1830 / 277 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Wed, 06 Oct 1830 18:00:01 GMT) scan diff

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um dieser letzterer willen nicht bereits Karl X. verjagen muͤssen. Freilich weiß ich, daß nach dem Buchstaben der Charte die Minister allein verantwortlich sind; aber die Charte sagt auch, daß der Koͤnig unverletzlich sey. Nichts⸗ destoweniger haben Sie aber diesmal, m. H., den Koͤnig fuͤr die Verbrechen seiner Minister verantwortlich gemacht; diese hatten die Verordnungen unterzeichnet, und der Monarch hat dafuͤr mit dem Verluste des Throns buͤßen muͤssen. Das Urtheil ist sonach bereits gesprochen, das Verbrechen bereits gestraft, und es bleibt Ihnen nur noch uͤbrig, die schuldigen Ve mittler frei zu sprechen; denn ohne Zweifel ist es nicht

Ihre Absicht, die Unverletzlichkeit des vorigen Koͤnigs wieder

herzustellen; dies wuͤrde aber offenbar der Fall seyn, wenn

Sie jetzt noch nachtraͤglich die Ex⸗Minister zur Rechen⸗ klagen und zu richten

einmal hat sich der Welt in dem langen und traurigen Verlaufe

schaft ziehen wollten. Vergessen wir nicht die Worte, die der Mann, dem Frankreich seine Rettung verdankt, von die⸗ ser Rednerbuͤhne herab, nach der letzten Krise, zu uns sprach. „„Diese Revolution““, sagte er, „„hat einen eigenthuͤm⸗ lichen Charakter; zu dem Muthe hat sich die Großmuth ge— sellt; es ist unsrer wuͤrdig, daß wir die naͤchsten Tage durch große Handlungen der Menschenliebe bezeichnen.““ solche Handlung steht jetzt in unserer Macht. Wie koͤnnten Sie nach jenen Worten, und nachdem Sie selbst die Propo⸗ sition des Herrn von Tracy in Erwaͤgung gezogen haben, eine Anklage auf Leib und Leben anstellen? Man sagt uns, das Volk verlange eine solche Anklage. Waͤre dies der Fall, so wuͤrden Sie sie gewiß zuruͤckweisen. Aber dem ist nicht also. Sie wissen, meine Herren, daß unsere vielleicht etwas

zu eifrige Jugend der Meinung gewesen ist, daß sie dem An⸗ denken ihrer vor acht Jahren fuͤr das Vaterland gefalle⸗

7 4243. Ao 3 * 4 0 4 1 3 I1 . 2 * 7 nen Freunde nicht besser huldigen koͤnne, als wenn sie Mit dieser Ansicht nahm ich zur Seite meines Vaters als Ver⸗

theidiger des Marschalls Ney Platz, und es gelang mir, wenigstens das Leben der Generale Debelle und Cambronne zu retten! Jetzt

sofort am Richtplatze selbst eine Bittschrift zur Abstei⸗ jung der Todesstrafe abfasse. Lassen Sie uns daher ge⸗ recht, aber auch großmuͤthig seyn. Ich schlage vor, die Anklage folgendermaßen abzufassen: Die Minister sind an⸗

geklagt, 1stens ihre Gewalt gemißbraucht zu haben, um die

Wahlen zu verfaͤlschen und die Buͤrger der freien Ausuͤbung ihrer buͤrgerlichen Rechte zu berauben; 2tens den Beamten fuͤr ihre polirischen Ansichten und in Folge eines in mehre⸗ ren Departements verabredeten Planes mit Absetzung ge⸗ droht oder sie wirklich abgesetzt zu haben.“

sich vornehmlich uͤber die Feuersbruͤnste in der Normandie

vernehmen, die er lediglich der Partei der Contre⸗Revolution zur Last legte, und gab den Wunsch zu erkennen, daß man

den Urhebern dieser Verbrechen auf die Spur kommen moͤge, um sie der Strenge der Gesetze uͤberliefern zu koͤnnen. Nach ihm bestieg Herr Berryer die Rednerbuͤhne.

„In dem tiefen Stillschweigen“, begann er, „womit Ihre Versammlung den Bericht der Anklage⸗Kommission angehoͤrt hat, schien sich eine so allgemeine Zustimmung kund zu geben, daß es den meisten unter Ihnen als eine Art von Verwegenheit erschei⸗ nen muß, von dieser Rednerbuͤhne herab den in Antrag gebrach⸗ ten Beschluß zu bekaͤmpfen. Aber gerade dann, wenn unter so ernsten Umstaͤnden die Gemuͤther sich mit Gewalt zu einer und derselben Ansicht hingezogen fuͤhlen, gebietet die Pflicht des un⸗ erschrockenen Mannes, die entgegengesetzte Ansicht, die er aus sei⸗ nem Gewissen und seinem Verstande schoͤpft, nur um so lauter auszusprechen. Ich verhehle mir nicht, daß diese Lage, die unter allen Umstaͤnden eine sehr schwierige seyn wuͤrde, der Schwierig⸗ keiten noch mehr fuͤr mich als fuͤr jeden andern darbietet. Meine Worte muͤssen Ihnen bei dieser Gelegenheit verdaͤchtig erscheinen. Das Band der Freundschaft, das mich seit langen Jahren an mehrere Mitglieder des vorigen Ministeriums knuͤpfte, ist Ihnen Allen bekannt, und vielleicht wird man nur den beauftragten Ver⸗ theidiger der Angeklagten in mir zu hoͤren glauben. nicht am Tage des Ungluͤcks angeklagter Freunde werde ich Ge⸗

fuͤhle verlaͤugnen, die jhren Ursprung in gluͤcklicheren Tagen ha⸗ b

ben; aber ein geschickterer und einflußreicherer Mann hat die Vertheidigung derselben uͤbernommen. Geben Sie daher dem Glauben Raum, daß ich bei dieser feierlichen Berathung, den Grundsaͤz⸗ zen getreu, die mich bewogen haben, in Ihrer Mitte zu bleiben, mich uͤber meine Privat⸗Neigungen zu erheben, die Pflicht eines loyalen Deputirten zu erfuͤllen und das uns heute obliegende hohe Richteramt zu verwalten wissen werde. Es ist keinesweges meine Absicht, den Bericht Ihrer Kommission in seinen Einzelnheiten zu beleuchten; einsichtsvolle und unparteiische Pruͤfung der Pachwelt; ich will Ihnen nur einige allgemeine Betrachtungen uͤber den die vorigen Minister betreffenden Beschluß vorlegen. „„Es war ein Beduͤrf⸗ niß fuͤr Frankreich (so hat Ihr Berichterstatter sich geaͤußert), der Welt eine Uebersicht seiner Beschwerden gegen eine Regierung, die nicht mehr ist, vffen darzulegen. Alle Voͤlker Europae's richten ihre Blicke aufuns . Lassen Sie uns auf diesem hohen Standpunkte, und diesen zahllosen Zuhdrern gegenuͤber verharren; lassen Sie uns als Gesetzgeber und Nichter Gefuͤhle unterdruͤcken, die um so lebhaster wirken, weil sie noch neu sind; lassen Sie uns allen

Groll, alle Trauer, alles Leidh vergessen und ein Benehmen

Eine

Hr. v. Bri⸗ queville unterstuͤtzte die Antraͤge der Kommission. Er ließ verurtheilen? Man verlangt, Sie sollen die Hochverraths anklagen! Des Hochverraths, gegen wen? gegen den Koͤnig, der von dem Thron gestuͤrzt worden ist, oder gegen den, der von Ihnen auf denselben berufen worden ist; gegen die Drdnung der Dinge, welche das Volk umgestoßen hat, oder gegen die von Ihnen neu geschaffene; gegen die Charte, deren Grund⸗ prinzip Sie

Wahrlich,

ein großer Theil dieser Arbeit wartet auf die

Sprache beobachten, denen alle Zeiten und alle Men⸗ schen Beifall zollen muͤssen; dies ist ohnehin eine Bedingung der

Gerechtigkeit, deren Gesetze ewig und unwandelbar sind. Ein gewaltiger Kampf erhob sich zwischen Frankreich und seinem Kd-⸗ 1 hat entschieden, ruft man Ihnen zu. Der Fuͤrst, zu welchem die Deputirten noch vor wenigen Monag-⸗ ten sagten, die heiligen Rechte seiner Krone seyen die

nige. Der Krie

sicherste Buͤrgschaft fuͤr unsere Freiheiten, und Jahr⸗

hunderte haͤtten, zum Gluͤcke Frankreichs, seinen 8

Thron in eine den Stuͤrmen unzugaͤngliche Region

gestellt, derselbe Fuͤrst hat in wenigen Stunden seine Krone und

sein Vaterland verloren! Mit seiner Koͤniglichen Nachkommen⸗ schaft ist er in das Land der Verbannung geschickt worden. Der Krieg hat entschieden! Und jetzt macht man den Siegern den Antrag, die besiegten Minister dieser aufgeloͤsten Regierung anzu Bei mehr als einem Volke und mehr als

des Zwiespalts unter den Menschen ein solches Schauspiel dar⸗

geboten, aber auch immer hat die gerechte Geschichte die in sol⸗ chen Faͤllen von der siegreichen Partei getroffenen gerichtlichen

Zuruͤstungen getadelt und wird sie auch ferner tadeln. Ich

spreche hier, m. H., einen Gedanken aus, der tief in mein Herz gegraben ist, und den ich, verzeihen Sie mir den Ausdruck, eini⸗ Schon im Jahre

ges Recht habe, mit Vertrauen zu aͤußern. 1815, also zu einer Zeit, wo die politischen Leidenschaften in allen

Gemuͤthern aufs hoͤchste gespannt und wo sie auch in mir mit 8

aller Gluth der Jugend erwacht waren, sagte ich zu mir, von Gefuͤhlen beseelt, die nur mit meinem Leben in mir erloͤschen werden: „Ein Giftmischer, ein Straßenraͤuber, ein Vatermoͤrder sind stets Verbrecher und muͤssen zu allen Zeiten und in allen Laͤndern verurtheilt werden. Anders ist es mit den Staatsver⸗

brechern; man gebe ihnen andere Richter; die Zeit bringe ver- letzte Interessen zum Schweigen, mildere die Leidenschaften,

und ihr Leben, ja vielleicht sogar ihre Ehre werden geborgen seyn.“

m. H. hat sich eine neue und voͤllige Umwaͤlzung unter uns zu⸗

getragen; das Volk hat im Kampfe strenge Rache an denen ge

nommen, die uͤber dasselbe herrschten; alle Gewalt in der buͤrger⸗ lichen Gesellschaft ist in die Haͤnde der entgegengesetzten Partei

uͤbergegangen; die fruͤher bedraͤngten Ansichten haben den Sieg davon getkagen; die bisher perletzten Interessen sind jetzt die herr⸗ schenden; und Sie, meine Herren, koͤnnten glauben, daß unter

solchen Umstaͤnden es der Wuͤrde, Unbefangenheit und Gerechtig⸗

keit angernessen waͤre, die Urheber der politischen Maaßregeln, die

jener ungeheuren Umwaͤlzung unmittelbar vorangegangen sind, zu x⸗ Minister des

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gen Sie veraͤndert haben? Nein, meine Herren, am 7. August, wo Sie in Fhrer Declaration vorweg erklaͤrten, daß in Folge

der Verletzung der Charte der Thron Karls X. dem Rechte und der That nach erledigt sey, an dem Tage, wo aus Ihrer Mitte erwaͤhlte Kommissarien diesen Fuͤrsten und seine

Familie bis jenseit der Franzoͤsischen Graͤnze gelciteten, haben Sie sich des Rechts begeben, die Minister Karls X. um derselben Handlungen and derselben Verletzungen der Charte willen anzu⸗ klagen. Erlauben Sie mir, hier an eine Bestimmung der Verfassung

zu erinnern, aus welcher Folgerungen zu ziehen sind, welche Jeder⸗ mann in die Augen springen muͤssen. Die Charte sagt: die Ppersondes Koͤnigs ist unverletzlich und heilig, und seine Minister Diese beiden Prinzipien sind

allein sind verantwortlich. Diese b korrelativ, haͤngen von einander ab, sind eines vom andern un⸗

trennbar. Die Verantwortlichkeit der Minister ist die Buͤrgschast

fuͤr die Unverletzlichkeit des Koͤnigs, und diese Unverletzlichkeit der

Koöniglichen Person ist umgekehrt der Grund der Verantwort⸗ 8 8 Ohne die Verantwortlichkeit der Mini⸗

lichkeit ihrer Beamten. Ohn ster wuͤrde die Unverletzlichkeit des Fuͤrsten ein bequemer Vor⸗ wand und ein leicht zu handhabendes Mittel der Tyrannei die Verantwortlichkeit der Minister den Weg zu unaufhoͤrlichen Unordnungen und zur Anarchie bahnen. Die Ausuͤbung des

Nechts der Anklage in Folge der Verantwortlichkeit der Minister ist in dem naturgemaͤßen Gange einer verfassungsmaͤßigen Re⸗

gierung und in dem Kreise der regelmaͤßigen Wirksamkeit der Staats⸗Gesetze legitim und nothwendig; sie ist ungerecht und das Maaß uͤberschreitend nach jenen gewaltigen Umwaͤlzungen, in denen die Ordnung der Dinge im Staate veraͤndert worden, die Gesetze untergegangen sind und das Scepter den Haͤnden, die es trugen, entfallen ist. Indem Sie den Thron fuͤr erledigt er⸗

klaͤrten, den Koͤnig selbst durch den Verlust seiner Rechte, sogar fuͤr seine Nachkommenschaft, straften 8 Zütgen Sie von der An-⸗ e

nahme, Er habe gewollt, verlangt, befohlen, aus, und sonach koͤn⸗

nen Sie jetzt nicht seine Minister auch noch fuͤr ihren Gehor-⸗ Die von Ihnen vollbrachte Revolu⸗-⸗ Grund ei⸗ 3

sam bestrafen wollen!

tion hat die politische recht zu erhalten und zu ner Anklage der Minister nicht be

Ordnung vernichtet, raͤchen, allein der 1 1 seyn koͤnnte. Ich will mich

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elbst aufgehoben, deren Charakter und Bestimmun⸗

seyn; andererseits wuͤrde ohne die Unverletzlichkeit des Koͤnigs

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der Unterfuchung aufhalten, welche gesetliche Folgee⸗

rungen sich in Betreff der Ausdehnung der Rechte der vorigen Regierung aus der von Ihnen gestrichenen Einleitung der Charte, o wie aus dem von Ihnen veraͤnderten Artikel 14 und aus den jetzt noch geltenden Bestimmungen unserer Gesetze, wodurch je⸗ der Angrisß gegen die angestammten Rechte des Koͤnigs zu Ver⸗ ehen gestempelt werden, ziehen lassen könnten. Noch weniger ann es mir in den Sinn kommen, die Minister als voͤllig vor⸗ wurfsfrei zu betrachten. Ach! nur zu gerechte Klagen gegen sie werden nicht allein von denen erhoben, die auf deren Verurthei⸗ lung dringen! Die schoͤnste Krone der Welt ist vom Haupte des Erben so vieler Keg gefallen; Der Charakter eines rechtlich gesinnten und menschlichen Koͤnigs ist auf eine so schmerzliche Weise blosgestellt und so heftigen Anklagen Preis gegeben wor⸗ den! Der lange Frieden und die Wohlfahrt eines groöͤßen Volks sind von so betruͤbendem Unheil bedroht gewesen! Ja, die meisten sind schuldig! aber nicht Sie, m. H. koͤnnen sich zu Anklaͤgern der⸗ selben aufwerfen, und auch keine sonstige Richter kann ich fuͤr sie in unserem Lande sfinden. Wem wollen Sie die Anklage vorle⸗ gen, m. H.? Wer soll uͤber das Geschick der Er⸗Minister ent⸗ scheiden? Der Pairshof? Gut! Ist aber dieses fuͤr Prozesse der höheren politischen Gerichtsbarkeit gegruͤndete Tribungl heute noch dasselbe, wie zu der Zeit, wo die Minister dem Ur⸗ theile desselben mit Fug und Recht unterworfen waren? Ist es noch dasselbe, wie an dem Tage, wo die Anklage Ihnen vorgelegt wurde? Seitdem sind 93 Pairs von Frankreich von Ih⸗ nen der Rechte der Pairschaft beraubt worden. Als die Anklage schon bei Ihnen anhaͤngig gemacht worden war, veraͤnderten Sie den Gerichtshof und vertrieben eine so große Anzahl von Rich⸗ tern von ihren Sitzen! Ich mag nicht aufs neue bekaͤmpfen, was von Ihnen einmal entschieden ist. Jene Maaßregel war vielleicht ein durch den Lauf der Revolution, die Sie vollbracht haben, nothwendig gewordenes Ereigniß. Beweist dieses Faktum aber nicht hinlaͤnglich, daß Sie nach einer in ihren Ergebnissen so um⸗ fassenden Revolution nicht, ohne alle Gerechtigkeit und Moral zu verletzen, wegen fruͤherer Handlungen eine Anklage erheben und dieselbe eben so wenig vor Richter bringen koͤnnen, die sie sich gleichsam zur Verurtheilung vorbehalten haben? Es ist unmdglich⸗ meine Herren, daß diese Betrachtungen sich nicht schon Ihnen von selbst dargeboten haben sollten. Wenn diese Berathung, bei der es sich um Tod und Leben handelt, peinlich fuͤr Sie ist, so ist nicht das Gefuͤhl der Menschlichkeit die alleinige Ursache davon; ernste Gedanken beschaͤftigen Ihre Seele. Betrachtungen aller Art muͤssen Ihre Berathung in der hohen Sphaͤre, worin Sie sich befinden, bei jedem Schritte aufhalten. Ihr talentvoller Be⸗ richterstatter hat diese Betrachtugen weise angedeutet, ehe er die Rednerbuͤhne verließ. Gerechtigkeit, aber keine Rache, so sagte er, ist der Wunsch aller Herzen. In diesem wichtigen Augenblicke schaͤtze ich alle Plaͤne, Drohungen, Leidenschaften und vergaͤngliche Interessen der Politik gering und rufe im Na⸗ men der Gerechtigkeit die ewigen, stets maͤchtigen, moralischen Gesetze an, deren Verletzung sich immer, fruͤher oder spaͤter, auf Erden raͤcht. Nur von dem Gefuͤhle meiner persoͤnlichen Ehre, so wie der Ehre der Kammer und meines Landes, geleitet, stimme

ich aus Ueberzeugung und freier Eingebung, ohne Zuneigung und ohne Furcht, gegen den Antrag auf die nister.”

nklage der Erxr⸗Mi⸗

Nach Hrn. Berryer, auf dessen Rede eine ziemlich lebhafte Bewegung folgte, wurde die Sitzung momentan unterbro⸗ chen. Der Baron v. Podenas las demnaäͤchst eine lange Rede ab, worin er das vorige Ministerium des Hochverraths fuͤr schuldig erklaͤrte und sonach fuͤr die Antraͤge der Kom⸗ mission stimmte. Hr. v. Lardemelle trat sodann gegen diese Antraͤge auf. Wenn man, meinte er, blos seinem Grolle Gehoͤr geben wolle, so sey es unmoͤglich, Minister nicht fuͤr strafbar zu halten, welche die schoͤnste Monarchie der Welt, die das Land wegen der Buͤrgschaft, welche sie ihm durch das Prinzip der Legitimitaͤt gewaͤhrt, noch lange

schmerzlich vermissen werde, untergraben haͤtten; hierum

handle es sich aber in dem gegenwaͤrtigen Falle nicht, son⸗ dern blos darum, ob die vorigen Minister sich durch die Un⸗

terzeichnung der Verordnungen vom 25. Juli des Hochver⸗

raths schuldig gemacht haͤtten; er seinerseits koͤnne nicht glau⸗

ben, daß sie wirklich die Absicht gehabt, den Koͤnig und das

Land zu hintergehen; eher haͤtten sie vielleicht gedacht, durch ihre Auslegung des 14ten Art. der Charte Frankreich vor drohen⸗

den Gefahren zu bewahren; er beklage die traurigen Ereig⸗

nisse, die jene Verordnungen herbeigefuͤhrt haͤtten; doch koͤnne er um so weniger fuͤr die Anklage stimmen, als in der Wahl⸗ Kammer 130 Deputirte fehlten und die erbliche Kammer auf den dritten Theil ihrer Mitglieder reduecirt sey. Hr. Enouf aͤußerte sich ganz in demselben Sinne, wie Herr

v. Briqueville. Der Graf Arthur von la Bourdon⸗

naye erklaͤrte, es sey nicht seine Absicht, die vorigen Minister

zu entschuldigen; eben so wenig koͤnne er aber fuͤr die Antraͤge

der Kommission stimmen; saͤße Carl X. noch auf dem Throne,

so wuͤrde er (der Redner) keinen Augenblick Anstand nehmen,

Maͤnner, die sich eine so offenbare Verletzung des Grund⸗ Vertrages haͤtten zu Schulden kommen lassen, der ganzen Strenge der Gesetze Preis zu geben; dieser Grundvertrag selbst abe stehe jetzt nicht mehr, und mit ihm sey

be v111616“”“]

uns eine Berathung, vielleicht

Minister auf einmal, abzustimmen habe.

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hunderte mit denen Frankreichs eng verknuͤpft gewesen waͤren; von einer Bestrafung der Minister koͤnne, nachdem die von

der Charte ausbedungene Unverletzlichkeit des Koͤnigs umge⸗

stosfsfen worden, keine Rede mehr seyn. „Sie haben kein den sie wie einen absolüuten Souverain behandelt haben, als verfassungsmaͤßige Minister zu betrachten. Moͤgen diese Mi⸗ nister den Boden Frankreichs, das ihnen so gerechte Vorwuͤrfe zu machen hat, verlassen; moͤgen sie in fremden Laͤndern ihr Betragen abbuͤßen; moͤgen sie durch ihre baldige Entfernung

Dynastie verschwunden, deren Schicksale durch acht Jahr⸗

Recht,“ so schloß der Redner, „die Rathgeber eines Koͤnigs, .

gar eine Handlung, ersparen,

worunter die oͤffentliche Wuͤrde und die National⸗Großmuth

nur allzusehr leiden wuͤrden.“ Herr Mercier ließ sich hauptsaͤchlich uͤber die Feuersbruͤnste in den Departements

des Calvados und des Kanals, so wie in dem Departement

der Orne, vernehmen und erinnerte bei dieser Gelegenheit an die von dem vorigen Großsiegelbewahrer verlangte Ein⸗ setzung von Prevotal⸗Gerichtshoͤfen. Als Deputixter der

Normandie, aͤußerte er, sey es seine Pflicht, die Aufmerksam⸗ keit der Kammer auf diesen Gegenstand ganz besonders hin⸗

zulenken, dessen naͤhere Aufklaͤrung sich nur von einem Pro⸗ zesse der Ex⸗Minister vor dem Pairshofe erwarten lasse.

Er stimmte sonach fuͤr die Antraͤge der Kommission. Hr. 1

von Francheville sprach in dem Sinne des Herrn von la Bourdonnaye. Es zieme der Kammer nicht, meinte er, einer Anklage wegen eines Verbrechens Folge zu geben,

das man bereits die vorige Dynastie das Opfer ministe⸗

rieller Unfaͤhigkeit habe entgelten lassen. Hr. Labbey

de Pompidres hielt zu Gunsten der Antraͤge der Kom⸗ mission eine Rede, die bei der Schwaͤche seines Organs fuͤr

den groͤßern Theil der Versammlung verloͤren ging. Der g

Graf von Lamézan beschraͤnkte sich auf die Vertheidigung

des Barons von Montbel, den er als einen seiner ver⸗

trautesten Freunde bezeichnete. nisters,“ aͤußerte er, „erinnert uns an keit und vielleicht allzu große Guͤte, die dem Antritte seiner parlamentarischen Laufbahn stets be⸗

wiesen hat; ich kenne die edlen und ruͤhrenden Gruͤnde, die ihn verhinderten, vor der letzten Karastrophe aus dem Mini⸗ Gewiß ist, daß Herr von Montbel

unterzeichnet haben

sterium auszuscheiden. die unseligen Verordnungen niemals wuͤrde, wenn er geglaubt haͤtte, daß sie sein Land irgend in Gefahr bringen koͤnnten.

Umstaͤnden die verderblichsten Folgen haben koͤnnen.

„Der Name dieses Mi⸗ die Rechtlich⸗ derselbe seit

xfa Vergessen wir ja nicht, m. H., 9 daß in der Politik oftmals die besten Absichten unter gewissen Mein

Wahlspruch wird stets seyn: Maͤßigung und Großmuth im . 1„ 8 85 7. 4 1 Siege.“ Hr. v. Tracy war der letzte Redner, der sich

uͤber die Antrage der Kommission, und zwar zu Gunsten der⸗

selben, vernehmen ließ. Er gedachte unter Anderm im Laufe

seiner Rede auch des von ihm herruͤhrenden Antrags, die Todes⸗ g

strafe abzuschaffen, in welcher Beziehung er erklaͤrte, daß er auch jetzt

noch das Leben des Menschen fuͤr unverletzlich halte. Diese Ansicht, 1S.

fuͤgte er hinzu, habe aber mit dem Gegenstande der gegenwaͤrtigen

Berathung nichts zu schaffen; die Gerechtigkeit muͤsse vorerst ihren Lauf haben, und spaͤterhin lasse sich immer noch be⸗

stimmen, in welcher Weise der Rechtsspruch etwa zu modifi⸗ bi

ziren seyn moͤchte

.

die Diskussion zusammengefaßt hatte, entspann sich ein Streit

uͤber die Frage, ob die Kammer uͤber die Versetzung in den Anklagestand jedes einzelnen Ministers, oder saͤmmtlicher Der Praͤsident sprach sich fuͤr die erstere Alternative aus. Eben so die Herren Persil, Daunant, Schonen, Alex. von Laborde, von

Montigny und Andere. Mehrere andere Deputirte erklaͤrten 1

Nachdem hierauf Herr Bérenger

3 1“ 9, 8 1289

sich dagegen fuͤr die zweite Alternative; man bemerkte darun-

ter die Herren v. Tracy, Demargçay, v. Saunac, v. Clarac, Thouvenel, v. Lameth, Villemain und Andere. Letzterer machte den Vorschlag, daß die Kammer nur im Allgemeinen daruͤber, ob sie die vorigen Minister des Hochverraths fuͤr schuldig halte oder nicht, abstimme, sich aber in keine naͤhere Be⸗ Dieser Antrag wurde indeß verworfen. Ein Gleiches

lasse.

zeichnung der Vergehen, worin der Hochverrath bestehe, ein⸗

geschah hinsichtlich des obigen Vorschlages des Hrn. v. Larochefou⸗ 620 cauld; die Versammlung beschloß dagegen, uͤber jeden Minister und

jeden Auklage⸗Punkt einzeln abzustimmen. man sich mit dem Fuͤrsten von Polignac. Der erste Anklage-: puakt: „daß derselbe seine Gewalt gemißbraucht habe, um die Wahlen zu verfaͤlschen und die Buͤrger an der freien Auss⸗s uͤbung ihrer buͤrgerlichen Rechte zu hindern,“ wurde von der

Zuerst beschäͤftigte

linken Seite und den beiden Centris fuͤr begruͤndet erklaͤrt. Mit gleicher Majoritaͤt entschied die Kammer die drei an⸗

w

dern Punkte: „daß er die Verfassung willkuͤhrlich und ge⸗ 1 verändert; daß er sich eines Komplotts gegen die

1 8 ,2 5 . . 5 8

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