1830 / 360 p. 5 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung, Wed, 29 Dec 1830 18:00:01 GMT) scan diff

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worfenen christlichen Volks⸗Staͤmme gezaͤhlt werden; denn nur desondere Ruͤcksichten und der Wunsch, sich die kriegeri⸗ schen Servier zu verbinden, konnten den Hatti⸗Scherif bewir⸗ ken, durch welchen diese Nation ein erbliches Oberhaupt in der Person des Fuͤrsten Milosch erhielt. Ueber Griechenland sind wir gaͤnzlich ohne Nachrichten, in Albanien ist Alles ruhig. In Kandien scheinen die Aegypter die Ruhe und ihre Herrschaft durch allerlei Beguͤnstigungen der Eingebornen befestigen zu wollen, dagegen sind in Asien neuerdings Unru⸗ hen ausgebrochen, die sich besonders in der Gegend von Er⸗ zerum zeigen.“ 5

784 8 A Berlin, nachstehende Bekanntmachung: „Die in dem benachbarten Koͤnigreich Polen stattgefun⸗ denen Ereignisse haben zwar auf die oͤffentliche Ruhe und Sicherheit in dieser Provinz keinen Einfluß ausgeuͤbt, und wir hegen auch zu den Bewohnern derselben das Vertrauen, daß sie den Pflichten der Treue und des Gehorsams gegen Se. Majestaͤt den Koͤnig fortdauernd entsprechen und der vielfachen Wohlthaten eingedenk bleiben werden, welche sie der landesväaͤterlichen Vorsorge und Gnade unseres Koͤnigs und Herrn verdanken; es sind uns jedoch von verschiedenen Behoͤrden Anzeigen zugekommen, daß mehrere, zum Theil an⸗ gesessene Bewohner und zum Theil Mitglieder solcher Fami⸗ lien, sich von ihren Besitzungen oder aus ihren Wohnoͤrtern heimlich entfernt und sich nach Polen begeben haben, daß ferner an einigen Orten heimliche Zusammenkuͤnfte gehalten werden, welche, ihrer Beschaffenheit nach, auf gesetzwidrige Zwecke hindeuten, und daß endlich auf einzelnen Punkten Anhaͤufungen von Waffen stattfinden sollen, deren Absicht un⸗ ter den gegenwaͤrtigen Umstaͤnden wenigstens zweifethaft er⸗ scheinen muß.“

„Wir haben zwar bis jetzt jede Maaßregel vermieden, welche ein Mißtrauen gegen die Gesinnung der Bewohner dieser Provinz ausdruͤcken koͤnnte, und wir duͤrfen auch vor⸗ aussetzen, daß nur einzelne irregeleitete oder von uͤberspann⸗ ten und verkehrten Ansichten erfuͤllte Individuen sich zu sol⸗ chen gesetzwidrigen Unternehmungen haben hinreißen lassen; wir finden uns jedoch veranlaßt, mit Hinweisung auf die in der Beilage abgedruckten gesetzlichen Vorschriften, *) welche den heimlichen Austritt von Unterthanen, so wie die heimli⸗

chen Zusammenkuͤnfte zu unerlaubten Zwecken, und alle Hand⸗ lungen betreffen, durch welche die oͤffentliche Ruhe und Si⸗ 8 cherheit gefaͤhrdet werden kann, eine ernste Warnung gegen alle solche verbotene Handlungen hiermit ergehen zu lassen. Wir geben den Individuen und Familien, welche in solche verbrecherische Unternehmungen verwickelt seyn sollten, zu be⸗ denken, welches Unheil und Verderben sie durch eine solche die Unterthanenpflicht verletzende Handlungsweise uͤber sich und die Ihrigen herbeiziehen, und daß, wenn gleich bis zu iesem Augendlick noch nicht mit aller Strenge, welche das Gesetz und die Verhaͤltnisse erfordern, verfahren worden ist, diese dennoch gewiß nicht ausbleiben und an dem Schuldigen geltend gemacht werden wird. Wir fordern zugleich hiermit, kraft einer von des Koͤnigs Majestaͤt uns Allerhoͤchstselbst er⸗ theilten Vollmacht, alle diejenigen Einwohner dieser Provinz, welche sich uͤber die Veranlassung zu ihrer Entfernung und zu ihrem Aufenthalt in dem Koͤnigreiche Polen genuͤgend auszu⸗ weisen nicht im Stande sind, auf, binnen hier und 14 Ta⸗ gen zuruͤckzukehren, widrigenfalls sogleich eine Sequestration ihres gesammten Vermoͤgens, es bestehe in Guͤtern oder an⸗ deren Besitzthuͤmern, von Seiten des Staats eintreten und, 8 nach einer wiederholten vergeblichen Aufforderung, gegen ihre Person und ihre Besitzthuͤmer nach Vorschrift der Gesetze . 89 verfahren werden wird. Wir weisen endlich alle Militair⸗ unnd Civil⸗Behoͤrden dieser Provinz hiermit gemessenst an, auf solche Personen, welche sich bei einer die oͤffentliche Ruhe uund Sicherheit gefaͤhrdenden Handlung betreffen lassen, ein S wachsames Auge zu haben und dieselben, sobald der Thatbe⸗ E11I1““ *) Die hier in Bezug genommenen in einer besondern Bei⸗ lage der Posener Zeitung abgedruckten, gesetzlichen Bestimmungen sind: der §. 127. Th. II. Tit. 17 und die §§. 468 und 469. L. II. Tit. 20 des Allgem. Landrechts; ferner die 8§. 2 und 3 der BVerordnung vom 15. Sept. 1818, wegen der Auswanderungen; ddie §§. 119, 126, 128, 130, 149, 184 und 185. Th. II. Tit. 20 des Allgem. Landrechts; die §§. 2, 5, 6 und 8 der Verordnung vom 20. Okt. 1798, wegen Verhuͤtung und Bestrafung geheimer Verbindungen, ingleichen der §. 11 des Edikts vom 30. Dez. 1798, wegen Verhuͤtung der Tum d Bestrafung der Ur⸗

stand ihres Vergehens klar ist, sofort mit Anwendung aller 1

ihnen zu Gebot stehenden Gewaltmittel zu arretiren und an das mit unterzeichnete General⸗Kommando abliefern zu lassen. Posen, 21. Dez. 1830. Der kommandirende General des 5. Armee⸗Corps.

In verwichener Nacht um 1 Uhr entstand in dem Hintergebaͤude des Hauses Taubenstraße Nr. 46., worin sich eine durch Dampfmaschine getriebene Fournier⸗Schneide⸗An⸗ stalt befindet, aus noch nicht ermittelten Ursachen, eine Feuers⸗ brunst, durch welche dieses Gebaͤude und ein Theil des Sei⸗ tenfluͤgels des gedachten Hauses voͤllig eingeaͤschert wurde.

Der Ober⸗Praͤsident des Großherzogthums Posen.

er. Flottwell.“

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Koͤnigliche Schauspiele. 8* . ¹ 8 Mittwoch, 29. Dez. Im Schauspielhause: Zum ersten⸗ male: Die Damen unter sich, Lustspiel in 1 Akt, frei nach Dupaty, von M. Tenelli. Hierauf: Er mengt sich in Alles, Lustspiel in 5 Abtheilungen, von Juͤnger.

Donnerstag, 30. Dez. Im Hpernhause: Das Kaͤthchen von Heilbronn, großes Ritter⸗Schauspiel in 5 Abtheilungen, nebst einem Vorspiel in 1 Aufzug, genannt: Das heimliche Gericht, von H. v. Kleist. 1 Im Schauspielhause: Franzoͤsische Vorstellung. dee Bsst. Cr e. s N e 1*“

Mittwoch, 29. Dez. Zum erstenmale: Der haͤusliche Zwist, Lustspiel in 1 Akt, von Kotzebue. Hierauf, zum er⸗ stenmale: Das war ich! Lustspiel in 1 Akt, von Hut. (Dlle. Lemlé, im ersten Stuͤcke: die Frau, im zweiten: die Base, als Gastrollen.) Zum Beschluß: Der Schloßgaͤrtner und der Windmuͤller, komische Oper in 1 Akt. ℳA Donnerstag, 30. Dez. Verborgene Liebe, Oper in 3

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e Be . 1 i h,&r B.Z 5. 8, 8. z mafc hDOen 28. Dezember 1830. Amtl. Fonds- und Geld-Cours-Zettel. (Preuss. Cour.)

WM.Eric-f deld.] SE üraf den. 84 83 ½ [Ostpr. Pfandbrf. 90 95½ Pomm. Pfandbrf. 102½ 5— 93 Kur- u. Neum. do. 100 ¾ 100 75 do. 100

St.-Schuld-Sch. Pr. Engl. Anl. 18 Pr. Engl Anl. 22 Pr. Engl. Obl. 30 Kurm. Ob. m. l. C Neum. Int. Sch. d. Berl. Stadt-Ob. Königsbg. do.

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83 Rkst. C. d. K.-u. N. 58 83 Z.-Sch. d K.- u. N. S 88 ½

Holl. vollw. Duk. 18 ILDauz. do. in Th. 35 Neue dito [19 Westpr. Pfdb. 86 ½ Friedrichsd'or 12 ½ 12 ¾ Grofshz. Pos. do. 88 Disconto. 4 5

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1 Preuss Cour. 88 Wechsel-Cours. vif sa⸗in. Amsterdam. V; ir 1445

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300 Fr. 1b Wien in 20 Xr. 150 Fl. 22 101 Augsburg . 150 Fl. 101 ½ 1— Breelzun. . 100 Thl. Ut 99½ 98 ½ ½ LS.öö. 100 Thl. ag 10 [101 ¾ Frankfwt :. M. WzZ. 150 Fl. 102 Petersburg BN.. . 100 Rbl. 29

600 Fl.

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gEr IrAns Wäntige Rörsen achat asbee, v Amsterdam, 23 Dezember. 111“ Niederl. wirkl. Schuld 38. Kanz-Bill. 15 ½. Oester. 5proc. m Paris, 21. Dezember. 8 5proc. Rente pr. compt. 85 Fr. 50 C. sin cour. 88 Fr. 60 C. 3proc pr. compt. 58 Fr. 90 C. sin cour. 58 Fr. 95 C. 5 proec- Neap. pr. compt. 61 Fr. 70 C. fin cour. 61 Fr. 75 C. 5proc.

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Zweite Beilage

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Pairs⸗Hof. Sitzung vom 19. Dezember. De

Praͤfident eroͤffnete dieselde mit folgender Bemerkung: „Herr von Peyronnet hat verlangt, das Wort zu ergreifen.

Ich muß der Kammer und dem Publikum in Erinnerung bringen, daß jedes Zeichen des Beifalls wie der Mißtbilli⸗ gung streng untersagt ist.“ Herr von Peyronnet ließ

sich hierauf in folgender Weise vernehmen:

„M. H. Es ist keinesweges meine Absicht, Ihnen eine Ver⸗ theidigung vorzutragen. Diese Sorge steht Andern besser zu, als mir, und Niemand, hoffe ich, wird weder jetzt noch in Zukunft die Beweggruͤnde verkennen, die mich bestimmen, darauf zu ver⸗ zichten. Ich habe dieselbe einem Manne anvertraut, der sich dem

Ungluͤcke anschließt, wie Andere dem Gluͤcke, und dessen edle Ge⸗ sinnungen sogar den Sieg uͤber sein Talent davontragen wuͤrden; wenn uͤberhaupt etwas uͤber sein Talent den Sieg davontragen

koͤnnte. Er wird zu Ihnen von meinen Rechten und meinen po⸗ litischen Handlungen sprechen und Ihnen meinen Prozeß ent⸗ wickeln. Rur meine Gesinnungen sind das Theil, das ich mir vorbehalten habe: ein schwieriges Zeugniß, wenn man es von sich selbst ablegen soll, und das dennoch Niemand so gut, als man es

selbst vermag, ablegen kann. Ich hoffe, m. H., es wird Sie nicht ver⸗ letzen, wenn ich von mir zu Ihnen spreche. Dies ist das trau⸗ rige Vorrecht der Angeklagten und der Ungluͤcklichen. Die Ge⸗

rechtigkeit, die den ganzen Menschen trifft/ muß ihn auch ganz kennen lernen, um ein wichtiges Urtheil uͤber ihn zu faͤllen. Auch hoffe ich, Sie werden entschuldigen, wenn ich das Wenige, was

ich Ihnen zu sagen habe, mit Freimuͤthigkeit ausspreche. Zwei

berühmte Maͤnner des Alterthums wurden angeklagt, die Gesetze ihres Landes uͤberschritten zu haben, und die Sache verhielt sich wirklich Fo. Der Eine von ihnen vertheidigte sich schuͤchtern, und er waͤre beinahe verurtheilt worden; der Andere vertheidigte sich unumwunden und ohne Schwaͤche, und er wurde unter gro⸗ ßem Beifall frei gesprochen. Ich brauche kaum zu sagen, daß

ich mich mit diesen Maͤnnern nicht vergleiche, aber Sie, m. H⸗

voergleiche ich mit ihren Richtern und zweifle nicht daran, daß

Freimuͤthigkeit Ihrem edlen Sinne eben so wie dem jener Rich⸗ ter gefallen werde. Man hat von uns gesagt, wir haͤtten keine Richter mehr auf Franzoͤsischem Boden. Diese Aeußerung ist nach meiner Ansicht voll Wahrheit, und ich halte mich durch die Ehre verpflichtet, es zu sagen, obgleich ich im gewoͤhnli⸗ chen Leben Jedermann und Sie, meine Herren, gewiß am liebsten als Richter uͤber meine Handlungen anerkenne. Dieser mir natuͤrlichen Neigung folgend, ergreife ich, ohne mich-weiter

mit Ihren Rechten zu beschaͤftigen, welche zu erweitern, wie Sie

leicht begreifen werden, nicht meine Absicht seyn kann, und ohne

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mich uͤber meine Rechte zu aͤngstigen, die einen guten Verthei⸗

diger finden werden, und die zu deschraͤnken eben so wenig mein

Wille seyn kann, die sich mir darbietende Gelegenheit, um Ih⸗ nen einige Umstaͤnde meines Lebens darzulegen, in der Ueber⸗

8 zeugung, daß man vor einem Gerichtshofe, wie der Ihrige, nicht

zu befuͤrchten hat, daß man aus einem so gerechten und noth⸗ wendigen Vertrauen Folgerungen ziehen werde, welche Wahrhei⸗ ten widerspraͤchen, deren Bekraͤftigung und Aufrechterhaltung von Wichtigkeit ist. Beim Ausbruche der ersten Revolution war ich noch jung. Das erste Schauspiel in der Welt waren fuͤr mich Anarchie und Proscriptionen; die erste Wohlthat, die mir von der oͤffentlichen Macht zu Theil ward, war Verbannung und Duͤrftigkeit fuͤr mich, Gefangenschaft und das Schaffot fuͤr mei⸗ nen Vater. Der Thron zertruͤmmert, die rechtlichen Maͤnner verurtheilt, die Besitzer ihrer Habe beraubt, die Voͤlker betrogen und unterjocht, das waren die Erscheinungen, die ich sehen

und beweinen mußte. Der Eindruck, den sie machten, war tief und bleibend.

Meine Betrachtungen und Gefuͤhle entfernten mich von der Volkspartei, deren Herrschaft fuͤr mich und mein Land so hart gewesen war. Als Frankreich ein wenig Ruhe er⸗ langte, war ich aus der Kindheit getreten. Ich gehoͤrte zu den jungen Leuten, denen Necker so gerechtes Lob ertheilt hat, und

deren edler Unwille vielleicht das groͤßte Hinderniß fuͤr die Wie⸗

derkehr einer blutigen Unterdruͤckung war. Dennoch gab es noch Profkribirte; mein Herz empoͤrte sich bei dem Gedanken an das Schicksal, das sie bedrohte. Mehrere von ihnen verdankten ihre Rettung kuͤhnen Unternehmungen, von denen es mir heute er⸗ laubt seyn muß meinen Antheil in Anspruch zu nehmen. So begann meine Jugend; fuͤr mein eigenes nicht ungeschehen zu machendes Ungluͤck fand ich Trost, indem ich das der Mitmen⸗

schen von ihm abzuwenden oder zu mildern suchte. Der beste Theil

meines Vermoͤgens war durch Sequestrationen und durch die Ver⸗

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wirrung der Zeit zerstoͤrt worden, und mit 20 Jahren suchte ich .

Zuflucht in einem Berufe, in welchem damals so viele ausgezeichnete Männer beruͤhmt waren, unter ihnen der, der heute mit so großem Glanz und Ansehen in Ihrer Mitte sitzt, und der, dessen hohe Beredsamkeit noch gestern eine so gerechte Bewunderung erregte ein alter Freund und Gefaͤhrte meines ganzen Lebens, den ich im Getuͤmmel der Geschaͤfte auf einen Augenblick verlor, den mein Ungluͤck mir aber, gleichsam als wolle es selbst seine Bit⸗ terkeit mildern, wiedergegeben hat. Mein erster Versuch als Rechtsanwalt war gluͤcklich; dreizehn vor ein Kriegsgericht ge⸗ stellte und mit dem Tode bedrohte Royalisten hatten keinen an⸗ dern Beistand als meinen Eifer, und ich hatte die Genugthuung, sie freisprechen zu sehen. Inzwischen siel das Direktorium; das Konsulat machte dem Kaiserthum Platz. Die Zukunft wird nicht minder als wir von dem wunderbaren Glanze jener Macht ge⸗ blendet werden, welche die Welt eroberte. Die Formen und das Princip dieser Macht widersprachen meinen Grundsaͤtzen und Nei⸗ gungen; mir wurde ein Amt angetragen, dennoch blieb ich mir treu und ging keine Verpflichtungen ein. Die Zeit aͤnderte die Gestalt der Welt. Das so oft besiegte Europa vereinigte sich und stand auf; jene ungeheure Macht stuͤrzte, das Scepter wurde wieder unserm alten Koͤnigsstamme zu Theil. Meine theuersten Wuͤnsche wurden dadurch erfuͤllt, ich glaubte das Ende langer Kriege und einer unheilbaren wenn auch mit dem Schleier des Ruhms bedeckten, Unterdruͤckung zu sehen. Mit meinem Geschick zufrieden, suchte ich keinen Lohn fuͤr meine Gesinnung, die Menge lief nach Aemtern, ich that es nicht, ich bat um nichts und erhielt nichts. Nach einem Jahre aͤnderte sich abermals Al⸗ les, es waren die hundert Tage. Ich lebte in der Zuruͤckgezogen⸗ heit, zwischen Schmerz und Hoffnung getheilt; dennoch umzin⸗ gelte die Gendarmerie mein Haus, um mich mit fortzunehmen. Obgleich 36 Jahr alt und Vater von vier Kindern, sollte ich Sol⸗ dat werden. Da kehrten die Bourbonen zum zweitenmale zu⸗ ruͤck. Sobald man in Bordeaux die Ruͤckkehr des Koͤnigs nach Paris erfuhr, beschloß das Volk, dessen Ungeduld ich verge⸗ bens zuruͤckzuhglten suchte, die weiße Fahne aufzupflanzen, und ließ auf den oͤffentlichen Plaͤtzen den Ruf: Es lebe der Koͤnig! ertoͤnen. Die Truppen gaben Feuer, und es fielen Opfer. Ich ging mit einer andern Person zum Befehlshaber der Stadt, um diesen Gewaltthaͤtigkeiten Einhalt zu thun, die Antwort war die Vecrhaftung der Person, die ich begleitete. Vier Tage spaͤter ward die Koͤnigl Autoritaͤt anerkannt, ich ermahnte das Volk in einer Proclamation, sich jeder Rache zu enthalten, ich stieg zu 8 und eilte nach der Citadelle, um die Volkshaufen zu zer⸗

reuen, welche die dort zuruͤckgebliebene schwache Besatzung an⸗ greifen wollten. Meine damals populaͤre Stimme fand Gehdr, und man uͤbte keine Repressalien aus. Der gegenwaͤrtige Prozeß knuͤpft sich an die Epoche, wo ich ins Kabinet eintrat. Diese unerwartete Gunst war nie Gegenstand meines Ehrgeizes gewe⸗ sen: ich zaͤhlte Freunde im Ministerium Richelieu, und bekaͤmpfte den in der Deputirten⸗Kammer gemachten Antrag, den Koͤnig um Entlassung des Ministeriums zu bitten, in einer Rede, welche edruckt wurde. Ich kam zu jung ans Staatsruder, um einen

influß auf die Leitung der Angelegenheiten ausuͤben zu koͤnuen,

und ich kann mit Sunderland, und zwar mit mehr Recht als er,

sagen. „Ich habe einen glaͤnzenden Posten bekleidet, ohne Macht und Vortheil, waͤhrend ich auf demselben stand, und zu meinem

Verderben jetzt, wo ich abgetreten bin.“ Meine ganze Arbeit und Macht beschraͤnkte sich auf das Departement, das ich leitete, und fuͤr dieses insbesondere bin ich verantwortlich. Schwierige Gesetze wurden unter dem damaligen Ministerium vorgeschlagen, und der Haß, den sie erregten, hat, sonderbar genug, mich allein getroffen, obgleich ich vielleicht den geringsten Antheil daran hatte. Das Sakrilegiums⸗Gesetz ist das ers⸗ und merkwuͤrdigste Beispiel davon, und dennoch erhielt es seine letzte Fassung nur durch die

Majoritaͤt, die mich, alles Straͤubens ungeachtet, zwang, die Be⸗

stimmungen hinzuzufuͤgen, welche so hart getadelt worden sind.

Dieses Gesetz wird jetzt mit Strenge und vielleicht mit Recht

verdammt. Damals aber, als es gegeben wurde, war gerade das Gegentheil der Fall und viele klagten mich sogar des Mangels an Religiositaͤt und Politik an, weil ich die erste Abfassung des Gesetzes fuͤr genuͤgend hielt. Ein bejahrter, bekann⸗ ter und hoͤchst geistvoller Publizist, der schon damals Ruf genoß und ihn seitdem durch Schriften im entgegenge⸗ etzten Sinne vermehrt hat, warf mir in einem langen Schreiben vor, daß ich dem Gesetze nicht einige Artikel ge⸗ gen die Gotteslaͤsterungen hinzugefuͤgt haͤtte. So entschte⸗ den war damals die Richtung der Gemuͤther. Auch das Erb⸗ folge⸗Gesetz hat mir vielen Tadel zugezogen, und dennoch gehoͤrt es mehr den Kammern als mir an; ich gab, den Vorschriften

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