1830 / 127 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

Abgereist: Se. Excellenz der Koͤnigl. General⸗Post⸗ meister und Bundestags⸗Gesandte, v. Nagler, nach Frank⸗ furt a. MNM. 8 8

Frankreich. .“ Paris, 30. April. Gestern Nachmittag um 5 Uhr begab der Koͤnig Sich, in Begleitung der Dauphine und der Herzogin von Berry, nach dem Lazaristen⸗Kloster im Faubourg⸗ Saint⸗Germain, um in der Kapelle des Heiligen Vinzenz von Paul Seine Andacht zu verrichten. Gegen 6 Uhr tra⸗ fen Se. Majestaͤt wieder in den Tuilerieen ein.

Nachdem der Dauphin am 26sten Morgens Fontainebleau wieder verlassen, sind Se. Koͤnigliche Hoheit noch an dem⸗ selben Tage bis Menou, einem dem Herzoge von Damas zu⸗ gehoͤrigen Schlosse im Departement der Nisvre, gereist, wo Hoͤüchstdieselben von diesem Ihrem ersten Kammerjunker be⸗ wirthet wurden und die Nacht zubrachten. Am folgenden Morgen setzte der Prinz seine Reise uͤber Nevers fort und wollte die naͤchste Nacht in Moulins zubringen.

Die Herzogin von Berry wird zerst am 10ten 82 ihren erlauchten Aeltern entgegenreisen. *) An diesem Tage werden J. K. H. Sich nach Rambouillet begeben und, nach⸗ dem Sie die Nacht dort zugebracht, am folgenden Morgen bis Blois reisen, wo an demselben Tage auch Ihre Sicilianische Majestaͤten eintreffen. Am 12ten wird die Prinzessin ihre Aeltern nach Chambord fuͤhren, nach der Besichtigung dieses dem Herzoge von Vordeaux gehoͤrigen Schlosses nach Blois zuruͤckkehren und am 14ten die Reise nach der Hauptstadt fortsetzen. IJJ. MM. schlafen die Nacht vom 14ten auf den 15ten in Rambouillet und treffen an diesem letztern Tage uͤber Saint⸗Cloud in Paris ein. Nachdem die Hoͤchsten Herr⸗ schaften einen Theil Ihres Gefolges nach Neapel zuruͤckge⸗ schickt haben, besteht dasselbe jetzt nur noch aus 50 bis 60 Personen. 1

„Man behauptet jetzt mit Bestimmtheit“, aͤußert der Globe, „daß in dem kurz vor der Abreise des Dauphins gehaltenen Minister⸗Rathe die Aufloͤsung der Kammer auf den 20. Mai angesetzt worden sey. Die Wahlen wuͤrden in diesem Falle gegen Ende Juni vor sich gehen, und die neue Kammer wuͤrde auf den 1. Aug. zusammenberufen werden. Wir haben diese Nachricht aus einer Quelle, die uns großes Vertrauen einfloͤßt. Ob dieselbe gegruͤndet sey oder nicht, muß sich uͤbrigens naͤchstens ausweisen. Man wird sich naͤm⸗ lich erinnern, daß der juͤngere Balguerie unterm 19. Maͤrz seine Abdankung als Deputirter des Gironde⸗Departements bei der Kammer eingereicht hat. Spaͤtestens bis zum 19. Mai muß also das Bezirks⸗Wahl⸗Kollegium zu Bordeaux zusam⸗ menberufen werden, um ihm einen Nachfolger zu waͤhlen; er⸗ scheint sonach die betreffende Koͤnigl. Verordnung nicht bald, so ist dies ein Beweis, daß die Aufloͤsung der Kammer defi⸗ nitiv beschlossen ist.“ Der Temps fuͤgt hinzu: Man versichert, daß der Koͤnig, gleichzeitig mit der Aufloͤsungs⸗Ver⸗ ordnung, auch eine Proclamation an die Franzosen im All⸗ gemeinen und an die Waͤhler insbesondere erlassen werde, um mittelst derselben auf das Wahlgeschäft einzuwirken. In die⸗ sem Aktenstuͤcke, das man moͤglichst feierlich abfassen will, wird der Monarch, zur Widerlegung aller Geruͤchte und zur Be⸗ seitigung aller Besorgnisse, seine Erklaͤrungen zu Gunsten der Charte in den bestimmtesten Ausdruͤcken wiederholen, zu leich aber den festen Willen zu erkennen geben, die Rechte seiner Krone zu vertheidigen und seine Praͤrogative in ihrem gan⸗

en Umfange zu uͤben; d. h. er wird klar und deutlich die bsicht verkuͤndigen, das System und das Ministerium, die bisher zu allen jenen Geruͤchten und Besorgnissen Anlaß gegeben haben, und die man, trotz aller Widerlegungen und Protestationen, nicht hat verscheuchen koͤnnen, aufrecht zu erhalten. Und um die seit einiger Zeit angenommene Taktik bis ans Ende durchzufuͤhren, wird die gedachte Proclamation zu verstehen geben oder gerade heraus erklaͤren, daß, wenn die Waͤhler und Deputirten bei ihrem Widerwillen gegen das jetzige System und Ministerium beharren sollten, der Koͤnig in den Rechten seiner Krone und dem 14ten Artikel der Charte die Mittel finden wuͤrde, einen aufruͤhrerischen Wi⸗ derstand zu besiegen; d. h. man wuͤrde in einiger Entfernung

*) Unsere vorgestrige Meldung, daß die Herzogin bereits am

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28. April abgereist sey, hatten wir ühs f Gazette de France

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entlehnt. 1““

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zung abgehalten.

hinter dem Wahlgeschaͤfte irgend einen Staatsstreich durch⸗ blicken lassen.“ „So unvorsichtig ein solches Verfahren auch seyn wuͤrde“, ließt der Temps, „so wuͤrde uns das⸗ selbe doch nicht wundern; denn es waͤre nur die natuͤrliche Folge des letzten Paragraphen der Thron⸗Rede bei der Er⸗

Hoͤffnung der diesjaͤhrigen Session; nur eine Folge der Proro⸗

gation der Kammern, so wie der Lage des Ministeriums und der Sprache, welche die Vertheidiger desselben seit neun Monaten fuͤhren.“

Dem kuͤrzlich abgesetzten General⸗Direktor der Domainen, Heurn Calmon, soll eine Pension von 12,000 Fr. aus dem

ensions⸗Fonds des Finanz⸗Ministeriums bewilligt worden seyn. Der Globe, welcher diese Nachricht mittheilt, erin⸗ nert daran, daß, der Koͤnigl. Verordnung vom 12. Januar 1825 zufolge, das Maximum der Pensionen der Finanz⸗Di⸗ rektoren nur. 6000 Fr. betragen duͤrfe.

Da die am 22sten d. M. stattgefundene Sitzung der Franzoͤsischen Akademie, worin dem verstorbenen Marquis von Lally⸗Tollendal ein Nachfolger gewaͤhlt werden sollte, zu keinem Resultate gefuͤhrt hatte (S. Nr. 120 der Staats⸗ Zeitung), so wurde gestern zu diesem Behufe eine zweite Siz⸗ Wie vor acht Tagen, betrug auch diesmal die Zahl der anwesenden Mitglieder 33; absolute Majoritaͤt 17. Es fanden drei Abstimmungen statt; in der ersten er⸗ hielt Hr. Ancelot 13, Hr. Coöusin 10, Hr. v. Pongerville 9 und Hr. Scribe 1 Stimme; in der zweiten Hr. Ancelot 13 und die Herren Cousin und v. Pongerville ein Jeder 10 Stimmen; in der dritten wurde, um der Sache ein Ende zu machen, Hr. Cousin aufgegeben, und die ihm zu Theil gewor⸗ denen 10 Stimmen wurden auf die beiden anderen Kandida⸗ ten uͤbertragen, dergestalt, daß jetzt Hr. Ancelor 15, Hr. v. Pongerville aber 18 Stimmen erhielt, und Letzterer so⸗ nach als Mitglied der Akademie an die Stelle des Marquis v. Lally-Tollendal ausgerufen wurde. Die Quotidienne kann ihren Verdruß uͤber die Wahl des Hrn. v. Pongerville nicht verbergen; die uͤbrigen Kandidaten, meint sie, haͤtten zwar auch einige Anspruͤche auf die dem Hrn. v. Pongerville zu Theil gewordene Auszeichnung gehabt, allein dieser Letz⸗ tere sey uͤberdies noch so gluͤcklich gewesen, seine Kandidatur von dem Constitutionnel unterstuͤtzt zu sehen, und so duͤrfe man sich zucht wundern, daß er gewaͤhlt worden sey; die Akademie habe jetzt nichts Besseres zu thun, als das Lob der Patentsteuer zum Gegenstande ihrer naͤchsten Preis⸗ bewerbung zu machen.

Der hiesige Koͤnigl. Gerichtshof hat gestern die beiden zuchtpolizeilichen Erkenntnisse gegen den Redacteur des Cour⸗ rier frangais, Herrn Chaͤtelain, wodurch derselbe wegen Ver⸗ unglimpfuüng des Polizei⸗Praͤfekten zu 15 taͤgiger Haft und einer Geldbuße von 500 Fr., und wegen Verlaͤumdung der richterlichen Behoͤrde, die jenes Urtheil gefaͤllt, zu eben so langem Gefaͤngniß und einer Geldbuße von 300 Fr. verur⸗ theilt wurde, bestaͤtigt.

Der Geschaͤftsfuͤhrer des Globe, Hr. Dubois, ist in sei⸗ ner Eigenschaft als Mitglied der Universitaͤt, wegen des kuͤrz⸗ lich gegen ihn ergangenen zuchtpolizeilichen Erkenntnisses, auf den Aten k. M. vor den Koͤnigl. Universitaͤts⸗Rath geladen worden.

Der zum Spanischen Gesandten am Schwedischen Hofe ernannke Herr Cavia, bisher erster Secretair bei der hiesigen Spanischen Botschaft, ist nach seinem neuen Bestimmungs⸗ orte abgegangen. * 1

Unter den fuͤr die Expedition gegen Algier eingeschifften Gegenstaͤnden befindet sich auch eine vollstaͤndige Druckerei⸗ in welcher waͤhrend der Dauer dieses Krieges zweimal woͤchent⸗ lich eine Zeitung unter dem Titel „der Afrikaner“ erschei⸗ nen wird. -

Der Praͤsident des Handels⸗Buͤreau's hat der hiesigen Handels⸗Kammer angezeigt, daß die gesetzgebende Behoͤrde des Staats Georgien eine Verordnung erlassen habe, wo⸗ durch allen Farbigen, sowohl den Negern als den Mulatten, der Eintritt in diesen Staat untersagt sey. Demzufolge duͤr⸗

en einheimische und fremde Schiffe, welche Farbige am Bord g nicht in die Haͤfen von Savannah, Darien und Santa Maria einlaufen, wenn sie sich nicht einer strengen Quaran⸗ taine von 40 Tagen unterwerfen wollen. Die am Bord ge⸗ fundenen Farbigen werden Aufenthalts der Schiffe in den genannten Haͤfen, auf Kosten des Capitains, ins Ge⸗ faͤngniß abgefuͤhrt, und muͤssen das Land auch mit den Schif⸗ fen zugleich wieder verlassen. Durch die Weigerung, diese Kosten zu entrichten und die Farbigen wieder mit sich zu nehmen, setzt der Capitain sich einer Geldbuße von 500 Fr. und einer Zmonatlichen Haft aus. Dieses neue Gesetz soll mit dem 22. Juni d. J. in Kraft treten.

In Marseille haben sich zwei Franzosen nach veee na⸗ w

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tinopel eingeschäfft, wo sie eine Zeitung in Tuͤrkischer und Franzoͤsischer Sprache herausgeben wollen. Sie haben ein Gesuch, um Eklaubniß zu ihrem Unternehmen, beim Sultan eingereicht und erwarten eine guͤnstige Antwort von demselben.

Briefe aus Buenos⸗Ayres melden den Tod des General 11X1XA1AXA4X“

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Grohßbritanien und Irland. Parlaments⸗Verhandlungen. Die von ihm in Vorschlag gebrachten Justiz⸗Reformen, welche 1. Srrdoham (wie bereits erwaͤhnt) in der Unterhaus⸗Siz⸗ zung vom 30. April durch einen ausfuͤhrlichen Vortrag erlaͤu⸗ terte, knuͤpfen sich zunäoͤchst an seine bekannten Verbesserungs⸗ Vorschlaͤge, welche er vor 2 ½⅞ Jahren in einer der laͤngsten Reden vortrug, die jemals im Parlamente gehalten worden sind. Es sind seitdem zwei Kommissionen ernannt worden, welche mit den Vorschlaͤgen des Herrn Brougham sich be⸗ schaͤftigt haben. Die eine derselben hat bereits einen Be⸗ richt uͤber das Gesetz vom persoͤnlichen Eigenthum erstattet, und ein zweiter Bericht wird demnaͤchst von ihr erwarter. Die andere Kommission hat schon zwei Berichte uͤber das Verfahren bei Civil⸗Prozessen abgegeben. Diese Berichte aber hatte Herr Brougham erst abwarten wollen, um mir Huͤlfe derselben seine neuen Antraͤge zu machen, und darum sind dieselben bis jetzt verzoͤgert worden. Diese Erklaͤrung als Einleitung voranschickend, dankte Herr Brougham sodann den Mitgliedern jener Kommissionen, welche ihm durch ihre Arbeiten die seinige erleichtert haͤtten. Seit 150 Jahren, sagte er, sey in diesem Lande vielleicht keine aͤhnliche vielum⸗ fassende Arbeit, als die geliefert worden, welche die Kommis⸗ sionen dem Hause vorgelegt haben. sich doch veranlaßt sehen, in seiner Rede noch Man⸗ ches zu beruͤhren, was die Berichte uͤbergangen haͤt⸗ ten. Auch sey nicht abzusehen, daß die Kommissionen den Gegenstand sehr bald auch da auffassen werden, wo er ihn aufzunehmen gedenke, denn sonst wuͤrde er, um nicht die Arbeit zu verdoppeln, ihnen gar nicht vorgreifen. „Ein Land,“ fuhr Hr. 8. fort, „in welchem man, um eine Schuld von 6 oder 7 Pfd. einzutreiben, damit beginnen muß,

einen Vorschuß an Gerichtskosten von 60 bis 70 Pfd. zu V

machen, kann, so sehr es auch sonst gesegnet seyn mag, in seiner Rechts⸗Verwaltung nicht genannt werden. Kommt nun dazu noch, daß der Schuloforderer großen Be⸗ schwerlichkeiten ausgesetzt, daß er von einem Orte in den an⸗ dern, von einer Provinz in die andere, und von diesem Ge⸗

richtshofe zu jenem getrieben wird, ehe er ein rechtskraͤftiges Urtheil erlangen kann, so wird unsere Beneidung des Lan⸗

des, in welchem eine solche Rechts⸗Verwaltung existirt, noch bedeutend vermindert. iel aͤrger wird die Sache noch, wenn man, nachdem 60 bis 70 Pfd., um 6 oder 7 Pfd. wie⸗ der zu erlangen, ausgegeben worden sind, doch nichts erhaͤlt, weil der Verklagte die Macht hat, sein Vermoͤgen so zu stellen, daß es außerhalb des gerichtlichen Exekutiv⸗Bereichts sich be⸗ findet. Kommt nun zu allem diesen, daß, wenn auch ein Mann

in den Umstaͤnden ist, seine 6 oder 7 Pfd. einklagen zu koͤnnen,

und der Verklagte solvent ist und Zahlung leistet, der Klaͤger zwar seine 6 oder 7 Pfd., nicht aber auch seine Kosten⸗Auslagen, sondern, ungeachtet des gewonnenen Prozesses, 20 Pf. weniger zuruͤckbekommt, so daß er, außer der eingetriebenen Schuld, noch 13 bis 14 Pfd. aus seiner Tasche ausgegeben hat, nach⸗ dem er sich einer Unzahl von Plagen und allen Quaͤlereien eines solchen Prozesses ausgesetzt hatte muß da nicht der⸗ jenige, dem so etwas erzaͤhlt wird, in die Frage ausbrechen: „„Wie ist es moͤglich, daß ein solches Land noch bestehen kann?2“¹“ Wer das Land nicht kennt, muß sagen, es koͤnne nur ein hoͤchst barbarischer Staat seyn (Hoͤrt!) und ein ar⸗ mes Land, denn ein commercielles, das ausgebreitete und wichtige Interessen hat, wuͤrde einen solchen Stand der Dinge nicht dulden. Und doch ist dieses Land kein anderes, als England! Viele, wenn nicht die meisten der Herren, die

mir eben zuhoͤren, kennen diesen Uebelstand aus eigener Er⸗

fahrung, und es fragt sich nun: wie ist ihm abzuhelfen? Dazu muͤssen wir zunaͤchst die Quelle kennen lernen, aus der das Uebel entspringt, und diese wird sich am besten durch eine moͤglichst klare Darstellung der Fakta auffinden lassen.“ Der Redner erinnerte nun an seine Angaben vom Jahre 1827; damals n seit fuͤnf Jahren durchschnittlich in jedem Jahre 79,800 Schuld⸗Prozesse vor den Gerichtshoͤfen in Westminster⸗Hall anhaͤngig gemacht worden, 7000 aber nur (oder Einer von 11 Faͤllen) zum wirklichen Spruch gekom⸗

men, weil ein großer Theil der uͤbrigen Klaͤger wahrscheinlich

die noͤthigen Kosten nicht aufbringen konnte oder wollte. Im Jahr 1827 habe bei jenen Gerichtshoͤfen seit 22 Jahren die Zahl der Schuld⸗Prozesse, Summen uͤber 10 Pfd. betreffend,

Inzwischen werde er

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ungefaͤhr 93,000 betragen; 30,800 haͤtten 1“ zwischen 10 und 20 Pfo., 34,200 Summen zwischen 20 und

50 Pfd. und 14,000 Summen Iiicsche 50 und 100 Pfd. 2

betroffen; von 93,000 Prozessen haäͤtten also ½ keine Sumn

von 20 Pfd., ¾ keine von 50 und 3 85 von 100 pfs. zum Gegenstande gehabt. Der groͤßte Theil der im Lande schwebenden Schuld⸗Prozesse betreffe demmnach Summen un⸗ ter 100 Pfd. Hr. Brougham ging nun dazu uͤber, die Kosten zu schildern, welche alle diese Prozesse im Durch⸗ schnitte verursachten. Hauptsaͤchlich entstehen sie dadurch, daß

der Klaͤger nicht blos selbst nach dem 20 oder 30 Meilen

weit entfernten Orte, an welchem die richterliche Behoͤrde sich eben befindet, sich begeben, sondern daß er auch An⸗ walt und Zeugen dorthin auf seine Kosten kommen lassen muß. Die Zeugen werden dabei ziemlich hoch, und zwar stan⸗ desgemaͤß, remunerirt, so daß z. B. in einem Prozesse, bei welchem ein Architekt, ein Zimmermeister und mehrere Ar⸗ beiter als Zeugen erschienen, der erste 2 Guineen, der an⸗ dere 15 Shill. und die uͤbrigen 5 Shill. taͤglich erhielten.

Die Reisegelder belaufen sich außerdem auf ungefaͤhr 8 Pence

fuͤr die Englische Meile, da jene Remuneration nur eine Ver⸗ guͤtigung fuͤr verlorne Zeit und Arbeit ist, wobei natuͤrlich der Tageloͤhner oft mehr fuͤr seine Zeit bekommt, als er sonst wohl im Stande seyn wuͤrde, sich zu erwerben. Wer die⸗ sen Gang der Justiz einmal kennen gelernt hat, der ver⸗ folgt auch keinen Schuldner um eine, unter 40 bis 50 Pfd. betragende Summe. Die Hanuptstadt, als der Central⸗Punkt des Landes, ist auch seit vielen Jahren schon der Centralpunkt der Englischen Rechtspflege, so daß hier eigentlich alle Prozesse des Landes ihren Anfang nehmen, wie sie hier auch ihre Erledigung finden. Allein der Richter, der sich zur Schlichtung der Prozesse aus London nach der Pro⸗ vinz begiebt, kommt dort in jedem halben Jahre nur einmal hin, und der Prozeßfuͤhrende muß nicht blos bis dahin war⸗ ten, sondern sich alsdann auch nach irgend einem entlegenen Winkel der Grafschaft begeben, wo sich eben die „Asfsisen⸗ Stadt“ befindet. Hier muß er sich mit seinem Rechts⸗Kon⸗ sulenten besprechen, hierher muß er Agenten und Zeugen sen⸗ den und sie, bis seine Angelegenheit herankommt, interhal⸗ ten; ja oft schlagen sich die AUgenten darnm, wessen Sache die letzte vor der Assise bleiben soll, damit sie naͤmlich ihren respekciven Klienten recht lange Rechnungen machen koͤnnen. Sind nun noch weitere Eroͤrterungen noͤthig, die sich bis uͤber die Assise hingus erstrecken, so muß die Partei ihren Agenten nach London senden, was naruͤrlich mit großem Zeitverluste und unnuͤtzen Ausgaben verknuͤpft ist. Hr. Brougham be⸗ ruͤhrte die von den Kommissionen in Vorschlag gebrachten Mittel, solchen Uebeln theilweise abzuhelfen; sie gehen jedoch saäͤmmtlich nur darauf hinaus, die Kosten um ein Geringes zu vermindern. Das Haupt⸗Uebel wird immer bestehen blei⸗ ben, so lange die Assisen in ihrer gegenwaͤrtigen Einrichtung fortdauern. Der Redner sagre, daß lange vorher, ehe die jetzigen Formen festgestellt worden feyen, bessere Einrich⸗ tungen in England schon vorhanden gewesen. So haben sich z. B. zur Zeit der Sachsen mehrere große Tribunale im Lande befunden, denen eine ausgedehnte Gewalt zugetheilt war; diese haben sowohl Kriminagl⸗ als buͤrgerliche Prozesse

zu entscheiden gehabt und, Herrn Broughams Meinung nach,

kommt die Entscheidung derselben auch jetzt noch den Graf⸗ schafts⸗Gerichtshoͤfen ohne Ausnahme zu, wiewohl viele Ge⸗ lehrte daruͤber nicht derselben Meinung mit ihm sind. Herr Brougham ging sodann die Geschichte der Englischen Rechts⸗ pflege durch, verglich dieselbe mit der Schottischen, welche verhaͤltnißmaͤßig bei Weitem mehr Rechtsfaͤlle als die erstere zur Entscheidung bringt, und zog daraus den Schluß, daß es seine bedeutenden Vortheile habe, alle Prozesse, mit Aus⸗ nahme der ganz wichtigen, den Grafschafts⸗Gerichtshoͤfen zur Entscheidung zu uͤberlassen. Nicht aber blos mehr Rechts⸗ faͤlle kommen in Schottland zur Entscheidung, sondern auch die Kosten sind dort ungleich geringer, und wenn man in England, um 100 Pfd. wieder zu erlangen, 160 Pfd. in Kosten

muß aufgehen lassen, so belaufen sich diese in Schottland auf

nicht mehr als 13 Pfd. Eine so wohlfeile Justiz sey den Schotten zu beneiden, und es verlohne sich in der That der Muͤhe, ein aͤhnliches Verfahren auch in England, wo es fruͤher schon bestanden habe, wieder einzufuͤhren. Ehe Herr Br. zu seinem eigentlichen Vorschlage uͤberging, beruͤhrte er noch den Zustand der Britischen Appellations⸗Gerichts⸗ barkeit, die er als unvollkommen in jeder Hinsicht schilderte, namentlich in Bezug auf die Kolonicen und auf Schottland. Alsdann schlug er, um ein Tribunal zu erlangen, wo ra⸗ sche und wohlfeile Justiz zu erholen sey, vor, daß zunäaͤchst in jeder Grafschaft ein dazu passender Rechtsgelehrter etwa ein Advokat gewissen Ranges ernannt werde, der Civi⸗