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gewandt, um die freie Passage der von hier kommenden Fahr⸗ zeuge zu erlangen. General Dibbez hat das Verlangen rund abgeschlagen und vorlaͤufig auch den jenseits 2 kastrichts liegenden leeren Fahrzeugen nicht gestattet, nach Luͤttich zu⸗ ruͤckzukehren. Unter den Depeschen des Generals Dibbetz, welche (wie estern erwaͤhnt) in Vaels von den Belgischen Truppen in eschlag genommen worden, befand sich auch folgende, von der die hiesigen Blaͤtter eine Franzoͤsische Uebersetzung ittheilen, mit der Bemerkung, daß die Nachschrift vom General Dibbetz eigenhaͤndig hinzugefuͤgt worden sey: 1 „Hauptquartier Mastricht, den 22. Nov. 1830. Die von Sr. Hoheit dem Herzoge Bernhard von Sachsen⸗ Weimar befehligte bewegliche Kolonne ist gestern Abend in Mastricht eingezogen. Die unerwartete Ankunft dieser Trup⸗ pen hat hier sowohl, als an anderen Orten, einen sehr star⸗ ken Eindruck auf die Gemuͤther gemacht. Nach uns zuge⸗ kommenen Nachrichten scheint es, daß der unter Daine's Be⸗ fehlen stehende Haufen Hasselt verlassen und er selbst sich in aller Eile zu Pferde nach Luͤttich begeben habe. Auch versi⸗ chert man, der zum Gouverneur von Limburg ernannte Ba⸗ ron Loë sey nicht mehr in Hasselt. Ich habe diesen Zuwachs an Macht sogleich zu benutzen gesucht. Schon in letzter Nacht hat ein Corps von 200 Mann Fußvolk und Reiterei unter den Befehlen des Masors Syben das rechte Ufer der Maas, gegen Grondsveld, Eysden und Visé zu, mit dem Auftrage rekognoscirt, wo moͤglich, den Buͤrgermeister von Eysden, Grafen Geloes, gefangen zu nehmen, sich der Staats⸗Kassen zu bemaͤchtigen und die gesetzmaͤßigen Beam⸗ ten wieder in ihre Functionen einzusetzen. Gegen ein Uhr Nachmittags kehrte Major Syben mit seiner Kolonne wieder zuruͤck und berichtete mir, daß Graf Geloes sich schon seit mehreren Tagen in Luͤttich aufhalte, und daß der Einnehmer in Eysden, von der Ankunft der Truppen benachrichtigt, so⸗ gleich entflohen und von den Vorposten, die ihn in der Ferne entdeckten, bis zu den Vedetten der Insurgenten, nahe bei Visé, verfolgt worden sey. Die Offiziere und Soldaten ha⸗ ben im Schlosse des Grafen von Geloes Erfrischungen ein⸗ genommen und sich der Papiere bemaͤchtigt, die ich die Ehre habe gegenwaͤrtigem Schreiben beizuschließen. Zwei aus Tongern kommende Parlamentaͤre empfing ich gegen 2 Uhr Nachmittags in meiner Wohnung, und im Beiseyn Sr. Ho⸗ heit des Herzogs von Sachsen⸗Weimar, des General⸗Majors van Boecop, des Obersten Brade und mehrerer zu verschiedenen Generalstaͤben gehoͤrenden Offiziere. Einer der Parlamentaͤre wmar der Vicomte von Nieuport, fruͤher Capitain des 6ten Infanterie⸗Regiments, und der andere, Namens Renaud, ist aus Luͤttich gebuͤrtig. Als sie um den Zweck ihres Erscheinens befragt wurden, gaben sie zur Antwort, sie waͤren zu mir gekommen, um anzufragen, ob ich die Absicht haͤtte, den in London abgeschlossenen Waffenstillstand zu respektiren. Ich erwiederte, daß ich keine Uebereinkunft anerkennen duͤrfe, die mir nicht durch oder von Seiten Sr. Majestaͤt des Koͤnigs der Niederlande mitgetheilt worden; daß es unnoͤthig sey, kuͤnf⸗ tig wegen dieser Angelegenheit wiederzukommen, weil ich die Abgesandten wie Spione und Verraͤther behandeln wuͤrde.
Ich fuͤgte hinzu, daß die feindselige Annaͤherung der Belgier
für mich und meine getreuen tapfern Soldaten ein wahrer Freudentag seyn wuͤrde, und daß ich sie schon lange erwar⸗ eceet haͤtte. 8 Deer Geniral⸗Majer, Befehlshaber der Festung Mastricht, MNachschrift. Im Augenblicke, wo ich dieses Schrei⸗ ben unterzeichne, habe ich eine Konferenz mit Sr. Hoheit dem Prinzen von Sachsen⸗Weimar, um den Versuch zu er⸗ waͤgen, Venloo im Laufe dieser Woche wieder zu nehmen, und sind wir uͤber einen in jeder Hinsicht sicheren und festen Plan
Deutschland.
— — Weimar, 26. Nov. Heute fruͤh wurde unsere Stadt sehr in Schrecken versetzt durch die Nachricht, daß
unser Goͤthe, — der vor wenig Tagen durch die Trauer⸗
botschaft von dem am 28sten v. M. zu Rom erfolgten ploͤtz⸗
lichen Ableben seines einzigen Sohnes tief erschuͤttert worden, —
gefaͤhrlich krank sey. Hohe und Niedere eilten alsbald innig bekuͤmmert nach dessen Wohnung, um Erkundigung einzuzie⸗ hen, die jedoch, leider, nicht zur Beruhigung gereichte; das daselbst ausgelegte aͤrztliche Buͤlletin lautete: , Der Herr Geheime Rath wurde in der vergangenen Nacht von einem sehr bedeutenden Blutsturz ploͤtzlich uͤber⸗ Nach den geeigneten Mitteln hat sich zwar der 1w1.“ Blutsturz gehemmt; indessen ist der Zustand sehr be⸗
2* Dr. Vogel.“
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Zustand des verehrten Patienten nicht besser geworden und jetzt, Abends 7 Uhr, wenig Hoffnung zu seiner Wiedergene⸗
sung vorhanden. Folgendes Hoͤchstes Patent
Braunschweig, 27. Nov. ist hier erschienen: „Wir von Gottes Gnaden Wilhelm, Herzog zu Braun⸗ schweig-Oels ꝛc. fuͤgen hiermit zu wissen: Als Wir mittelst Unseres Patentes vom 28. Sept. d. J. die Regierung der hiesigen Lande bis auf Weiteres uͤbernahmen, thaten Wir diesen durch andere dringende Gruͤnde gebotenen Schritt nicht ohne die Zustimmung Unsers vielgeliebten Herrn Bruders, des Herzogs Karl Durchlaucht. Zu Unserm innigsten Be⸗ dauern hat zwar diese Zustimmung jetzt aufgehoͤrt. Allein da, wie der Welt offenkundig vorliegt, Se. Durchlaucht der Her⸗ zog Karl sich gegenwaͤrtig außer Stande befinden, die oberste Regierungsgewalt in den hiesigen Landen auszuuͤben; da der Staat ohne eine solche in keinem Augenblicke bestehen kann; da Wir mit Recht fuͤrchten, daß nicht nur Unser geliebtes Vaterland von neuem den Stuͤrmen der Gesetzlosigkeit preis⸗ gegeben, sondern auch die Ruhe der Nachbarstaaten gefaͤhrdet werden wuͤrde, wenn Wir Uns von den Regierungs⸗Geschaͤf⸗ ten zuruͤckzoͤgen; da Wir als naͤchster Agnat bei einer solchen Lage der Dinge eben so verpflichtet, als berechtigt sind, fuͤr das Wohl des Landes zu sorgen und Unsere eigenen Rechte wahrzunehmen; endlich da Wir von Unserem vielgeliebten Herrn Oheim, Sr. Majestaͤt dem Koͤnig von Großbritanien und Hannover, die dringende Aufforderung erhalten haben, unter keinen Umstaͤnden die Regierungs⸗Geschaͤfte aufzugeben, bis Se. Majestaͤt eine endliche Entscheidung uͤber das Schick⸗ sal des hiesigen Landes vermittelt haben werden; so sind Wir entschlossen, eingedenk Unserer hoͤheren Pflichten, die Admi⸗ nistration der hiesigen Lande bis dahin, daß deren endliches Schicksal entschieden seyn wird, fortzufuͤhren. 8
Wir weisen daher die Landes⸗Kollegien, Behoͤrden und Beamten an, ihre Funetionen in den ihnen uͤbertragenen Ge⸗ schaͤftskreisen mit dem bisher bewiesenen Eifer fortzusetzen, und erwarten von den getreuen Unterthanen, daß sie den Ge⸗ setzen und den Obrigkeiten die schuldige Folge leisten werden, wobei es Uns zur besondern Freude gereicht, bei dieser Gele⸗ genheit Unsere Anerkennung der vielen Beweise von Liebe, Ergebenheit und Treue, welche Wir taͤglich erhalten, oͤffent⸗ lich auszusprechen. 1
Urkundlich Unserer eigenhaͤndigen Unterschrift un gedruckten Herzoglichen Staats⸗Kanzlei⸗Siegels. Braunschweig, den 26. November 1830. 1 Wilhelm, Herzog. (L. 8.) Graf von Veltheim. von Schleinitz.
— — Wolfenbuͤttel, 27. Nov. Den neuesten Nach⸗ richren aus Braunschweig zufolge, sind die vorgestern erwaͤhn⸗ ten hauptsaͤchlich von den Husaren veranlaßten tumultuari⸗ schen Auftritte ohne alle erhebliche Folgen gewesen, und das rasche Einschreiten der Buͤrgergarde hat alsbald die Ruhe wiederhergestellt; auch glaubt man, nach den getroffenen Maaßregeln, von dieser Seite eine weitere Ruhestoͤrung nicht besorgen zu muͤssen, wenn nicht etwa ein besonderes Ereigniß eintritt. — Indeß haben diese Vorfaͤlle aufs neue gezeigt, wie sehr es Noth thut, daß aller Ungewißheit hinsichtlich un⸗ serer großen Landes⸗Angelegenheit schnell ein erwuͤnschtes Ende gemacht werde. Denn nicht nur, daß dann den finstern Um⸗ trieben uͤbelwollender Menschen, die ihr altes Unwesen er⸗ neuen und gern wiederum im Truͤben fischen moͤchten, ein Ziel gesetzt und ihnen die Gelegenheit benommen seyn wuͤrde, durch falsche Vorspiegelungen leichtglaͤubige Personen zu be⸗ thoͤren; so wuͤrde alsdann die Regierung auch erst mit Sicher⸗
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den tief gesunkenen Wohlstand des Landes wieder empor zu bringen, die Gewerbsthaͤtigkeit neu zu beleben und der Nah⸗ rungslosigkeit eines nicht geringen Theils der unteren Klassen in unseren sonst so betriebsamen Staͤdten, besonders in Braun⸗
besten Willen, — von 8 ist — durch bloße Unterstuͤtzungen und allenfalls durch vor⸗ uͤbergehende Beschaͤftigung von Arbeitsleuten u. s. w. gesche⸗ hen kann. — Die Huͤlfsquellen unsers sonst so bluͤhenden Landes sind gar zu sehr erschoͤpft, und besonders klagt man
zu Jahr zunehmenden Verfall der dasigen Messen, deren
sonstige große Frequenz so bedeutend zum fruͤheren Flor dieser Stadt beitrug. Es mag freilich Vieles in den Zeitverhaͤltnissen uͤber⸗
Die
und Industrie ist o
cographische Lage unseres Landes in Bezug auf Handel fjenbar nichts wen
11“
Leider ist auch im Verlauf des heutigen Tages der
d bei⸗
F. Schulz.
heit alle zweckdienlichen Maaßregeln ergreifen koͤnnen, um
schweig selbst, nachhaltiger abzuhelfen, als es, auch bei dem dem Herzog Wilhelm gewiß beseelt
nicht mit Unrecht in Braunschweig selbst uͤber den von Jahr
haupt liegen, da auch fast von allen Seiten Klagen uͤber den stocken⸗ den Gewerbs⸗Betrieb und Handels⸗Verkehr u. s-w. zu hoͤren sind.
iger als unguͤnstig, der
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fruͤhere Flor der Braunschweiger Messen ist davon ein spre⸗ chender Beweis, man darf nur einen Blick auf die Land⸗ karte richten, nur einigermaßen, wenn auch nicht als Mann vom Metier und Eingeweihter in staatswirthschaftliche Ver⸗ haͤltnisse, doch mit unbefangenem Blicke die Lage der Dinge ins Auge fassen; gewiß laͤßt sich ohne Schwierigkeit erken⸗ nen, von woher namentlich auch fuͤr die Braunschweigischen Messen ein neues Leben zu gewaͤrtigen waͤre. Die Wuͤnsche der Braunschweiger sprechen sich in dieser Hinsicht laut ge⸗ nug aus, und wir leben der frohen Zuversicht, daß unser ge— liebter Herzog Wilhelm, wenn nur erst seine naͤchsten und wichtigsten Sorgen beseitigt sind, auch jene gern zu beruͤck⸗ sichtigen suchen werde. — So eben erfaͤhrt man, daß der Lieutenant von Garsen, Adjutant des Herzogs Karl, welcher bekanntlich mit Sr. Durchlaucht vor kurzem in Frankfurt a. M. eingetroffen war, in dem Staͤdtchen Seesen (am Harz) angehalten und durch die dasige Buͤrgergarde nach Braun⸗ schweig gebracht worden ist. Dem Vernehmen nach, behaup⸗ tet derselbe, von dem Herzog Karl ganz abgegangen zu seyn. Inwiefern diese Behauptung Glauben verdiene, oder ob feiner Ruͤckfehr, so wie den Reisen einiger anderen Personen, die sich seit kurzem wieder in unserer Naͤhe gezeigt haben, ein anderer Grund unterliege, wobei die oͤffentliche Ruhe be⸗ theiligt waͤre, muß sich bald zeigen. Die erforderlichen Vor⸗
kehrungen sind jedenfalls getroffen, und bei dem Eifer und der guten Gesinnung, von der die in allen Staͤdten organi— sirten Buͤrgergarden beseelt sind, laͤßt sich mit Zuversicht er— warten, daß ein jeder Versuch zur Ruhestoͤrung schnell unter⸗ druͤckt werden wuͤrde. 1b Schwerin, 25. Nov. Die hiesige Zeitung meldet: „Bei den in der Stadt Wismar zwischen dem Magistrat und den Buͤrgern entstandenen Uneinigkeiten sind, sicherem Vernehmen nach, von Seiten der Allerhoͤchsten Landesherr⸗ schaft der Landdrost Kammerherr von Plessen und der Kanz⸗ leirath Muͤller von hier als Kommissarien bereits heute dort⸗ hin abgegangen, um die Berathungen daselbst auf dem ver⸗ fassungsmaͤßigen Wege wiederherzustellen und weiteren Ver⸗ irrungen von der gesetzlichen Bahn vorzubeugen, und zugleich ie ernstliche landesherrliche Absicht zu verkuͤndigen, daß kein esetzwidriges Beginnen geduldet werden wuͤrde. Heute Morgens 7 Uhr hat der Staat einen seiner vor⸗ uͤglichsten Geschaͤftsmaͤnner verloren. Se. Excellenz der Ober⸗ Kammerherr, Ober⸗Landdrost und Kammer⸗Direktor von Lehsten, ist nach kurzem Krankenlager mit Tode abgegangen.“ Aus Malchin vom 21. Nov. wird (im hiesigen Abend⸗ blatt) berichtet: „Der am 12ten d. M. hierselbst eroͤffnete dies⸗ aͤhrige Landtag duͤrfte von kuͤrzerer Dauer seyn, als die Land⸗ tage der letzteren Jahre; die Zahl der anwesenden Mitglieder st auch geringer als sonst. Unter den Gegenstaͤnden der Berathung dieses Landtages nehmen zwei die allgemeine Auf⸗ Fsamkeit sehr in Anspruch, naͤmlich die beabsichtigte Ver⸗ nderung des ordentlichen Steuermodus und die Erbauung von Kunststraßen und Kanaͤlen. In letzterer Hinsicht ist an der Ausfuͤhrung des Chausseebaues von Rostock nach Neu⸗ brandenburg, so wie von Wismar nach Schwerin, wohl nicht mehr zu zweifeln, da bereits uͤber 10,000 Rthlr. à Meile durch freiwillige Beitraͤge gedeckt sind. Auch die Schiff⸗ hbearmachung der Elbe und Hasvel ꝛc. scheint der Ausfuͤh⸗ rung nahe. Noch ist indeß nicht bestimmt, welchen Beitrag
die Staͤnde zu jenen Unternehmungen geben werden, naͤmlich
weder hinsichtlich der Summen noch der Aufbringungsart. Eine gaͤnzliche Veraͤnderung der staͤdtischen ordentlichen Steuer oder Aeccise wird immer nothwendiger, und meint man hier, daß es gewiß dazu kommen werde. Ein allgemeiner Graͤnz⸗ 1-E; niedrigen Zollsaͤtzen, nach Art des Hannoͤverschen arifs, wird wahrscheinlich an die Stelle der bisherigen Hand⸗ lungssteuer und der Landzoͤlle treten. Dabei kann denn auch der inlaͤndischen Industrie ein von vielen Seiten gewuͤnschter Schutz gegen das Ansland gewaͤhrt werden. Morgen wer⸗ den die säändischen Wahlen vorgenommen, auch die noͤthigen Landesanlagen bewilligt werden. Das Plenum wird deshalb rgen von 9 bis 4 Uhr versammelt seyn. An den ge⸗ mhnlichen Tagen arbeiten die Kommitteen von 10 is 1 Uhr, und von 1 bis 4 Uhr ist das Plenum versammelt.“ Hanau, 24. Nov. In der hiesigen Zeitung liest man: „Mehrere Compagnieen Fuͤsiliere vom 2ten und 3ten Linien⸗Infanterie⸗Regiment, einige Schwadronen vom 1sten und 2ten Husaren⸗Regiment und eine Abtheilung Artillerie find gestern Mittag gegen 1 Uhr hier eingeruͤckt und wer⸗ den in hiesiger Stadt als Besatzung verbleiben. Das gute Vernehmen zwischen Buͤrger und Militair hat keinesweges eine Aenderung erlitten, wie sehr auch Manche sich bemuͤhen hacztn, uͤber ein angebliches Vorhandenseyn von Zwietracht falsche Geruͤchte auszustreuen. Die Buͤrger Hanau's wuͤnschen
Ruhe, kein zweckloses Toben, das nur geeignet ist, die buͤr⸗ gerlichen 1hc zu erschuͤttern.
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Der Courrier de Smyrne theilt nach der Allgemei nen Zeitung Griechenlands folgendes Schreiben der drei Re⸗ sidenten in Nauplia an den Praͤsidenten Capodistrias mit dem Bemerken mit, daß man solches als einen offiziellen .vSeb des Londoner Protokolls vom 3. Febr. betrachten
nne: 8
„An Se. Excellenz den Praͤsidenten Griechenlands. 8
Herr Graf! Die zu einer Konferenz in London versam⸗ melten Bevollmaͤchtigten der verbuͤndeten Hoͤfe haben uͤber Alles berathschlagt, was ihnen von den bei der Ottomanischen Pforte beglaubigten Gesandten der drei Hoͤfe und von den bei der Griechischen Regierung befindlichen AUgenten in Be⸗ treff auf Erlaͤuterungen, welche einige Artikel der Protokolle vom 3. und 20. Februar zu erheischen scheinen, mitgetheilt worden ist. Demzufolge ist am 16. Juni ein neues Proto⸗ 8 8 koll unterzeichnet worden, und wir sind ermaͤchtigt, ich und 68 meine Kollegen, der provisorischen Regierung Griechenlands die in jener Akte enthaltenen Bestimmungen mitzutheilen. Sie betreffen folgende Artikel: 1) Die Konferenz bestimmt, daß zu dem 5ten Paragraphen des Protokolls vom 3. Febr. die Worte „in Zukunft“ in folgender Weise hinzugefuͤgt werden koͤnnen: „„Die Amnestie⸗Akte der Pforte wird erklaͤ⸗ ren, daß im ganzen Umfange ihrer Besitzungen in Zukunft kein Grieche seines Eigenthums beraubt, noch wegen des N, theils, den er an dem Aufstande Griechenlands etwa genom⸗ men, auf irgend eine Art beunruhigt werden darf.““ Diese Bestimmung ist ebenfalls auf die Muselmaͤnner anwendbar, die ihr Eigenthum in Griechenland verloren, so wie auf die⸗ jenigen, die es dort behalten haben, d. h. die Letztern werden vollstaͤndig und ungehindertnach dem Buchstaben des Protokolls im Besitz desselben bleiben, die Ersteren dagegen koͤnnen keine
Kuͤckerstattung ihres Eigenthums verlangen. 2) Das den Griechen ertheilte Auswanderungsrecht kann und soll bloß auf die Anwendung finden, die solche Inseln oder Provinzen des h festen Landes bewohnen, welche Theil an der Insurrection nhhen. so wie auf diejenigen Individuen oder Familien von Könstantinopel und den Kuͤsten von Klein⸗Asien, von denen nachgewiesen waͤre, daß sie in Folge jener Ereignisse durch Consiscationen oder Verbannungen gelitten haben. 3) Von den unter dem Tuͤrkischen Namen Vakuf *) bekannten Guͤ⸗ tern bleiben die, welche sich in dem der Gewalt der Griechen bereits unterworfenen Lande befinden, der freien Verfuͤgung des neuen Staates anheimgestellt, ohne daß daruͤber irgend ein Einwand zum Nachtheile dieses Staates erhoben werden koͤnnte. Was die Laͤndereien betrifft, die noch unter Tuͤrkt⸗ scher Herrschaft stehen, aber zu Griechenland gehoͤren, so fal⸗ len die Vakufs⸗Sheri (d. h. gesetzmaͤßige Vakufs), uͤber die der Groß⸗Wesir oder Kislaraga verfuͤgte, ganz der Grie⸗ chischen Regierung anheim; die Vakuf⸗Adi aber (d. h. die herkoͤmmlichen Vakufs) koͤnnen von den Privatleuten ver⸗ kauft werden, d⸗e als Nutznießer oder als freie Eigenthuͤ⸗ mer daraus die jaͤhrliche Rente ziehen. 4) Die verbuͤndeten oͤfe glauben, das Recht der Auswanderung, so wie des Verkaufes der Privat⸗Guͤter, sollte sowohl bei den Grie⸗ chen als bei den Tuͤrken erst dann zur vollen Aus fuͤhrung kommen, wenn die Beendigung der Operation, welche die Graͤnzen zwischen der Tuͤrkei und Griechenland definitiv fest⸗ stellen sollen, diesen Punkt der wochselseitigen Souverainetaͤt der beiden Staaten erledigt haben wird. Es wurde daher entschieden, daß der Termin von einem Jahre, von dem in dem 6ten Paragraphen des Protokolls vom 3. Febr. die Rede ist, erst von dem Augenblick an gerechnet werden soll, wo die im 9ten Paragraph erwaͤhnte Uebergabe der Charten statt gefunden haben wird. 5) Die Tuͤrken wie die Griechen ha⸗ ben das Recht, die Artillerie der Forts, die sie zu raͤumen haben, mitzunehmen. — Indem wir Ew. Excellenz von die⸗ sen Verfuͤgungen Kenntniß geben, haben wir die Ehre ꝛc. ꝛc. Nauplia, den 15. (27.) August 1830. (Unterz.) D awkins Baron Rouen. C. M. Panin.“ v“ c111414A“
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2 Die Vakufs, d. h. Sti des Go
tungen, die zur Unterhaltung ttesdienstes, der Hospitaͤler und fuͤr andere gemeinnuͤtzige
Zwecke dienen, zerfallen in zwei Klassen, in Vakufs ⸗sheri, wo
der B“ reines Eigenthum der Stiftung ist, und in Wa⸗
kufs⸗adi, wo die Stiftung von dem Eigenthuͤmer oder richtiger Erbpaͤchter des Grundstuͤcks nur einen ein fuͤr allemal festgesetzten jäͤhrlichen Kanon erhaͤlt. Der groͤßte Theil der im Privatbesitz befindlichen Grundstuͤcke, sowohl der muselmaͤnnischen als der
christlichen Glaubensgenossen im Ottomanischen Neiche, gehört dieser letztern Klasse an. r *