt man denn wirklich, die Alnabhaͤngigkeit eines Pairs dadurch zu sichern, daß man ihm das Gehalt eines Schweizer⸗Obersten anweis't? Die Unabhaͤngigkeit liegt mehr in dem Charakter des Menschen, als daß sie aus der haͤuslichen Lage desselben entspraͤnge. Es

giebt ein anderes Mittel um der Pairs⸗Kammer zu verschaffen. Man betrachte dieselbe nicht mehr als einen Sicherheitshafen fuͤr alle schiffbruͤchige Minister, diese moͤgen sich nun den Dank oder den Fluch der Nation erworben ha⸗ ben; man verfuͤge nicht mehr aus elendem Ei ennutze Pairs⸗ Aushebungen in Masse, die, waͤhrend sie die ahl der Pairs vermehren, die moralische Kraft derselben nur vermindern, das Gleichgewicht zwischen beiden Kammern stoͤren und uns eine Zukunft bereiten, die dem Throne wie den Volksfreiheiten gleiches Verderben droht. Die Pairs⸗Kammer aber wird sich selbst am meisten Achtung verschaffen, wenn sie, ihren Traditionen treu, das ruͤhmliche Ziel des allgemeinen Besten stets im Auge behaͤlt und sich durch Vaterlandsliebe und Uneigennuͤtzigkeit als die wuͤrdige Nacheiferin der Deputir⸗ ten⸗-Kammer zeigt.“ Herr v. Chantelauze und der Graf v. Sesmaisons stimmten gegen, Herr Salverte und Hr. Crignon⸗Bonvallet fuͤr das Amendement. „Was haben,“ fragte dieser Letztere, „die Waͤhler uns besonders empfoh⸗ len, als sie uns in diese Kammer schickten? Ersparnisse, da das Volk von den Abgaben erdruͤckt wird, die Weinbauer an manchen Orten des Nothduͤrftigsten entbehren, und eine große Anzahl von Arbeitern, in Folge des Stillstandes der Manufacturen, brod⸗ los sind. Und bei so vielem Elende wollten wir dem Lande unnuͤtzerweise noch neue Lasten aufbuͤrden? Die Pairie be⸗ darf der Reichthuͤmer nicht, um sich Ansehen zu verschaffen; sie erhaͤlt dasselbe durch ihre eigene hohe Wuͤrde.“ Nach⸗ dem noch der Berichterstatter seine Meinung uͤber die Sache abgegeben und sich fuͤr die Antraͤge der Lommission entschieden hatte, wollte der Praͤsident uͤber das Amende⸗ ment des Generals Lamarque abstimmen lassen; allein der Finanz⸗Minister verlangte zuvor noch das Wort. „Ich muß,“ aͤußerte er, „der Kammer eine Bemerkung machen, die ich fuͤr sehr nothwendig halte. Das in Rede stehende Amen⸗ dement ist naͤmlich von der Art, daß wenn es angenommen wird, die Kammer weder uͤber die andern 8 oder 9 Amende⸗ ments, noch uͤber den Artikel selbst weiter zu berathschlagen hat. (Stimmen zur Linken: „Desto besser! so wird das Gesetz zuruͤckgenommen.“) Dem Gesetz⸗Entwurfe nach sollen die den Pairs bewilligten Pensionen uͤbertragbar, nach dem Amendement des Generals Lamarque aber sollen sie es nicht seyn. Wird dieses letztere angenommen, so fällt dadurch der ganze 2te Artikel unseres Entwurfes von selbst weg; es scheint mir daher natuͤrlicher, vorher zu untersuchen, ob die Pensionen im ersten, zweiten oder dritten Grade uͤber⸗ tragbar seyn sollen, und sich dann erst mit dem Amendement des Hrn. Lamarque zu beschaͤftigen.“ Herr Salverte wi⸗ dersetzte sich diesem Antrage. Nach einigen Bemerkungen des Ministers des Innern ließ der Praͤsident uͤber das gedachte Amendement abstimmen; zwei Abstimmungs⸗Versuche blieben zweifelhaft, da einige Mitglieder des rechten Cen⸗ trums mit der linken Seite, und dagegen wieder mehrere Mitglieder des linken Centrums mit der rechten Seite stimm⸗ ten. Es mußte daher zum Namens⸗Aufrufe geschritten wer⸗ den, worauf der Vorschlag des Generals Lamarque mit 173. gegen 161, also nur mit einer Majoritaͤt von 12 Stim⸗ men, verworfen wurde. Dieses Resultat des Seruti⸗ niums erregte eine lebhafte Sensation. Die Ver⸗ sammlung kam hierauf jauf das obige Amendement der Commission zuruͤck, wozu die Herren von Formon und von Charencey, als ein Unter⸗Amendement, den Vorschlag gemacht hatten, die Pensionen auf den ersten na⸗ tuͤrlichen Erben, oder falls die Uebertragung der Pairs⸗ Wuͤrde mittelst Koͤniglicher Verordnung bereits verfuͤgt seyn sollte, auf den von dem Monarchen eingesetzten Nachfolger zu uͤbertragen. Die dieses Amendements erregte großes Murren auf der linken Seite; zwar trat der Finanz⸗ Minister zu Gunsten desselben auf, als es indessen daruͤber zur Abstimmung kam, wurde dasselbe mit großer Stimmen⸗

Achtung