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Warschau, 14. Dez. Der Fuͤrst Lubecki (dessen Abreise nach St. Petersburg letzthin gemeldet worden) soll Willens seyn, auf seiner Reise wo moͤglich mit dem Großfuͤrsten Ce⸗ sarewitsch Konstantin zusammenzutreffen. Anstatt des Land⸗ boten Ostrowski ist, dem Kurier zufolge, der Graf Johann Jezierski, als zweiter Deputirter mit oben Genanntem nach Petersburg abgegangen.
Ueber den Marsch des Großfuͤrsten Cesarewitsch melden unsere Blaͤtter Folgendes: „Am 8ten und g9ten d. M. passirten die Russischen Truppen durch Kurow. Die Garde⸗ Uhlanen, 540 Mann zu Pferde und etwa 60 zu Fuß, und 3 unvollzaͤhlige Schwadronen Kuͤrassiere bildeten den Vor⸗ trab. Das Haupt⸗Corps bestand aus einem unvollzaͤhligen Re⸗ giment der Volhynischen Garde, der 5ten Batterie der Artil⸗ lerie zu Fuß mit 14 Stuͤcken Geschuͤtzes und den Ammuni⸗ tions⸗Wagen. Hinter diesem kamen 30 verschiedene Wa⸗ gen, von denen einige mit Frauen besetzt, andere leer wa⸗ ren. In bedeutender Entfernung folgte Se. Kaiserl. Hoheit der Cesarewitsch zu Pferde, begleitet von 14 Offizieren ver⸗ schtedener Waffengattungen, unter welchen sich auch General Rozniecki befand. Die Arrier⸗Garde bildeten Husaren und eine kleine Abtheilung Artillerie zu Pferde mit 4 Kano⸗ nen. Der Großfuͤrst wollte fruͤher von Kurow sich nach Mi— chow zu begeben, jetzt aber ist die Hauptstraße nach Marku⸗ schow gewaͤhlt worden.“ Dem Kurier zufolge befanden sich Se. Kaiserl. H. am 11ten d. mit Ihrem Heer in Miedzyrzycz. In Putawy hatten Hoͤchstdieselben der Fuͤrstin Czartoryska einen Besuch abgestattet.
Zwei Tages⸗Befehle des Diktators vom 8. und 10. De⸗ zember gebieten den Generalen, Regimentsbefehlshabern und Offizieren, auf die strengste Mannszucht unter den Truppen zu halten, da schon einige Widersetzlichkeiten stattzefunden haben; auch sollen alle Militair⸗Gefangene, welche sich we⸗ gen geringerer Vergehen, vorzuͤglich aber wegen Desertion, in Festungen des Koͤnigreichs befinden, sogleich in Freiheit gesetzt werden.
Eine Verordnung der provisorischen Regierung vom 10ten d. M. zufolge, soll die vom 1. Januar 1831 an zu erhebende Zapfensteuer in der Stadt Warschau und Praga vorher der Begutachtung des Reichstages vorgelegt worden. Bis zum 31. Dezember d. J. ist jedoch das bisher daruͤber bestehende Gesetz noch in Kraft. In einer anderen Verordnung von demselben Datum wird bestimmt, daß allen denjenigen, welche aus irgend einer Regierungs⸗Kasse eine Summe von 25,000 Gulden, sey es unter dem Titel einer Penston, oder einer weltlichen oder geistlichen Kompetenz, oder einer Emeritur, jaͤhrlich beziehen, der dritte Theil davon zum Besten des Staats abgezogen werden soll, die Haͤlfte aber, wenn sich die Summe uͤber 25,000 Gulden belaͤuft. Dieser Abzug wird vorlaͤufig jedoch nur fuͤr diesen Monat stattfinden, spaͤterhin erst nach besonderen Verfuͤgungen der Regierung. Eben so sucht die provisorische Regierung durch Abschaffung von Behoͤrden, oder Beschraͤnkung ihres Personals, die groͤßtmoͤglichste Ersparung zu erzielen. Sie hat daher durch eine ebenfalls vom 10ten datirte Verordnung verfuͤgt, daß die legislative Deputation in ihrer ganzen Ausdehnung, zu⸗ gleich mit der Kanzlei, aufgeloͤst werden soll. Alle Pensionen und Zusaͤtze zu denselben, welche in den Bereich jener De⸗ putation fallen, hoͤren vom 1sten d. M. an auf und werden zum Besten des Landes verwendet.
Der General⸗Kriegs⸗Intendant Wolicki hat einen Auf⸗ ruf an die Bewohner des Koͤnigreichs erlassen, worin er sie auffordert, so viel in ihren Kraͤften steht, mit Zufuhr von Lebensmitteln zur Unterhaltung des Heeres beizutragen. Fuͤr das Dargebrachte sollen sie entweder augenblickliche Bezah⸗ lung in baarem Gelde oder Bank⸗Assignationen erhalten.
Von allen Seiten her treffen die Senatoren und Land⸗ boten zum Reichstage hier ein.
Der Diktator bewohnt jetzt das neue Haus Mikulski's an der Senatoren⸗ und Bielansker⸗Straßen⸗Ecke. Das erste Linien⸗Infanterie⸗Regiment besorgt die Wache vor seiner Wohnung.
Der Oberst v. Turno befindet sich bei Sr. Kaiserl. Ho⸗ heit dem Großfuͤrsten, hat aber ein Schreiben eingesandt, worin er erklaͤrt, Hoͤchstdenselben nur bis zur Graͤnze beglei⸗ ten und alsdann 1 zu wollen.
Der Fuͤrst Ludwig Radziwill ist in der Nacht vom 7ten zum 8ten d. M. gestorben. —b 8
Der Polizei⸗ Vice, Praͤsident Lubowidzki ist nicht in der Nacht vom 29sten v. M. geblieben, sondern nur verwundet worden, und besindet sich gegenwaͤrtig in Ujasdow.
Vorgestern ist das 4te Linien⸗Infanterie⸗Regiment und ö“ — “
gestern das Grenadier⸗Regiment aus Warschau ausgeruͤckt.
Die aus Varna hierher gekommenen Tuͤrkischen Geschuͤtze sollen eine eigene neu eingerichtete Batterie bilden. 8 Die Papiere des 1. Secretairs der Justiz⸗Kom⸗ mission, Hankiewicz, sind in Beschlag genommen und in der Bank niedergelegt worden. * Die provisorische Regierung hat auch das Kuratorium der Unterrichts⸗Anstalten, die Censur, das Gesinde⸗Bureau und die Abgabe aufgehoben, welche die in Warschau ankom⸗ menden Juden zahlen mußten. 8 Am 7ten d. M. haben die Buͤrger der Hauptstadt aus ihrer Mitte die Herren Matuschkiewitsch, Ostrowski, Rein⸗ berg und Pawentschkowski zu Mitgliedern des Municipal:⸗ Raths ernannt. G Heute gegen 8 Uhr Abends zeigte sich an der mitter⸗ naͤchtlichen Seite unseres Horizonts ein Meteor, welches einem Brand so täͤuschend aͤhnlich war, daß man die Sturmglocken laͤutete. Es dauerte ungefaͤhr 5 Minuten. 5 In Kielce soll sich ein patriotischer Klub gebildet haben. Die Insurrection hat mehreren neuen Blaͤttern, selbst in Provinzialstaͤdten, ihr Entstehen gegeben. In Kalisch er⸗ scheint jetzt ein politisches Blatt unter dem Titel: „Groß⸗ Polnisches Journal“, und aͤhnliche Blaͤtter in Plock und Lub⸗ lin unter dem Titel: „Plockischer und Lubliner Kurier.“ e
1 Frankreich. 884 Pairs⸗Kammer. In der Sitzung vom 10. Dez.
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beschaͤftigte diese Kammer sich mit dem Gesetz⸗Entwurfe uͤber
die National⸗Belohnungen, die den an den drei Julitagen Verwundeten, sowie den Wittwen und Waisen der Geblie⸗ benen, zuerkannt werden sollen. Der einzige Redner, der sich daruͤber vernehmen ließ, war der Marquis v. Dreux⸗ Brézé. Er beschwerte sich einerseits, daß einer großen An⸗ zahl von Soldaten der Garde und der Linie, die waͤhrend der letzten Revolution verstuͤmmelt worden, die Aufnahme ins Invalidenhaus verweigert worden sey, andrerseits, daß der General Clausel, der bei seiner Abreise nach Algier mehrere Offiziere mit sich genommen, nur diese, nicht aber die eigent⸗ lichen Theilnehmer an dem Feldzuge, zu Auszeichnungen vor⸗ geschlagen habe. Beide Angaben wurden indessen, da der 5 Kriegs⸗Minister nicht zugegen war, von dem Grafen Molé und dem Marschall Jourdan fuͤr durchaus ungegruͤndet er⸗ klaͤrt. Ersterer versicherte, daß die den Militairs der Afri⸗ kanischen Armee zuerkannten Belohnungen lediglich dem Verdienste zu Theil geworden seyen, Letzterer, daß ihm zwei an den Julitagen verwundete Militairs persoͤnlich bekannt waͤren, die im Invalidenhause Aufnahme gefunden haͤtten, und wovon sich einer noch jetzt darin befinde. Die Bera⸗ thung wurde hierauf geschlossen. Kaum war dies geschehen, als der Kriegs⸗Minister anlangte und, nachdem man ihm von der stattgefundenen Eroͤrterung Kenntniß gegeben, sich bereit erklaͤrte, nachtraͤglich noch die gewuͤnschten Auf⸗ schluͤsse zu geben. Der Praͤsident bemerkte inzwischen, daß dies gegen das Reglement der Kammer sey, indem die Ver⸗ 9. sammlung bereits den Schluß der Diskussion verfuͤgt habe. Der Eingangs erwaͤhnte Gesetz⸗Entwurf wurde hierauf mit 85 gegen 2 Stimmen angenommen. — In diesem Augen⸗ blicke trat der Praͤsident des Minister⸗Rathes in den Saal und bestieg sofort die Rednerbuͤhne, um der Ver⸗ sammlung den mittlerweile *) von der Deputirten⸗Kammer angenommenen Gesetz⸗Entwurf uͤber die provisorische Forterhe⸗ bung der Steuern und die Bewilligung eines Kredits von 300 Mill. auf das Budget von 1831 vorzulegen. Es wurde sofort eine Kommission zur unmittelbaren Pruͤfung desselben und mit der Aufforderung ernannt, noch im Laufe der Sitzung ihren Bericht daruͤber abzustatten. Die von dem Praͤsiden⸗ ten bezeichneten 5 Kommissions⸗Mitglieder verließen zu die⸗ sem Behufe sofort den Saal. — Mittlerweile berichtete der Graf Molé uͤber den Gesetz⸗Entwurf wegen der Aushe⸗ bung von 80,000 Mann von der Klasse von 1830 und er⸗ klaͤrte, daß die Kommission einmuͤthig fuͤr die Annahme des⸗ selben stimme. Die Berathungen daruͤber begannen unmit⸗ telbar. Der Herzog von Fitz⸗James aͤußerte sich bei die⸗ ser Gelegenheit in folgender Weise: 9 „So oft die Regierung von uns die Mittel verlangt, die
unabhängigkeit unseres Gebiets und die Ehre des Landes zu EEEEIu
theidigen, darf sie auch nicht bloß auf die Zustimmung der Kam-⸗ mern, sondern auf die einstimmi e Mitwirkung aller Franzosen zaͤhlen. Wo es sich um Frankreichs Heil handelt, da schweigen die Meinungen und wehmuͤthigen Erinnerungen, und man fuͤhlt
nur noch, daß man Franzose ist. Dies sind die Gefuͤhle, die mich in diesem Augenblicke bescelen, und ich betheure, daß sich
*) S. den weiter unten folgenden Bericht uͤber die Sitzung der Deputirten⸗Kammer v. 10ten. “
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kein Falsch darein mischt. Sollten sie nichts destoweniger unrecht ausgelegt werden? Mir bangt einigermaßen dafuͤr, denn ich verhehle mir nicht die Ungunst, worin ich stehe, und das Schwierige meiner Lage. Einem beleidigenden Argwohne Preis gegeben, zeiht man mich feindseliger Herausforderungen, sobald ich den Mund oͤffne; und schweige ich, so ist sogar dieses Still⸗ schweigen verdaͤchtig. Da ich indessen auf meinem Posten geblie⸗ ben bin, so halte ich es fuͤr meine Pflicht, nicht mich dem gegen⸗ waͤrtigen Gesetz⸗Entwurfe zu widersetzen, aber Wahrheiten zu sa⸗ en, die ich von Nutzen fuͤr die Rathgeber der Krone halte. rankreich will den Frieden und scheut den Krieg nicht. Dies ist eine schoöͤne Stellung, und ich danke den Ministern fuͤr die Zusicherungen, die sie uns in dieser Beziehung gegeben haben. Die unermuͤdliche Thaͤtigkeit des Kriegs⸗Ministers buͤrgt mir dg⸗ fuͤr, daß, wenn es zum Kriege kaͤme, der Feind uns nicht unvorbereitet sinden wuͤrde. Von dieser Seite also glaube ich, daß wir ganz ruhig seyn koͤnnen. Aber Frankreich will den Frie⸗ den, unter dessen Schutze allein sich unsere Institutionen befesti⸗ en koͤnnen. Auch die Regierung mag ihn wollen; wenig⸗ ens lehrt die Erfahrung, daß, wie sehr in dieser Beziehung ein Minister auch seine Vorgaͤnger getadelt haben mag, er doch, so⸗ bald er selbst an das Staatsruder gelangt, einsehen lernt, daß die Ordnung und der Friede allein dem Lande wahrhafte Vor⸗ theile gewaͤhren koͤnnen. Wenn ich mich aber umsehe, wenn ich auf alle die Reden hoͤre, die um mich her gefuͤhrt werden, vor⸗ zuͤglich aber, wenn ich Alles lese, was gedruckt wird, so kann ich mich unmoͤglich uͤberzeugen, daß dieses Beduͤrfniß des Friedens in Frankreich allgemein gefuͤhlt wird; vielmehr muß ich glauben, daß Viele fuͤr den b stimmen, und daß die Regierung nicht alle ihre Pflichten erfuͤllt, um sich den Frieden zu sichern. Man wird mich als einen Laͤrmblaͤser schelten, man wird mich viel⸗ leicht gar beschuldigen, daß ich selbst strafbare Plaͤne hege und nur die Aufmerksamkeit der Regierung von mir abwenden wolle. In dieser letzteren Beziehung bin ich bereit, mich jeder Untersuchung u unterwerfen; nichts soll mich aber hindern, zu sagen, daß es in Frankreich eine maͤchtige Partei gicht, die alle ihre Kraͤfte auf⸗ bietet, um einen Krieg herbeizufuͤhren, sey es, daß sie jeden Mor⸗ gen das Volk durch ihre hundert Organe bearbeitet, oder daß sie die Monarchen von Europa durch die groͤbsten Beleidigungen herausfordert. Was ich hier sage, kann uͤbrigens nichts Neues fuͤr Sie seyn. Sie alle, m. H., kennen diesc besser als ich; wie groß mußte daher nicht mein Erstaunen seyn, als ich unlaͤngst aus dem Munde des Ministers der auswaͤrtigen Angelegenheiten die Worte vernahm, daß nur die Feinde der Re⸗ volution es waͤren, die dem Lande einreden wollten, daß es eine verborgene Partei gebe, die, maͤchtiger als die Regierung,⸗ die Ruhe von Europa bedrohe. Ja, diese Ruhe wird bedroht, aber nicht von einer verborgenen Partei, denn nie ist noch eine Partei offener zu Werke gegangen, als gerade sie; sie zeigt sich uͤberall, draͤngt und beherrscht uns und wird damit aufhoͤren, uns zu erdruͤcken. Sehen die Minister sich nicht selbst ihren Angriffen taͤglich blosgestellt? Schon ist ihre Popularitaͤt sehr gesunken; warum? weil sie den Frieden und die Ordnung, ihre Gegner aber den Krieg und die Ünordnung wollen. Was ich der Regierung vorzuͤglich zum Vorwurfe mache, ist, daß sie nicht Vertrauen genug zu sich selbst bat; sie hat den Koͤnig, die Mazjoritaͤt beider Kammern, die Waͤhler, die National⸗Garden, die Provinz fuͤr sich, und doch ist sic unschluͤssig und will sich die Gefahr verhehlen, blos um sie nicht zu bekaͤmpfen; ihr Gang zeigt von keinem Vertrauen, und die allmaͤchtige Kraft des Gesetzes wird vernachlaͤssigt verschmaͤht oder der Verachtung Preis gegeben. Dies allein ist das Uebel, woran wir in diesem Augenblicke leiden; das Gesetz wird nicht mehr geachtet und in dem groͤßeren Theile Frankreichs ungestraft uͤbertre⸗ ten. Obgleich ich nicht zu den Vertrauten der Minister gehoͤre, so weiß ich doch sehr wohl, was man ihnen sagt, um sie am Rande des Abgrunds einzuschlaͤfern; entweder laͤugnet man die Existenz der kriegerisch gesinnten Partei ganz, oder schildert sie als unbedeutend und ver⸗ worfen von der großen Mehrzahl der Franzosen. Ich kann die⸗ ses Vertrauen nicht theilen. Auch im Jahre 1792 waren die Re⸗ volutionnairs anfangs nicht zahlreicher als heute, und doch tru⸗ gen sie zuletzt den Sieg davon. Man verkennt die Zeiten, worin wir leben, und das Land, das wir bewohnen, ganz und gar, wenn man nicht einsehen will, daß zehn leidenschaftliche Maͤnner, die mit Nachdruck, Eifer und beharrlichem Willen auf ein und das⸗ selbe Ziel losgehen, mehr reelle Kraft besitzen, als hundert Freunde der Hrdnung und des Friedens, die die Ruhe allen po itischen Stuͤrmen vorziechen und sich in ihren Wohnungen einschließen, um den Laͤrm nicht zu hoͤren, den Andere auf der Straße machen. Die Regierung hat offen den Grundsatz der Nichteinmischung verkuͤndigt; sie hat erklaͤrt, Frankreich werde nicht zugehen, daß dieser Grundsatz in Europa verletzt werde. Wird diese Er⸗ klaͤrung aber auf die fremden Kabinctte dieselbe Wirkung hervor⸗ bringen, wird sie ihnen namentlich dasselbe Vertrauen einfloͤßen, die wir uns im Lande selbst mit Recht davon versprechen? Fern von mir sey der Gedanke, daß die Regierung das von ihr gege⸗ bene Wort nicht halten werde; wird aber die Partei, die ich im Sinne habe, dieses Wort in gleichem Magße ehren? Wer ver⸗ moͤchte zu zweifeln, daß sie sich schon laͤngst durch ihre Verhin⸗ dungen in alle Angelegenheiten Europa's mischt und alle ihre Kraͤfte aufbietet, um die Voͤlker zum Aufstande aufzureizen? Ha⸗ ben aber, dies vorausgesetzt, die fremden Souveraine nicht ein Recht, uns zuzurufen: „„Wie koͤnnen wir Euren friedfertigen Versprechungen trauen, wenn man uns unaufhoͤrlich einen Krieg unter der Hand bereitet und den Geist der Empdrung ““ öI 1“ “ “
ßerte sich unlaͤngst in der andern Kammer folgendermaßen⸗
Empoͤrung an alle Voͤlker erblicken, die keine Verfassung wie die
artei vielleicht
beigelegt werden moͤgen.
unter unsern Voͤlkern fortzupflanzen strebt; Wie duͤrfen wir hoffen, uns vor den Schlaͤgen der Revolutionnairs zu bewahren, wenn Frankreich selbst sich unausgesetzt von ihnen bedroht steht und nicht Kraft genug hat, sie unter das Joch
9 1 der eignen Gesetze zu beugen?⁷ gch korrespondire nicht mit
dem Auslande, aber ich bin fest uͤberzeugt, daß die Besorgnisse der Monarchen Europa's und die Zuruͤstungen im eme — ßen Theils auf jenen Ansichten beruhen. Als sie sahen, daß Franzosen an den Unordnungen in Belgien Theil nahmen, muß⸗ ten sie glauben, daß Frankreich, das üͤngst erst selbst von einer Revolution bewegt worden, bei jenen Unordnungen die Hand im Sviele habe. Ich schließe diese Betrachtungen mit der An⸗ fuͤhrung eines Beispiels, das meiner Rede vielleicht einiges Ge⸗ wicht verleihen wird: Frankreich besitzt einen Mann, dessen Name weltkundig ist, der sich einer seltenen Populgritaͤt erfreut, auf unsre Regierung einen ungewoͤhnlichen Einfluß uͤbt, und auf dessen Worte sonach, wenn sie auch an sich unbedeutend sind, Europa einen großen Werth legt. Dieser Mann nun aͤu⸗
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„„Wenn in einer freien und verfassungsmaͤßigen Regierung die helligste der Pflichten darin besteht, den Gesetzen mit Prens n zu gehorchen, so ist unter einer despotischen Regierung die Empdrung die heiligste der Pflichten.“ Dem ersten Satze dieser Rede pflichte ich aus voller Ueberzeugung bei; warum mußte aber der zweite hinzugefuͤgt werden? Man denke nur, welche Wirkung eine solche Aeußerung in einem Augenblicke wie der jetzige hervorbrin⸗ gen mußte, wo Europg ohnehin schon mehr oder weniger Erschuͤtte⸗ rungen erlitten hat. Konnte man darin nicht eine Aufforderung zur
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unsrige haben? Wie großes Uebel fuͤgt man doch durch derglei⸗ chen unvorsichtige Reden den Voͤlkern wie der Freiheit selbst zu; und doch giebt man vor, beiden dadurch zu dienen! Der Himmel bewahre mich uͤbrigens, daß ich den Mann, der die obige Rede gefuͤhrt, mit denjenigen vermengen sollte, gegen die ich die Wachsamkeit der J I1 Anspruch nehme. Er war einst ein Opfer dieser Maͤnner und kann nicht vergessen haben, wessen sie faͤhig sind. — Ich hoffe, daß die Regierung diese Betrachtungen nicht uͤbel deuten wird. Einige Personen werden sie vielleicht fuͤr uͤberfluͤssig hal⸗ ten, denn fast Jedermann sagt sich heutiges Tages im Stillen, was ich so eben laut verkuͤndigt habe; aber ich bin stets der Mei⸗ nung gewesen, daß man die Wahrheit nicht laut genug sagen koͤnne, und ich glaube dadurch eine Pflicht gegen mein Land er⸗ fuͤllt zu haben.“ — Der Vice⸗Admiral Graf Verhuell trat zu Gunsten des betreffenden Gesetz⸗Entwurfes auf, den er den Umstaͤn⸗ 81 den vollkommen angemessen fand, wenn gleich der Friede nicht gestoͤrt werden sollte. Der Redner gab bei dieser Ge⸗ legenheit sein Bedauern zu erkennen, daß die Franzoͤsischen festen Plaͤtze, namentlich nach der Belgischen Graͤnze zu, sich in einem so erbaͤrmlichen Zustande befaͤnden, wovon er sich 8 mehr als einmal durch den Augenschein uͤberzeugt habe. Zu
der Zeit, fuͤgte er hinzu, wo noch der Rhein und die Schelde Frankreichs Graͤnze ausgemacht, sey die Befestigung jener Pläͤtze von minder großer Wichtigkeit gewesen; unverzeihlich sey es aber, daß man sie seitdem so habe verfallen lassen; er 8 hoffe, daß man sich jetzt beeilen werde, sie in besseren Ber⸗ theidigungs⸗Zustand zu versetzen und zu diesem Be⸗ hufe vorlaͤufig mit denjenigen Arbeiten vorzuschreiten, die
mit der jetzigen Jahreszeit vertraͤglich waͤren. Der Red⸗
ner schloß mit folgenden Worten: „Wir wollen wuͤn⸗ schen, daß die Belgischen Angelegenheiten bald guͤtlich Mittlerweile lassen Sie uns das
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Ministerium in allen gesetzlichen Maaßregeln, wodurch der Thron Ludwig Philipps befestigt werden koͤnnte, unterstuͤtzen, 9 zugleich aber auch uns Allem widersetzen, wodurch die Kona-: solidirung der neuen Ordnung der Dinge behindert werden koͤnnte. Verhehlen wir daher den Rathgebern der Krone die Wahrheit nicht, wenn sie sich aus Schwaͤche oder Nachgie⸗ bigkeit den Umtrieben nicht widersetzen moͤchten, wodurch man die Nation von ihrem Koͤnige trennen oder den Gang der Regierung hemmen will. Noch nie hat eine Verwal⸗ tung eine groͤßere Majoritaͤt ais die jetzige fuͤr sich gehabt. Die Minister moͤgen daher keinen Anstand nehmen, sich au
die Nation zu wenden, die mit Vergnuͤgen die Haͤnde dazu bieten wird, sich Achtung nach außen hin zu verschaffen und
die Ruhe und Ordnung im Innern aufrecht zu erhalten.“
Der Herzog v. Broglie trat hauptsaͤchlich zur Widerlegung
des Herzogs von Fitz⸗James auf. Es sey, behauptete er, voͤllig ungegruͤndet, daß die Gesetze in Frankreich nicht vollzogen wuͤrden; kein Land habe jemals, nachdem es eben erst einen Buͤrgerkrieg bestanden, so viel Ruhe und Sicher⸗
heit dargeboten, als Frankreich. Was den moͤglicher Weise gemachten Versuch betreffe, die Fahne des Aufruhrs im Aus⸗ lande aufzupflanzen, so muͤsse man der Regierung den guten Willen fuͤr die That anrechnen. Sie koͤnne nicht fuͤglich ei⸗
nem Unruhestifter verbieten, sich auf die Post zu setzen und außerhalb Frankreichs zu begeben; eben so wenig koͤnne sie ez verhindern, daß gewisse Leute ihr Vermoͤgen zu einem gewisß
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