1830 / 326 p. 5 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Wed, 24 Nov 1830 18:00:01 GMT) scan diff

Sie wohl, daß England und alle anderen Maͤchte sich immer Ihrer Vereinigung mit demselben widersetzen werden.““ Diese Antwort wurde mir ertheilt, als ich dem Herzog gesagt hatte, daß wir im Falle einer Intervention

unsere Vereinigung mit Frankreich als einen letzten Nothanker

betrachten wuͤrden. Weit davon entfernt, ein Nothanker zu seyn, sagte mir Se. Gnaden, wuͤrde dies nur das Signal zu einem Europaͤischen Kriege abgeben. Der Herzog sprach auch von den Wahlen zum Kongresse und schenkte mehreren, die den Stempel der Weisheit zu tragen schienen, den er allen Deliberationen der National⸗Versammlung wuͤnsche, seinen Beifall. In Folge dieser Konferenzen habe ich die Gewiß⸗ heit erlangt, daß es nicht die Absicht der großen Maͤchte sey, zu interveniren; damit jedoch diese Gewißheit durch oͤffentliche Erklaͤrungen noch groͤßer werde, als durch die in vertraulichen onferenzen ertheilten Versicherungen, begab ich mich zu Hrn. Hobhouse, um ihm die Nothwendigkeit anschaulich zu achen, das Englische Kabinet zu zwingen, im Angesichte des olks und vor ganz Europa die mir gemachte Erklaärung zu iederholen, und am naͤchsten Freitage wird nun Heer obhouse seinen Antrag stellen.“ Dem Herrn v. d. Weyer wurde nach dieser Erzaͤhlung der Dank der Versammlung votirt. Auf eine Frage des Hrn. Werbroek Pieters antwor⸗ tete Hr. v. d. Weyer, daß die Frage einer freien Schifffahrt der Schelde bei allen Maͤchten schon entschieden waͤre, und daß er, als man ihn unter der Hand gefragt, ob er wohl den Konferenzen der fuͤnf Bevollmaͤchtigten beiwohnen moͤchte, es fuͤr seine Pflicht gehalten, dies abzulehnen, weil dies so viel gewesen seyn wuͤrde, als den Maͤchten stillschweigend das Recht der Intervention anzuerkennen. In Betreff Luxem⸗ burgs, fuͤgte er spaͤter hinzu, habe sich der Graf Aberdeen nur mit einem diplomatischen Kopfschuͤtteln geaͤußert. Der Antrag eines Mitgliedes, die Unverletzlichkeit aller Kongreß⸗ Mitglieder zu erklaͤren, wurde fuͤr uͤberfluͤssig erachtet und durch die Tagesordnung beseitigt. Ein Antrag des Herrn Rodenbach, seinem Vorschlage wegen Ausschließung des Hau⸗ ses Nassau vor einem andern die Prioritaͤt zugeben, wurde von 98 gegen 77 Stimmen verworfen.

In der slnspen Sitzung beschaͤftigte sich der Kongreß mit der Unabhaͤngigkeits⸗Erklaͤrung Belgiens, kam jedoch zu keinem Resultate.

Viele Individuen, die vordem in Niederländischen Regi⸗ mentern gestanden, hatten es mehr nach ihrem Geschmacke gefunden, in Frei⸗Corps zu dienen, statt wieder bei einem Re⸗ gimente einzutreten. Durch eine Verfuͤgung der provisori⸗ schen Regierung ist es deshalb jetzt den Chefs der Frei⸗Corps untersagt worden, dergleichen Individuen anzunehmen, so⸗ sern sie nicht mit einem Entlassungsschein versehen sind.

1“ 668 ; 11“ 1 e*“ Neapel, 9. Nov. Nachdem die Krankheit des Koͤnigs Franz I. seit 8 Tagen einen in hohem Grade Besorgniß er⸗ regenden Charakter angenommen, ist dieser Monarch gestern, am 8ten d. M., um 3 Uhr Nachmittags derselben erlegen. Schon vorgestern hatte sich das Geruͤcht von der bevorstehen⸗ den Aufloͤsung des Koͤnigs allgemein verbreitet, und die Be⸗ wohner dieser Hauptstadt, welche die vortrefflichen Eigen⸗ schaften jenes Fuͤrsten vollkommen zu wuͤrdigen wußten, wa⸗ ren dadurch in den tiefsten und aufrichtigsten Schmerz versetzt worden. Die verwitwete Koͤnigin, so wie die gesammte Koͤnigliche Familie, befinden sich in einem schwer zu beschreibenden Zu⸗ stande der Betruͤbniß. Der Koͤnig Ferdinand II. hat sofort die Zuͤgel der Regierung ergriffen und dem Fuͤrsten von Cassero anbefohlen, hiervon die Mitglieder des diplomatischen Corps amtlich in Kenntniß zu setzen. Zwei Proclamationen, die uͤberall oͤffentlich angeschlagen worden sind (s. unten), ha⸗ ben diesen Morgen die Hauptstadt von der Thronbesteigung des neuen Koͤnigs in Kenntniß gesetzt. Se. Maj. und die besemmnten Mitglieder des Koͤnigl. Hauses sind, dem Ge⸗ rauche gemäaͤß, nach dem Schlosse Portict abgereist.

Wir, Ferdinand II., von Gottes Gnaden Koͤnig bei⸗

der Sicilien und von Jerusalem ꝛc. ꝛc. Nachdem Uns Gott in Folge des Ablebens Unseres vielgeliebten Vaters und Koͤ⸗ nigs, Franz des Ersten, glorreichen Andenkens, auf den Thron Unserer erhabenen Vorfahren berufen hat, fuͤhlen Wir, in⸗ dem Unser Herz von dem großen Verlust, den Wir erlitten, tief durchdrungen ist, die schwere Last, welche der hoͤchste Verleiher der Kronen auf Unsere Schultern hat legen wollen, indem er Uns die Regierung dieses Koͤnigreichs an⸗ vertraute. Wir sind uͤberzeugt, daß Gott, indem er Uns mit seiner Autoritaͤt bekleidet, nicht die Absicht hat, daß dieselbe unbenutzt in Unseren Haͤnden ruhe, wie er andererseits auch ill, daß Wir sie mißbrauchen. Sein Wille ist,

Unser Reich ein Reich der Gerechtigkeit, Wachsamkeit und Weisheit sey, und daß Wir gegen Unsere Unterthanen die vaͤterlichen Absichten seiner Vorsehung erfuͤllen.

Im Innersten von den Plaͤnen Gottes in Betreff Unser durchdrungen und entschlossen, dieselben zu erfuͤllen, werden wir Unsere ganze Aufmerksamkeit auf die wesentlichsten Be⸗ duͤrfnisse des Staats und Unserer vielgeliebten Unterthanen wenden und keine Anstrengungen scheuen, um jene Wunden sinsbailen, an denen dieses Reich schon seit mehreren Jahren eidet.

Da Wir zuvoͤrderst uͤberzeugt sind, daß Unsere heilige

katholische Religion die Hauptquelle des Gluͤcks der Reiche und der Voͤlker ist, so wird es deshalb auch Unsere erste und hauptsaͤchlichste Sorge seyn, sie in Allen Unseren Staaten unangetastet zu bewahren und aufrecht zu erhalten, und durch alle Mittel fuͤr die genaue Beobachtung ihrer goͤttlichen Vor⸗ schriften zu sorgen. Und da die Bischoͤfe durch die besondere Mission, die sie von Jesu Christo empfangen, die ersten Diener und Waͤchter dieser Religion sind, so hegen Wir das volle Vertrauen, daß sie mit ihrem Eifer Unsere gerechten Absich⸗ ten unterstuͤtzen und die Pflichten ihrer bischoͤflichen Wuͤrde puͤnktlich erfuͤllen werden. Da zweitens auf der Welt keine wohlgeordnete Gesell⸗ schaft ohne eine gute und unparteiische Rechtspflege bestehen kann, so wird diese das zweite Ziel seyn, auf welches Wir Unsere besondere Fuͤrsorge richten werden. Wir wollen, daß Unsere Gerichtshoͤfe Heiligthuͤmern gleich seyen, welche nie⸗ mals durch Intriguen, durch ungerechten Schutz, noch durch irgend menschliche Ruͤcksichten und Interessen entweiht wer⸗ den duͤrfen. Vor den Augen des Gesetzes sind alle Unsere Unterthanen gleich, und Wir werden dafuͤr sorgen, daß un⸗ parteiische Gerechtigkeit gegen Alle gehandhabt werde.

Endlich nimmt der Zweig der Finanzen Unsere besondere Aufmerksamkeit in Anspruch, da er es ist, der dem ganzen Reiche Bewegung und Leben verleiht. Es ist Uns nicht un⸗ bekannt, daß in diesem Zweige tiefe Wunden vorhanden sind, die der Heilung beduͤrfen, und daß Unser Volk einige Er⸗ leichterung von Lasten erwartet, die in Folge fruͤherer Stuͤrme ihm auferlegt worden sind. Wir hoffen, mit dem Beistande Gottes, diese beiden Unserem vaͤterlichen Herzen so theuren Zwecke zu erreichen, und sind zu jedem Opfer bereit, um die⸗ selben verwirklicht zu sehen. Wir hoffen, daß Alle, so viel sie koͤnnen, Unserem Beispiele folgen werden, um dem Reiche jenes Gedeihen wiederzugeben, welches der Wunsch aller tugendhaften und rechtlichen Menschen seyn muß.

Was Unsere Armee betrifft, der Wir schon seit mehreren Jahren Unsere besondere Sorgfalt gewidmet haben, und die sich durch ihre Mannszucht und musterhafte Auffuͤhrung Un⸗ serer besonderen Achtung und Zufriedenheit wuͤrdig gemacht hat, so erklaͤren Wir, daß Wir nicht aufhoͤren werden, Uns mit ihr und ihrem Wohl zu beschaͤftigen, indem Wir hoffen, daß sie ihrerseits bei allen Gelegenheiten Beweise ihrer un⸗ verbruͤchlichen Treue geben und die Ehre ihrer Fahnen nie beflecken werde. I1“ MNeapel, 8. Nov. 1880.. Ferdinand. Wir, Ferdinand II., von Gottes Gnaden Koͤnig Hider Sicilien und von Jerusalem ꝛc. ꝛc. 8

Da Wir wollen, daß durch das traurige Ereigniß des Ab⸗ lebens Sr. Majestaͤt des Koͤnigs Franz I., Unseres Erlauchten Vaters, der Geschaͤftsgang nicht die mindeste Unterbrechung er⸗ leide; so haben Wir beschlossen zu dekretiren und dekretiren, wie folgt: 8

Art. I. 8

Alle Behoͤrden Unsers Reiches beider Sicilien bleiben in

der Ausuͤbung ihrer respektiven Functionen. eees Artike. I. Unser Staats⸗Minister und interimistischer Praͤsident des

Minister⸗Raths, Unsere saͤmmtlichen Staats⸗Minister, Unsere

Minister Staats⸗Secretaire und Unser General⸗Statthalter in Unseren Gebieten jenseits des Pharus sind mit der Vollzie⸗ hung des gegenwaͤrtigen Dekrets beauftUrdagt. apel, den 8. November 18300. —— 11 unterz. Ferdinand. 1ee ves. Deerr Staats⸗Minister, interimistischer Praͤ⸗ sident des Minister⸗Raths,

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(gez.) Marchese Töommasi. 1 98 ‚SSär gleichlantenhe Pöbschriftte Der Staats⸗Minister, interimistischer Praͤ⸗ 11““ sident des Minister⸗Rath, 1““ gJ A“*“” EtRzaaan xFEreFenx 2 e Th KrN vrnedun 1. Zweite Beila 2

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beinschen Darstellung noch dreimal.

Zweite Beilage zur Allgemeinen Preußischen Staats⸗Z.

Ausstellung der Koͤnigl. Akademie der Kuͤnste.

1.“ Fu P uͤnfter Artikel. (Fortsetzung und Schlu

Boas und Ruth sah man außer der schon besprochenen Hol⸗ 88 sfh Madame Claude⸗Henry hat freilich von dem großen Charakter der patriarchglischen Zeit am wenigsten gerettet, ja wohl kaum nur den Gedanken einer solchen Forderung gefaßt, doch aber Lust und Freude an kuͤnstlerischem Schaffen zu erkennen gegeben. Herr Bendemann, von einer gu⸗ ten Schule beguͤnstigt, denn er zaͤhlt sich zu W. Schadow's Schuͤ⸗ lern, vergriff sich dennoch sehr auffallend in der Wahl seines Mo⸗ ments, indem er nichts mehr darstellt, als die Frage des Boas, von wannen die auf seinem Felde aͤhrenlesende Ruth gekommen, worauf der Knabe, der zum Aufseher der Dirnen bestellt ist, ihm durch ein Fingerzeigen antwortet; ein Vorgang, dem auch der ewandteste Kuͤnstler schwerlich ctwas abgewinnen konnte. Die olge war, daß die Komposition aus einander fiel, und daß es nur das Einzelne ist, was sich einschmeichelt. Gefaͤllig und zart sind die Figuren, sowohl in ihren Formen, als in ihrer Bewe⸗ gung, die Erfindung der Umgebung lieblich; uͤber das Ganze ist eine gewisse Sittsamkeit ausgegossen, gber unter das Volk Got⸗ tes fuͤhlt man sich nicht versetzt. Mehr muß es befremden, daß man hier schwaͤrzere und undurchsichtigere Schatten sindet, als man es sonst in dieser Schule gewohnt ist. Auch Herr Hopfgar⸗ ten in Rom, hervorgegangen aus der Schule vom Prof. Wach, versiel auf eben diese Darstellung; das Bild indessen will die Er⸗ wartungen nicht ganz befriedigen, die man nach fruͤheren Leistungen des Kuͤnstlers hegen durfte; denn er war diesmal mit Leben und Ausdruck gegen seine Figuren nur karg. Ruth kniet vor Boas, ein Aehrenbuͤndel im Schooß haltend, die Augen niederschlagend; jener ruͤhrt sie leise mit der Hand an der Achsel an, neben ihm steht der Knabe. Herrn Fielgrafs „Tobias mit dem Engel“ wollte keine Lober finden; das Kolorit hat wenig Gefaͤlliges, ist vielmehr trocken und blind; allein der hauptsaͤchlichste Grund, daß ihm der Beifall ausblieb, ist in der Komposition zu suchen. Gar u bruͤderlich umfaßt der Engel des jungen Tobias Schulter, To⸗ ias reicht ihm in einer Muschel die Galle des Fisches dar; beide Koͤpfe sind nahe zu einander gewendet, ohne sich jedoch etwas sa⸗ ben zu koͤnnen. Herr Siebert in Rom, chemals in Wachs Schule, ehandelte dieselben Figuren als Kniestuͤck; der Engel, der hier erhabener und himmlischer erscheint, deutet dem Tobias mach oben hin, als dem Ursprung seiner Sendung; dieser macht eine verwundernde Geberde, die aber schon zu aͤußerlich lebhaft ist, um nicht an das Verhalten eines Taubstummen zu erinnern: eine Lage, in welcher der hoffnungsvolle junge Maler sich selbst befindet. Gewandlegung und Kolorit sind des hoͤchsten Lobes werth. Ein anderes Stuͤck von Herrn Siebert, wodurch er im vorigen Jahre bei der von der Koͤnigl. Akademie der Kuͤnste aus⸗ geschriebenen Konkurrenz fuͤr Maler den Preis gewann, steht in der Kornation, die in den Schatten stark ins Braune faͤllt, zwar bedeutend zuruͤck, zeigt aber desto groͤßere Vorzuͤge der Kom⸗ position. Der Gegenstand ist: Jupiter und Merkur in der Huͤtte des Philemon und der Baucis, nach Ovid, und Herr Siebert drang in das Poetische desselben wohl ein; er wußte den inhalt⸗ reichsten Moment zu fassen, welcher allen Figuren eine angemes⸗ sene lebendige Theilnahme an der Handlung anwies, uͤberdies war er gluͤcklich in manchem feinen Zuge. Auch das Werk sei⸗ nes Mikbewerbers, des Herrn Henning, war ausgestellt; sein Ver⸗ dienst bestand im Kolorit und in gewandterer Technik. Eine treffliche Darstellung von Hagar in der Wuͤste ist die von Herrn Steinbruͤck, welcher, urspruͤnglich Wachs Schule an⸗ ehoͤrig, darauf vor seiner Reise nach Rom sich kurze Zeit in üsseldorf bei W. Schadow aufhielt, von dessen Einfluß gegen⸗ waͤrtiges Bild Zeugniß giebt. as verstoßene Weib er⸗ blicken wir mitten in der Wuͤste, fuͤr deren Schrecknisse der Kuͤnstler wohl einen Ausdruck haͤtte; ihre Fuͤße schei⸗ nen sie nicht mehr tragen zu koͤnnen, die Kniee sind einge⸗ sunken. An der entbloͤßten Brus haͤlt sie das verschmach⸗ tende Kind, mit der Hand sein sinkendes Haupt unterstuͤtzend. Schlummer und Mattigkeit haben dessen Glieder geloͤst und sein Auge geschlossen, und es bleibt die schreckliche Ungewißheit, ob es noch wieder erwachen werde. Furchtsam zum Himmel erhebt Hagar das bleiche Antlitz und matte Auge, welches nur zu fra⸗ gen scheint, ob sie denn ganz verstoßen sey. Sie betet nicht, sie klagt nicht, nur ein stummes lechzendes Aufathmen entflieht dem schmachtend geoͤffneten Munde. Und so sehr nun dies Gefuͤhl, das der Maler bewies, die waͤrmste Anexkennung fordert, ebenso⸗ sehr muß man auch Anordnung und Malerei ruͤhmen, die sorg⸗ faͤltige Zeichnung und das zarte Kolorit. Aber eine gewisse mo⸗ derne Schwaͤchlichkeit und -SS. Zahmheit scheint in dem Bilde noch nicht bis auf die letzte Spur vertilgt. Hern. Hennings kleiner Entwurf desselben Gegenstandes kann den Vergleich nicht aushalten; der Maler ist auf der einen Seite schon ins Gezirte, auf der andern ins Unschoͤue abgewichen, und machte die Bemer⸗ kung war, daß man Gefahr laͤuft, in demselben Maaß, als man sich vor der Natur entfernt, die Seele zu verlieren. Ein nicht wohl gerathenes Bild von Hrn. e. darstellend Abisag von Sunam, reizt zu keiner weitern Betrach

tung und es bleibt nur

V

noch eine Skizze des Hrn. v. Kloͤber zu erwaͤhnen: die Brautwer bung um Rebecca am Brunnen, welche wohlgedacht ist und ei gutes Bild erheißt.

Wie nun das alttestamentliche Leben gleichsam eine ungebro chene Natur athmet, so uͤbergiebt das Christenthum der Kunst ein anderes gegenuͤberstehendes Ideal; die wilden, unbaͤndigen Leidenschaften sind eingefangen, der Naturtrotz und Eigenwille, auch in Auftreten und Bewegung, gezaͤhmt und unter das milde Joch der Liebe gebeugt. Gegenstaͤnde jener Sphaͤre hat vielleich niemand tiefer und herrlicher ergruͤndet, als Michelangelo; uͤber reich aber ist die Kunstgeschichte an hohen Mustern fuͤr christlich⸗ Darstellung, und auch in unsern Tagen sind die Ge⸗- weihten noch nicht voͤllig ausgestorben. Aber die Ausstellung hat uns nichts Bedeutendes in diesem Fach bringen wollen; denn das große Altarbild von Hrn. Prof. Begas, das diese Luͤcke trefflich ausge⸗ fuͤllt haben wuͤrde, ist bereits an dem Ort seiner Bestimmung in der neuen Werderschen Kirche aufgestellt. Vielleicht auch kann man sich mit einem kleinen Alterbildchen von Hrn. Olivier ge⸗ nuͤgen lassen. Wie wir diesen sinnigen Kuͤnstler bereits kannten, giebt er, bei freilich allzu sichtlicher Nachahmung der steifen Zeich⸗ nung und Anordnung altdeutscher Meister, doch aber auch etwas von der Innigkeit und dem Geist wieder, welcher jene beseelt Auch eine Verkuͤndigung von Hrn. Schwalbe hat sich zueng an die Auffassung und Art der van Eyk oder des Schoreel gehalten, um Gefuͤhl und Leben entwickeln zu koͤnnen. Unter den Geschichten der Heiligen stellt sich eine Scene aus dem Leben des heiligen Georg, von Herrn Hopfgarten, obenan; nur 1 Fuß im Quadrat. Der Heilige, sein Roß fuͤhrend, tritt in edler und fast erhabner Haltung einher; das Weib mit ihrem Kinde, das ihn anfleht, kann seine Huͤlfe wohl erwerben; nur allzu delikat muß man auch hier den Pinsel nennen. Eine heilige Elisabeth, Geld an Arme spendend, von Herrn Deuker, aus Wachs Schule, gieht ein befriec⸗ digendes Zeugniß von Fleiß und Streben; guch muß Herrn Kri⸗ gars heiliger Caͤcilie Aufmunterung zu Theil werden, aber einige Arbeiten von juͤngern Schuͤlern dieses Atteliers schienen besser der Ausstellung, welche im Fruͤhling den Studien angewiesen ist, aufgespart worden zu seyn, da sie jetzt in dem, was anerkennens⸗ werth ist, die Anerkennung schwerlich fordern, der Maaßstab aber, den so viele meisterhafte Werke unvermeidlich in die Hand gaben, fuͤr sie niederschlagende Resultate ergeben mußte. 1

Den Schluß der geistlichen Kompositionen mag hier das Bild des Herrn Stilke machen, das einzige aus der Cornelius⸗ schen Schule, dessen wir uns diesmal zu erfreuen hatten. Es hat einen sehr uͤberschwenglichen, voͤllig ertramundanen Gegen⸗ stand, indem es allegorisch abbildet, wie das Christenthum der Welt uͤberbracht wird. Man sieht eine Gruppe von himmlischen

Gestalten, darunter den Engel Michgel mit Wage und Schwert, alle mit den Gesichtern zum Himmel gewendet; auf einer Wolke stehen die hinteren, die vorderen knicen, das Christuskind darhal⸗ tend. Unten sieht man in Nacht die Erde, daselbst auf der einen Seite weidende Hirten, zn der andern die heiligen drei Koͤnige, welche dem Sterne nachziehen. Wir moͤgen nun fuͤr den Kuͤnst⸗ ler nicht die Vertheidigung uͤbernehmen gegen den Verdacht, daß der Ueberschwenglichkeit des Gegenstandes schon Ersatz fuͤr dessen poctische Erfassung und Durchbildung zugetraut sey; in der That ließ das Ganze kalt und unberuͤhrt. Auch die Gewandung fand kein Lob, noch weniger das bunte und harte Kolorit. Die Koͤpfe leider sind nach einer und derselben Idealform zugeschnitten.

Der historischen Bilder, welche sich auf dem Felde ;28 18 scher Geschichte und Mythe bewegen, gab es nicht viele. Außer Herrn Hennigs schon erwaͤhntem großen Gemäaͤlde darf ein Fgaun mit einer Nymphe von Herrn Lengerich noch genannt werden, eben so einige figurenreiche, aber fluͤchtige 9 von Herrn von Kloͤber. Mehr Aufmerksamkeit besaß eine zweite Darstellung des Hylas von Herrn Schoppe, welche ceinerseits durch den nahe ge⸗ legten Vergleich mit Herrn Sohns Werk zwar an Interesse ge⸗ wann, andererseits sich dadurch auch ein strengeres Urtheil mußte gerr lassen. Der Kuͤnstler, welcher mit Herrn Sohn densel⸗ en Gegenstand uͤbernahm, brachte nicht auch denselben Zauber der Farbe mit, und seine Composition blieb, in jenem Vergleich, dem Vorwurf der Unbehuͤlflichkeit bloßgestellt. Mit Recht wurde getadelt, daß der Vorgang mehr auf dem Lande, agls Wasser, geschieht, daß man hier weniger ein Ziehen und Anlocken, als vielmehr ein gar zu groͤbliches Ringen und Schieben sieht, end⸗ lich, daß die Abruͤndung der Gruppe, statt aus einer 5 angemessenen Auffassung hervorzugehen, vielmehr aͤußer ich durch in großen Schwuͤngen wehende Gewaͤnder erzwungen ist, wo⸗ 1ech 92 der Vergleich mit einer Ballet⸗Scene nuͤr allzu nahe gelegt hat. .

Herr Nerenz, ehedem in W. Schadow'’s Scfe gebildet, ver⸗ sprach sich auch von einer Composition . einem Gedicht von Uhland Gelingen. Gewiß wurde seine Wahl auf eines der treff⸗ lichsten geleitet, freilich aber auch auf eines, das seiner Natur nach der malerischen Behandlung wohl am meisten widerstrebt, wenigstens scheint es ganz unmoͤglich, diejenige Art und den Grad der Wirkung in der Malerei wiederzubringen, den die Dich⸗ tung macht. In Uhland's herrlicher Ballade: „Der Wirthin