1830 / 353 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

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ging unmittelbar dem von 40 Personen der verschiedenen Staͤnde gezogenen Leichenwagen voran; auf dem hoͤchst ein⸗ fachen Sarge lagen Kraͤnze von Lorbeeren, Immortellen und Eichenblaͤttern; hinter demselben wurde ein großes schwarzes Sammttuch mit in Silber gestickten Inschriften und Kro⸗ nen getragen; dann folgten mehrere protestantische Geistliche, der Stab des Generals Lafayette, saͤmmtliche Minister, viele Pairs, die Deputirten⸗Kammer unter Vortritt ihrer Kammerbo⸗ ten, die Maires der 12 Stadtbezirke mit dreifarbigen Schaͤrpen, eine Deputation der in den drei Juli⸗Tagen Verwundeten, die Zoͤglinge der verschiedenen hiesigen Schulen und Gymna⸗

sien, die sechs letzten Legionen und 2 Batterieen der Natio⸗

nal⸗Garden. Vier lange Reihen von Trauerkutschen, unter ihnen ein Wagen des Koͤnigs und ein anderer des Herzogs von Orleans, schlossen den Zug. Die Zipfel des Leichentuchs wurden von der Straße Anjou bis zur Straße Richelien von dem General Lafayette, Herrn Laffitte, Herrn Cas. Périer und Herrn Odilon⸗Barrot; von dort bis zur Straße du Temple von den Herren Saglio, Deputirten des Nieder⸗ Rheins, von Corceller, Deputirten von Paris, dem Staats⸗

rath Girod und dem Polizei⸗Praͤfekten, Grafen Treilhard;

rihr Unwesen;

ten Posten verlassen haͤtten und nach dem Innern des Lan⸗

von dort bis zur prokestantischen Kirche von einem Studiren⸗ den des Rechts, einem Studirenden der Medizin, einem Zoͤg⸗ linge der Akademie der Kuͤnste und einem Arbeirer; von der Kirche bis zum Kirchhofe des Pater Lachaise von einem Zoͤg⸗ linge der polytechnischen Schule, einem Handlungsdiener, ei⸗ nem jungen Elsasser und einem Arbeiter getragen. Die Leiche kam erst um 3 ½˖ Uhr in der protestantischen Kirche in der Straße von St. Antoine an Nach beendigtem Gebet wurde der Sarg wieder auf den Wagen gesetzt. Mehrere Stimmen riefen jetzt: „Nach dem Pantheon, nach dem Pantheon!“ Dieser Aufforderung wurde jedoch keine Folge gegeben, und der Zug setzte seinen Weg ruhig bis zum Kirchhofe fort, wo die Leiche um 5 Uhr bei Fackelschein anlangte und in einer Gruft zwischen Foy und Manuel beigesetzt. wurde. General

Lafayette, die Herren Odilon⸗Barrot, Euseèbe Saivrere, Tis⸗

sot und der Graf Alex. von Laborde hielten jeder eine Le;

chen⸗Rede, worauf die zahlreiche Menge, welche den Kirchhof

angefuͤllt hatte, ruhig aus einander ging.“*) Ein Miethswagen, worin sich eine große Anzahl von Saͤbeln und Flinten befand, ist vorgestern hier auf dem Boulevard von der Polizei festgehalten worden. Man hat bisher noch nicht ermitteln koͤnnen, fuͤr wen diese Sendung estimmt war. 9. In der Normandie treiben die Brandstifter noch immer in Evreux und Bernay sind kuͤrzlich wieder zwei bedeutende Feuersbruͤnste ausgebrochen. 21,5 Aus Pau meldet man unterm Iten d. M., daß die Graͤnze zwischen Frankreich und Spanien wieder voͤllig frei sey, indem die Spanischen Freiwilligen die von ihnen besetz⸗

des zuruͤckgekehrt waͤren. Fortsetzung des erichts

estern abgebrochenen) des Grafen von Bastard. Waͤhrend die Herrn v. Polignac, v. Ranville, v. Montbel, v. Haussez und v. Chantelauze im Hauptquartier der Garde einen Zufluchtsort gegen die Erbitterung suchten, deren Opfer sie zu werden befuͤrch⸗ teten, begaben sich die Herrn v. Peyronnet und v. Capelle nach St. Cloud, wo, wie sie glaubten, das Conseil sich versammeln sollte. Dort sahen sie den Koͤnig. In wie weit unterrichteten

sie ihn von dem beklagenswerthen Zustande der Stadt? Herr von

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Peyronnet behauptet, auch an diesem Tage, so wie am vorigen,

von der Lage der Dinge nicht genau unterrichtet gewesen zu seyn, weshalb er nur einen sehr unvollstaͤndigen Bericht daruͤber habe abstatten koͤnnen. Waren aber die verdoppelten Schuͤsse, welche zu dieser Zeit in Paris sielen, nicht hinreichend, um alles auf der Hauptstadt lastende Unheil zu verkuͤnden? Die in Paris anwe⸗ senden Deputirten, die sich Tages zuvor bei Herrn Casimir Perier versammelt hatten, kamen an diesem Tage bei Hrn. Audry de Puyraveau zusammen. Drei von ihnen, die HH. Dupin, Guizot und Villemain, waren beauftragt worden, im Namen Aller eine Protestation zu verfassen. Dieser muthige und wichtige Akt

baichte aber dem Ungluͤck der Hauptstadt nicht schnell genug Ab⸗

Die Deputirten beschlossen daher, daß fuͤnf unter ihnen um Marschall gehen sollten, um zwischen das Volk und die rmee zu treten und dem Blutvergießen Einhalt zu thun. Die 99. Laffitte, Casimir Perier, General Gerard, Graf Lobau und

auguin erhielten diesen Auftrag, der nicht ohne Gefahr war. Sie. wurden bei ihrer Ankunft im Hauptquartier der Garde von dem Baron v. Glandeèves, Pair von Frankreich und Gouverneur der Tuilerieen, beim Marschall eingefuͤhrt. Hier aͤußerte sich leb⸗ hafte Theilnahme fuͤr sie, und Jeder wuͤnschte ihnen an diesem mit treuen Offizieren Karls X. angefuͤllten Orte einen gluͤcklichen Erfolg ihrer Sendung; Jeder schien mit ihnen zu sympathisiren und ihre patriotischen Gesinnungen gn theilen. Alle fuͤnf Depu⸗ tirte haben ausgesagt, daß sie den Marschall von dem Wunsche

durchdrungen fanden, einem so beklagenswerthen Zustande ein

4 ö“ Ende zu machen, daß er aber zugleich von der Last eines Ver haͤngnisses Fe eu. war, das nach seiner eigenen Aeußerung ihn unaufhoͤrlich verfolge. Die Deputirten erklaͤrten, sie kaͤmen als treue Unterthanen fuͤr das Volk, fuͤr den Koͤnig selbst und im In⸗ teresse seiner Krone, um Einstellung des Gemetzels, um Ruͤcknahme der Verordnungen und Veraͤnderung des Ministeriums zu bitten. Der

Marschall versagte seine Mitwirkung zu Maaßregeln, die eine

gluͤckliche Aussoͤhnung herbeifuͤhren koͤnnten, nicht, er verlangte aͤber vor Allem die Unterwerfung der Buͤrger und nahm, um diese zu erlangen, den Einfluß der fuͤnf Kommissarien in Anspruch. Diese erwiederten, daß, da der oͤffentliche Unwille allein den kuf⸗ stand erregt habe, sie nicht hoffen koͤnnten, auf das erbitterte Volk irgend einen Einfluß auszuuͤben, wenn sie nicht als Grundlage jeder Aussoͤhnung die Zuruͤcknahme der verhaͤngnißvollen Verordnungen und die Entlassung der Minister verkuͤnden koͤnnten. Der Mar⸗ schall erklaͤrte, er koͤnne nichts auf sich nehmen, wolle aber den Koͤnig von dem Schritte der Deputirten benachrichtigen und seine Bitten mit den ihrigen vereinigen; jedoch verhehlte er nicht, daß er einen guͤnstigen Erfolg nicht fuͤr wahrscheinlich halte. Zugleich versprach er, ihnen die Antwort des Koͤnigs unverzuͤglich mitzu⸗ theilen. Hierauf fragte er die Deputirten, ob sie abgeneigt seyen, Herrn von Polignae zu sprechen; sie erwiederten, daß sie, mit einer Friedens- Mission beauftragt, nichts verabsaͤumen wuͤrden, was ein Gelingen derselben herbeifuͤhren koͤnnte, und daß sie also Herrn von Polignac sprechen wollten. Der Marschall begab sich in einen anstoßenden Sagl, wo sich der Praͤsident des Minister⸗ Raths befand, kam jedoch nach einigen Minuten mit der Nach⸗ richt zuruͤck, daß er Herrn von Polignaec von den Bedingungen unterrichtet habe, unter welchen die Deputirten ihren Einguß auf das Volk geltend machen wollten, und daß dieser darauf er⸗ wiedert habe, eine Unterredung mit ihnen wuͤrde nutzlos seyn, weshalb man sie nicht laͤnger aufhalten moͤge. Die Deputirten wollten eben fortgehen, als ein Offizier, der nicht wußte, was zwischen dem Marschall und Herrn von Polignae vorgegangen war, sie nochmals bei Letzterm einfuͤhren wollte, der jedoch aufs neue aͤußerte, er wuͤnsche sie nicht zu sprechen. Wenige Augenblicke vor dieser Unterredung scheint der Mar⸗ schall, in dessen Haͤnden alle Gewalten durch den Belagerungs⸗ Zustand concentrirt waren, den Befehl zur Verhaftung mehrerer Deputirten unterzeichnet zu haben. Unter den zu verhaftenden Personen befanden sich die Herren von Salverte, von Lafayette und Lafsfree, (Ging dieser Befehl, der seiner Natur nach nicht von der Militatr⸗Beyvece, soabenn vve, der. N.289,1 ßebst aus⸗ gehen mußte, aus dem freien Willen des 2 arschalls he voᷓr⸗ ehorchte dieser bei Unterzeichnung desselben einem hoͤheren Ein⸗ usse? Man darf Letzteres annehmen, wenn man erwaͤgt, mit welchem Eifer der Marschall, ohne Zweifel geruͤhrt durch das Vertrauen, womit die Deputirten in sein Hauptquartier gekom⸗ men waren, es sich selbst schuldig zu seyn glaubte, den einige Augenblicke vorher von ihm unterzeichneten Verhafts⸗Befehl zu⸗ ruͤckzunehmen. Sobald die Deputirten sich entfernt hatten, rich⸗ tete der Herzog von Ragusa nachstehendes an e Koͤnig: m Uhr.

„Ich habe meine verschiedenen Kolonnen um die angege⸗ bene Stunde in Bewegung gesetzt. General *** ist auf dem Greye⸗Platze angekommen. Meine Verbindung mit ihm habe ich durch ein Bataillon gesichert, welches das Debouché des 1.9 besetzt haͤlt. Dieser General marschirt uͤber den Bonlevard, um sich auf dem Platze der Bastille aufzustellen.

Der General**„, der vom Vendome⸗Platze abmarschirt ist,“

haͤlt mit seinen Truppen den Platz des Victoires besetzt; dessen⸗ ungeachtet ist der ganze Raum zwischen ihm und mir mit auf⸗ ruͤhrerischen Haufen angefuͤllt, und wir koͤnnen nur uͤber den Vendome⸗Platz mit einander communiciren. Der General *** ist auf dem Platze des Innocens angekommen; nachdem er aber mehrere Barrikaden umgangen und zerstoͤrt und Alles, was sich seinem Marsche widersetzte, in die Straße Saint⸗Denis zuruͤckgeworfen hatte, bildeten sich neue Haufen hinter ihm, und ich kann nur durch verkleidete Offiziere Nachrichten von ihm erhalten. Ueberall zerstreuten sich die Gruppen beim An⸗ marsche der Truppen; aber fast in allen Straßen sielen Flinten⸗ Schuͤsse aus den Fenstern jedes Hauses. Die angegriffenen Truppen schossen wieder, und ihr Marsch war ein fortwaͤhren⸗ der Kampf. Sie koͤnnen nicht in die Gefahr kommen, befmun⸗ en zu werden, ihre Stellungen zu raͤumen; aber ich dars Ew. Mazjestat nicht verhehlen, daß die Lage der Dinge immer miß⸗ licher wird. In dem Augenblicke, wo ich mein Schreiben schließen wollte, kamen die Herren Casimir Perier, Laffitte, Mauguin, General Gerard und General Lobau zu mir. Sie seshe mir, sie kaͤmen, um mich zu bitten, das Feuer einstel⸗ en zu lassen. Ich erwiederte ihnen, daß ich dieselbe Bitte an sie zu richten haͤtte; sie machten aber das Versprechen der Zu⸗ ruͤcknahme der Verordnungen zur Bedingung ihrer Ich antwortete, daß ich keine politische Vollmacht haͤtte und also gpch keine Verpflichtung in dieser Beziehung eingehen koͤnnte. fach einer langen Unterredung beschraͤnkten sie sich darauf, mich zu bitten, Ew. Majestaͤt von ihrem Schritte in Kenntniß zu sez⸗ zen. Ich glaube, es ist dringend, daß Ew. Majestaͤt ohne Ver⸗ zug Re Ihnen gemachten Eroͤffnungen benutzen.“

Dieses Schreiben, dessen Kopie uns von Herrn von Guise, Bataillons⸗Chef und Adjutanten des Marschalls, der es ihm dik⸗ tirte, eingehaͤndigt worden ist, wurde durch den Oberst⸗Lieute⸗ nant Komierowski nach St. Clond uͤberbracht, dem der Mar⸗

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chall Befehl gab, sich moͤglichst zu beeilen, mit dem Koͤnige zu prechen, den in dem Schreiben enthaltenen Details neuec, die er elbst wisse, hinzuzufuͤgen und dringend um schleunige Antwort zu bitten. Dieser Offtzier, welcher fuͤhlte, wie kostbar die Zeit sey, verlor keinen Augenblick und fuhr sogleich ab. In Passy verwundeten drei Flintenschuͤsse mehrere Leute seines Gefolges. n St. Clond angekommen, uͤberreichte er selbst dem Koͤnige die epesche, erzaͤhlte die Ereignisse seines Weges und fuͤgte hinzu, daß er nicht nur vom Volke beschimpft worden sey, sondern daß auch Personen hoͤheren Standes nach ihm geschossen haͤtten; der Aufstand sey allgemein, und man erwarte mit aͤngstlicher Span⸗ nung die Antwort des Koͤnigs. Hat Herr von Polignac, dessen Schuldigkeit es doch auch war, den Koͤnig von der Vermittelung, wozu sich die Deputirten erboten hatten, so wie vom Zustande der Hauptstadt zu unterrichten, alle Pflichten erfuͤllt, welche ihm sein Amt als Praͤsident des Minister⸗Raths und das hohe Ver⸗ trauen, das er genoß, auferlegten? Hat er den Koͤnig uͤber jene allgemeine Entfremdung aufgeklaͤrt, die er auch bei denen wahr⸗ nehmen mußte, welche dem Staats⸗Oberhaupte treu blieben und noch fuͤr dasselbe kaͤmpften? Herr von Polignac sagt aus, zu der⸗ selben Zeit dem Koͤnige in einem Schreiben die Lage der Dinge geschildert zu haben. Man weiß nicht, ob dieses Schreiben schon in St. Cloud angekommen war, als Karl X. das des Marschalls erhielt. Der Koͤnig entließ den Oberst⸗Lieutenant Komierowski, nachdem er alle Details angehoͤrt, die dieser ihm bei Ueberrei⸗ chung des Schreibens des Herzogs von Nagusa erzaͤhlt hatte, um weiterer Befehle gewaͤrtig zu seyn. Diese Befehle ließen aber lange auf sich warten. Der Oberst⸗Licutenant, welcher ungedul⸗ dig wurde, bat wiederholt die ersten Beamten des Koͤnigs, sich zu ihm zu begeben und seine Antwort chn beschleunigen. Selost in diesem Augenblicke legten, wie es scheint, die Vorschriften der Etiquctte noch Hindernisse in den Weg, die nicht leicht uͤberstie⸗ en werden konnten. Endlich ließ der Koͤnig, zu dessen Seite ich der Dauphin und die Herzogin von Berry hefanden, den Oberst⸗Licutenant Komierowski eintreten und gab ihm statt aller Antwort den muͤndlichen Auftrag an den Marschall: „Er moͤge sch gut halten, alle Truppen auf dem Caroussel⸗Platz, so wie auf jem Platze Ludwigs XV., zusammenziehen und nur noch mit Mas⸗ en agiren.“ Diese deshefenee Antwort hielt der Herzog nicht ͤur geeignet, den Deputirten, die bis um 10 Uhr Abends vergebens jarauf warteten, mitgetheilt zu werden. Einer der Kommissarien hat uns gesagt, daß er jetzt erst, jede Hoffnung auf Versoͤhnung zufgebend, sich seines Eides entbunden geglaubt und seine An⸗ strexgungee mit denen ver Einwohner von Paris vereinigt habe. as Ministerium oder wenigstens der Praͤsident des Mini⸗ ster⸗Raths, der nichts that, um zur Aussoͤhnung und Annaͤ⸗ zerung beizutragen, schickte am Abend den Truppen, welche die Lager von Saint⸗Omer und Luncville bildeten, den Befehl, nach St. Cloud zu marschieren; denselben Befehl erhielt zu gleicher Zeit die Artillerie zu Vincennes. Die Verblendung des Herrn v. Polignae war bei dieser Gelegenheit so unbegreiflich groß, daß er, waͤhrend der Marschall ihn von dem Schritte der Deputirten unterrichtete und man ihm meldete, eine Compagnie eines Linien⸗ Regimentes habe sich geweigert, auf die Buͤrger zu schießen, und fraternisire mit ihnen, verlangte, man solle gegen diese neuen Re⸗ bellen die Streitkraͤfte der noch gehorchenden Garde anwenden; er dachte nicht daran, daß, wenn gleich die Linien⸗Truppen und die Koͤnigl. Garde durch engere Pflichten gebunden waͤren, als die Buͤrger, die Vaterlandsliebe doch zuletzt siegen und sie zu einem Gefuͤhl vereinigen wuͤrde. Die Stimmuüng der Armee war in der That nur dem Ministerium unbekannt, und in diesen fuͤr sie so ungluͤcklichen Tagen bewies eine Menge hochherziger und patriotischer Zuͤge, daß sie in ihren Gesinnungen nicht von der uͤbrigen Ration getrennt sey. Die Herren von Peyronnet und Capelle waren nicht bei Herrn von Polignac, als die Deputirten zum Marschall kamen. Sie trafen erst kurze Zeit nachher dort ein und behaupteten einstimmig, daß seit dem 27sten Abends kein eigentliches Ministerium, kein Conseil mehr bestanden, sondern daß es nur noch Titular⸗Minister ohne Berathungen, ohne amt⸗ liche Theilnahme an den Angelegenheiten gegeben habe, die, wenn sie noch hier und da ihr Gutachten abgaben, es nur als Privatmaͤnner thaten. Sie sagen, der Koͤnig habe nur noch mit dem Marschall und dem Praͤsidenten des Minister⸗Raths kor⸗ respondirt, ihnen sey das Geheimniß dieser Mittheilungen nicht bekannt geworden, Herr von Polignac habe sie weder uͤber die Antwort auf die den Deputirten gemachten Eroͤffnungen, noch uͤber die von ihm v Truppen⸗Bewegungen, noch uͤber eine Maaßregel der Verwaltung um Rath befragt. Alle Mini⸗ ster befolgen das System, daß sie sagen, von dem Augenblicke an, wo die Stadt in Belagerungs⸗Zustand erklaͤrt worden sey, koͤnn⸗ ten sie nicht mehr fuͤr das Geschehene verantwortlich seyn, denn ihre Verantwortlichkeit sey gewissermaßen vor der des Marschalls verschwunden. Dennoch kann man unmöoͤglich annehmen, daß sie dem an den Koͤnigl. Gerichtshof ergangenen und vom Herzog von Ragusa unterzeichneten Befechle, sich nach den Tuilerieen zu begeben, um dort seine Arheiten fortzusetzen, fremd gewesen seyen. Schwerlich kann man darin nur eine wohlwollende Fuͤr⸗ sorge fuͤr die Civil⸗Interessen der Parteien oder einen der Gerichtspflege in einem Augenblicke des Tumults und der Verwirrung bewilligten Schutz erblicken. Scheint es nicht vielmehr, daß die Anhaͤnglichkeit der Justiz⸗Beamten an die consttutionnellen Principien und ihr’ vermuthlicher Wi⸗ derstand gegen die Landesgesetze den Verdacht des Ministeriums

8 erregten? Letzteres wollte sich gegen diesen Widerstand sicher n. Ein

Umstand laͤßt dies glauben; die Verordnung, wodurch die Haupt⸗ stadt in Belagerungs⸗Zustand versetzt wurde, war dem Generale⸗ Prokurator uͤberschickt worden. seiner Substituten befand sich gerade im Justiz⸗Palaste; man trug die Verordnung zu dem Rath, welcher Praͤsident des Assisen⸗ hofes war. Dieser duͤrch seine constitutionnellen Gesinnungen be⸗ kannte Justiz⸗Beamte nahm die Depesche ab und bescheinigte den Empfang derselben. Der Minister scheint, als er auf dem Em⸗ pfangscheine einen andern Namen als den des General⸗Proku⸗-⸗ rators fand, nicht daran gezweifelt zu haben, daß der Koͤnigliche Gerichtsbof einen thaͤtigen Antheil am Widerstande nehme und einstweilen einem seiner Raͤthe die Functionen des oͤffentlichen Ministeriums uͤbertragen habe. Am 2 /sten Morgens erstattete der General⸗Advokat, der den abwesenden General⸗Prokurator vertrat, den Ministern Bericht uͤber den Zustand von Paris, den sie noch so wenig kannten. Herr von Peyronnet, der mit seinen Kollegen die Nacht in den Tuileriecen zugebracht hatte, fragte hastig, wer der neu ernannte General⸗Prokurator sey? Obgleich von seinem Irrthum zuruͤckgekommen, ertheilte das Ministerium den⸗ noch am Donnerstag fruͤh um 8 Uhr durch den Marschall dem Koͤ⸗ nigl. Gerichtshofe den Befehl, sich nach den Tuilerieen zu ver⸗ fuͤgen. Auch jetzt noch fuͤrchtete das Ministerium, das noch nicht alle Hoffnung aufgegeben hatte, die patriotische Unabhaͤngigkeit des ersten Gerichtshofes des Bei so vielen Ereig⸗ nissen ist es schwierig, den Antheil der Minister an jedem der⸗ selben mit absoluter Genauigkeit anzugeben. Wir wissen indes⸗ sen, daß Herr von Guernon den Marschall aufforderte, den mcs. fekten von Paris, die Maires und deren Adjunkten zu sich zu rufen, um mit ihnen die Mittel zur Beschwichtigung des Auf⸗ ruhrs zu uͤberlegen. Nach seiner Aussage war er es, der fuͤr den Marschall die verschiedenen Proclamationen abfaßte, welche durch

den Belagerungs⸗Zustand noͤthig wurden. Dieselben wurden ge-⸗

druckt, abver es war unmoͤglich, sie anzuschlagen; Herr v. Guer⸗ non fuͤgt aber hinzu, aus diesen Privathandlungen lasse sich nicht folgern, daß er an den allgemeinen Maaßregeln Theil genommen habe, die man treffen zu muͤssen glaubte, seitdem die in Belage⸗ rungs⸗Zustand befindliche Stadt nur noch von dem kommandi⸗ renden Marschall Befehle erhalten habe. Inzwischen hatte der Herzog von Ragusa, den Anstrengungen der Bevoͤlkerung nach⸗ gebend und zugleich die Befehle des Koͤnigs vollziehend, seine Truppen um den Louvre, auf dem Caroussel⸗Platze und in den anliegenden Straßen zusammengezogen. Gegen Mitternacht ver⸗ stummten die Kanonen, und Paris kehrte anscheinend zu seiner gewohnten Ruhe zuruͤck. 1 8 Aber ein neues und fuͤr Minister, die nichts vorausgesehen hatten, voͤllig unerwartetes Hinderniß war das ploͤtzliche Erschei⸗ nen der Uniform der National⸗Garde, welche wieder anzulegen man sich seit dem 28sten beeilt hatte. Die ganze Bevoͤlkerung begruͤßte mit Beifall und Vertrauen diese im FJahre 1827 so un⸗ klug gufgeldste Buͤrgergarde; das Volk sah in ihr das Vorzeichen des Sieges, so wie das Unterpfand der Freiheit und oͤffentlichen Ordnung, welche seit diesem Tage das Feldgeschrei der bewaffne⸗ ten Buͤrger wurde. Die Krone hatte sich durch Aufhebung der Pariser National⸗Garde ihrer letzten Stuͤtze beraubt, und die Mi⸗ nister konnten in dem Augenblicke, wo sie alle Rechte der Buͤr⸗ ger verletzt hatten, den letztern nicht erlauben, wieder unter die Waffen zu treten. Auch wies der Marschall den ihm gemachten Vorschlag, die National⸗Garde auf den Mairieen zu versammeln und ihr die Bewachung der einzelnen Bezirke anzuvertrauen, zu⸗ ruͤck. Sie organisirte sich also selbst, und Alles verkuͤndete, daß sie am naͤchsten Tage fast vollstaͤndig wieder auftreten werde, um die Freiheiten, das Eigenthum und das Leben der Einwohner zu vertheidigen und zu beschuͤtzen. Alles ließ fuͤr den 29sten noch groͤßeres Ungluͤck befuͤrchten, als an den vorigen Tagen. Die Buͤrger hatten sich der Pulver⸗Magazine und der in den oͤffent⸗

lichen Depots benndlichen Wafsen bemaͤchtigt; die ganze Bevoͤl⸗

kerung schien, ohne Unterschied des Alters und Geschlechts, ent⸗ schlossen, an dem Kampfe Theil zu nehmen. Das Ministerium war nicht geruͤstet, um diesem schnell um sich greifenden Aufstande zu widerstehen; seine Sorglosigkeit war vielmehr so groß gewesen, daß es fuͤr die Truppen weder Lebensmittel noch Munition in Bereitschaft gesetzt hatte. Man wollte daher wenigstens eine Gratification unter sie austheilen, und Herr von Montbel uͤber⸗ nahm es am Donnerstag fruͤh, ohne eine ordnungsmaͤßige An⸗ weisung des Kriegs⸗Ministers, eine Summe von 421,000 Fr. aus den Staatskassen herbeizuschaffen. Wir wollen hier nicht die ruhmvollen Handlungen wiederholen, welche die drei Tage unse⸗ rer letzten Revolution ausgezeichnet haben; sie werden im Ge⸗ daͤchtniß des Franzoͤsischen Volks fortleben, das nie vergessen wird, daß es die Befestigung seiner Freiheiten dem Muthe der Pariser verdankt. All das Louvre, das Institut, die Tuilerieen tragen noch die Spuren jener denkwuͤrdigen Kaͤmpfe. An diesem Tage, und inmitten des Feuers, faßte der Groß⸗Referendarius, in Abwesenheit fast aller Mitglieder der Pairs⸗Kammer, die erst den 2. August sich wieder in Paris einfinden sollten, den edlen und muthigen Entschluß, im Namen saͤmmtlicher Pairs bei den Ministern den Tages zu⸗ vor von den Deputirten vergebens Versuch zu er⸗ neuern und Alles aufzubieten, um bis zum Koͤnige zu drin⸗ en und ihn uͤber die Gefahren der Monarchie aufzuklaͤren. lle entfernten Zugaͤnge zu den Tutlerieen waren von den be⸗ waffneten Buͤrgern besetzt; das Gefecht hatte auf mehreren wieder begonnen, als der Marquis von Semonville, vom rafen von Argout begleitet, im Hauptquartier ankam, wo er

Dieser war abwesend, und keiner

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Alle Straßen, das Stadthaus, die Kasernen,

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