8 “““ XX“ 8
eines solchen Obmanns die Praͤsumtion der Unschuld das Gel⸗
tende bleibt. erner kann ich dem Herrn Referenten nicht beitreten, wenn
derselbe in der Einfachheit der Anwendung des Straf⸗Gesetzes die
Feaes gruͤndet, das Organ des Gesetzes im Geschwornen⸗
erichte muͤsse ein Einzelrichter seyn. 1 Die Geschwornen werden durch die Fragen des in England wie in Frankreich dirigirenden Richters erst veranlaßt, ein qua⸗ lificirtes Urtheil uͤber die Schuld oder Unschuld des Angeklagten ab⸗ zugeben. Es liegt in der Natur der Sache, daß ohne voͤllige Freispre⸗ chüng doch wichtige Qualistcationen der Anschuldigung verneint wer⸗ den, oder wenn den Geschwornen, wie in England, eine Beur⸗ theilung uͤber die Graͤnzen der vorgelegten Fragen hinaus (spe⸗ eielles Verdikt) zustehen soll, eben so wichtige Qualificationen hinzutreten koͤnnen, so daß die urspruͤngliche Bezeichnung des Verbrechens in der Anklage vielleicht mehr, vielleicht auch weni⸗ ger nnes. als der Ausspruch der Geschwornen.
Ueberhaupt halte ich es fuͤr unrichtig, wenn den Geschwor⸗ nen andere Fragen vorgeleqt werden, als uͤber die einfachen That⸗ sachen, welche die Momente des Verbrechens ausmachen, um das
es sich handelt. — Das Zusammenfassen dieser Momente und die
Subsumtion unter den Begriff eines bestimmten Verbrechens, woran die Bestimmung der gesetzlichen Strafe sich von selbst an⸗ schließt, bleibt Suache des Richters.
Wenn der Herr Referent daher verlangt, daß die Strafe und
ihre Anwendung auf einfachen Bestimmungen beruhen soll, so kann damit in Beziehung auf die Stellung des Richters nur ge⸗ meint seyn, daß die Anwendung der Strafe von der Feststellung des Teeeefhee et streng geschieden werden muͤsse, was mit Recht auch auf solche Thatsachen auszudehnen ist, die gesetzlich als Mil⸗ derungs⸗ oder Schaͤrfungsgruͤnde in Betracht kommen.
„Allein die Summe dieser Thatsachen ist zunaͤchst noch nicht
ein Einfaches, sondern ein Vielfaches; erst durch die Subsumtion derselben unter den entsprechenden gesetzlichen Begriff stellt sich die Einfachheit her, und diese Subsumtion ist der eigentliche richterliche Akt, der eben so wie die Verdikte der Geschwornen nur in einer konkreteren Sphaͤre, erst auf dem Wege der Berathung sich von der Subjektivitaͤt und Zufaͤlligkeit freimacht, dazu aber ein Rich⸗ ter⸗Kollegium voraussetzt. — Es will auch nicht einleuchten, warum nach der Meinung des Herrn Referenten das Ansehen und Selbst⸗ vertrauen der Geschwornen darunter leiden soll, daß ihnen gegenuͤber
wenn anders Hr. Referent mich als seinen Attorney gelten lassen
will, aus voller Ueberzeugung zu versichern, daß 4 ihn die An-⸗ nun isch. t st auf das Va⸗-
terlaͤndische. — Diese Beziehung duͤrfte auch an dem vorliegenden
schauung des Auslaͤndischen in steter Beziehung Interesse nicht die bloße Leerheit des Entbehrens seyn; vielmehr werden, wenn das Beduͤrfniß 1
Momente aufzeigen lassen, wel
Irre ich nicht, so gehoͤrt dahin die Popularitaͤt unserer rich⸗ terlichen Beamten, wie der Preußischen Beamten uͤberhaupt, von denen, als sich selbst befaͤhigenden Organen des Gesetzes, Hr. Referent an einem andern Orte eben so wahr, als fuͤr einen Franzosen paradox, behauptet hat, daß sie nicht minder Repraͤ⸗
sentanten des Volks, als Diener des Fuͤrsten seyen. *) — Be⸗
stimmter ausgedruͤckt sinde ich die Achtuͤng der subjektiven Frei⸗ heit darin, daß der Richter erster Instanz sein Urtheil durch Gruͤnde rechtfertigen muß, die gesetzlich dem Defensor, in praxi auch dem Angeschuldigten mitgetheilt werden, so daß er in den Stand gesetzt ist, diesen Auffassungen des Faktischen wie des Rechtlichen seine individuelle Ansicht entweder unterzuordnen,
oder dieselben mit gleichen Waffen zu bekaͤmpfen und durch die empfangen,
Appellation von einem Schiedsrichter das Recht zu
der nicht minder sein Beistand, als sein Richter ist. 8 v.
vb“
Koͤnialiche Schauspiele.
Sonnabend, 5. Maͤrz. Im Opernhause: Jugendjahre, Lustspiel in 3 Abtheilungen. Hierauf: Der Nasenstuͤber, Possenspiel in 3 Abtheilungen, von E. Raupach. Es wird ersucht, die zu diesem Tage bereits gekauften
*) Gans g. a. O. Bd. 1. S. 285 ff.
Schauspielhaus⸗Billets gegen Opernhaus⸗Billets gefaͤlligst
umtauschen lassen zu wollen.
Im Schauspielhause: 1) Lzmariage impossible, vaude-
ville en 2 acgtes. 2) La première représentation de: Ma- dame Lavalette, drame-vaudeville historique nouveau en 2 actes, par Mr. Barthélemy.
Zu dieser Franzoͤsischen Vorstellung bleiben die bereits
:mi ein wahres ist, sich auch in der Preußischen -3 — weniger entwickelte
1 G e dem Institute des Geschwor⸗ nen⸗Gerichts entsprechen. sch
Heinrich V.
debe Deputirten⸗Kammer.
ZgWweite Beilage zur Allge
8
einen Preußischen
“
SZeiti ng + 64.
.
Staatz⸗
Frankreich. b Sitzung vom 23. Febr. (Nachtrag). Der Geueral Lamarque trug am Schlusse seiner Rede nochmals ausdruͤcklich darauf an, daß alle auf die Belgische Angelegenheit bezuͤgliche Aktenstuͤcke, jetzt, wo die Unterhandlung beendigt sey, der Kammer vorgelegt wer⸗ den; niemals, fuͤgte er hinzu, habe ein Englischer Minister sich geweigert, einer solchen Forderung zu genuͤgen, und er hoffe daher auch, daß das Franzoͤsische Ministerium seinen Wunsch in dieser Beziehung erfuͤllen werde; es scheine, daß man sich hinsichtlich des Herzogthums Luxemburg noch nicht voͤllig geeinigt habe; allerdings sey im Jahre 1815 dieses erzogthum von den 5 großen Maͤchten, dem Koͤnige von olland uͤberlassen worden, der daraus eine Apanage fuͤr seinen zweiten Sohn gemacht habe; noch in demselben Jahre aber sey der Prinz Friedrich durch Domaͤnen in der Umge⸗ gend von Breda entschaͤdigt, und das Herzogthum seitdem immer als ein integrirender Theil Belgiens betrachtet, auch von einem von dem Koͤnige ernannten Civil⸗Gouver⸗ neur verwaltet worden; die Einwohner desselben haͤtten die
Vortheile der Verfassung gleich allen uͤbrigen Bewohnern
des Landes genossen, dieselben Steuern entrichtet, Deputirte zu den Generalstaaten ernannt und Milizen fuͤr das Heer gestellt; die Garnison habe tractatenmaͤßig zu gleichen Theilen aus reußen und Inlaͤndern zusammengesetzt seyn sollen; doch aͤtten immer nur Preußen darin gestanden, die sich seit den 15 Jahren, wo sie bdort gewesen, nie in die Civil⸗Angelegen⸗ heiten gemischt haͤtten, so daß die Einwohnerschaft dem 39sten und 40sten Infanterie⸗Regimente stets nur das groͤßte Lob zu ertheilen gehabt habe. Herr Mauguin, beleuchtete die verschiedenen von der Londoner Konferenz ausgegangenen Protokolle uͤber die Bel⸗
ranzoͤsischen Ministeriums; in beiden fand er das von
all die Agenten der vorigen Regierung auf ihren Posten gelas⸗ sen. In Konstantinopel habe man den General Cfesteglagt gelassen, obschon es leicht moͤglich sey, daß derselbe eine ganz an⸗ dere Sprache gegen die Pforte werde fuͤhren muͤssen, als fruͤher. Dem loyalen Charakter des Grafen Guilleminot ließ der Redner volle Gerechtigkeit widerfahren und fuͤgte hinzu, seine Meinung sey nicht, daß man alle bisherigen diplomatischen Agenten haͤtte absetzen, sondern nur, daß man sie haͤtte versetzen sollen. Fehler⸗ haft sey es auch, daß man in Berlin, gegenwaͤrtig dem wichtig⸗ sten Punkte in Europa, nur einen Gesandtschafts⸗Secretair halte. Nach Rußland, Holland, der Schweiz und Baiern habe man bloße temporaire Gesandtschaften gefchickt, deren Eiufluß an dem Orte ihrer resp. Residenzien nur ein sehr voruͤbergehender seyn koͤnne. Es sey durchaus nothwendig, daß man bei den Haupt⸗ maͤchten ordentliche und permanente Legationen unterhalte. Aus dem Zustande der Franzoͤsischen Diplomatie im Auslande zog der Rednee den Schluß, daß man den auf diesem Wege erhaltenen Friedensversicherungen der Maͤchte keinen großen Glauben bei⸗ messen duͤrfe. — Durch diese Betrachtungen des Hrn. Mauguin fand sich der Minister der auswaͤrtigen Angelegenhei⸗ ten veranlaßt, zum zweitenmale die Rednerbuͤhne zu besteigen. „Bevor ich“ hob er an, „die kritischen Bemerkungen des vorigen Redners uͤber den Gang der Regierung widerlege, sey es mir vergoͤnnt, jede persoͤnliche Frage zu beseitigen. Herr Mauguin behauptet, daß noch jetzt unsere diplomatischen Agenten an den⸗ selben Hoͤfen residirten, bei denen sie vor der Revolution beglau⸗ bigt waren, daß es aber besser gewesen waͤre, sie zu wechseln. Hierauf erwiedere ich, daß wir in Madrid einen Botschafter ha⸗ ben, der ein Mitglied dieser Kammer ist (der Graf v. Harcourt). In Wien residirt ein ehrenwerther Marschall und Pair. Bei allen wichtigen Gesandtschaften stehen Maͤnner an der Spitze, die der Regierung und der Nation Vertrauen einfloͤßen. Man sagt uns, in Berlin, einer so wichtigen Residenz, haͤtten wir ei⸗ nen bloßen Gesandtschafts⸗Sceretair. Dieser Mann aber, m. H., ist bereits Gesandter in Muͤnchen gewesen; wir haben ihn in Berlin gelassen, weil er das Interesse Frankreichs in dieser Hauptstadt vollkommen kennt. Uebrigens darf man nicht glau⸗ ben, daß ein Gesandtschafts⸗Secretair nicht dazu geeignet sey,
ein Richter⸗Kollegium versammelt ist. Beide Kollegien, deren gekauften und mit Freitag bezeichneten Billets V 1 X J ³ 1 ( 1 Ireitag. bezeichneten illets guͤltig, auch Functionen ihrer wahren Bedeutung nach ganz getrennt sind, erschei⸗ werden die noch zu verkaufenden Billets mit Freitag bezeich. nen vielmehr unabhaͤngig von einander, und jedes in seiner net seyn. 95 1t seres. mst Prea hh. 88 “ ran2S tze
Sphaͤre zunaͤchst gleich achtungswerth und selbststaͤndig. Hat es 8 W1116“
wichtige Unterhandlungen zu pflegen; ehedem war man der Meinung, daß die Legations⸗Secretaire den Gesandten als Fuͤhrer dienten. (Gelaͤchter) Welche Buͤrgschaften, so fragt man uns ferner, habt Ihr denn fuͤr
hern Angelegenheit und die amtlichen Mittheilungen des
rankreich nach der Revolution des Juli als absolut hin⸗ estellte Princip des Nicht⸗Einschreitens verletzt, indem man uͤberall das System einer passiven Einmischung befolgt habe.
aber den Franzdsischen Geschwornen an Selbststaͤndigkeit bisher gefehlt⸗ so moͤchte dieses Mißverhaͤltniß wohl in anderen Maͤngeln er Franzoͤsischen Gerichts⸗Verfassung seinen Grund haben, na⸗ mentlich in dem gaͤnzlichen Mangel einer Anklage⸗Jury, in der Art und Weise, wie die urtheils⸗Jury gehildet wird, dem uͤber⸗ wiegenden Einfluß der Regicrung bei der Auswahl der Mitglie⸗ der, demnaͤchst in der Schrankenloösigkeit der Beweisfuͤhrung, so⸗ wohl von Seiten des Staats⸗Prokurators, als des Angeklagten, d der daraus hervorgehenden Verwirrung des Faktums, end⸗ lich in der auf diese schlechten Voraussetzungen, unvermeidlich aber auf die Leitung des ganzen Verfahrens, das Resumé und die Stellung der Seggustiv⸗Fragen gegruͤndeten Praͤpotenz des Gerichts⸗Praͤsidenten. 3 FFgFassen wir das Gesagte nochmals zusammen, so sind wir mit dem Herrn Referenten nicht nur einverstanden in dem Lobe dessen, was zur Trennung der richterlichen Function von dem Geschaͤft der Geschwornen durch den neuen Gesetz⸗Entwurf bei⸗ getragen wird, sondern verlangen eine nöch strengere Durchfuͤh⸗ rung dieser Trennung, namentlich darin, daß die nicht rechtsge⸗ lehrten Geschwornen sich begnuͤgen muͤssen, durch ihren Ausspruͤch die einzelnen Momente der in der Anklage begriffenen verbreche⸗ rischen Landlung als erwiesen oder nicht erwiesen durch ihren Ausspruch festzustellen, den Richtern dagegen ersteren Falles die Subsumtion dieser einzelnen Thatsachen unter den gesetzlichen Begriff des Verbrechens, z. B. Mord oder Todschlag, Raub, gewaltsamer oder gemeiner Diebstahl u. s. w., und die sich daran anschließende Strafbestimmung vorbehalten bleibe.
Fuͤr unwesentlich halten wir dagegen die von dem Hrn. Re⸗ ferenten geforderte Unanimitaͤt der Geschwornen, sind vielmehr ⸗ daß gerade durch diese Forderung die bezweckte Objektivitaͤt der Vertretung des Gewissens des ngeschusdigten zu einer Zufaͤlligkeit wieder berabgefett werde. —
Endlich scheint uns die Forderung eines Einzelrichters den
Geschwornen FeFehhher eben so wenig begruͤndet, uͤberhaupt aber 8 die Frage um Verbesserung der Franzoͤsischen Geschwornen⸗Ge⸗ richte in diesen drei hauptsaͤchlich zur Sprache gekommenen Punkten keinesweges erschoͤpft zu seyn.
Man koͤnnte dem Hrn. Referenten daß er in seinem Aufsatze uͤber Gesetz Zeit und Arbeit an fremden Gegenstand verschwendet habe; ich getraue mich aber,
8 Gereehgergtzpse⸗ 8* 8e hi Oeffentlichkeit und Mündlichkeit der
89
zum Vorwurf machen,
ber das neue Franzoͤsische Assisen⸗ einen dem- vaterlaͤndischen Interesse
6
ö
„ 8
“ Koͤnigstaͤdtisches Theater.
Sonnabend, 5. Maͤrz. Auf Begehren wiederholt (mit
Abaͤnderungen): Musikalisch⸗scenische Abend⸗Unterhaltung in 3
Abtheilungen. (Dlle. Haͤhnel, vom K. K. Hof⸗Operntheater zu Wien, wird hierin singen. 88
Berliner — HAAeh b.;
Den 4. März 1831. Amtl. Fonds- und Geld-Cours-Zettel. (Preuss. Cour.) NEENNEE
94¼ 103¾
WM ri el. F 97⅔ 95 ½ 79 ½
St.-Schula-Sch. Pr. Engl. Anl. 18 Pr. Engl. Anl. 22 Pr. Engl. 02 1. 30 Kurm. Ob. m.l. C. Neum. Int. Sch. d. Berl. Stadt-Ob. Königsbg. do.
Elbinger do.
Danz. do. in Th. 8 Pfdb.
Grosshz. Pos. do.
Lzxe k. FʒxE i.
Ostpr. Ptandbrt. Pomm. Plandbrf. Kur- u Neum do. 102 Schlesische do. 103 ½ 86 ¾⅔ Rkst. C. d. K.-u. N. 56 86 ⅔ Z.-Sch. d. K.- u. N. 57 88 ¼ b
— 2 ½ Holl. vollwv. Duk.
35 ⅔ 3 Neue dito — 91 ⅔ Eriedrichsd'or. †— 91 Disconto —
22—
EEPeEEESEn
Auswärtige Börsen. Frankfurt a. M., 28. Februar.
4proc. 72¹¼. 72.
42 2 ⅓ roc. 44 8 8
Iproc. 19 ¼. Brief. Bank-Actien 1133. 1128. Part.- Poln. Loose 44 ½. 44.
112 ¾. Looese zu 100 Fl. 166 ½. Brief. Hamburg, 2. März.
Oesterr. 4proc. Metall. 75. Part.-Oblig. 114. Bank-Actien Russ. Engl. Anl. 86 ¾. Russ. Anl. Hamb. Cert. 85 ¾. Dän. Poln. pr. ult. März 84 à 85.
Paris, 25. Februar.
5proc. Rente pr. compt. und fin cour. 91 Fr. 50 C. Z proc.
pr. compt. und fin cour. 57 Er. 40 C. 5proe. Neap. pr. compt. und fin cour. 61 Fr. 20 C. 1 18
h
5proc. Span. perp. 43 ¾.
88
11““ FgSweite Beilage
6 Sproc. Neapol. fin cour. 60. 5proc. Span. Rente perp. 43. Frankfurt a. M., 1. Maͤrz. Oesterr. Bank⸗Actien 1090. 1084. Part.⸗Obl. 111 ¼. 111 ¼½.
1“ 1“]
. 19
MNeueste Boͤrsen⸗Nachrichten. Paris, 26. Febr.
5proc. Metall. 84¼. 84 ½.
5proc. Rente sin cour. 909. 65. 3proc. fin cour. 56. 35.
4proc. 70 ½. 70. 2 proc.
721 „A9 3 Loose zu 100 Fl. 165 ½¼. B. Poln. Loose 43 ½. 43 ½. uö6“
h“
blig. 113.
8 8 S, b 818 „* “ 8
Das Ergebniß aller dieser Unterhandlungen sey dieses, daß die Belgische Angelegenheit nach Verlauf von fuͤnf Monaten sich noch in demselben unentschiedenen Zustande befinde, wie vorher. Belgien sey jetzt in die Nothwendigkeit versetzt, eine provisorische Regierung, einen Statthalter oder eine republikanische Form an⸗ zunehmen; in keinem dieser Faͤlle aber sey seine Unabhaͤngigkeit gesichert, und so lange es von den jetzt bestehenden Zoll⸗Linien eingeschlossen bleibe, werde es immer, entweder von Frankreich oder von Holland, abhaͤngig seyn. Es fehle Belgien durchaus an den ersten Bedingungen eines unabhaͤngigen Staates dasselbe koͤnne nur, entweder Frankreich oder Holland angehoͤren, und das, was das Ministerium bisher in dieser Sache gethan, sey eeignet, dem Prinzen von Oranien Aussicht auf den Be⸗ itz Belgiens zu machen und in diesem Falle das Land den Gefahren einer neuen Revolution Preis zu geben. Der Redner ging nunmehr zur Betrachtung der allgemeinen In⸗ teressen Europa's in der Belgischen Angelegenheit uͤber. Die Europaͤische Politik habe sich seit einem halben Jahrhundert gaͤnzlich geaͤndert; fruͤher seyen Wien und Paris die Mittelpunkte der Kraft gewesen, und die großen Kontinental⸗Kriege immer zwischen den Haͤusern Oesterreich und Frankreich gefuͤhrt worden. Seitdem aber Preußen ein Koͤnigreich geworden und an Bedeu⸗ tung zugenommen, und hauptsaͤchlich, seitdem Rußland am po⸗ litischen Horizont aufgestiegen, sey der eine jener beiden Mittel⸗ punkte zwar in Paris geblieben, der andere aber nach St. Pe⸗ tersburg verlegt worden. England, das außerhalb dieses Systems stehe, habe die Bestimmung, daruͤber zu wachen, daß keiner die⸗ ser beiden Kolosse den andern erdruͤcke; die Deutschen Staaten waͤren in sich zu getheilt und ihre Kraft dadurch neutralisirt, die beiden Halbinseln Spanien und Italien aber haͤtten in dem Sy⸗ steme der Europaͤischen Politik gar kein Gewicht mehr. Diesem System zufolge sey es das Interesse Englands, Frankreich so viel Staͤrke zu verleihen, daß es Rußland immer die Spitze bieten koͤnne; England handle aber umgekehrt; es hindre Frankreich, an Macht zuzunehmen und seine natuͤrlichen Graͤnzen wieder zu gewin⸗ nen, und beguͤnstige dagegen die Anspruͤche des Prinzen von Oranien auf Belgien, durch welchen dieses Land unter Russischen Einfluß estellt werden wuͤrde. Den freundschaftlichen Gesinnungen Eng⸗ lands gegen Frankreich sey nicht sehr zu trauen; der lange Kampf, den beide Laͤnder mit einander gefuͤhrt, habe in den Englischen Staatsmaͤnnern immer eine gewisse Abneigung gegen Fraͤnkreich unterhalten; dagegen stehe England mit den uͤbrigen Maͤchten in utem Einverstaͤndniß. Dessenungeachtet aͤußere das Ministerium, o oft eines seiner Mitglieder die Rednerbuͤhne besteige, die Hoff⸗ nung, daß der Friede werde erhalten werden und dieser sey ge⸗ wiß dem Kriege sehr vorzuziehen, wenn die Regierung die noͤthi⸗ gen Buͤrgschaften fuͤr die Aufrechthaltung desselben gewaͤhre. Es frage sich aber, ob diese Buͤrgschaften vorhanden seyen. Um guf die Friedens⸗Versicherungen der Maͤchte rechnen zu koͤnnen, muͤsse die Regierung auf die Treue und Zuverlaͤssigkeit ihrer diplomati⸗ schen Agenten im Auslande zaͤhlen duͤrfen; e habe aber fast uͤber⸗
1 9 die Erhaltung des Friedens? welche Sicherheit hat man Euch gegeben? F. H., nie haben wir behauptet, daß wir des Friedens gewiß waͤren,
wohl aber, daß wir daran glaubten, und dies behaupten wir auch
noch. Was unsere Buͤrgschaften betrifft, so betrachten wir als
solche die feierlichsten Erklaͤrungen der Maͤchte, und wir glauben
an ihre Rechtlichkeit; das wohlverstandene Interesse dieser Maͤchte
selbst erheischt uͤbrigens, wie das unsrige, die Bewahrung de
Friedens. England, meint man, habe unlaͤngst Ursache gegeben, an seiner Aufrichtigkeit zu zweifeln. Ich erklaͤre dagegen von die⸗ ser Rednerbuͤhne herab, daß noch nie ein Ministerium in der Be⸗ handlung der oͤffentlichen Angelegenheiten und in seinen Unter⸗ handlungen mit den auswaͤrtigen Maͤchten, namentlich aber mit Frankreich, so viel Loyalitaͤt F t hat, als das Englische. Wir enden eine hinlaͤngliche Buͤrgschaft fuͤr uns in den bestimmtesten Zusicherungen von Seiten solcher Maͤnner, die die Achtung von ganz
Europa verdienen. (Sensation.) Noch einen andern Vorwurf macht man uns. Ihr habt, ruft man uns zu, die Polen nicht unterstuͤtzt, die doch Eure Theilnahme in so hohem Grade verdienten. M. H.⸗ wir sind nicht der Meinung gewesen, daß Frankreichs Interesse uns gebiete, ganz Europa den Krieg zu erklaͤren, denn jener Schutz, den man zu Gunsten der Polen von uns verlangt, war eine Kriegs⸗Erklaͤrung an alle uͤbrige Maͤchte. Ich habe schon einmal von dieser Rednerbuͤhne herab darauf aufmerksam gemacht, daß, um nach Polen zu gelangen, man Preußen und Deutsch⸗ land beruͤbren, mithin alle jene Voͤlker besiegen muͤßte; und wenn wir auch ein so kuͤhnes, und dem Interesse Frankreichs so nach⸗ theiliges Unternehmen haͤtten wagen wollen, so wuͤrden wir im-⸗ mer noch zu spaͤt gekommen seyn, um jenes ungluͤckliche Volk vor seinem Untergange, wenn es hierzu verdammt ist, zu bewah⸗
ren. Man sagt uns, es sey beschlossen worden, daß das Koͤnig⸗
reich Polen in diesem Kampfe zu Grunde gehen solle. Worauf stuͤtzt man eine solche Behauptung? wir haben einige gegruͤndete
offnung, daß das Gegentheil erfolgen werde. (Sensation)“
er Minister kam hierauf noch einmal auf die Belgische Angelegenheit zuruͤck und vertheidigte die Londoner Konferenz gegen den ihr gemach⸗ ten Vorwurf, daß se das Princiv der Nicht⸗Einmischung verletze. Wenn, bemerkte er, zwei Voͤlker sich einander bekriegten und ihre geographische Lage von der Art sey, daß der Krieg allgemein zu werden drohe, so sey es Pflicht, daß diejenigen Maͤchte, die in den Kampf mit hineingezogen werden koͤnnten, als Vermitt⸗ lerinnen auftraͤten; einen solchen vermittelnden Charakter trage auch die Londoner Konferenz an sich, und Frankreich habe stets dafuͤr gesorgt, daß dieser Charakter nicht entstellt werde; was die von den fuͤnf Maͤchten abgegebene Neutralitaͤts⸗Erklaͤrung be⸗ treffe, so koͤnne Niemand mit Recht behaupten, daß rankreich dadurch eine Verbindlichkeit eingegangen sey, die ihm selbst Nach⸗ theil bringe; durch die Reutralitaͤts⸗Erklaͤrung wuͤrde ugleich Belgiens Unabhaͤngigkeit, so wie der Friede von fanz uropa gesichert, mithin auch das vornehmste Interesse Frankreichs wahr⸗ genommen. „Man hat noch“, aͤußerte der Graf Sebastiani am