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hier studirenden zahlreichen Griechen und Philhellenen eingehen, ihn gerade im Gegentheil bemüͤht, die Wege des kuͤnftigen Oberherrn von Griechenland zu ebnen und in vollkommener Uebereinstimmung mit ihm seinen Eintritt in den neuen Staat durch die noͤthigen Vorkehrungen von Seiten des Senats und der Administration zu erleichtern. Man glaubt, daß der Fuͤrft bei seiner Ankunft damit beginnen wird, auf die schon beste⸗ hende Lage der Dinge eine Verfassung von Griechenland zu gruͤnden, welche mit Beruͤcksichtigung der besondern Verhaͤlt⸗ nisse seines Staats geeignet seyn wird, die Staͤrke der Herr⸗ schaft mit der Gesetzmaͤßigkeit und oͤffentlichen Freiheit zu ver⸗ binden. Um uͤbrigens bei diesem festen und offenen Gange der Griechischen Regierung und ihres jetzigen Chefs jene feindseligen Angriffe des genannten Blattes sich zu erklaͤren, braucht man nur zu wissen, daß es, eben so wie der Courier von London, der Opposition gegen den Praͤsidenten zum Or⸗ gane dient, und diese aus den Haͤuptern jener Partei gebil⸗ det ist, welche vor seiner Ankunft durch ihre Ungeselligkeit, Zwistigkeit und Habsucht das Land und die Revolution von Griechenland an den Abgrund des Verderbens gebracht hat⸗ ten und um so leidenschaftlicher und ungerechter gegen ihn werden, je mehr sie durch seine Festigkeit und Einsicht die
Noͤglichkeit fuͤr sich, je wieder in den Besitz der Macht zu kommen, entschwinden sehen. In einem vor wenigen Tagen hier angekommenen Schreiben spricht der Praͤsident sehr be⸗ stimmt die Ueberzeugung aus, daß in Bezug auf die Wahl des kuͤnftigen Oberherrn die Entscheidung der drei Maͤchte vollkommen geeignet scheine, das wahre Gluͤck des Landes zu⸗ sichern. — Ueber die zwei jungen Griechen, welche mit dem Grade von Lieutenants aus unserm Kadettenkorps dort ange⸗ kommen, schreibt er, daß sie mit Frenden aufgenommen wor⸗ den und in dem regulaͤren Korps bereits angestellt sind.“
Vereinigte Staaten von Nord⸗Amerika. New⸗York, 19. April. Der Praͤsident hat dem Se⸗
bana (Ohio) in Schrecken.
nat durch den Staats⸗Secretair der Marine eine Botschaft wegen Errichtung einer neuen Station fuͤr die Flotte der Vereinigten Staaten bei Dry Tortugas zukommen lassen. Diese Station, die sowohl in militairischer als kommerziel⸗ ler Hinsicht als wichtig betrachtet wird, soll auch, wie man hofst, ein wirksames Mittel zur Unterdruͤckung der Seeraͤu⸗ berei werden.
Es wird in diesem Jahre eine Volkszaͤhlung in den Ver⸗ einigten Staaten stattfinden; sie soll am 1. Juni beginnen und spaͤtestens im Laufe von 6 Monaten beendigt seyn. Bei dieser Zaͤhlung ist es vorgeschrieben, daß die Zahl der Wei⸗ ßen maͤnnlichen Geschlechts unter 5 Jahren, ferner der bei⸗ den Geschlechter von 5 bis 10, von 10 bis 20, von 20 bis bis 30, und so weit bis 100 Jahr, einzeln und Geschlechter⸗ weise angegeben werden soll. Der Weißen uͤber 100 Jahr wird auch Erwaͤhnung geschehen; die farbigen Sklaven und Freien sollen gleichfalls der Zaͤhlung unterworfen seyn, jedoch faͤngt dieselbe bei ihnen hinsichtlich beider Geschlechter erst vom 10ten Jahre an. Bei den Weißen muß die Zahl der Fremden (Aliens) und bei den Weißen und Schwarzen (mit Bemerkung der Farben) die Zahl der Blinden und Taubstum⸗ men uͤber 25 Jahr und zwischen 14 und 25 Jahren speziell angefuͤhrt werden. -
Die amtliche Liste der von der Regierung der Vereinig⸗ ten Staaten pensionirten Wittwen und Waisen verstorbener Beamten der Marine enthaͤlt fuͤr das Jahr 1829 die Na⸗ men von 594 Individuen. Die Wittwen verlieren ihre Pen⸗ sionen, wenn sie wieder heirathen, und die Kinder, wenn sie das Alter von 16 Jahren erreicht haben.
Im National⸗Intelligencer liest man: „Einem Bericht des General⸗Postmeisters zufolge, wurden unter der dermaligen Verwaltung der Vereinigten Staaten Vierhun⸗ dert und Ein und Neunzig Postmeister verabschiedet und durch andere ersetzt. Nicht nur die außerordentliche Zahl der in diesem einzigen Verwaltungszweige verabschiedeten Bealnten ist bemerkenswerth, sondern auch die Art und Weise, wie diese Verabschiedungen verhaͤltnißmaͤßig in den verschiedenen Staaten und Gebieten stattsanden. Waͤhrend in New⸗Hampsshire, das 6 Repraͤsentanten zum Kongreß lie⸗ fert, 55 Postmeister verabschiedet wurden, traf dieses Loos in Nord⸗Carolina, das 13 Repraͤsentanten liefert, nur 4 In⸗
dividuen; im Staate New⸗York mit 34 Repraͤsentanten er⸗
hiieelten 131 ihren Abschied, und in Suͤd⸗Carolina mit 9 Re⸗ praͤsentanten fand gar keine Verabschiedung statt. In De⸗ laware mit einem Revpraͤsentanten verloren 16 Postmeister ihre Stellen und in Virginien mit 22 nur 8.“ — Die Oppo⸗ sitions⸗Blaͤtter bezeichnen die Staaten, in welchen der Wechsel
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der Post⸗Beamten geringer gewesen ist, als Anhaͤnger deeses
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gegenwaͤrtigen Verwaltungs⸗Systems.“
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shington Telegra
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Der Wa
Secretair der Marine, nach Empfang eines amtlichen Berich;
tes uͤber die Theilnahme von 4 Offizieren der Flotte an ei⸗ nem kuͤrzlich nahe bei Philadelphia stattgefundenen Zwei⸗ kampfe, in Folge dessen einer der Duellanten getoͤdtet wurde,
dem Praͤsidenten die Verabschiedung jener Offiziere vorgeschla⸗
gen und die Bestaͤtigung dieser Maaßregel erhalten habe.
Der Secretair der Schatzkammer hat eine Bekanntma⸗ chung erlassen, daß die 6procentigen Stocks vom Jahre 1815, an Betrag 6,440,556 Dollars 17 Cents, am 1. Juli dieses Jahres eingeloͤset werden sollen.
Ein Orkan, wie sich eines aͤhnlichen die aͤltesten Bewoh⸗ ner nicht erinnern koͤnnen, setzte vor Kurzem die Stadt Ur⸗ Unter anderen Gebaͤnden wur⸗ den zwei Kirchen und 6 oder 7 Wohnhaͤuüser niedergerissen, und leider kamen unter den Ruinen der letzteren mehrere Kinder um. Auch in Elisabethtown in Pensylvanien hatte 7 ungewoͤhnlich heftiger Orkan große Verheerungen ange⸗ richtet.
Nach Briefen aus Havana dauerten dort, in Folge der entdeckten Verschwoͤrung auf der Insel Cuba, die Ver⸗ haftungen noch immer fort. Unter der Zahl der Gefange⸗ nen soll sich ein gewisser Rojo befinden, ein Mann von gro⸗ ßem Einfluß durch seine Talente, Charakter⸗Festigkeit und Beredsamkeit. In den Briefen ist von einem Verein die Rede, der in Cuba unter den Aufwieglern bestanden und den Namen „der schwarze Merxikanische Adler“ gefuͤhrt habe; desgleichen auch von einem mit Mexiko eingeleitet gewesenen regelmoͤßigen Briefwechsel; aus Mexiko und Haiti soll man Truppensendungen erwartet haben. Es soll die Uebereinkunft stattgefunden haben, nach erfolgter Ankunft dieser Truppen die Fahne der Unabhaͤngigkeit aufzupflanzen und die Freiheit der Sklaven zu proklamiren, deren Beistand zum Umsturz der Spanischen Regierung man alsdann angerufen haber wuͤrde. “
v111A4X4“*“ Das Journal de⸗
du Havre enthaͤlt folgende Schilde⸗ rung des gegenwaͤrtigen Zustandes der Republik Mexiko: „Mcatan befindet sich unter dem Joche einer Handvoll Sol⸗ daten, die, an ihrem Vaterlande und an ihren Eiden zu Verrͤthern geworden, sich fuͤr den Centralismus erklaͤrt ha⸗ hben. Tobasco haͤtte dasselbe gethan, aber die Bemuͤhungen der Rechtlichgesinnten haben die Fortschritte des Uebels ge⸗ hemmt; die Gemuͤther sind in diesem Staate sehr aufgeregt. Oajaca befindet sich im Aufruhr; ein Gouverneur, der auf seine Wuͤrde gesetzmaͤßig verzichtet hatte, setzte sich demnaͤchst durch Gewalt der Waffen wieder in Besitz dieses Amtes, als besaͤße er die Rechte eines erblichen Fuͤrsten. Vera⸗Cruz er⸗ wartet, daß man die bisherige Legislatur fuͤr nichtig erklaͤre; der dortige Gouverneur hat sich, um dem Ungewitter aus
dem Wege zu gehen, nach Mango de Clavo zuruͤckgezogen.
Puebla har gar keine Gesetzgebung, weil die Repraͤsentanten in der Besorgniß, daß die dem Staate drohende Anarchie bald ihren Gipfel erreichen werde, auseinander gegan⸗ gen sind. Tialpam ist in Aufregung; in Michoacan herrscht vollkommene Anarchie; man arbeitet dort eifrig
am Falle der vollziehenden und der gesetzgebenden Gewalt,
die man beide miteinander entzweien will, um den gaͤnzlichen Sturz des Staats herbeizufuͤhren. Zacatecas wird von einem Aufruhr bedroht, weil der Gonverneur den ihm vom Vice⸗ Praͤsidenten zugegangenen Befehl, fein Miliz⸗Kontingent zur Verfuͤgung des Ober⸗Befehlshabers zu stellen, nicht ausge⸗ fuͤhrt haben solle. In Durango hat der Oberst Gaspar Ochoa, der den Gouverneunr absetzen will, Unruhen erregt. Ehihuahua erkennt die Regierung der Union kaum an. So⸗ nora und Senaloa wollen sich losreißen. In Tamaulipas und Queretaro sind die Behoͤrden abgesetzt worden. Nueva
Leon und Coahutla befinden sich nicht weniger in einem un⸗ ruhigen Zustande; ein gleiches Schicksal steht Jaliacoc bevor.
Guanajuato und San⸗Luis sind die beiden einzigen Staaten, die von dieser Ansteckung befreit geblieben sind. e die Fruͤchte des Aufstandes der Reserve⸗Armee zu Jalapa. — Diese dem Telegrafo von San⸗Luis entlehnte Schil⸗ derung des Zustandes der Mertkanischen Republik (fuͤgt das Eingangs genannte Blatt hinzu) ist nicht uͤbertrieben; man koͤnnte dieselbe im Gegentheile noch mehr ins Dunkle aus⸗ malen. Ein neuer Buͤrgerkrieg wird bald ausbrechen, und
selbst Guerrero's Ruͤckkehr zur Praͤsidentur wuͤrde die allge⸗
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meine Aufregung nicht
daͤmpfen. In Kurzem wird sich Alles
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Dies sind
ph meldet, daß der Staats⸗
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“ . Berlin, 29. Mai. Am verwichenen Sonntag fand zu p Duͤͤsseldor die Eroͤffnung des dritten Rheinischen Provinzial⸗ NAC(andtages in herkoͤmmlicher Weise statt. Nachdem die Abge⸗ üpöpordneten Vormittags in den Kirchen ihrer Konfefsionen dem 8 feeierlichen Gottesdienste beigewohnt hatten, um fuͤr das wich⸗ tige Werk ihrer Berathungen Segen und Erleuchtung von oben zu erbitten, kamen dieselben auf dem Staͤndehause zu⸗ sammen, wo der Koͤnigl. Kommissarius, Herr Staatsmini⸗ ster und Ober-⸗Praͤsident v. Ingersleben Excellenz, den Land⸗ tag mit einer Rede eroͤffnete, welche von dem Herrn Land⸗ tags⸗Marschall, Fuͤrsten zu Wied, beantwortet wurde. Diese Reden druͤckten einerseits die huldvollen Gesinnungen Sr. Majestaͤt des Koͤnigs gegen die Provinz, und andererseits den tiefgefuͤhlten Dank, so wie die ehrerbietigen Hoffnungen dieser letztern in Bezug auf die staͤndischen Einrichtungen in erfreulicher Weise aus. Nach der Eroͤffnung versammelte der Herr Landtags⸗Kommissarius die Herren Staͤnde, mit den hoͤchsten Behoͤrden, in dem großen Saale des Gasthofes zu den drei Reichskronen zu einem Festmahle, welches durch die Theilnahme Sr. Koͤnigl. Hoh. des Prinzen Friedrich verherrlicht ward und mit den herzlichsten Wuͤnschen fuͤr das Wohl Sr. Majestaͤt des Koͤnigs und des Koͤnigl. Hau⸗ ses, der hohen Landesbehoͤrden und der Provinzial⸗Stäͤnde, sich schloß. Aus Posen vom 24sten d. wird gemeldet: Dieser Tage wurde unsere Stadt durch die hohe Anwesenheit Sr. Koͤnigl. Hoheit des Kronprinzen begluͤckt. Auf der Reise nach Warschau begriffen, trafen Hoͤchstdieselben am 22sten d. M. Vormittags 8 ½ Uhr hier ein und stiegen im Palais Sr. Durchlaucht des Fuͤrsten Statthalters in die zu Ihrem Em⸗ pfange in Bereitschaft gesetzten Zimmer ab. Am folgenden Tage wohnten Se. Köͤnigl. Hoheit dem Gottesdienste in der hiesigen evangelischen Kirche auf dem Graben bei. Demnaͤchst war auf dem von einer ungeheuren Menschenmenge umgebe⸗ nen Kanonenplatze große militairische Parade, nach welcher Se. Koͤnigl. Hoheit, in Begleitung Ihrer Koͤnigl. Hoheit der Frau Prinzessin Louise von Preuüßen, Sr. Durchlaucht des Fuͤrsten Statthalters, der beiden Prinzessinnen Elisa und Wanda, so wie des Wirklichen Geheimen Raths ꝛc. Herrn Baron Alexander von Humboldt Excellenz und anderer hohen Personen, die von dem Grafen Edward Raczynski errichtete und der Stadt geschenkte Bibliothek in Augenschein nahmen und sich in den schmeichelhaftesten Ausdruͤcken fuͤr den Stif⸗ ter dieser nuͤtzlichen Anstalt zu aͤußern geruhten. — Am Nachmit⸗ ktag desselben Tages haben Se. Koͤnigl. Hoheit, begleitet von dem hohen Fuͤrsten⸗Paare bis Schwersenz, unsere Stadt ver⸗ lassen, um das Ziel Ihrer Reise weiter zu verfolgen.
— In den Gesammt⸗Sitzungen der Koͤnigl. Akademie der Wissenschaften wurden im Monat Mai folgende Abhand⸗ lungen gelesen: 1) Ueber die Gebirgsketten und Vulkane im Innern von Asien, von Herrn A. v. Humboldt. 2) Bei⸗ raͤge zur elektrischen Monoögraphie von Turmalie und Ma⸗ rekanit, von Hrn. Erman. “
— Waͤhrend des Gewitters am 25sten d. M, Nachmit⸗ tags wurden im Muͤggelsee⸗circa 10 Fahrzeuge, die theils Getreide und Holz, theils Sand und Steinkohlen geladen hatten, beschaͤdigt, oder gingen ganz zu Grunde. Der Sturm war so heftig, daß er Segel zerriß, Maste zerbrach und Schiffsleute ins Wasser warf, welche sich indessen durch
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neunzehnten Jahrhunderts. 1
Obgleich die in der neuesten Zeit wiederholte Behaup⸗ tung unerweislich ist, daß die Franzoͤsische Revolution iedig⸗ lich Folge irriger philosophischer Ansichten gewesen sey, so haben dieselben doch wesentlich auf den Gang der oͤffentlichen Angelegenheiten eingewirkt. Um deswillen muß eine Zeitung nicht blos von den eigentlich politischen Ereignissen sprechen,
sondern auch Uebersichten aller der Verhaͤltnisse geben, welche damit zusammenhaͤngen oder daraus hervorgehen. Dies ist hinsichtlich der Philosophie Frankreichs um so nothwendiger, da die Erinnerung an Voltaire, Helvetius, Diderot u. A. schlechterdings nicht mehr ausreicht, um die Verhaͤltnisse und Ansichten der Gegenwart zu begreifen. Wir wollen deshalb, mit Zuruͤcksetzung deutscher Standpunkte und Ur⸗ theile, darzulegen suchen, welche philosophischen Schulen und Schriftsteller waͤhrend des neunzehnten Jahrhunderts sich in jenem Lande bildeten und Einfluß gewannen. Als Leitfaden
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dient uns zunaͤchst: „Damiron essay sur 'hisloire de 12. Philosophie en France au dixneuvième siècle. 2 Vol. Se- conde édition, revue et augmentée“, ein Werk, welches “ mit Geschmack, Verstand, Unparteilichkeit und Maͤßigung gere. schrieben ist, und dem wir in Deutschland recht viele Leser wuͤnschen. 16 8r. Die Geschichte der Philosophie ist, aus dem richtigen Standpunkte betrachtet, nicht die muͤßige Aufzaͤhlung der un: praktischen Meinungen einzelner Menschen, welche blos fuͤr sich und gleichsam außerhalb aller Gesellschaft standen und dachten. Sie entwickelt vielmehr alle Ideen, welche Kraft und Wirksamkeit besaßen und sich als die großen Hebel aller Bewegungen des menschlichen Geschlechts erwiesen. Die aͤch⸗ ten Denker sind ihr die Repraͤsentanten der Menschheit; in⸗ dem sie jene erforscht, begreift und beurtheilt, thut sie dasselbe hinsichtlich der Menschheit uͤberhaupt. Dieselbe Aufmerksam-⸗ keit, welche sie den Lehren der Philosophen widmet, richtet sie auf Glauben, Willen und Handlungen des Volks; ja zu den Geschaͤften und einzelnen Ereignissen hinabsteigend, er⸗ klaͤrt sie dieselben und bringt sie in Verbindung mit ihren Grundfaͤtzen. Drei große Schulen haben sich in Frankreich waͤhrerd des neunzehnten Jahrhunderts erhalten oder neu entwickelt: erstens, die der Sinnlichkeit, des Sinnenthums (Sensation), welche Alles auß der Natur erklaäͤrt und zum Materialismüus fuͤhrt; zweitens, die der Offenbarung, welche Alles auf Gott bezieht und mit Theologie und Kirchenthum abschließt; drit⸗ tens, die der vernuͤnftigen Geistigkeit (Spiritualisme rationel]), — welche sich auf Kenntniß und Erforschung des menschlichen Geistes gruͤndet. Die Haͤupter der ersten Schule sind Ea 8 banis, Destutt de Tracy, Garat und Volney; die der zwei⸗ ten de Maistre, de Bonald und Lamennais; die dritte, man⸗ nigfaltiger in ihren Richtungen, laͤßt sich minder gut durch einzelne Namen und Worte bezeichnen. Wir wollen zuvoͤr⸗ derst jede dieser Schulen im Allgemeinen charakteristren und dann auf die einzelnen Schriftsteller uͤbergehen. 8 Die erste Schule haͤlt Sinne und Sinnlichkeit fuͤr die einzige Grundlage aller Philosophie. Ihr Gegenstand ist die Materie, der Koͤrper und seine Eigenschaften, die aͤu-⸗ ßere Welt, ihre Verhältnisse und Gesetze. Von Geist, Seele, Sittlichkeit, Gedanken als solchen in urspruͤnglicher Wesen⸗
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heit, weiß sie nichts und will sie nichts wissen. Auf den
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Die Philosophie in Frankreich waͤhrend des 3
Koͤrper des Menschen, auf Selbsterhaltung und Genuß, be⸗ zieht sich die natuͤrliche und sittliche Thaͤtigkeit des Menschen. In aͤhnlicher Weise umfaßt die Politik dieser Schule auch nur den sinnlichen Nutzen. Sie liebt Ordnung, weil sonst Gefahr und Elend einbricht; aber es gilt ihr gleich, woher jene entstehe, sofern sie nur das einzige Recht verbuͤrgt, wel⸗ ches sie den Einzelnen zuspricht: naͤmlich zu leben Und der sinnlichen Guͤter zu geniehen. Sie zieht die Freiheit vor, wuͤrde sich aber auch (wie das System des Hobbes zeigt) mit dem Despotismus vertragen. Das Wesentliche in ihren Au⸗ gen ist das Gute, jedoch nur in dem Sinne, wie sie diesen Begriff auffaßt, und jede Regierung ist ihr recht, sofern sie jenes Gute erzeugt. Gesetzgebung, Gerechtigkeit, Macht, Re⸗ ligion betrachtet sie nur in Bezug auf ihre Zwecke, richtet Alles lediglich ein fuͤr ihre Zwecke und durchdringt Alles mit ihren Ansichten. Sie ist ein Industrialismus, welcher Re⸗ gierung und Geselligkeit nur in einem materillen und physi⸗ schen Sinne begreift. Aehnlicherweise verfaͤhrt sie hinsicht⸗ lich der Kunst und setzt ihr einziges Ziel in die sinnliche Wahrheit, ohne Ruͤcksicht auf Geist und Ideal. In Beziehung auf Gott langt sie entweder an bei der bloßen Ausdehnung und der bedeutungslosen Einheit des materiali⸗ stischen Pantheismus; oder bei der charakterlosen Vielheit, dem Atomismus Epikurs. Fuͤr beide Faͤlle ist von Geistigkeit, Sittlichkeit, Wille, Vorsehnng nicht die Rede. Ihre Reli⸗ gion erscheint als ein Goͤtzendienst mit einer blinden Noth⸗ wendigkeit; keine Froͤmmigkeit, Dankbarkeit oder Hingebung, kein Gebet, Vertrauen oder Hoffnung; sondern allerhand Gemuͤthsbewegungen ohne Begeisterung, Liebe ohne Dank⸗ barkeit und Innigkeit, eine kalte Theilnahme, eine Anbetung, die auf der Erde bleibt, ohne Ideal und hoͤhere Eingebung. Die zweite theologische Schule betrachtet keines⸗ weges vorzugsweise die koͤrperliche und sinnliche Seite des Menschen; er ist ihr vielmehr vor Allem ein Geist, dem Or⸗ gane dienen. Diese Lehre von der Geistigkeit, dieser Spiri⸗ tualismus, erhaͤlt aber dadurch eine eigenthuͤmliche Beschaf⸗ fenheit, daß er mit der Kirchenlehre in enge Verbindung tritt, den Glauben mehr als die Erkenntniß hervorhebt und die Lehre von der Erbsuͤnde, als Haupt⸗Erklaͤrungsmittel, in den Vordergrund stellt. Das ganze Leben ist, dem gemaͤß, ein Zu⸗ stand der Strafe und Buße, und die Menschheit muß durch
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die Herrschenden mit Strenge
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