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dent Graf Capodistrias Maaßregeln ergreift, um der von den drei hrozen Maͤchten beschlessenen Ordnung der Dinge entgegen zu wirken u. s. f. Es ist gewiß, daß die Intri⸗ auen dieses Individuums nicht von dauernden Folgen eyn koͤnnen u. s. w.“⸗ Dieser eben so unschickliche als verlaͤumderische Artikel kann nur von Feinden Griechenlands herruͤhren, und ich erwarte von Ihrer Unparteilichkeit, mein Herr, daß Sie dem gegenwäaͤrtigen Schreiben einen Platz in Ihrem Blatte goͤnnen werden. In ganz Europa steht, ich darf es sagen, Niemand in genauerer Verbindung mit Griechenland, als ich; seit sechs Jahren beschaͤftige ich mich ausschließlich mit diesem ungluͤcklichen Lande, folge seiner Entwickelung Schritt vor Schritt, und meine haͤufige Kor⸗ respondenz mit dem Praͤsidenten, so wie mit einigen Grie⸗ chischen Chefs und Philhellenen setzen mich in Stand, uͤber die dortigen Vorfaͤlle genauen Bericht zu ertheilen. Ihre authentischen Berichte sind aus der ersten Woche des Februar datirt, die meinigen reichen bis zu Ende desselben Monats, und die Thatsachen, welche ich uͤber das Verfahren des Grafen Capodistrias anfuͤhren werde, sollen die Verlaͤumdungen widerlegen. Der Mann, den man auf eine so unschickliche Weise dieses Individuum nennt, hat seit seiner Ankunft in Griechenland bei den christlichen Maͤchten unaufhoͤrlich darum nachgesucht, seinem Vaterlande eine unabhaͤngige Existenz unter einer monarchischen Regie⸗ rung zu gewaͤhren. Die politischen Verhaͤltnisse Europa’s haben die⸗ sen Beschluß zwei Jahre lang verzoͤgert, und eine provisorische Re⸗ gierung, welche stets dem Gedeihen und der Organisation eines Sraats hinderlich ist, mußte in Griechenland bestehen. Folgendes ist eine Uebersicht der Resultate, welche der große Mann, den man so ungerecht behandelt, dessenungeachtet waͤhrend einer zweijaͤhrigen Verwaltung zu Stande gebracht hat. Bei seiner Ankunft verrschte allenthalben chaotische Verwirrung und Elend. Die erste That seiner Regierung war die gaͤnz⸗ liche Ausrottung der Seeraͤuberei. Die Pest war so eben ausgebrochen und im Begriff, die ganze Bevoͤlkerung vol⸗ lends zu vernichten; aber die weisen Maaßregeln, welche der Praͤsident im Einverstaͤndniß mit dem Chef der Franzoͤsischen Armee ergriff, beseitigten diese Geißel. Graf Capodistrias errichtete selbst die Sanitaͤts⸗Cordons und besuchte die von der Pest heimgesuchten Ortschaften. Einnahmen waren entweder gar nicht vorhanden, oder sie waren verschleudert worden. Die Wachsamkeit und Rechtlichkeit des Praͤsidenten that diesen Unord⸗ nungen Einhalt, und das verwuͤstete Griechenland hat im Jahre 1829 fuͤnf Millionen Fr. Einkuͤnfte gehabt. Sechs Jahre des Krieges und des Ungluͤcks hatten allen Unterricht zerstoͤrt; jetzt besteht fast in jedem Dorfe eine Schule des wechselseitigen Unterrichts; die kleine Insel Aegina allein zaͤhlt 22 Elementarschulen, eine Normalschule und ein großes Wai⸗ senhaus. — Die regelmaͤßigen Truppen, deren Organisirung Oberst Fabvier begonnen hatte, bestehen jetzt in 5000 Mann, die gut disciplinirt sind und von ausgezeichneten, erfahrenen Offizieren befehligt werden. Die undisciplinirten Rumelio⸗ ten, welche 14,000 Mann stark waren, sind auf 8000 Mann vermindert, und begehen keine Unordnungen mehr. Alle Doͤrfer waren zerstoͤrt, und das unbebaute Land vermochte seine Bevoͤlkerung nicht zu ernaͤhren. In diesem Jahre ent⸗ stehen uͤberall neue Wohnungen, ein großer Theil der Laͤnde⸗ reien wird bebaut, und die naͤchste Aerndte wird fuͤr den Be⸗ darf der Bewohner hinreichen. — Seit der Ankunft des Grafen Capodistrias haben die Griechen den Golf von Le⸗ panto, Missolunghi und den ganzen noͤrdlichen Theil, welchen die Maͤchte dem neuen Staate einverleiben, wieder erobert. llle Reisenden, welche Morea besucht haben, sie moͤgen Eng⸗ „Franzosen, Amerikaner oder Deutsche seyn, loben uͤbereinstimmend die Verwaltung des Praͤsidenten und er⸗
thentische Berichte aus Griechenland melden, daß der Praͤsi⸗
zaͤhlen von der Achtung und Anhaͤnglichkeit des Volks fuͤr
seine Person, so wie von den schnellen Fortschritten dieses Landes. Die Verbesserungen sind in den beiden letzten Jah⸗ ren Monat fuͤr Monat in geometrischer Progression vorge⸗ schritten. Und dies Alles ist unter einer provisorischen Re⸗ gierung, mit unzureichenden Mitteln, und mitten unter Fein⸗ den und Intriguen, geschehen. Dies ist der Mann, den man auf so ungerechte Art zu verlaͤumden sucht, indem man sagt, er suche der von den drei Maͤchten beschlosse⸗ nen Ordnung der Dinge entgegen zu wirken. — Ich weiß zuverlaͤssig, daß der Graf Capodistrias, obgleich er von den in London getroffenen Anordnungen noch nicht auf offi⸗ ziellem Wege benachrichtigt ist, seit mehreren Monaten sei⸗ nen ganzen Einfluß anwendet, um die Keime der Unzufrie⸗ denheit zu unterdruͤcken. Graf Capodistrias hat selbst die monarchische Regierung als angemessen fuͤr Griechenland be⸗ trachtet, weil dieselbe seinem Vaterlande einen allgemeinen
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Schutz gewaͤhre und mit allen Europaͤischen Staaten mehr im Einklang stehe. Graf Capodistrias ist es, dem man die Ruhe des Landes verdankt; er hat durch eine weise und strenge Verwaltung den Parteigeist unterdruͤckt und zwei lange Jahre hindurch gegen die zahllosen Schwierigkeiten, welche durch die Feinde Griechenlands veranlaßt wurden, ge⸗ kaͤmpft, wodurch die Maͤchte Zeit erhielten, sich zu verstaͤn⸗ digen und ihre wohlwollenden Absichten gegen dieses ungluͤck⸗ liche Land zu erfuͤllen. Der Achtung, welche der Praͤsident dem Volke fuͤr eine regelmaͤßige Regierung einzufloͤßen gewußt hat, wird man die Aufnahme zu verdanken haben, welche der neue Sou⸗ verain bei den Griechen finden wird. In dem Artikel, dem zu antworten ich ein Beduͤrfniß in mir fuͤhlte, liegt also boͤser Wille und Unredlichkeit, und ich glaube, daß diese meine freimuͤthige Erkloͤrung in dem Interesse Griechen ⸗ lands, seines kuͤnftigen Herrschers und, ich wage hinzuzufuͤ⸗ gen, sogar in dem Interesse der Maͤchte liegt, welche den neuen Staat konsolidirt haben.“ — Am Schlusse seines Schreibens beruft sich Herr Eynard in Bezug auf sein Lob⸗ der Verwaltung des Praͤsidenten Capodistrias auf das Zeug⸗ niß des Marschall Maison, des Obersten Fabvier, der Herrn Bory de St. Vincent und Quinet, Mitglieder der wissen⸗ schaftlichen Expedition, des Mar uis von Beaufört, des Amerikaners King, und des Engülschen Reisenden Barker
Berlin, 4. April. Der Direktor Dr. Meine den 7ten d. M. angesetzten Pruͤfung saͤmmtlicher Klassen des Koͤnigl. Joachimsthalschen Gymnasiums hierselbst durch ein La⸗ teinisches Programm (Quaestionum scenicarum speëimen ter- tium) eingeladen, in welchem derselbe die Geschichte derjeni⸗ gen Attischen Dichter entwickelt, welche der sogenannten mitt⸗ leren Komoͤdie angehoͤren. Zur Einleitung dient eine in ge⸗ draͤngter Kuͤrze entworfene Geschichte der Bestrebungen und Leistüngen derjenigen Kritiker des Alterthums, welche sich um die Erlaͤuterung der komischen Literatur bei den Grie⸗ chen verdient gemacht haben. Hieran schließt sich nun, als Fortsetzung zweier schon fruͤher erschienener Abhand⸗ lungen desselben Verfassers, die Geschichte der mittle⸗ ren Komoͤdie, in welcher sowohl die Lebensverhaͤltnisse und Dramen der einzelnen Dichter kritisch gesichtet, als auch der poetische Character derselben, so viel dies bei den oft
nur unbedeutenden Ueberresten ihrer Werke und bei den spaͤr⸗ 8
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lichen Nachrichten der Alten daruͤber geschehen konnte, naͤher bestimmt wird. — Aus den im Anhange zu dieser Einlͤa-⸗ dungsschrift befindlichen statistischen Notizen entnehmen wir Folgendes: Die gesammte Schuͤler⸗Zahl betraͤgt jetzt am Schlusse des Schul⸗Jahres 395, von welchen 36 der Prima, 54 der Secunda, 44 der Ober⸗Tertia, 61 der Unter⸗Tertia, 92 den beiden Quarta⸗Klassen, 62 der Quinta, und 28 der 8 Sexta angehoͤren. Einen schmerzlichen Verlust erlitt die An⸗ stalt im Februar d. J. durch den Tod eines ihrer verdiente⸗ sten Lehrer, des Professor Kaunnegießer. 9. — Die Sing⸗Akademie fuͤhrte heute in den Mittagsstun⸗
den die Bachsche Passions⸗Musik vor einem zahlreichen em⸗ 8
Hoͤchst erhebend war es, die
pfaͤnglichen Publikum auf. das wir
Krͤfte des Insttitus zu dem großartigen Werke, bereits fruͤher von demselben gehoͤrt haben, wieder vereinigt zu sehen. In der Besetzung hatten einige Veraͤnderungen stattgefunden; fehlte auch die geniale lebendige Leitung der ersten Auffuͤhrungen, so war doch auch die heutige eine wuͤr⸗ dige Feier des großen Kunstwerkes zu nennen. 88 2+ Das Oberwasser der Spree ist in vergangener Nacht 3 Zoll, das Unterwasser 1 Zoll gefallen, und ist der Wasser⸗ stand jetzt am Ober⸗Pegel 13 Fuß und am Unter⸗Pegel 10 Fuß 6 Zoll. Im Landwehrgraben ist das Wasser um 1 Fuß J Zoll gefallen, wonaͤchst auch das in der Wilhelms⸗, Frie⸗ drichs⸗ und Lindenstraße gestandene Wasser abgelaufen ist. MNur der Platz Belle⸗Alliance ist noch immer nicht ganz frei davon. 8 — Freitag Abend in der 10ten Stunde wurde hier ein mehrmaliges ziemlich starkes Wetterleuchten bemerkt. 8 — Nachrichten aus Marienwerder vom 31. Maͤrz zu-⸗ folge hat sich der Wasserstand im Weichselstrom bereits um 2 Fuß 1 ¾ Zoll vermindert, und ist fortwaͤhrend im Fallen. Eine Gefahr fuͤr die Deiche seyn.
und das Wasser der Oder am Unterpegel nur 5 Zoll hoch steht. gestellt, theils fuͤr die Herstellung die noͤthige Sorge getragen.
Bei der Malapane lind die Verwuͤstungen verhaͤltnißmaͤßig
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noch 11 Fuß
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auͤm bedeutendsten. An mehreren Orten hat, um Hungers⸗ Noth und Lebens⸗Gefahr vorzubeugen, fuͤr die vom Wasser Bedraͤngten eine Unterstuͤtzung an Lebensmitteln eintreten muͤssen.
Das Maͤrzheft der Jahrbuͤcher fuͤr wissenschaft— liche Kritik enthaͤlt in seinen drei letzten Nummern einen zußerst anziehenden Aufsatz von Goethe uͤber die Monat⸗
schrift des Boͤhmischen Museums, auf den wir unsere Leser aufmerksam machen. Der dem Lande Boͤhmen, seinen fruͤ⸗ heren und jetzigen Zustaͤnden, seinem Natur⸗ und Geistin— halte hier gewidmete Ueberblick ist eben so reich an Sachen, als an Beziehungen und Verknuͤpfungen der eigenthuͤmlich⸗
en Art. Dem eben begonnenen Aprilhefte der Jahrbuͤcher ent⸗ lehnen wir nachstehende, von dem Hrn. Geh. Legations⸗Rath Varnhagen von Ense (aus dessen gediegenen Aufsaͤtzen in der enannten Zeitschrift wir bereits fruͤher Einiges mitgetheilt haben) verfaßte gedraͤngte Anzeige von Bourrienne’s Memoiren. Mlémoires de Mr. de Bourrienne, ministre d'é- tat, sur Nap oléon, le Directoire, le Consu- lat, l'Empire et la Restauration. Paris, 1829.
10 Vol. in 8.
Fauvelet von Bourrienne, leons auf der Kriegsschule zu Brienne, in den ersten Ruh⸗ mesjahren desselben sein Geheimschreiber, dann in Ungnade, doch serner gebraucht in oͤffentlichen Geschaͤften, und der, so vielen Dingen und Personen einmal vertraut, auch der wei⸗ teren Vorgaͤnge leicht kundig wurde, darauf in der Restau⸗
ration mitthaͤtig, die ihn zur Ehrenwuͤrde eines Staats⸗Mi⸗ nisters erhob, — dieser Mann erzaͤhlt uns sein Erlebtes! Wir haben es hier weder mit einem Lascases zu thun, der
in schwaͤrmerischer Befangenheit fuͤr seinen doch nur spaͤt erst gefundenen Herrn und Meister waͤhrend der hoͤchsten Span⸗ nung der letzten Lebensgeschicke desselben schrieb; noch mit einem Rovigo, der den Taumel der verschwundenen Herr— lichkeit, mit den jetzt machtlosen Huͤlfsmitteln dreister Be⸗ hauptungen und Verschweigungen kuͤnstlich fuͤr heutigen Zweck zugerichtet, im Andenken erneuern moͤchte; von diesen zwar in ihrer Art stets wichtigen, aber durch ihre Zeugnisse mehr
Ingendgenosse Napo⸗
ganz anderen Umstaͤnden und lautet ganz anders.
cheint nicht mehr vorhanden zu
— Aus Oppeln wird unterm 29. Maͤrz gemeldet, E“ die Gefahr der gegenwaͤrtigen Ueberschwemmung voruͤber sev) indem alle kleinen Gewaͤsser in ihre Ufer zuruͤckgetreten sind 1
Die Passage ist theils uͤberall wiederher-⸗
Kritik als Vertrauen erweckenden Verkuͤndern Napoleons ist unser Autor sehr verschieden; seine Botschaft Als auf⸗ richtig und unparteiisch kuͤndet er sich an, und wirklich laͤßt seine Redlichkeit im Mittheilen sich kaum in Zweifel ziehen. Er will die unverstellte Wahrheit sagen, nicht die herausspe⸗ kulirte, kritische, geistige einer die gewoͤhnliche Fassungskraft uͤbersteigenden maͤchtigen Erscheinung, sondern die augenfaͤl⸗ lige, schlichte, gemeine des Einzelnen, was er gesehen und vernommen hat. Keine Ruͤcksicht haͤlt ihn zuruͤck; er selbst ist alt und hofft nichts mehr; sein einstiger Freund und Mei— ster ist seit einer Reihe von Jahren todt, eine große Menge anderer betheiligter Personen ebenfalls, dagegen koͤnnen auch viele noch uͤberlebende die Aussagen kontrolliren; der ganze Weltzustand, von dem er redet, ist vergangen, die Rechtfer⸗ tigungen oder Anklagen sind schon groͤßtentheils geschichtlichen Interesses, und das des Tages wird nur in wenigen Faͤllen noch beruͤhrt. So ersahren wir denn ohne Ruͤckhalt Gutes und Schlimmes, Schuld und Schwaͤche, wie Treffliches und Großes, bisher Beides oft in gleichem Maaße verheimlicht oder verfaͤlscht, jetzt aber in seiner wahren Gestalt — denn dafuͤr soll sie doch gelten — an's Licht gezogen. Daß Pie⸗ tät gegen Napoleon hier haͤtte hemmen sollen, koͤnnen wir nicht einsehen. Es ist noch die Frage, od er im Einzelnen nicht bei dieser Aufrechnung sogar gewinnt, denn die unmaͤ⸗ ßigen wahrheitwidrigen Apologieen haben das allgemeine Ur⸗ theil nicht bestochen, das hier bestaͤtigte Schlimme war den Zeitgenossen meist bekannt und geglaubt, und manches Gute dagegen ist neu. Aber auch ohnedies kann weder Bourrienne'’'s Verhaͤltniß, noch Napoleons Eigenart hier eine Pietaͤt so nothwendig fordern lassen. Schonung und Scheu war das, was Napoleon selbst sein ganzes Leben hindurch am wenig⸗ sten geuͤbt und geachtet, auf die Lebenden und Todten warf er ruͤcksichtslos Beleidigung und Schmach, verstieß und miß⸗ handelte seine Naͤchsten, und sein Geheimschreiber selbst ist in dem Falle, sich uͤber gehaͤufte Unwuͤrdigkeiten zu beklagen. Wo laͤge hier die Verpflichtung, auf Kosten des eigenen Na⸗ mens und fo vieler anderen den einen zu schonen? In der Selbstverlaͤugnung giebt unser Autor uͤberdies ein starkes Beispiel; er schont sich nicht, wo es gilt, die Wahrheit zu sagen, und Bekenntnisse, die der Eitelkeit hoͤchst empfindlich seyn mußten, z. Bo daß er von selbst fruͤhzeitig dem Dutzen ent⸗ sagt, waͤhrend Napoleon es fortgesetzt, daß dieser eine Klin⸗ gel fuͤr ihn habe anlegen wollen, daß er ihn geschimpft, zum
Zimmer hinausgescholten und dergleichen — was die spaͤte⸗ 86
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kleiden koͤnnen — legt er mit treuherziger Beflissenheit ge⸗ trost ab. 9 1
den, wie er se
ren mit dem Antrage des Herzogtitels und des Großkreuzes der Ehrenlegion begleiteten und doch vergeblichen Bitten um Uebernahme einer wichtigen Sendung doch nie genugsam uͤbere-
Von dieser Seite alse waͤre das Unternehmen ganz gut 8. und vielversprechend. Aber die sonstige Beschaffenheit des Mannes, wie sie aus seiner Arbeit hervorleuchtet, muß un⸗ sere Erwartungen gleich wieder gewaltig herabstimmen. Die 8 neuere Franzoͤsische Literatur hat gewiß wenige Schriftsteller, die sich so ganz arm an Geist zeigen, wie Bourrienne. Er 8 hat dessen von keiner Sorte, weder den der Geselligkeit und Bildung im Allgemeinen, der in seiner Nation doch so haͤu⸗ fig zu finden ist, noch den des Staatsmanns, und am we⸗ nigsten des Geschichtschreibers. Seine Weltansicht ist fast imn,. mer gemein, seine Gesinnung unsicher und schwach, sein ” b theil eng und seicht. Breite, Weitlaͤuftigkeit, Unbildung im Ausdruck, Mangel an Ordnung und Gruppirung des Stoffs waͤren nicht so auffallend in seiner Schreibart, wenn sie nicht so tief in ihm selbst laͤgen. Die seit den Begebenheiten, de-⸗ ren er gedenkt, bis hierher verflossene Zeit hat in dieser Be⸗ ” ziehung auch nichts gebessert; er selbst zeigt sich uns als her⸗ umwuͤhlend in seinen alten vergraben gewesenen ee bringt bald das Eine vor, bald das Andere nach, entschuldigt seine Unordnung und bekennt, daß seine Erinnerungen nicht immer klar sind. Da koͤnnen wir uns denn schon gefaßt ma⸗ chen, auch in den gemeinen, aͤußeren Einzelheiten, die man oft ganz allein fuͤr Thatsachen ausgeben moͤchte, auf Irrthuͤ⸗ mer und Mißgriffe genug zu stoßen! Umstaͤndlichkeit ist in der Geschichte nicht selten ein so großer Fehler, als Genauig⸗ 8 keit eine Tugend, doch scheint der Autor diese meistens nur in jener zu suchen. Schon die weitschweifigen Auseinander⸗ setzungen seiner eigenen Lagen, Verhaͤltnisse, Gespraͤche und Gedanken, wovon oft mit kurzen buͤndigen Worten sich hin⸗ laͤngliche Rechenschaft geben ließe, sind fast immer unnuͤz und machen seine Mittheilungen, anstatt sie zu beleben, matt und farblos. Ungeachtet des reichlichen Stoffs, den eine Be⸗ gleitung Napoleons von seiner Jugend bis an sein Lebens⸗ ende darbieten muß, haͤtten die zehn Baͤnde dieser Memoi⸗ ren durch Ausscheidung des Unwesentlichen und durch Schaͤr⸗ fung des Styls ganz fuͤglich auf ein Drittheil herabgebracht werden koͤnnen, und dieses Drittheil waͤre dann moͤglicher Weise eine anziehende, unterhaltende Lectuͤre geworden, an⸗ statt daß die zehn Baͤnde jetzt nur ausnahmsweise dieses, im Ganzen aber verdrießlich und langweilig sind.
Ueber die Familien⸗Verhaͤltnisse und die Jugendjahre Napoleons koͤnnen wir Bourrienne's Nachrichten als ziemlich genau und zuverlaͤssig ansehen. Manches ist neu, oder war doch nicht nach allen Umstaͤnden so bekannt. Aus den Feld⸗ zuͤgen und Verhandlungen in Italien erfahren wir ebenfalls in persoͤnlichem Betreff manches Bemerkenswerthes. Am reich⸗ haltigsten duͤnken uns die Nachrichten ron dem Leben und Treiben Napoleons in Aegypten, und dieser Theil des Buches duͤrfte leicht der beste des Ganzen seyn. Auch uͤber die Ruͤckkehr nac Frank⸗ reich und das erste Wiederauftreten in Paris werden Auf⸗ schluͤsse ertheilt, welche bisher fehlten und deren Glaubwuͤr⸗ digkeit nicht eben zu bezweifeln scheint; der 18te Brumaire wird sehr ausfuͤhrlich behandelt, und von diesem Vorgange, so wie von den naͤchstfolgenden Entwickelungen, koͤnnen wir den einen Faͤden, der davon durch Bourrienne's Hand lief, und an den sich freilich Vieles anreiht, wohl mit Zutrauen annehmen. Wenn jedoch schon in diesen Mittheilungen und bei Gegenstaͤnden, von denen er unmittelbare Kenntniß ha⸗ ben will, Bourrienne fuͤr sich allein keine volle Autoritaͤt zu seyn vermag, welche man abweichenden Berichten geradezu entgegenhalten koͤnnte, so wird er bald nachher, so wie er in Ungnade gefallen und ihm der unmittelbare taͤgliche Zufluß abgeschnitten ist, mit jedem Schritt unzuverlaͤssiger und truͤ⸗ ber, vermag selbst seine naͤchste Umgebung nicht mehr gruͤnd⸗ lich zu durchschauen noch richtig aufzufassen, und artet zuletzt, da er aus seinem Seitwaͤrtsstehen dennoch die nach allen Richtungen in die Weltgeschichte eindringende Bahn Napo⸗ leons verfolgen und eroͤrtern will, in einen traurigen, nichts⸗ sagenden Schwaͤtzer aus, der ohne hoͤheren Gesichtspunkt fuͤr die großen und ohne sicheres Maaß fuͤr die kleinen Dinge ist. Es ist unglaublich, welche Unfaͤhigkeit dieser Munn of⸗ fenbart, sey es, daß er Ansichten aufstellen oder einzelne That⸗ sachen mittheilen will. Ein Mann, der in Deutschland stu⸗ dirt hat, sich unaufhoͤrlich als der Deutschen Sprache ganz maͤchtig angiebt, dann Jahre lang in Hamburg in diploma⸗ tischem Amte steht, das ihn mit ganz Nord⸗Deutschland in genauester Beziehung setzt, giebt der in Aller Munde leben⸗
sost sagt, angebeteten, durch Tugend, Schoͤnheit und Napoleons Feüanschaft verherrlichten Koͤnigin von Preu⸗
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