1831 / 155 p. 2 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

die Sequestration auf die Güter solcher Edelleute auszudehnen, die mit Gewalt zur Theilnahme an dem Aufruhr gezwungen worden, wie auch derer, die nach Verlauf eines Monates nach der Erscheinung dieses Ukases sich reuevoll vor die Ortsbehörde stellen und sich aller Verbindung mit den Aufrührern enthalten, mit Ausnahme der Radelsführer und Rebellenhäupter. 2) Ueber alle sequestrir⸗ ten Guter ist dem Finanz⸗Minister zu berichten, der Uns über die definitive Einverleibung derselben mit dem Schatze zu seiner Zeit ein Vorstellung machen wird. 3) Mit der Beschlagnahme treten die Güter unter die Gerichtsbarkeit der Kameralhöfe; auch müssen über sie und über alles bewegliche und unbewegliche Ver⸗ mögen der Verbrecher genaue Inventarien gemacht und über je⸗ des der Behörde die nöthigen Nachrichten gegeben werden. 4) Den Kameralhöfen wird es zur Pflicht gemacht, die Verwaltung dieser Güter zuverlässigen Leuten zu übertragen und, wenn die Bauern übermäßig mit Abgaben belastet sind, solche zu mil⸗ dern. 5) Die Bauern dieser Güter haben sich den von der Regie⸗ rung ihnen gegebenen Vorgesetzten zu unterwerfen, sich vollkommen ruhig zu verhalten und diejenigen auszuliefern, die es wagen sollten, sie zu neuen Unruhen aufzureizen. 6) Nach beendigter Einverleibung der bezeichneten Güter mit dem Schatze wird der Finanz⸗Minister unter Unserer Bestätigung den Kameral⸗Höfen vorschreiben, bei der ersten günstigen Gelegenheit diese Güter ei⸗ ner neuen, den Lokal⸗Verhältnissen gemäßen Güter⸗Schau (Lustra⸗ tion) zu unterwerfen, doch so, daß der Bauer nicht mit übermä⸗ ßigen Lasten beschwert, sondern vielmehr dessen Lage verbessert werde. 7) Wenn auf einigen der bezeichneten Güter sich viel⸗ leicht auch zinsbare Schlachte und sonst noch Leute verschiedener anderer Stände befinden, so muß auch der ihnen auferlegte Grundzins gehörig ermäßigt werden, wenn sie, dem 5ten Punkte dieses Unseres Ukases gemäß, sich vollkommen ruhig verhalten.“ Das hiesige Journal enthält mit der Ueberschrift: Ueber

die Insurrection in Litthauen“ Folgendes: „Täglich er⸗ halten wir die betrübendsten Nachrichten vom Schauplatze der Litthauischen Insurrection; sie geben uns die Ueberzengung, daß nur durch Entwickelung einer beispiellosen Energie eine Rebellion

unterdrückt werden kann, welche, die gänzliche Vernichtung der gesetzmäßigen Macht bezweckend, kein Mittel zu verbrecherisch er⸗

achten würde, um diesen Zweck zu erreichen. Durch Bedrohung und Anwendung öffentlicher Hinrichtungen suchen die Litthauischen Insurgenten ihre ZJahl zu vergrößern, und die von ihnen überall Aufgerichteten Galgen sind die Bäume ihrer Freiheit geworden. Aln mehreren Orten wurden ihren Pflichten getreue öffentliche Beamte aufgehängt, namentlich Gutsbesitzer, denen wenig da⸗ nach gelüstete, an den Wohlthaten eines anarchischen Zustandes Theil zu nehmen, und Postmeister, die den Forderungen der In⸗ surgenten nicht willfahrten. Mitten in diesem Graͤnel zeichnete sich eine Frau, die Gräfin Ronnicker aus, die, nicht zufrieden damit, den Eifer ihrer Anhänger aufzuregen, den ihrigen so weit trieb, unter ihren Augen Galgen errichten zu lassen, und bei den Hinrichtungen zu prästidiren. Instructionen, die man an ver⸗ schiedenen Drten bei Häuptern dieser Rebellen fand, bestätigten die frühere Vermuthung von bestehender Uebereinstimmung in ih⸗ ren Maaßregeln und in den von ihnen angewendeten Mitteln, Mit⸗ teln, die, wie man gesehen, eben so viele Verbrechen und Gräuel sind, die unter der ordnenden Leitung eines an einem anderen Orte mit eben so viel Kunst als Ruchlosigkeit vorbereiteten Systemes stehen. Sicherlich begriff die Ausführung eines solchen Planes zu viele Verbrechen auf einmal gegen die Ober⸗Verwaltung, ge⸗ gen das Leben, die Wohlfahrt und gegen die Ehre ruhiger Ein⸗ wohner in sich, um nicht auf die Nothwendigkeit der im Kaiser⸗ lichen Ukas vom 22. März (3. April) d. J. enthaltenen strengen Maaßregeln hinzuweisen. Indessen verfehlten diese Maaßregeln nicht, den Zorn und die scheinbare Erbitterung der revolütionnai⸗ ren Tagesblätter zu entzünden. Ueber Barbarei und morgen⸗ ländischen Despotismus schreiend, sind ste voll von Unglücks⸗ Prophezeiungen und von glücklicherweise ohnmächtigen Dro⸗ hungen. Dahin führen, in ihren unvermeidlichen Entwik⸗ kelungen, die Grundsatze der demagogischen Schule. Wenn man ihren Organen glauben wollte, so stehe es dem dischen Despotismus nicht mehr zu, eine Infurrection zu unter⸗ drücken, die sich in einem Staate mit den Waffen in der Hand erhebt, die gesetzmäßige Regierung angreift und die Mehrzahl zwingt, sich wider ihren Willeu unter das Joch einer verbreche⸗ rischen Gewalt zu beugen. Auf solche Weise hätte in England, als es im Jahre 1798 in Irland den Wirkungen der nämlichen Lehren, die wir heute bekampfen, Schaffotre entgegensetzte, mor⸗ genländischer Despotismus geherrscht der edle und hochsinnige Heinrich IV., gezwungen, in Biron die schwärzeste Verschwörung zu bestrafen, wäre einllstatischer Despot, und Brutus, der seine Söhne opferte, weil sie sich gegen die bestehende Regierung, gegen Roms Freibeit verschworen hatten, ein barbarischer Thrann gewesen. Ueberdenkt man die aus der Sprache der Revolutions⸗Blätter so streng abgeleiteten rationellen Folgen, so kann man sich nur Glück wünschen, zu sehen, wie ihre Systeme täglich immer mehr der einfachen Untersuchung der gesunden Vernunft weichen müs⸗ sen, wahrend auf der anderen Seite die schrecklichsten praktischen Wurungen derselben in diesem Augenblick es darthun, in welchem beklagenswerthen Irrthume sich die Völker befanden, als sie es zuzaben, daß man diese Systeme auf ihre Kosten bei ihnen ver⸗ suchte. Und gerade die Voͤlker, deren Aufstand man achtete und ungehindert sich ausbreiten ließ, sind es, die jetzt am meisten lei⸗ den und noch lange am meisten leiden werden. Die Zukunft ist un⸗ durchdringlich, und wir wollen es nicht versuchen, den dichten Schleier zu lüften, der sie unseren Augen verhullt. Wenn es aber wahr ist, daß alle Uebel dieser Erde auf gewesse Granzen beschränkt sind, und daß die unsichtbare Hand, welche die Welt regiert, ihnen srüher oder später ein Ziel stellt, so glauben wir, mitten in dem drohen⸗ den Dunkel, das uns umgieot, den ersten Straht dieser trösten⸗ den Wahrheit leuchten zu sehen. Wie groß auch die zerstörende Wuth der Geißel der Umwälzung gewesen seyn mag, die seit 10 Monaten auf Europa lastet, so ist sie vielleicht naher daran, sich zu erschöpfen oder nachzulassen, als man glaubt. Beim An⸗ blick IJtaliens, das der gesetzmaͤßfigen Drdnung und der Ruhe wiedergegeben wurde, sieht die Propaganda einige jener anarchi⸗ schen Saamenkörner, die von ihr so reichlich und unter so gro⸗ ßen Hoffnungen über ganz Europa ausgestreut wurden, in ih⸗ ren Keimen erstickt. Ste höre demnach auf, sich in mörderischen Anstrengungen zu verzehren, um einen Rest von Irrihum und Wahn⸗ sinn zu unterhalten, der die Zahl der Schlachtopfer nur vermehren muß

morgenlän⸗

tagsbeschluß verwandelt.

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Dämon der Anarchie aus seinem Reiche vertrieben und durch die Kraftanstrengung einer getreuen Nation auf immer zurückgewie⸗ sen seyn wird, so wie vor 19 Jahren die Invaston Napoleons zurückgewiesen ward. Täglich sind wir Zeugen der⸗ Huld und Gnade, durch welche der Kaiser sich für die Trauer zu entschä⸗ digen sucht, die ihm eine verabscheuungswürdige Rebellion ver⸗ ursacht. Noch vor kurzem hat er sich des Schicksals eines der hauptsächlichsten Rebellen Litthauens angenommen. Auf solche Weise eilt der Monarch dem so ersehnten Augenblick zuvor, wo Er, von der Sorge, zu kämfen und zu strafen befreit, nichts wei⸗ ter zu thun haben wird, als die tiefen Wunden zu heilen, die sich das nur zu gelehrige Polen selbst geschlagen hat, indem es Menschen Gehör gab, die es einst besser kennen lernen wird.“

Odessa, 17. Mai. Vom 1. (13.) Jan. bis zum 1. (13.) Mai d. J. betrug der Werth der Einfuhr hierselbst 2,306,926 und der Ausfuhr 3,550,823 Rubel.

Die hiesigen Zeitungen enthalten einen Plan zur Einfüh⸗ rung einer regelmäßigen Dampfschifffahrt zwischen Odessa und Konstantinopel; der erste Platz für Passagiere soll 100, der zweite 50 und der dritte 20 Rubel Banknoten kosten.

Die Zaͤhl der hiesigen Einwohner beläuft sich auf 29,921, nämlich 16,847 männliche und 13,074 weibliche; hierunter be⸗ finden sich 28,275 Christen und 1646 Juden.

Nach Briesen aus Kischeneff vom isten d. M. wollte man Nachricht haben, daß an diesem Orte sich wieder Spuren der Cholera gezeigt haben. Auch soll es daselbst sehr an Regen feh⸗ len, so daß man für die nächste Ernte besorgt ist.

D Ho l1 . g.

Warschau, 1. Juni. Gestern nahm die Senatoren⸗ Kammer mit einer Majoritat von 24 Stimmen gegen eine das Projekt hinsichtlich der von den Israeliten zu entrichtenden Rekruten⸗Steuer an, und es wurde sodann, da es in der Land⸗ boten⸗Kammer schon friher durchgegangen ist, in einen Reichs⸗ An diesem Tage wurde dem General Lubienski, als er sich im Senat einfand, von der Versammlung zu den von ihm vollführten Thaten Gluck gewünscht.

In der Landboten⸗Kammertrug der Graf Ledochowski darauf an, daß im Namen der Nation eine Deputation dem Generalissimus und der Armee durch eine Adresse die Gefühle der allgemeinen Dankbarkeit gegen dieselben darbringen sollte. Dieser Antrag wurde von der Kammer einstimmig angenommen, und auch der Senat trat demselben bei, in Folge dessen die er— wähnte Deputation sogleich erwählt wurde. man über einen Gesetz⸗Entwurf, wodurch die Ordnung in den Kammer⸗Verhandlungen mehr geregelt und die Richtschnur für das Verfahren der Reichstags⸗Kommisstonen festgesetzt wer⸗ den soll.

Die heuntige Staats⸗Zeitung enthält unter amtlicher Rubrik Folgendes: „Die National⸗Regierung wurde am 29ten v. M. durch den Generalissimus benachrichtigt, daß der General⸗ Gouverneur der Hauptstadt Warschau an denselben einen seinem Ansehen zu naͤhe tretenden Brief geschrieben habe, und beschloß daher noch an demselben Tage, auf Vorstellung des Generalissi⸗ mus, den General der Infanterie, Krukowiezki, von der ferneren Erfüllung seiner Pflichten als Gouverneur von Warschau zu ent⸗ binden, indem sie ihm die Entlassung gab.“ Hierauf folgt das Entlassungsschreiben, worin der General Krukowiezki zugleich be⸗ auftragt wird, das ihm früher anvertraute Amt dem Vize⸗Gou⸗ verneur Oberst Kaminski provisorisch zu übergeben. Dann heißt es noch, daß das Gesuch des Generals Krukowiezki um Ent⸗ lassung erst der Regierung zugegangen sey, nachdem sie ihm die⸗ selbe bereits aus freien Stucken vermittelst des Generalissimus zu⸗ geschickt hatte.“

In eben diesem Blatte liest man unter Anderem: „Wer Adjutant des Generals Gielgud, welcher am 29sten v. M. in Warschau anlangte, ist auf dem rechten Ufer der Narew nirgends auf Russische Truppen gestoßen. Durch die Expedition des

Generalissimus sollen die Vorrathe der Russen in Lomza und Ostro⸗

lenka, so wie die Magazine in Nur und Ciechanowiez und die bedeutenden Depots in Bransk und Bielsk, theils vernichtet, theils weggenommen werden seyn. Nach den neuesten Nachrichten hat der Feldmarschall Diebitsch, nachdem er am 2s8sten v. M. die Brücke bei Ostrolenka hat abbrennen lassen, seine Armee ge⸗ theilt und ist, nachdem er einen Theil nach Litthauen detaschirt, mit einem anderen Theil über den Bug wieder in Podlachien einge⸗

rückt. Marketender, welche vom Corps des Generals Gielgud

zurückgekehrt sind, sagen aus, daß sich dessen Marsch nach Lit⸗ thauen kein Hinderniß entgegengesetzt hat, daß bis zum letzten Sonnabend (den 28sten) noch kein Treffen zwischen ihm und den

Russen vorgefallen war, und daß sie selbst auf ihrer Rückkehr

nur wenig Russen angetroffen haben. Jenseits Pultusk streift ein Russisches Kavallerie⸗Corps umher, welches aus 1000 Mann Dragonern und Kosaken besteht. Der Generalissimus hat ei⸗ nen Theil der Polnischen Armee als Observations⸗Corps jenseits der Narew aufgestellt und sein Hauptquartier am 29sten v. M. nach Praua verlegt. Das Corps des Generals Dziekonski ist auf das rechte Weichselufer hinübergegangen.“

Der Warschauer Kurier sagt: „Es heißt, daß General Chrzanowski wieder einen Vortheil errungen hat. Auf dem

rechten Ufer der Narew befinden sich gar keine Russische Trup⸗

V V

pen mehr. Ein gestern aus Sterdyn angekommener Bürger versichert, daß in der Gegend von Ciechanowiez, Stoczek und Jadow ebenfalls keine Russischen Truppen ständen.“

Von der Polnischen Gränze, 3. Juni. Nach⸗

richten aus der Gegend von Raygrod vom 31. Mai zufolge,

sell es den vor Raygrod gestandenen Polen gelungen seyn, den unter Wasser gesetzten Bobra⸗Bruch an einer flachen Stelle zu

passtren und den General von Sacken dadurch zu nöthigen, sich über Augustowo auf Grodno zurückzuziehen; dagegen hat nach Berichten aus Johannisburg der Polnische General Gielgud am

297. Mai Lomza verlassen und sich jenseits der Narew auf Piont⸗

und einer Macht nicht gewachsen ist, die sich auf Gerechtigkeit und Ver⸗

nunft stützt. Sie überlasse die Sorge für das Gluck mehrerer Natio⸗ nen den Finsten, die sie regieren, und die, besser als die Haupter der li⸗ beralen Schule, die Aufklärung des 19ten Jahrhunderts zum all⸗ gemeinen Besten zu bemutzen wußten. Diese Souveraine und ihre Verwaltungs⸗Behörden werden jetzt mit den höchsten An⸗ strengungen die schrecklichen Uebel wieder gut zu machen haben, welche der Liberalismus im Namen jener Aufklärung herbeiführte. Diese Aufgabe, welche der Kaiser mitten unter den Sorgen des Krieges schon zu lösen beginnt, wird er ganz erfüllen, wenn der

nica zurückgezogen. Lomza ist an diesem Tage von den Russi⸗ schen Truppen besetzt worden. Am 30. Mai sind selbige auf der Straße nach Augustowo bereits in Szezuczyn eingerückt. Meh⸗ rere Polnische Truvpen⸗Abtheilungen sind, Behufs besserer Ver⸗ pfleging und Kompeettirung der Armee, auf das linke Weichsel—

Ufer übergezangen. Der General Chlopizki soll von Krakau

aus den General Skrzynezki um das Kommando über ein ab⸗ gesondertes Corps gebeten haben.

Fer aun Ir i ;.

Paris, 29. Mai. Gestern Mittag kam der König in Be⸗ gleitung der Königin und der Prinzessin Adelaide zur Stadt. Se. Maj. hielten sofort einen Minister⸗Rath, welcher beinahe 4 Stunden währte. Um 5 ½ Uhr kehrten Höchstdieselben nach St. Clond zurlick, nachdem Sie noch dem Konigl. Sardinischen Botschafter eine Privat⸗Audienz ertheilt hatten.

Der Constitutionnel will wissen, daß der König binnen

Dam berathschlagte

kurzem eine zweite Reise unternehmen würde, und zwar nach de östlichen Provinzen. Der Temps bezeichnet als den Tag d Abreise den 4ten Juni. 3

Aus Toulon wird unterm 23. d. geschrieben: „Die F. gatte „Artemista“, auf der sich der Prinz v. Joinville eing schifft hat, ist heute Nachmittag von hiesiger Rhede abgegang Da der Windstille wegen die Segel nicht aufgespannt werde konnten, so nahm das Dampfboot „Sphinx”“ das Schiff an Schlepptau und zog es eine Strecke ins Meer hinein. An de selben Tage in aller Frühe waren die das Observations⸗Geschwe der bildenden Linienschiffe „Algier“, „Trident“, „Marengo „Algestras“, „la Ville de Marseille“, die Fregatte „Viectoire die Korvette „Perle“ und die Briggs „Cuirassier“ und „Zebr unter Segel gegangen und erwarteten vor der Rhede in Rei aufgestellt den Prinzen, um ihn bis an die Küste von Korst zu begleiten, wo er Ajaccio und Baͤstia besuchen wird.“

Der kürzlich aus dem Departement des Finisterre nach d Departement der Haiden versetzte Prafekt Herr Billiard, ist me telst Verordnung vom gestrigen Tage seines Dienstes gänzlich e lassen worden. Diese Verabschiedung giebt die Veranlassung zu nem langen amtlichen Aufsatze, den man heute im Moniteur l und worin es unter Anderem heißt: „Die verfassungsmäßige Sitten bilden sich langsam in einem Lande, wo die Gesetze si her bestanden, als sie. Dies zeigt sich heutiges Tages in Fran reich, wo man damit umgeht, die Repräsentativ⸗Regierung ins rer ganzen Aufrichtigkeit einzuführen. Man stößt auf desvpotist und unlenksame Gewohnheiten, die sich der Anwendung jen Systems in gleichem Maße widersetzen. Der rebellische We wird noch allzu oft mit der Meinungs⸗Unabhängigkeit, niedne

Schmeichelei der Regierung mit dem Geharsam für das Ge

verwechselt. Hieraus entstehen für die öffentliche Verwaltm Hindernisse, die eine weise Regierung zu beseitigen suchen mu Als das jetzige Ministerium an das Staatsruder gelangte, in digte es an, das es, aus gleichartigen Elementen bestehend, die Einheit auch in die gesammte Verwaltung übertragen wünd In diesem Sinne wurden sofort von den verschledenen Ministe an sammtliche zu ihrem Ressort gehörende Behörden Cirkuss Schreiben erlassen. Als man spaterhin die Beamten dazu v leiten wollte, einer Association beizutreten, die Argwohn gege die Regierung hegte, wurden alle darauf hingewiesen, daß

mit sich selbst im Klaren seyn müßten, daß man von keinem i

ihnen Dienstleistungen gegen seine Ueverzeugung verlange, d keiner von ihnen zur Annahme eines Amtes gezwungen werd könne, und daß die Zeit gekommen sey, wo der Grundsatz liberalen Opposition von 1819, wonach Niemand zugleich M. glied der Verwaltung und der Opposttion seyn dürfe, seine vo Anwendung finden müsse. Dieser Grundsatz gilt noch heuten damals, und ihm ist ohne Zweifel der kürzlich stattgefunda Präfekten⸗Wechsel zuzuschreiben, worliber wir uns näher erklän würden, wenn das Recht der Beamten⸗Versetzung nicht ebent umumschränkt als das der Ernennung wäre. Die Regierung lei oder entzieht ihr Vertrauen nach Gutdünken; das Wort „Vertraut allein schließt schon den freien Willen, wie ihn das Gewissem eingiebt, sich. Abgesehen aber von den Grümden zu jenem Prafek) Wechsel, ist dieser von öffentlichen Demonstrationen begleitet; wesen, die zu den ernstesten Betrachtungen Anlaß geben. M. hat diese Maaßregel entstellt und sich dazu solcher Mittel bedien wodurch das Angemessene derselben nur noch um so deutlich hervorgehoben worden ist; denn es hat sich daraus ergeben, d einige der versetzten Beainten mehr darauf⸗bedacht gewesen si sich eine persönliche Stütze aus ihren Administrirten zu schaffen,“ diese Stütze der Regierung zuzuwenden. Zum Beweise dieng jene unbefugten Deputationen, jene freiwilligen und in den 30 tungen ausposaunten Abdankungen einiger Subaltern⸗Beamta jene Adressen, worin die von der Regierung von Rechtswegen und nach reiflicher Erwägung angeordneten Versetzungen getad werden; endlich jene Proclamationen, welche vomn den versetzt Beamten selbst publicirt worden sind, statt daß diese das Beisye des Gehorsams und der Uneigennützigkeit in ihrer eigenen Sac hätten geben sollen. Haben wir nicht unlängst gesehen, wie ein höhe Beamter (Herr Billiard) sich gleichsam in offenen Widerspruch m. der von der Regierung angenommenen Politik versetzt und senm

Meinungen laut verkündigt hat? wie er nach, seiner Versetzun

seinen Administrirten ein Lebewohl in so unangemessenen A

drücken sagt, daß wir gar nicht darauf hindeuten würden, wen die unvorsichtigen Freunde jenes Beamten das betreffende Schueg den nicht selbst publicirt hätten? Am 19ten v. M. zeigt Präfekt des Finisterre den Empfang des Ministerial⸗Reskripts’

wodurch er bloß versetzt wird, und fügt hinzu, „daß das Depe tement für ihn auf den Schlag, der ihn betroffen, antworne werde.“ Am Lösten berichtet er über einen Volks⸗Aufstand, de aäußert er, nur als eine Folge seiner Abberusung zu betracht sey. Am Lasten erläßt er eine Proclamation, worin er über eij

unverdiente Ungnade klagt, die Schuld derselben den Männ

beilegt, „die das Gute, das er gethan, nicht zu würdigen wl ten“, und am Schlusse den Rath ertheilt, das Departem

möchte solche Männer in die Kammer schicken, die sich zu D

metschern seines festen Willens machten, die Freiheit noch höh als den Thron zu achten.“) Ist um solchen Preis eine Regiern wohl denkbar? Wir fragen dies Alle, die es redlich me nen, ja den betreffenden Beamten selbst. Im Devpartema des Var haben ahnliche Schritte, Reclamationen und Adress stattgefunden. Und der Journalismus hascht begierig me diesen Elementen der Unordnung, um sich daraus eine Wa gegen die Regierung zu bilden, und ohne sich irgend darum kümmern, ob die ihm denuncirten Beschlüsse nicht auch dun triftige Gründe veranlaßt worden sind. Ein Morgenblatt he heute einen von seinem Posten abberufenen General⸗Pra fektut Seecretair (Herrn Teulon) bereits für würdig, zum Deputirm gewählt zu werden, und doch ist dieser Beamte gerade nur am dem Grunde abberufen worden, weil er zur Unterstützung sein Kandidatur den Einfluß der Maires auf ihre Administeirten! Anspruch genommen hatte**). Wie würde man nicht geschrit haben, wenn dieses Schreiben früher als die Abberufungs⸗V ordnung bekannt geworden wäre? In der jetzigen Zeit laßt st ohne die vollkommenste Einheit in allen Elementen U. Verwaltung für die Versohnung der Parteien, für Sicherstellung der Interessen, für die Verschmelzung d Meinungen nicht das Geringste Ausführung bringen In einem Staate, wo es drei Gewalten giebt, m. eine jede für sich einig, hauptsächlich aber muß es die vollziehen —·V—— 90

in

*) Der Moniteur theilt hier in einer Randnote das bette fende Abschiedsschreiben des Hrn Billiard an die Bewohner d Departements des Finisterre mit.

**⁷) Auch dieses Rund⸗Schreiben des Hrn. Teulon (eines Vc⸗ wandten des Deputirten des Lot und der Garonne) giebt der M niteur woͤrtlich. Saͤmmtliche Maires des Bezirks von Nimes werde darin ersucht, sich bei den bevorstehenden Wahlen zu Gunsten Hrn. Teulon all des Einflusses zu bedienen, den sie in i meinde und der Umgegend häatten.

eyn. Man müßte sich wundern, daß hiervon nicht Jedermann längst durchdrungen ist, wenn man nicht wüßte, wie leicht es dem Ehrgeize und dem Parteigeiste ist, alle Begriffe des Falschen ud Wahren, des Gerechten und Ungerechten über Fragen, die der gesunde Menschenverstand und das Ehrgefühl längst beant⸗ wortet haben, mit Hülfe einiger glänzenden Phrasen über den aufen zu stoßen. em Ministerium gebührt es, der Wahrheit ihr Recht zu geben. Glücklicherweise sind Beispiele, wie die obi⸗ en, selten, und diese Seltenheit selbst zeugt von dem guten Geiste und den ausgezeichneten Dienstleistungen einer Beamten⸗ Klasse, in deren Reihen sich Talente und ein Patriotismus vor⸗ inden, die das Land in gleichem Maße wie die Regierung zu

schaͤtzen weiß.“

„Es scheint gewiß zu seyn,“ sagt das Journal des Dé⸗ ats, „daß die Versetzung des Herrn Billiard aus dem Dept. des Finisterre dort eine ziemlich lebhafte Gährung erzeugt hat. der General⸗Präfektur⸗Secretair, Hr. Tassel, der einstweilen mit den Functionen eines Präfekten beauftragt war, hat Herrn Castmir Périer von den durch jene Versetzung veranlaßten Er⸗ eignissen schriftlich in Kenntniß gesetzt und ihm angezeigt, daß zwei Maires und zwei Adjunkten bereits ihre Entlassung genom⸗ nen haͤtten, und daß er auch die seinige nehmen würde, wenn Hr. Billard dem Dep. des Finisterre nicht zurückgegeben werde.“ Nluch im Departement des Var hat, wie das Journal du Fommerce von dort meldet, die Absetzung des bisherigen Prä⸗ ekten, Herrn Bernard, Mißbilligung erregt. Eine Deputation der National⸗Garde von Draguignan hatte sich zu dem Prinzen von Joinville nach Toulon begeben und ihn gebeten, sich bei dem Könige für die Zurücknahme der betreffenden Verordnung u verwenden. Die Absetzung des Herrn Bernard ist dadurch erbeigeführt worden, daß dieser sich geweigert hat, einem Be⸗ eehhle des Herrn Cas. Périer gemaß, seoine Mißbilligung über ie Bildung der National⸗Vereine in seinem Departement öffentlich auszusprechen. Der General Graf Flahaut ist von hier nach Berlin ab⸗ gereist.

Der Großbritanische Botschafter gab gestern zur Feier des

Geburtsfestes seines Monarchen ein glaͤnzendes Fest, an welchem ehr denn 2000 Personen Theil nahmen; in einem im Garten rbauten Salon wurde getanzt. G

Die Herzogin von Dino, Nichte des Fürsten Talleyrand, st von hier nach London abgereist; man will daraus schließen, daß der Fürst sich bleibend in England niederzutassen gedenke.

Herr Lingay, ein Literat, jon des Temps Theil genommen hat und schon seit 20 Jahren ür Jourunale schreibt, ist, dem Vernehmen nach, der Verfasser der polemischen Artikel im Moniteur. 1

Der Abbé Gregoire, ehemaliger Bischof von Blois, ist ge⸗ ern Nachmittag nach einer langen und schmerzhaften Krankheit nit Tode abgegangen. Sein Leichenbegangniß wird morgen früh attfinden. Eine ausführliche Relation über die seinem Tode vorangegangenen Zwistigkeiten und Unterhandlungen wegen der Frage, ob ihm, als einem schismatischen Bischofe, die Sakra⸗ nente zu ertheilen und das kirchliche Begräbniß zu bewilligen ey, wird nächstens im hiesigen Buchhandel erscheinen. Der Temps sagt über diese Angelegenheit: „Wird der Tod des gübbé Gregoire die Debatten endigen, zu denen seine letzten Au⸗ genblicke Anlaß gegeben haben? Man scheint schon auf Mittel zur Vermeidung der Unordnungen, mit denen dieser Streit zu endigen drohte, bedacht gewesen zu seyn. Man spricht, als von inem Auskunftsmittel, von dem bevorrechteten Begräbniß, das dem Abbé Gregoire als ehemaligem Senator zustehe und

obei es nicht nöthig seyn würde, seinen Leichnam nach seiner Pfarrkirche zu bringen.“

In mehreren Departements sollen, dem Journal de 1⸗Aube zufolge, die Wähler, um tüchtige Mänmner, die ihrer eschränkten Vermögens⸗Umstände wegen die Functionen eines Deputirten nicht würden übernehmen können, hierzu in Stand zu setzen, beschlossen haben, ihnen auf dem Wege der Subscription eine tägliche Entschädigung von 15 Fr. für die Dauer der Session zu bewilligen.

Im Devpartement des Goldhügels treten eine Menge von Kandidaten für die bevorstehenden Wahlen auf; unter ihnen be⸗ iden sich Hr. Cabet, vor kurzem abgesetzter General⸗Prokurator in Korsika, Hr. Viefville, gewesener Präfekt, Hr. Vatout, Bi⸗ bliothekar des Königs, und die Herren Hernoux, Manguin, von Berbis und von Saunac. Hr. Odilon⸗Barrot und seine Freunde, welche besorgen, daß sie von ihren alten Wahl⸗Kollegien nicht

wiedergewählt werden möchten, wenn die Vereinigung der Wäh⸗

er der Centra mit denen der rechten Seite zu Stande käme, vollen da, wo diese Vereinigung am schwierigsten werden dürfte, als Kandidaten auftreten.

Gestern wurden die Verhandlungen in dem Prozesse gegen die zehn der Entwaffnung eines Postens der National⸗Garde und des Angriffs auf einen Posten Linien⸗Truppen angeschuldigten Individuen, nachdem dieselben vier Tage gedauert, geschlossen. Nach einer zweistündigen Berathung sprachen die Geschwornen über die Angeklagten das Nicht schuldig aus.

Der Huissier der Pairs⸗Kammer begab sich gestern nach dem Gesängnisse von Sainte⸗Pelagie und setzte den Grafen v. Ker⸗ gorlay in Freiheit, der bekanntlich im November v. J. vom Pairs⸗ höofe wegen eines von der Gazette de France und der Quotidienne

itgetheilten Schreibens, worin er die Gründe seiner Weigerung, den Eid der Treue gegen die neue Regierung zu leisten, ausein⸗ andersetzte, zu halbjähriger Haft verurtheilt wurde.

Dem Ami de la Charte zufolge, sind bei dem Gesechte, das neulich bei Bressuire zwischen 28 Soldaten und 150 Chouans stattfand, 21 von den Letzteren geblieben; 8 Leichname derselben vurden in der Nähe des Kampfplatzes in dichtem Gesträuch und die übrigen in mit Eichenzweigen bedeckten Gräben gefunden. Diot selbst hatte, mit einem großen weißen Federbusch auf seinem Hut, die Chouans in dem Treffen befehligt. Das Kriegs⸗ Vericht in Nantes hat mehrere widerspenstige Militairpflichtige zu gjähriger Strafarbeit verurtheilt.

In Rennes haben am Zͤ8sten d. Unruhen stattgefunden, welche durch die Freisprechung der in einem gegen die jetzige Re⸗ gierung feindlichen Sinne redigirten Gazette de Bretagne ver⸗ anlaßt wurden. In der Druckerei dieses Blattes warf das Volk die Fenster ein; dasselbe widerfuhr der Wohnung des Präsiden⸗ en der Jury und den Hänsern einiger wegen ihrer Anhänglich⸗ eit an die vorige Dynastie bekannten Einwohner. Der Verthei⸗ diger des Blattes, Advokat Fontaine aus Paris, hatte durch eeiinige Aeußerungen in seinem Plaidoyer die Zuhörer erbittert zund dadurch jene Auftritte herbeiführen helfen. Am folgenden Tage wurde dasselbe Blatt, das wegen eines anderen Artikels angeklagt war, abermals freigesprochen, und es wiederholten sich dieselben unruhigen Auftritte.

Das Journal du Commeree schreibt aus Algier vom 18. Mai.: „General Berthezone hat abermals einen Zug nach der Ebene Mitidjah und nach dem Atlas unternommen; er mar⸗

der eine Zeit lang an der Redac⸗

schirte den 7ten von hier ab und kehrte den 13ten zurück. Der Zweck dieser Expedition war, einen noch unbekannten Theil jener roßen Ebene zu rekognosciren und einige Stämme, z. B. die

eni Halifa, Beni Ahug u. a. m. zu züchtigen, weil sie Un⸗ ruhen nährten, die Wege unsicher machten, die Reisenden um⸗ brachten und plünderten und die in der Ebene wohnenden Ara⸗ ber verhindern wollten, uns Getreide und Lebensmittel zuzufüh⸗ ren. Bei unserem Heramnahen nahmen die Bewohner einiger Dörfer die Zelte ab und ergriffen die Flucht, ihre Heerden mit sich fortführend; die Häuptlinge aller übrigen Stämme aber ka⸗ men, um sich zu unterwerfen. Der General hatte ihnen Gnade versprochen, wenn sie am solgenden Tage vor der Mittags⸗ zeit einige bekannte Mörder auslieferten; im entgegenge⸗ setzten Falle werde er ihre Berge verwüsten lassen. Vor⸗ aussehend, daß diese Bedingung unerfüllt bleiben würde, begannen die Truppen früh mit zwei Berg⸗Haubitzen, die von Maulthieren getragen wurden, ihre Bewegimg. Gegen 1 Uhr wurden einige Flintenschüsse gewechselt, und als die Soldaten auf einem Marabout (Begräbnißort eines muhamedanischen Priesters) den Tornister eines untangst ermordeten Voltigeurs vom 15ten Regiment als Trophäe oder Weihgeschenk aufgehängt fanden, begann das Sengen und Brennen; mehrere Dörfer wurden niedergebrannt und viele Fruchtbäume umgehauen. Diese grausame Art des Kriegführens ist das einzige Mittel, jene Volks⸗ stämme zum Frieden und zur Ruhe zu gewöhnen. Furchtbare, täglich aufeinanderfolgende Gewitter waren dieser Expedition hin⸗ derlich. Wenn unsere Truppen bei ihrer Ankunft auf dem Gipfel des Atlas nicht durch dicke Nebel verhindert worden wären, den Kabailen am südlichen Abhange des Gebirges zu folgen, so wur⸗

en deren Frauen und Heerden in unsere Hände gefallen seyn.“

Großbritanien und Irland. 1

London, 28. Mai. So lange der Erfolg der Reform⸗Maaßregel noch im Unterhause zweiselhaft war, fiel es Keinem ein, zu frazen, was doch das Schicksal derselben im Oberhause seyn dürfte; jetzt aber, da man einer sehr großen Mehrheit im ersteren gewiß ist, fragt man natürlich, was wird man im Oberhause thun? Die antiresormistischen Zeitungen be⸗ haupten freilich, daß die Lords die Bills verwerfen würden, ja sie machen es ihnen zur Pflicht, auf diese Weise den König, die Regierung und die ganze Nation wider ihren Willen vom Ver⸗ derben zu retten, in das sich Alle blindlings stüczen wollen. Wenn aber Maͤnner, wie Banks und Peel, die Sache der Anti⸗ Reformisten für verloren geben und der Letztere besenders bei einem veranstalteten Mittagsmahle zu Tamworth sagte, er würde ohne allen Zweisel bvei der nachsten Wahl Manche der Gegen⸗ wärtigen um ihre Stimme zu bitten haben, die bis jetzt keine gehabt hatten, so darf doch wohl kein Vernünftiger mehr an dem Erfolg zweifeln. Haben ja die Lords in der Sache der Dissenters (selbst gegen den Wallen der damaligen Regierung)

Masse der Nation gleichgültig und im letzteren ein großer Theil derselben gegen die Maaßregel war. Freilich gingen ihnen jene beiden Toleranz⸗Edikte nicht persoönlich nahe, es gingen dabe: keine handgreifliche Vortheile verloren, und was man zu über⸗ winden hatte, waren bloß veraltete Vorurtheile und eingebildete Besorgnisse. Aber wenn auch bei der vorgeschlagenen Reform viele Pairs große Vortheile einbüßen sollen, so werden doch die meisten dadurch an Einfluß gewinnen, und manche sind edeimü⸗ thig genug, sich bereitwillig aller persönlichen Vortheile zu pege⸗ ben. Und sollte alles dieses nebst dem Einflusse des Königs und der Regierung nicht hinreichen, eine Mehrheit zu gewinnen, so darf man schon auch etwas auf den Einfluß der Furcht vor gewaltsamen Reactionen rechnen. Ist nun aber einmal das Un⸗ terhaus reformirt, dann werden sich gar wichtige Fragen aufdrin⸗ gen. Die Anglikanische Kirche hat sowohl in England als in Irland viele Gegner. Prälaten, so wie die bittere Armuth eines großen Theils der Pfacrer, das Anhäufen vieler Pfründen in Günstlinge und die gänzliche Vernachlässtgung derer, welche sich keiner politischen Beschltzer zu erfreuen haben, und vor Allem die Art der Bezahlung der Geistlichkeit durch Zehnten und hohe Sporteln, welche sie so ost in feindselige Stellung gegen ihre Pfarrkinder bringen, betrüben selbst die Mehrzahl derer, die der Kirche im Glanben anhängen. Hier also muß bei einem refor⸗ mirten Parlament eine bedeutende Resorm emtreten; nächste Frage ist die der Besteuerung. Folgendes Blätlchen durchläuft in diesem Augenblicke Millionen Hände; es ist scherz⸗ haft abgefaßt, doch darum nicht minder treffend: „Besteuerun⸗ gen von der Wiege bis zum Grabe, welche die Anti⸗Reformisten verewigt zu sehen wünschen; Abgaben, von allen Gegenständen, welche in den Mund gehen, den Rücken bedecken, oder worauf

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der Fuß tritt; Abgaben von Allem, was angenehm zu sehen, zu hören, zu fühlen, zu riechen und zu schmecken ist; Abgaben von Licht, Wärme und Bewegung; Abgaben von Allem, was auf der Erde und in dem Gewässer unter der Erde ist, von Allem, was die Fremde oder das Inland erzeugt; Abgaben vom rohen Material, Abgaben von jeder Vermehrung des Werthes, den ihm der Fleiß des Menschen giebt; Abgaben von der Brühe, die des Menschen Eßlust reizt, und von der Medizin, die ihm die Ge⸗ sundheit wiedergiebt, von dem Hermelin am Mantel des Rich⸗ ters und von dem Strick, womit man den Delinquenten heukt; von des Armen Salz und von des Reichen Gewürz; von den Nägeln am Sarge und von den Baäͤndern der Braut; Abgaben im Bett und am Tisch, schlafend und wachend; der Knabe peitscht seinen besteuerten Kreisel, der Jüngling lenkt ein besteuer⸗ tes Pferd, mit einem besteuerten Zaum, auf einer desteuerten

Landstraße; und der sterbende Englander gießt seinen Trank, von dem er 7 pEt. bezahlt, in einen Loffel, welcher 15 „Ct. be⸗ zahlt, sinkt auf sein Kattun⸗Bett, welches 22 pEt. bezahlt hat, macht sein Testament auf Papier, welches 8 Pfd. für Stempel gekostet, und verscherdet in den Armen eines Apothekers, welcher 100 Pfd. für das Privilegium bezahlt hat, ihn ungurdringen. Hierauf wird sein ganzes Eigenthum mit 2bis 10 pSt. besteuert, und man sordert hohe Spocteln sowohl sür dee Niederiegung des Testaments, als für sein Begrabuiß in der Kirche, wo seine Tu⸗ genden der Nachwelt auf besteuectem Marmor entgegenleüchten und er zu seinen Vätern versammelt wird, um nicht mehr be⸗ steuert zu werden.“ Ein reformirtes Parlament durfte un⸗ ter Anderem darin eine Erleichterung suchen, daß es in Irland die Katholiken von der Bürde besreit, die Auglikanische Kirche neben der eigenen zu erhalten, eine Einrichtung, welche allein eine Armee von 10 15,000 Mann noth'vwendig machen soll. Eine andere Maaßregel mochte die Ansegung einer Vermogen⸗ Steuer und die Ermäßigung eines großen Theils der Abgaben seyn, welche jetzt den Gewerbfleiß drucken.

Niederlande.

Brüssel, 31. Mai. Vor Beginn der gestrigen Sitzting des Kongresses waren schon sanmntliche Tribunen besetzt, und

stellungen gegeben hätten.

und der Katholiken nachgegeben, wo doch im ersten Fall die

Der große Reichthum der meisten ihrer

die Hände weniger

die

man erinnerte sich nicht, jemals einen solchen Andrang von Zu⸗ schauern erlebt zu haben. Die Deputirten bildeten verschiedene Gruppen, in denen sehr lebhaft gesprochen wurde. Herr van Meenen vertheilte mehrere Exemplare einer Protestation der Bel⸗ gischen Association. Nachdem Herr Vilain XIIII. mehrere Bitt⸗ schriften vorgelegt hatte, unter denen sich eine von 11 Einwoh⸗ ner Tournah's gegen die Erwählung des Prinzen von Sachsen⸗ Koburg befand, bestieg der Finanz⸗Minister, Herr von Brou⸗ ckèͤre, die Rednerbühne und legte der Versammlung drei De⸗ krets⸗Entwurfe vor. Der erste betraf die Aufhebung jedes Ein⸗ gangs⸗Zolls auf goldene, silberne und andere Gegenstände, welche Belgiern gehörten, die in Folge der Revolution in ihre Heimath zurtickgekehrt seyen; der zweite enthielt ein neues Auflage⸗System in Bezug auf die Brennereien; der dritte bezweckte, das Dekret des Kongresses vom 5. März, in Bezug auf die für die Eides⸗ leistung zu verlangenden Flad, güütrnn 8 eaben⸗ näher zu er⸗ klaren. Nach Vorlegung dieser Entwürfe, deren Druck und Verthei⸗ lung genehmigt wurde, fuhr Herr von Brouckdre folgenderma⸗ ßen fort: „Meine Herren! ich habe diese Tribune als Minister bestiegen, ais Deputirter werde ich sie verlassen. Es mag vielleicht seltsam erscheinen, daß ich in dem Augenblick, wo der Herr Regent mein Entlassungsgesuch augenommen hat, ich der Versammlung noch Gesetz⸗Entwuürse vorlege; aber da mir auch als Mitgtied des Kongresses dieses Recht der Initiative zustehen würde, so glaubte ich mich zur Vorlegung derselben um so mehr verpflichtet, da ich der Versammlung der Destillateurs, welche zusammenberufen waren, um ihre Meinung über das Projekt abzugeben, als Prä⸗ sident beigewohnt habe.“ Nachdem der Redner noch einige Worte zur Unterstützung der Entwürfe hinzugefügt hatte, ging er auf seine mmmehr beendigte Verwaltung über und versicherte auf seine Ehre, daß er niemals, mit Ausnahme eines einzigen Falls, wo es sich um Besetzung einer Stelle von 600 Gulden gehandelt habe, durch Vorliebe oder durch Familien⸗Rücksichten zu einer Parteilichkeit verleitet worden sey. Unbegränzte An⸗ hänglichkeit an das Vaterland und Fähigkeiten seyen allein die Eigenschaften gewesen, welche in seinen Augen ein Recht zu An⸗ Er köͤnne sich mitunter in den Per⸗ sonen getäuscht haben, aber er habe niemals einen anderen Zweck vor Augen gehabt, als das Beste der öffentlichen Sache und das Gillck seines Vaterlandes. Herr Raikem erstattete darauf im Namen der Central⸗Section den Bericht über den Vor⸗ schlag des Herrn Nothomb (siehe die gestrige Staats⸗Zei⸗ tung), woraus hervorging, daß die Sectionen sehr getheilter Meinung gewesen waren. Die Central⸗Section schlug einen veränderten Emtwurf vor und trug zugleich auf die Priorität für denselben an, da er auch zugleich die Art und Weise bestimme, wie die Wahl des Staats⸗Oberhaupts vor sich gehen solle. Die Versammlung beschloß, die Frage über die Prioritaät sogleich zu entscheiden. Herr v. Theux trug aber darauf an, daß man erst den Bericht der Kommisston über die Bittschrift der Einwoh⸗ ner Venloo's aunhören möge. Dies wurde genehmigt, und der genannte Deputirte erstattete diesen Bericht, woraus hervorging, daß die Kommission auf Genehmigung derselben antrage; da aber der Augenblick zumg Bau eines Kanals nicht günstig sey, so schlage sie vor, die Bittschrift dem Nachweis⸗Bureau und den Ministern der auswärtigen Angelegenheiten und des Innern zu überweisen. Dieser Vorschlag wurde angenommen. Als die Disküsston über die Priorität ihren Anfang nehmen sollte, wurde der Prasident von Herrn Pelichy aufgefordert, den von ihm eingereichten Vorschlag vorzulesen. Dieser lautete folgenderma⸗ 1 ßen: „Ich habe die Ehre, dem Kongresse vorzuschlagen, daß heute oder spatestens morgen zur Wahl des Staats⸗Oberhauptes ge⸗ schritten werde.“ Als sich von mehreren Seiten Stimmen gegen die Entwickelung dieser Proposttion erhoben, indem man bemerkte, daß man auf diese Weise nie zu Ende kommen würde, bemerkte der Prasident, daß, da der Vorschlag von wenigstens 10 Stimmen unterstützt sey, das Reglement die Entwickelung desselben gestatte. Hr. v. Pelichy erhielt zu dem Ende das Wort und äußerte, daß, obgleich die Mittheilung des Lords Ponsonby nicht der Art sey, um ein Belgisches Herz zu erfreuen, so müsse doch ein ächter Patriot auf die Lage des Landes Rücksicht nehmen. Man habe nur zwischen einem Kriege, dessen Ausgang ungewiß sey, und der Abtretung eines Theils des Territoriums zu waͤhlen; die Wahl sey schrecklich; aber, seiner Meinung nach, müsse man die Gefahren eines Krieges vermeiden. Der Prinz von Sachsen⸗ Koburg konne als König der Belgier noch am meisten zu ihrem Vortheile bewirken; und schlage er die Krone aus, so sey doch die National⸗Ehre nicht angerührt, und die Sache Belgiens würde sich um so besser stellen, als dann alles Unrecht auf Seiten der Mächte sey. Der Druck und die Vertheilung des Vorschlages an die Sectionen wurde genehmigt. Hr. Seron erhielt hterauf das Wort über die Frage der Priorität und machte zuvörderst einige Bemerkungen über den Brief des Lords Ponsonbh. Er äͤußerte, daß er seinestheils nicht glaube, daß man Luremburg erhalten werde, selbst wenn man es bezahle.

Alle Verstcherungen des Lords sehen ungegründet; das 22te Pro⸗

tokoll der Londoner Konferenz widersprache denselben geradezu, indem es verlange, daß man alle Belgische Truppen aus dem Großherzogthum Luxemburg zurtückziehen und sich durchaus nicht mehr in die Angelegenheiten dieses Landes mischen solle. Lord Ponsonby be⸗ hauptete ferner in seinem Briefe, daß, wenn Belgien Mastricht, das linke Ufer der Schelde oder irgend einen anderen Theil der sogenannten alten Holländischen Besitzungen erobern wolle, es Frankreich, Preußen, England und Desterreich gegen sich haben würde. Was man auch über die gegenwärtige Verwaltung in Frankreich sagen möge, so glaube er doch nicht an die Moglich⸗ keit, daß es sich je zu einem Kriege gegen Belgien verstehen sondern ihm jedenfalls zu Hülfe kommen werde. Nachdem der Redner auch noch das Widersprechende des Lords Ponsonby in seinen Aeußerungen über die Schuld berührt hatte, fuhr er fol⸗

gendermaßen fort: „Scheint es Ihnen nicht, meine Herren, daß man uns von Protokoll zu Protokoll bis zur Restauration füh⸗ ren oder, was dasselbe ist, uns den Prinzen von Oranien oder einen seiner Soͤhne zum König aufdringen wolle? Sagte der Ge⸗ sandte Englands nicht noch kürzlich, daß der Prinz von Oranien das einzege Overhaupt sey, welches passend für uns wäre? Wenn wir den Prenzen von Sachsen⸗Koburg waäͤhlen, ehe irgend et was definttio geordnet ist, so wiirden wir selost zu die⸗ sem Plane die Haud bieten. Er würde unr ein rransit torischer Koͤnig seyn. Wir dürfen uns um so weniger übereilen, je mehr man uns zur Eil antreibt. Lassen Sie uns die Eröffnung der Englischen und Frauzösischen Kam⸗ mern abwarten und nur dann erst zur Wahl eines Königs schreiten, wenn die Frage wegen unserer Gränzen definitiv ent⸗ schieden ist.“ Herr Devaux erwiederte dem vorigen Redner, daß eine von ihm aufgestellte irrige Ansicht eine Berichtigung er⸗ fordere. Er habe namlich zwischen dem 22sten Protokoll der Londoner Konferenz und dem Briefe des Lords Ponsonby einen Widerspruch iu Bezug auf die Angelegenheiten Luxemburgs auf⸗ finden wollen. Dieses Protokoll sey aber von den ersten Tagen