1830 / 353 p. 3 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

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den Baron von Glandeèves, Gouverneur der Tuilerieen, und den Marschall fand. Wir glauben, m. H., Herrn v. Semonville selbst sprechen lassen zu muͤssen: 2 „Gegen 7 ½ Uhr Morgens im Hauptquartier angekommen, traf ich den Marschall Herzog von Ragusa, den ich bat, Herrn von Polignas aus dem Conseil herauszurufen. Der Marschall erzeigte mir diese Gefaͤlligkeit, und Herr von Polignac, der so⸗ gleich erschien, redete mich mit den Formen ruhiger und kal⸗ ter Hoͤflichkeit an, die aber durch eine lebhafte Zwischenrede von meiner Seite schnell unterbrochen wurden. Hier offenbarte sich nun ein tiefer Zwiespalt zwischen dem, der im Namen sei⸗ ner Koͤrperschaft die Rettung des Staates, die Einstellung der Feindseligkeiten, die Zuruͤcknahme der Verordnungen, das Ab⸗ treten der Minister verlangt, und dem, der die beklagenswer⸗ then Umstaͤnde, deren Augenzeuge und Urheber er ist, noch vertheidigen will. Unsere Stimmen wurden so laut, daß von der einen Seite die Generale und Adjutanten, welche sich im ersten Zimmer befanden und von der andern die Mini⸗ ster aus dem Konferenz⸗Saal hereintraten. Ein neues Ge⸗ spraͤch entspann sich, nachdem man die Generale gebeten hatte, sich zu entfernen. Auf der einen Seite standen der Graf von Argout, der Marschall, der in sichtbarer Verzweiflung war und mich aus allen Kraͤften unterstuͤtzte, und Herr von Girardin KA der geblieben war, nachdem die Generale sich ent⸗ ernt hatten; auf der andern die Minister, deren Benehmen und Miene noch mehr, als ihre Zuruͤckhaltung im Gespraͤch, von ihrer Betruͤbniß und von dem Vorhandenseyn einer uͤber ihnen stehenden Macht zeugten. Herr von Polignac fuͤhrte fast allein diesen ungleichen Kampf fort und machte demselben ein Ende, indem er den Ministern vorschlug, sich in den Kon⸗ ferenz⸗Saal zuruͤckzuziehen, um zu berathen. Die Zeit, welche die Berathung der Minister uns uͤbrig ließ, wendeten wir dazu an, den Marschall flehendlich zu bitten, er selbst moͤge dieser surchtbaren Tragoͤdie ein Ende machen. Wir wagten sogar die Bitte an ihn, die Minister unter der Obhut des Gouverneurs . der sich hochherzig erbot, diesem Zwecke seinen Degen zu widmen. Herr von rgout wollte sich der Gefahr aussetzen, den Aufstand zu stillen, indem er sich er⸗ bot, diese Nachricht in die Mitte des Volks zu bringen. Bei der Ausfuͤhrung dieses aͤußersten Entschlusses, der die Dyna⸗ stie noch retten konnte, wollten der Marschall und ich nach St. Cloud eilen und unsere Haͤupter dem Koͤnige uls Unter⸗ pfaͤnder unserer Gesinnungen anbieten. Der Marschall, der Thraͤnen der Verzweiflung und des Unwillens vergoß, schwankte zwischen seinen militairischen Pflichten und seinen Gefuͤhlen; er befand sich in einer fast krampfhaften Bewegung; wir sa⸗ hen, wie er zweimal mit He tigkeit die an ihn ergangene Auf⸗ forderung zuruͤckwies, mit Lartaͤtschen schießen zu lassen, um die Angriffe gegen die Straße St. Nicaise zuruͤckzuwerfen. Endlich schien er unsern Bitten nachzugeben, und ich glaube, sein Entschluß war nicht mehr zweifelhaft, als Herr von Pey⸗ ronnet zuerst aus dem Kabinet herauskam, hinter mich an das offene Fenster trat, wo ich mit dem Marschall und Herrn von Argout stand, und zu mir sagte: „Wie? Sie sind noch nicht fort?“ Diese wenigen Worte waren, nach dem von Herrn von Polignae geaͤußerten Wunsche, daß wir uns nicht nach St. Slouß begeben moͤchten, von großer Bedeutung. In dem⸗ selben Augenblicke stuͤrzt der Marschall nach einem Tische, schreibt in Eile einige dringende Zeilen an. den Koͤnig und haͤndigt sie Herrn von Girardin ein, der es uͤbernimmt, sie zu üuͤberbringen. Wir eilen nach unserm Wagen und fahren durch die Tuilerieen ab; hier wurde es mir, so wie Herrn von Ar⸗ gant⸗ unmoͤglich, uns uͤber folgenden Umstand klar zu werden. Als wir durch die große Allee mit reißender Schnelligkeit an einem zu Fuße gehenden Mann voruͤberfuhren, der beinahe Schaden genommen haͤtte, erkannten wir in ihm Herrn von Peyronnet, der uns zweimal zurief: „„Fahren Sie schnell!"“ indem er mit der einen Hand nach St. Cloud, mit der andern auf den uns folgenden Wagen zeigte. Seine Auf⸗ forderung war vergeblich; die Pferde des etztern gingen im starken Galopp und behielten bis in den Hof des Schlosses von St. Cloud einen Vorsprung, wo die Wagen fast zu gleicher Zeit ankamen. Wir stiegen zuerst aus und wurden auf der Freitreppe von einer Menge von Wachen und Neugierigen umgeben. Es war uns daher leicht, den Ministern, und na⸗ mentlich Herrn von Polignac, der voran ging, den Weg zu versperren. Ich erklaͤrte ihm laut, ich sey nicht gekommen, um auf eine Ehre Anspruch zu machen, die ich jetzt noch den Mi⸗ nistern lassen wolle; ihnen bleibe nur eine Pflicht zu erfuͤllen uͤbrig, diese naͤmlich, den Koͤnig aufzuklaͤren, die Zuruͤcknahme

deer Verordnungen zu unterzeichnen und ihr Amt niederzulegen.

Ich wuͤrde, fuͤgte ich hinzu, das Resultat des Conseils beim Herzoge von Luxembourg erwarten, die Augenblicke seyen kost⸗ bar, und nichts werde mich, wenn sie (die Minister) unsere Hosffnungen taͤuschen sollten, abhalten, bis zum Koͤnige zu drin⸗ gen. Nach dieser Anrede wurde Herrn von Polignac, der nichts antwortete, und seinen Kollegen der Durchweg geoffnet. Herr von Polignac kam zuletzt von den Ministern und druͤckte mir, als er an mir voruͤberging, stumm und heftig die Hand. Kaum war ich beim Herzoge von Luxembourg, als ein Kammer⸗ bote mich rief. Herr von Polignac erwartete mich an der Thuͤre des

b Kabinets des Koͤnigs. Erstaunt uͤber diese Eile, machte ich ihm be⸗ merklich, daß der Minister⸗Rath noch nicht Zeit zur Versammlung, 1 geschweige denn zur Berathung gehabt haben

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derte mir mit Kaͤlte: Sie wissen, mein Herr, welche Pflicht Sie zu erfuͤllen glauben, indem Sie 28* den 2,— Umstäaͤnden hierher kommen. Ich habe den König von Ihrer Anwesenheit benachrichtigt; Sie klagen mich an, an Ihnen ist es, zuerst einzutreten. Ich bin weder als Zeuge verpflichtet, nooch erlaubt mir das Schicklichkeitsgefuͤhl, uͤber eine lange und 8 schmerzliche Unterhaltung Bericht zu erstatten, in der ich ein nur zu treues Bild von so großem Ungluͤck und dessen unmit⸗ telbaren Folgen entwarf, ohne daß der Name eines Ministers auch nur ein einziges Mal genannt oder seine Dazwischenkunft in Anregung gebracht worden waͤre. Meine slehentlichen Bit⸗ ten, meine unheilvollen Weissagungen verliehen dieser Scene einen Charakter der Lebhaftigkeit, welche die bedeutendsten Per⸗ sboonen, denen die Bewachung des Koͤnigl. Zimmers anvertraut war, beunruhigte. Die Thuͤre wurde, ich glaube zweimal, vvom Herzoge v. Duras geoͤffnet; er hat sehen koͤnnen, daß ich

miich ganz hingab, um einen Beschluß herbeizufuͤhren, dessen Verzoͤgerung so schreckliche Wirkungen gehabt hat. Dies sind die einzigen Beziehungen, in denen ich in Betreff der Verord⸗

nungen mit den Ministern gestanden habe.“

Die Anstrengungen des Marguis v. Semonville oͤffneten end⸗ lich dem Koͤnige die Augen; Karl X. hielt einen letzten Minister⸗ Rath; die Minister legten ihr Amt nieder; es war zu spaͤt, der Sieg hatte entschieden, und die Nationalfahne wehte auf den Thuͤrmen von Paris. Alle spaͤteren Ereignisse gehoͤren dem Ge⸗ biete der Geschichte an und sind dem Prozesse fremd, dessen Haupt⸗ Elemente der Pairs⸗Hof nunmehr vorliegen hat. Die Geschichte 11 wird einst sagen, wie fuͤr die Verwaltung, an deren Spitze Hr. v. Polignac stand, weniger als ein Jahr hinreichte, um einen Thron umzustuͤrzen, den zu unterstuͤtzen und zu befestigen er, von Taͤuschungen geblendet, sich berufen glaubte.

(Fortsetzung folgt.) 1 1“] ANere; 11

SGSroßbritanien und Irland.

London, 10. Dez. Zwei von den Brandstiftern, welch die beiden vor kurzem bei Carlisle stattgehabten Feuersbruͤnste ver⸗ ursacht haben, sind, dem Vernehmen nach, entdeckt und einer der⸗ 88 verhaftet worden. Auch will man in der Naͤhe von Cam⸗ ridge zwei Ie be erkannt haben, die eben im Begriffe stan-⸗ den, einen Getreide⸗Schuppen anzuzuͤnden. Da sie sich entdeckt sahen, warfen sie sich in ein Kabriolet, in dem sie gekommen wa⸗ 1 ren, und entkamen, wie man vermuthet, nach London. Man haf eine sehr genaur Beschreibung ihrer Personen bekannt gemacht und hundert Pfund fuͤr die Verhaftung eines jeden derselben an⸗ geboten. Wenn dieses sich wirklich so verhaͤlt, so muͤßte man chen eher an das Daseyn einer Ferichehng glauben, indem se Personen in der Gegend fremd waren und dem beschriebe⸗ nen Anzuge nach zu einer hoͤheren Klasse als die der Tageloͤhner oder Handwerker gehoͤrten. Im Unterhause ist auf Antrag des Lord Althorp ein Ausschuß, Behufs der Herabsetzung der Gehalte erwaͤhlt worden. Lord Althorp und Alle, die bei der Gelegenheit spra- chen, waren der Meinung, daß man hierbei nicht zu sehr auf Sparsamkeit sehen muͤsse, weil sonst Niemand die Stellen uͤber⸗ nehmen koͤnne, der nicht ein eigenes großes Vermoͤgen besitze; auch koͤnne man dadurch keinen großen Steuer⸗Erlaß hoffen, aver da der bewiesene gute Wille dem Volke Freude machen wuͤrde, so sey das schon Gewinn genug. Der von der Regierung an⸗ enommene Grundsatz sey: in Allem, wo es bloß um ministeriel⸗ en Einfluß zu thun waͤre, die Besoldung ohne Gnade abzuschnci⸗ den, wo es aber der Dienst erfordere, mit großer Vorsicht zu ver⸗ fahren. g von den ausgetretenen ministeriellen Beamten der unteren Klasse und deren Freunde haben die Regierung in beiden Haͤusern der Verschwendung zeihen wollen, weil sie Lord Plunkett zum Irlaͤndischen Kanzler ernannt und damit dem Lande wiederum eine Pension von 4000 and fuͤr den austretenden Kanzler aufgebuͤrdet haͤtten. Der chatzkanzler aber. brachte sie fuͤr jetzt damit zum Schweigen, daß er versicherte, man werde die Veraͤnderungen so einrichten, daß sie dem Lande nicht mehr kosten wuͤrden. Lord Wynford, ein alter Rechtsgelehrter, der nachdem er viele Jahre Richter gewesen, waͤhrend der Canning'schen Ver⸗ waltung in den Adelstand erhoben worden, hat seit kurzem viele Thaͤtigkeit im Oberhaus bewiesen, und zwar dem Anscheine nach, as wolle er der neuen Verwaltung ihr Amt erschweren. So trug er gestern Abend, nicht zufrieden mit dem bereits ernannten und sehr thaͤtigen Ausschuß zur Untersuchung uͤber den Zustand der Armen und Arbeiter, auf eine allgemeine Untersuchung her. Lage des Landes an, bei welcher durchaus nichts uͤbersehen wer-⸗ den sollte, was auf dessen Industrie, Gesetze, Verwaltung und Besteuerung Bezug haben koͤnnte. Obgleich dies eine Riesen-⸗ Arbeit von wenigstens 10 Jahren seyn wuͤrde, fanden sich doch mnehrere Lords, welche den Vorschlag unterstuͤtzten, der indeß schließlich zuruͤckgenommen wurde. 1 man nicht die geringste Klage mehr; sein festes, wuͤrdevolles Be⸗ nehmen und seine unermuͤdliche Thaͤtigkeit in seinem neuen Amte scheint alle seine Gegner entwaffnet zu haben. Man versichert, die Mitglieder des vorigen Ministeriums haͤtten vor der Hand beschlossen, der neuen Regierung keine systematische Opposition entgegenzusetzen, sondern nur dann ihr entgegenzustimmen, wenn sie etwas gegen ihre Grundsaͤtze vorschlagen sollte. Bei dem jetzigen Zustande des Landes und den Schwierigkeiten, welche e Wellingtonsche Verwaltung der jetzigen vererbt hat, waͤre ein

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Gegen Lord Brougham hoͤrt

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solches Benehmen nicht mehr als billig. Mit der Zeit wird sich aber schon eine Opposition bilden, und zwar eine so kraͤftige, daß man das Parlament wird aufloͤsen muͤssen, um an der Stelle der

Maͤnner, welche unter dem Einfluß der vorigen Minister gewaͤhlt

worden, andere dem jetzigen Ministerium ergebene waͤhlen zu

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Aus dem Haag, 15. Dez. In der hiesigen Staats⸗ Courant heißt es: „Aus Berichten, die von verschiedenen Seiten bei der Regierung einliefen, deren Wahrhaftigkeit in allen Theilen indessen nicht verbuͤrgt werden kann, ergiebt es sich, daß die Insurgenten Versuche machen, um im Limbur⸗ gischen eine Kriegsmacht zusammenzuziehen. Nach dort ver⸗ breiteten Geruͤchten sollen sie den Zweck haben, einen An⸗ griff auf Mastricht zu unternehmen; andere Leute wollten wissen, daß sie eine Bewegung nach der Graͤnze von Kuik beabsichtigten. Auch sprach man davon, daß die Insurgen⸗ ten am Zten d. M. in den zwischen Maaseyk und Weert belegenen Doͤrfern ungefaͤhr 3000 Mann mit 11 Stuͤcken Geschuͤtz, jedoch ohne Reiterei, beisammen haͤtten. An Per⸗ sonen zur Bedienung des Geschuͤtzes schien es ihnen noch sehr zu fehlen, so daß ihnen zu dessen Transport kein ande⸗ res Mittel uͤbrig blieb, als die Bauern zu zwingen, sich selbst und ihre Pferde dazu herzugeben. Der General von Tiecken de Terhove befand sich an der Spitze der genannten Macht und hatte einen Aufruf an die Landleute erlassen, sich zur Vertheidigung Belgiens on seinen Kriegshaufen zu schließen und in Ermangelung von Gewehren, sich mit Beilen, Heu⸗ gabeln und dergleichen Wehrgeraͤth zu bewaffnen. Dieser Aufruf hatte jedoch keinen großen Eindruck gemacht. Auch schien unter den jungen in Limburg zum Kriegsdienst aufge⸗ rufenen Leuten noch sehr wenig Eifer obzuwalten, dem Auf⸗ rufe Folge zu leisten, und viele derselben sollen beschlossen ha⸗ ben, sich nicht anders unter die Fahnen der Insurgenten zu stellen, als wenn man sie mit Gewalt dazu zwaͤnge.“

1 Amsterdam, 15. Dez. Von Seiten der Re⸗ ierung ist die Zinsenzahlung unserer Staatsschuld fuͤr den bevor⸗ ehenden Halbjahrs⸗Termin zur oͤffentlichen Kenntniß gebracht

worden. Auf unsere Boͤrse hat dies, wie sich erwarten ließ,

einen sehr guͤnstigen Eindruck gemacht. Denn hatte man auch bereits aus den Zusicherungen, die Herr van Tets in der zweiten Kammer der Generalstaaten ertheilt hatte, die

Ueberzeugung erhalten, daß der Regierung keine Anstrerxgung

u groß seyn wuͤrde, um ihre Verpflichtungen streng zu er—

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fuͤllen und den Staats⸗Kredit ungeschwaͤcht zu erhalten, so war doch immer zu befuͤrchten, daß irgend ein stoͤrendes Ta— ges⸗Ereigniß die Erfuͤllung des Versprechens unmoͤglich ma⸗ chen moͤchte. Die Anstrengungen zur Erhaltung des Staats⸗ Kredits muͤssen um so mehr geschaͤtzt werden, als, neben den bedeutenden Ausgaben, welche die Bewaffnung des Landes erheischt, auch die Zinsen desjenigen Theiles der Staatsschuld, der von Belgien bei der Vereinigung der beiden Laͤnder uͤber⸗ nommen worden ist, so wie desjenigen Theiles, den Holland und Belgien, seit ihrer Vereinigung, gemeinschaftlich eingin⸗ gen, jetzt von Holland allein gewissenhaft entrichtet werden. Daß bei einer definitiven Trennung der beiden Laͤnder Bel⸗ ien nicht bloß seine alte Schuld, sondern auch einen verhaͤlt⸗ nißmaͤßigen Antheil an der gemeinschaftlichen wird uͤberneh⸗ en muͤssen, braucht wohl kaum in Zweifel gestellt zu wer⸗ den. Schwieriger duͤrfte jedoch die Feststellung dieses An⸗ theils an der gemeinschaftlichen Schuld seyn. Gegen die nicht mehr als billige Uebernahme der Haͤlfte sind bereits von eini⸗ gen Seiten Einwendungen erhoben worden. Belgien moͤchte gern diese Verpflichtung ganz von sich ablehnen, und so wen⸗ det man denn ein: 1) daß der groͤßere Theil dieser gemein⸗ schaftlich eingegangenen Schuld zum Besten der Kolonieen verwandt worden, und daß Holland, welches diese Kolonieen dehalte, auch die zu deren Gunsten gemachte Anleihe uͤber⸗ nehmen muͤsse; 2) endlich, daß ein anderer Theil dieser ge⸗ meinschaftlichen Schuld dazu gedient habe, die Marine zu verbessern, waͤhrend die Belgischen Festungen an der Fran⸗ Graͤnze nicht von Hollaͤndischem, sondern bekannt⸗

llich von Englischem Gelde gebaut worden sind. Es kann je⸗

dooch auf den ersten dieser Einwaͤnde erwiedert werden, daß 48 ein verhaͤltnißmaͤßig nur sehr kleiner Theil der Schuld sey, den die Wiederherstellung des Friedens auf Java ge⸗ kostet habe, und daß dieser Frieden den Belgischen Fabriken noch nuͤtzlicher gewesen sey, als dem Hollaͤndischen Handel. 8 Was jedoch den zweiten Einwand betrifft, so werden die

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Summen, welche zur Verbesserung der Hollaͤndischen Ma

rine verwandt worden sind, wohl mehr als hinlaͤnglich durch

diejenigen Summen aufgewogen, welche zur Unterstuͤtzung des Belgischen Gewerbfleißes, namentlich der Fabriken in Gent, der Maschinenbau⸗Anstalt in Seraing, der Imprimerie Nor- male in Bruͤssel u. s. w. gedient haben; der Kanaͤle und Landstraßen nicht zu gedenken, deren Bau vorzugsweise ir

Belgien beguͤnstigt worden ist. Es darf auch nicht vergessen

werden, daß jene Marine 15 Jahre lang dazu gedient hat, auch den Belgi schen Handel zu beschuͤtzen, und daß es eben nur die Belgische Empoͤrung ist, die den ferneren Genuß dieses Schuz⸗ zes von sich abgelehnt hat. Endlich aber darf wohl Holland einen Theil des Geldes, das der Bau der Belgischen Festungen ge⸗ kostet hat, um so mehr von Belgien fordern, als dieses Geld bekanntlich nur bewilligt worden ist, um Holland eine Vormauer gegen Frankreich zu gewaͤhren, und es nun durch den Abfall der Belgier sich genoͤthigt sieht, eine neue Vormauer mit neuen Kosten zu errichten. Zum Theil ist diese auch bereits in den Festungen von Seeland, Nord⸗Bra⸗ bant und Gelsern hergestellt; die vom besten Geist beseelte Besatzung derselben wird das Uebrige thun, um den Eindrang der vorgeblich fuͤr die Freiheit fechtenden, in der That aber

nach Hollaͤndischem Gelde luͤsternen Horden zu verhuͤten. Man hegt zwar hier die Besorgniß, daß der eintretende Frost

den Insurgenten leicht Vorschub leisten koͤnnte, indem er eines

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unsever großen Vertheidigungsmittel, die Ueberschwemmung des Landes, wirkungsleos macht, und namentlich auch die Ant⸗ werpener Citadelle von aller Verbindung mit Holland ab⸗ schneidet; allein abgesehen davon, daß die schlecht bekleideten Insurgenten den Frost wohl am meisten selbst empfinden moͤchten, ist auch an Mittel gedacht worden, das Wasser an vielen Stellen vom Eise leicht zu befreien, so wie es auch an anderen Stellen nur in sehr strengen Wintern, wie etwa der vorjaͤhrige, zu gefrieren pflegt; die Citadelle von Antwerpen aber wird durch die abgeschnittene Verbindung nicht leiden, da die letzte Zeit dazu benutzt worden ist, sie mit Lebensmitteln und anderen Beduͤrfnissen reichlich zu versehen. Die Belgischen Freiwilligen selbst nennen die von Steppen und Moraͤsten be⸗ deckte Gegend der Provinz Antwerpen, in welcher sie kanto⸗ niren muͤssen, ein kleines Sibirien, das durch den eintreten⸗ den Frost dem großen noch aͤhnlicher werden duͤrfte. Zur Vermehrung unserer Streitkraͤfte gehen indessen fortwaͤhrend neue Verstaͤrkungen aus den noͤrdlichen Provinzen nach der Graͤnze ab. Heute sahen wir die dritte Abtheilung der hie⸗ sigen mobilen Schutterei, bestehend aus 300 gut armirten und vom besten Geiste beseelten Leuten, von hier ausmarschiren; die Haͤlfte derselben begiebt sich nach Herzogenbusch und die andere nach Nymwegen, an welchen beiden Orten die dort befindlichen Amsterdamer Schutter im freundlichsten Ver⸗ nehmen mit den Einwohnern und der uͤbrigen Besatzung le⸗ ben. In Nymwegen hat man zu groͤßerer Vorsorge, nach dem Beispiele von Breda und anderen Graͤnz⸗Festuüngen, allen Fremden den laͤngern Aufenthalt untersagt; auch muͤssen Rei⸗ sende, die durchpassiren oder einige Stunden sich dort auf⸗ halten wollen, mit Ministerial⸗Paͤssen versehen seyn. Die Geruͤchte von den in Antwerpen und Gent ausgebrochenen ernstlichen Unruhen haben sich bisher nicht bestaͤtigt, doch ist nicht zu verkennen, daß an beiden Orten eine contrerevolu⸗ tionnaire Bewegung stattfinde, die fruͤher oder spaͤter den Gewalthabern in Bruͤssel einen Strich durch die Rechnung ziehen werde. In Gent schreitet man nur murrend zu einer zweiten Wahl des Municipal⸗Rathes, nachdem die erste von der provisorischen Regierung vernichtet worden ist und der Kongreß den dagegen erhobenen Protest unbeachtet gelas⸗ fen hat. Der Umstand, daß die Klerisei auch an der Mu⸗ nicipal⸗Wahl Theil nehmen kann, giebt hier, wo sie mit dem gebildetern Buͤrger in Beruͤhrung kommt, zu groͤßeren Be⸗ schwerden Anlaß, als bei der Kongreß⸗Wahl, an der die große Masse der geistig noch sehr zuruͤckgebliebenen Provinzial⸗Be⸗ wohner Theil nahm. Bereits haben auch mehrere Genter Buͤrger gegen jenen Umstand foͤrmlich protestirt, und es steht zu erwarten, daß die gestern stattgefundene Wahl nicht ganz ruhig abgelaufen sey. Bemerkenswerth ist es jedenfalls, daß Gent der einzige Ort in Belgien ist, wo mehrere, so⸗ wohl in Hollaͤndischer als in Flamäaͤndischer Sprache erschei⸗ nende Zeikungen die neue Ordnung der Dinge offen angrei⸗ fen und nicht undeutlich den Wunsch nach einer Ruͤckkehr der Oranischen Herrschaft zu erkennen geben. Das jesuitische „Journal des Flandres“ ist das einzige Genter Blatt, das

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