1830 / 107 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

——

f 3 1 8 1 8 8 8 8 1. 88 6— . IIu“ 1 8 8

8

. nachstehenden Auszug aus dem Journal des Débats vom 14.

2

ehr ketzerisch daͤucht. Nur noch ein wenig Ge sha ac 4* der beklagenswerthen Verwaltung wird bei einen Versuchungen von den frommen Eiferern der Quoti⸗ dienne nur noch mit einem: „„Hebe dich hinweg...!“ 8S be⸗ gruͤßt werden.“ „Der Kampf zwischen der Quotidienne und der Gazette“, aͤußert der Courrier frangais, „ist zwar einigermaßen unwuͤrdig, aber hoͤchst lehrreich. Beider⸗ seits beschuldigt man sich des Ehrgeizes, der Habsucht, des Eigennutzes, und beiderseits hat man Recht. Nichts desto weniger verlangt man, daß die Waͤhler sich zu⸗ Gunsten dieser Ritter ohne Furcht und Tadel entscheiden sollen; nichts desto weniger streicht man die Einigkeit und Uneigennuͤtzigkeit der sogenannten Royalisten heraus. Die Waͤhler wissen aber jetzt, woran sie sich zu halten haben; jede Taͤuschung ist ver⸗ schwunden.“ 8 Das Journal des Debats forderte vorgestern die Gazette auf, doch gerade heraus zu sagen, was es denn fuͤr Mittel seyen, worauf sie fuͤr den Fall hindeute, daß die neuen Wahlen eine aͤhnliche Kammer, als die jetzige, herbeifuͤhren sollten. Auf diese Frage antwortet die Gazette durch den

Juni 1819: „Wenn die von der Verfassung eingefuͤhrten Ge⸗ walten vernichtet oder ihrer Vernichtung nahe sind, so muß es einer dieser Gewalten ohne Zweifel erlaubt seyn, den Staat durch die außerverfassungsmaͤßige Anwendung einer er⸗ haltenden Maaßregel zu retten. Es wuͤrde abgeschmackt seyn, wenn man behaupten wollte, daß in einer Monarchie das Hberhaupt derselben nicht das angeborne Recht haͤtte, den Staat und den Thron um jeden Preis, sogar durch die Sus⸗ pendirung der Verfassungs⸗Urkunde, zu retten.“* „Nach diesen Aeußerungen“, fuͤgt die Gazette hinzu, „scheint uns die Aufforderung des Journal des Dohats sehr unvorsichtig, darauf antworten, von ihm verlangen

indem wir, bevor wir · hi koͤnnen, daß es uns sage, wie es heute uͤber seine gestrigen

Meinungen denke.“

Schon heute enthaͤlt der Co⸗ b tigung seiner gestrigen Liste derjenigen 181 Deputirten, die gegen die Adresse gestimmt haben. So haben z. B. die Herren von Beaumont, Chévrier de Corcelles und von Sain⸗ tencde weder fuͤr noch wider gestimmt, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil sie gar nicht zugegen waren. Herr

von Martignaec soll dagegen f uͤr die Adresse votirt haben⸗ In den hiesigen Bsaͤttern liest man die Schreiben der Vicomte's von Lézardière und von Rieccé, wodurch diese bei⸗ den kuͤrzlich entlassenen Praͤfekten von den Unter⸗Praͤfekten, Maires und Bewohnern der Departements der Mayenne und des Loiret Abschied nehmen. Der Erstere aͤußert unter Anderm, seine Absetzung muͤsse ihn um so mehr in Verwun⸗ derung setzen, als man keine seiner Verwaltungs⸗Maaßregeln als Grund dazu anfuͤhre; die Ungnade, die er sich zugezogen, betruͤbe ihn, ohne ihn jedoch zu beugen und in seinen Grund⸗ saͤtzen und Gesinnungen irgend wankend zu machen, da er

sehr wohl wisse, daß der Koͤnig nie fehlen köͤnne. In unserer Hauptstadt ist unter dem Namen Gesell⸗ schaft fuͤr wohlthaͤtige Anstalten’ ein Verein von Maͤnnern zu dem menschenfreundlichen Zwecke zusammengetreten, alle Nachrichten uͤber Wohlthaͤtigkeits⸗Anstalten zu sammeln und durch Herausgabe derselben eine Art von Jahrbuͤchern fuͤr diesen Gegenstand zu bilden. Die philanthropischen Vereine und Anstalten von Frankreich und von ganz Europa uͤber⸗ haupt sollen hier einen Mittelpunkt fuͤr gegenseitige Verbin⸗ dungen und Beziehungen finden, der ihnen bisher noch fehlte. Auch will die Gesellschaft, ohne sich Eingriffe in die Leitung der . ae Austalten zu erlauben, die durch Er⸗ fahrung und Wissenschaft moͤglich gewordenen Verbesserungen in der Einrichtung derselben in Vorschlag bringen. Der Verein besteht nur aus 60 Mitgliedern, unter denen sich Geistliche, Justiz⸗ und staͤdtische Beamten, Gelehrte und Vor⸗ steher hiesiger Wohlthaͤtigkeits⸗Anstalten befinden. In der er⸗ sten Sitzung desselben wurden der Herzog von Douͤdeauville

um Praͤsidenten, der Vicomte von Lainé, der Baron von

alzac und der Baron Mounier zu Vice⸗Praͤsidenten, der Baron de Gerando zum Secretair und Herr Champion zum Schatzmeister des Vereins gewaͤhlt. Des Grafen von Ségur „Leben Ludwigs XI.“ ist ge⸗ genwaͤrtig hier im Buchhandel erschienen.

1.““ Großbritanien und Irland. gLgondon, 10 April. Der Globe meldet: „Ein nier von hohem Charakter ist am 8ten d. von Peru uͤber Frankreich hier angekommen. Er hat von der genannten Republik den Auftrag, fuͤr dieselbe eine Anleihe von 1,200,000 Pfd. in Europa zu machen.“ 8 Ueber die Frage in Bezug auf Emancipation der Ju⸗

denen Partei⸗Farben angehoͤren, auch verschieden aus.

Constitutionnel eine Berich⸗

1“

den sprechen sich unsere Blaͤtter, je nachdem sie d

Die Morning⸗Chronicele ist entschieden dafuͤr, und aͤußert die Hoffnung, daß die Minister, nachdem sie gesehen haͤtten,

die Majoritaͤt des Unterhauses sey fuͤr die Gewaͤhrung der

Maaßregel, sich ebenfalls zu Gunsten derselben erklaͤren wuͤr⸗ den. Der Standard dagegen aͤußert: „Was die Juden⸗

Bill betrifft, wollen wir unsere Leser vorlaͤufig nur auf die Rede des Sir Robert Inglis verweisen; waͤhrend der Oster⸗Ferien

werden wir wohl mehr Zeit und Raum haben, unsere Mei⸗ nung uͤber diesen Gegenstand abzugeben. Einstweilen wollen wir nuͤr bemerken, daß man mit gutem Takte gerade die Charwoche fuͤr die Verhandlung eines solchen Gegenstandes gewaͤhlt zu haben scheint. Vor 1797 Jahren war ein ande⸗ res Parlament um dieselbe Zeit beschaͤftigt, eine Maaßregel religiösen Friedens, eine große National⸗Frage durchzufuͤhren; Kaiphas war damals Bischof im Reiche und Pontius Pi⸗ latus Premier⸗Minister. Wir wuͤnschen, unsere Leser moͤgen sich selbst die Frage beantworten, wie wohl das gegenwaͤrtige Unterhaus, wenn es zur Zeit bestanden haͤtte, gemeinschaft⸗ lich, wie bei der katholischen Frage, mit 10 unserer Bischoͤfe, die Sache entschieden haben wuͤrde, falls sie zu ei⸗ ner Ministerial⸗Angelegenheit gemacht worden waͤre?“ Der Morning⸗Herald sagt: „Wenn die außerhalb des Parlamentes sich kund thuende Gesinnung als ein Kriterium fuͤr die Meinungen innerhalb desselben gelten kann, so wird die vorgeschlagene Bill in Bezug auf die Juden wenig oder gar keinen Widerstand finden, und die gegenwaͤrtige Session wird das große Werk der Emancipation, das ihre Vorgaͤn⸗ gerinnen begonnen haben, vollenden. Den Uneingeweihten hat es ein wenig uͤberrascht, daß der Gegenstand nicht zu ei⸗ ner Regierungs⸗Maaßregel gemacht worden ist, daß das Ka⸗ binet, welches die Emancipation der Katholiken als seine An⸗

gelegenheit aufnahm, nicht auch den Juden eine gleiche Gunst

Es scheint indessen, daß die Anzahl der Ju⸗

geschenkt hat. nicht viel mehr als 27,000

den im vereinigten Koͤnigreiche Koͤpfe betraͤgt, waͤhrend auch die juͤdische Bevoͤlkerung der ganzen Welt die Einwohnerzahl der Schwester⸗Insel lange noch nicht erreicht, indem man jene auf etwa 3 Millionen Seelen schaͤtzt, manche Statistiker nehmen zwar mehr, jedoch selten uͤber 5 Millionen an. Sie sind ferner keine Politiker, und nach Herrn Goldsmid (dem Verfasser der kuͤrzlich erschienenen Schrift uͤber die Juden) giebt es seit Menschengedenken kein Beispiel, daß ein Jude eines Staats⸗ Verbrechens schuldig, ja kaum verdaͤchtig gewesen ist. Des⸗ halb sind sie auch der Notiznahme der Wellingtonschen Ver⸗ waltung unwuͤrdig, und Herrn Grants Maaßregel ist darum keine „„große Maaßregel”““. Der Globe fuͤgt hinzu: „Die Opposition im Unterhause war sehr schwach, und glau⸗ ben wir, daß man die Bill jetzt ohne sonderlichen Kampf wird passtren lassen.“ Folgendes ist der vollstaͤndige In⸗ halt dieser Bill, wie sie von Herrn R. Grant zum ersten⸗ male verlesen worden: 1 „Insofern durch die Zusammenwirkung verschiedener Ge⸗ setze die zur juͤdischen Religion sich bekennenden Unterthanen Sr. Majestaͤt gewissen Beschraͤnkungen und Nichtbefaͤhigun⸗ gen unterworfen sind; insofern es ferner als zweckmaͤßig er⸗ scheint, diese Gesetze abzuschaffen und die juͤdischen Untertha⸗ nen Sr. Maj. in gleiche Lage und Verhaͤltnisse, sowohl was buͤrgerliche Rechte als was Privilegia betrifft, mit den katholi⸗ schen Unterthanen Sr. Maj. zu bringen: möge es Ew. Koͤnigl. Maj. gefallen, unter Beistand, Zustimmung und durch Au— toritaͤt der geistlichen und weltlichen Lords so wie der Gemei⸗ nen, die im gegenwaͤrtigen Parlamente versammelt sind, es zum Gesetze zu machen, daß, nachdem diese Akte durchgegar⸗ gen seyn wird *), jedem juͤdischen Unterthan Sr. Maj. ge⸗ stattet sey, alle und dieselben buͤrgerlichen Rechte, Freiheiten und Privilegien, eben so wie die naͤmlichen Aemter und Stellen besitzen und genießen zu duͤrfen welche die katholischen Un⸗ terthanen Sr. Majestaͤt jetzt, und zwar unter bestimmten Aus⸗ nahmen, besitzen und genießen duͤrfen. Es sey ferner fuͤr immer festgesetzt, daß die juͤdischen Unterthanen Sr. Maj. in allen Faͤllen, wo es das Gesetz verlangt, gehalten seyn sollen, mit der weiter unten erwaͤhnten Modisication, dieselben Eide abzulegen und zu unterzeichnen, die den katholischen Unterthanen Sr. Maj. in der im vorigen Jahre durchgegangenen Bill vorge⸗ schrieben worden sind. Auch sollen sie die Erklaͤrung, die in der im neunten Jahre der Regierung Sr. Maj. durchgegan⸗ genen Akte, welche den Eid des empfangenen Abendmahls aufhebt, vorgeschrieben wird, abgeben und unterzeichnen.

Es sey ferner gesetzlich bestimmt, daß, wenn ein juͤdischer Ur⸗

*) Der Zeitpunkt ist im Comité des Hauses naͤher zu be⸗ stimmen. .

1u“ 2*

en verschie⸗

„₰

558

terthan St. Maj. besagte Eide ablegt und besagte Declara⸗

nterzeichnet, die Werte: „Bei dem wahren Glauben ee. wegbleiben, so wie uͤberhaupt besagte Eide kuͤnftig den Juden, die sich zur Ablegung derselben einfinden, auf dieselbe Weise administrirt werden sollen, wie der Eid, welchen die Juden gegenwaͤrtig bei Gerichts⸗ Behoͤrden, vor ihren Zeugen⸗Aussagen, abzulegen gehalten sind; und soll solche Ablegung bei allen Veranlassungen fuͤr hinreichend und gesetz⸗ maͤßig gelten. Nachdem diese Akte durchgegangen seyn wird, sollen fuͤr die juͤdischen Unterthanen Sr. Maj. dieselben und keine anderen gesetzlichen Beschraͤnkungen und Straffaͤlle statt finden, als fuͤr die katholischen Unterthanen, und soll die Ab⸗ legung besagter Eide dieselbe Kraft und Wirkung in Bezie⸗ hung auf Entfernung aller uͤbrigen Beschraͤnkungen haben, wie bei den katholischen Unterthanen. Eben so soll die Ad⸗ ministration, Aufzeichnung und Certification der von Juden abzulegenden Eide ganz auf dieselbe Weise wie bei den von Katholiken abzulegenden geschehen.“ 8

Das Hof⸗Journal erzaͤhlt „Bekanntlich ist der Kai⸗ ser von Brasilien ein vortrefflicher Musiker, von dem bereits mehrere gelungene Compositionen bekannt geworden sind. Unter Anderm hatte er auch beim Beginn des letzten Krieges zwischen Brasilien und Buenos⸗Ayres einen Triumph⸗ Marsch komponirt, dem er dem Befehlshaber seiner Truppen mit der Anweisung zusandte, ihn nach der ersten siegreichen Schlacht spielen zu lassen. Ungluͤcklicherweise nahm jedoch die Schlacht bei Stuzaingo einen solchen Ausgang, daß die ganze Bagage der Brastlianer in die Haͤnde der Truppen von Buenos⸗Ayres fiel, die unter den Papieren des General⸗ stabes auch die Composition Dom Pedros fanden. Sie lie⸗ ßen dieselbe sogleich auffuͤhren, und seitdem macht auch jener Triumph⸗Marsch einen Theil der National⸗Musik von Bue⸗ nos⸗Ayres aus und wird bis auf den heutigen Tag bei feier⸗ lichen Gelegenheiten aufgefuͤhrt.“

Von dem in Paris den Deputirten des Seine⸗Depar⸗ tements gegebenen Banquet sagt die Times: „Hoͤchst unin⸗ teressant sind die Details, die uns daruͤber zugekommen sind. Unsere Nachbarn, sieht man daraus, sind noch sehr jung in der Kunst, ein politisches Diner zu veranstalten. Funfzig Saucen und einige Tausend Gerichte sind wohl vorgekom⸗ men, aber nur ein einziger Toast und zwei Reden, von de⸗ nen die eine sehr unschuldig und die andere sehr abgeschmackt war. Auch haben Banquet, Dessert, Reden und Trinken zusammen nicht laͤnger als zwei Stunden gedanert. Da geht es doch bei unseren Diners ganz anders her! Ein Wahl⸗ Kanditat braucht oft allein bei dem Mittagessen seiner Waͤh⸗

ler laͤngere Zeit, um sein politisches Glaubensbekenntniß ab⸗

zulegen und seine Vorschlaͤge zum Heile des Landes ausein⸗ ander zu setzen.“

,

EEEEEEEEE66ä

Karlsruhe, 12. April. Ihro Koͤnigl. Hoheiten der Großherzog und die Frau Großherzogin haben gestern, in einer Privataudienz, den Herrn Grafen von Buol⸗Schauen⸗ stein empfangen, der Namens seines erhabenen Monarchen,

Sr. K. K. Majestaͤt des Kaisers von Oesterreich, beauftragt

war, die Gefuͤhle innigen Beileids an dem hoͤchstbedauerli⸗

Ischhen Hinscheiden des Großherzogs Ludwig, und die theilneh⸗

menden, freundschaftlichen Wuͤnsche zum Regierungsanrritt auszudruͤcken. 1 Leipzig, 15. April. Das Lections⸗Verzeichniß der hie⸗ sigen Universitaͤt fuͤhrt, in Bezug auf das diesjaͤhrige Som⸗ mersemester, 126 Docenten auf. Naͤmlich: in der theol. Fakultaͤt 6 ordentliche Professoren, 1 außerordentl., 3 Pri⸗ vatdocenten = 10; in der juristischen Fakultaͤt 6 ordentl. Professoren, 3 außerordentl., 33 Privatdocenten = 42; in der medizinischen Fakultaͤt 9 ordentl. Professoren, 6 außer⸗ dentl., 18 Privatdocenten = 33; in der philosoph. Fakultaͤt 12 ordentl. Professoren, 11 außerordentl., 8 Privatdocenten

=31. Hieruͤber 5 Lektoren, 1 Lehrer der franz. Sprache,

4 Lehrer der verschiedenen Kuͤnste. Von vorstehenden Do⸗ centen sind 252 Vorlesungen, 1 exegetisches Repetitorium, 22 Disputatoria, 31 Uebungen verschiedener Art, Wissen⸗ 8,- und Kunst, auch in Gesellschaften angekuͤndigt. Die Anzahl saͤmmtlicher Studirenden in den verschied

Sichew eni zh Niachstehender Schreiben aus der Schweizist uns ein⸗ gesendet worden:

die 9—In der seit mehreren Jahren obschwebenden Frage uͤber

Beschwerde des Kantons Waadt gegen das Berni

§ rnische Wein⸗

Dhmgeld ist durch die Berathung 8 Berni chen Se. Raths m 1. Maͤrz uͤber die von der Schweizerischen Tagsatzung an⸗

9 1

41 7 ¼

8

1“ 2 HH W6“

getragene Vermittlung ein bedeutender Schritt gethan worden. Die Darstellungen verschiedener oͤffentlichen Blaͤtter uͤber diesen in der Schweizerischen Eidgenossenschaft wichtigen und als Er⸗ scheinung in engeren Bundes⸗Verhaͤltnissen auch fuͤr Deutschland nicht bedeutungslosen Gegenstand tragen großentheils das Ge⸗ praͤge der Einseitigkeit, oder sie verrathen Absichten, zu deren Er⸗ fuͤllung Manche durch Anregung verschiedener Leidenschaften als Werkzeuge herbeigezogen werden, die sich selbst als enrschiedene Gegner derselben betrachten. Wir versuchen es, aus sicherer Quelle das wahre Verhaͤltniß in gedraͤngtem Zusammenhange darzustellen.²) .

„Im alten Bunde der Eidgenossen herrschte der Grundsatz der vollstaͤndigen Souverainitaͤt der Kantone vor; die zu Schutz und Trutz verbundenen dreizehn Staͤnde konnten auch ver⸗ einzelte fremde Buͤndnisse (unter Vorbehalt ihrer ewigen Buünde mit den andern Eidgenossen) eingehen, Gesandte gbordnen und aufnehmen u. s. w. Fuͤr Gesetzgebung und Verwaltung im Innern konnte jeder Kanton nach Gutduͤnken schalten, Handel und Verkehr beguͤnstigen, sperren, bald die Ein⸗ fuhr, bald die Ausfuhr verbieten oder mit Abgaben belegent. Gluͤcklich, daß die Kunst der Douanen⸗Systeme noch nicht in der Weise, wie die spaͤtere Zeit sie gezeigt hat, entwickelt war, und daß diese bei den geringen Beduͤrfnissen und den damaligen nahe zu hinreichenden Patrimonial⸗Huͤlfsmitteln der meisten Schwei⸗ zerischen Regierungen nicht einzuschreiten versucht ward, sonß haͤtte rechtlich jeder Kanton gegen alle andern die gepriesenen Prohibitiv⸗ und Impositions⸗Maaßregeln anwenden koͤnnen. Es verblieb bei einer Sperre aller Lebensmittel bei jedem Mißwachs oder jeder Theurung. Mochte auch ein solcher Zustand in dem alten Herkommen und der Gewohnheit, dieser gewaltigen Herrin de

Menschen, einige Entschuldigung finden, so trug er doch viel zu dem Isolirungs⸗System bei, das den Untergang der alten Eid⸗ genossenschaft bereitete, als langer Frieden und tiefe Ruhe den kuͤhnen Geist eingeschlaͤfert, den hellen Blick getruͤbt hatten, der unter Drang und Gefahren Herrliches vollbrachte, denn bei Staa⸗ ten wie bei einzelnen Menschen wird das Gesetz erst da noͤthig, wo der goͤttliche Funke nicht mehr erhellt und richtet. Damals war die Waadt ein Bestandtheil des Cantons Bern, dessen Re⸗ gierung ihren Wohlstand auch durch den ausschließlichen Schutz zu befoͤrdern suchte, den sie ihrem Weinbau angedeihen ließ. Die Einfuhr alles fremden Weins war verboten und wurde nur fuͤr Luxusweine durch Lizenzen fuͤr kleine Quantitaͤten gestattet. Das Waadtland kam in einen beneidenswerthen Zustand von Flor; der Preis der Reben ⸗) stieg auf einen ungeheuern Preis (der Mor⸗

gen von 40,000 in Lacote auf 5, in Larvaux uͤber 6 tau⸗ send Schweizer⸗Franken.) Die Anhaͤnglichkeit des Landvolks an Bern war so groß, daß noch drei Jahre nach der gewaltsamen Losreißung unter einer feindseligen Verwaltung 30,900 Unter⸗ schriften auf einer Bevoͤlkerung von 140,000 Seelen die Wieder⸗ Bereinigung mit Bern verlangten. An die Stelle der alten Eidgenossenschaft trat unter fremder Gewalt die eine und un⸗ theilbare Helvetische Republik, an die Stelle des Foͤderalismus das Prinziv der Einheit. Der herbe Druck jener Zeit, das Un⸗ gluͤck jener Epoche, die zahllosen Fehler, welche eine Regierung beging, von welchen jene entfeent blieben, die fruͤher die oͤffent⸗ liche Achtung als Magistraten genossen und Erfahrungen gesam⸗ melt hatten, erzeugten die allgemeine Abneigung gegen die neue Ordnung und einen tiefen Widerwillen gegen Alles, was auch Gutes und Nuͤtzliches dem Prinzip haͤtte entnommen werden konnen. Es wandte sich also waͤhrend ihrer kurzen Dauer die uͤbergroße Mehrzahl um so unbedingter den alten Verhaͤlt⸗ nissen zu, als das Volk die Idee jedes Ungemachs und aller Lei⸗ den und Kraͤnkungen mit dem Andenken an die neuen verhand, die es wahrend derselben zu erdulden hatte, und sich mit der Ruͤckkehr des Alten auch die Ruͤckkehr des ehemaligen Wohlstan⸗ des, des tief erschuͤtterten Gluͤckes verhieß.

Der Friede von Luͤneville sicherte der Schweiz politische Un⸗ abhaͤngigkeit und mit derselben das Recht zu, sich selbst zu kon⸗ stituiren. Die Franzoͤsischen Truppen verließen das Land. Bald erhoben sich alle Thaäͤler und Gauen der Deutschen Sprache, um die verhaßte Regierung zu stuͤrzen, die in der Waadt ihre letzte Zuflucht suchte und sich in ihrer Bedraͤngniß an den ersten Konsul der Franzoͤsischen Republik wandte. Ihre Truppen waren nach dem Gefecht bei Pfauen zerstreut, die verbuͤndeten Schweizer bis auf 2 Stunden von Lausanne vorgeruͤckt, als Rapp, der Adju⸗ tant des Konsuls, die Erklaͤrung seiner Vermittelung uͤberbrachte. Rey unterstuͤtzte sie mit 40,000 Mann, die in der Eile an der Graͤnze gesammelt worden, und bald vachhe⸗ einruͤckten, als die Tagsatzung in Schwyz sich nicht blindlings unterwer⸗ fen und ohne Weiteres aufloͤsen wollte. Es erfolgte die Medig⸗ tion. Unter Beibehaltung der foͤderalistischen Form in der Kanto⸗ nal⸗Verwaltung gab Buonaparte der Schweiz ein staͤrke⸗ res Centralband und verschiedene dem Grundsatze der Ein⸗ heit enthobene allgemeine Vorschriften, die vielleicht auch dankbar anerkannt worden waͤren und Wurzel gefaßt haͤtren, waͤren nicht unter dem Drucke und der Herrschaft des Stifters alle edlern Gemuͤther auch dem Werke entfremdet worden. Ueber den Verkehr im Innern der Schweiz stellte die Mediations⸗Akte die wohlthaͤtige, den Beduͤrfnissen der einzelnen Kantone, wie den hoͤheren politischen Interessen des Ganzen gleich entspre⸗ chende, Vorschrift auf, die den alten Kantonen unter sich freie Kauf und Verkauf, freie Ein⸗, Aus⸗ und Durchfuhr der Lebeng

*) d. h. des Weinlandes.

I 19 1 AZV11“ 8* 4 72721

1

9 4 * Lb 19

2 1