Ueberhaupt ist dieser Aufstand der Kandiotischen Ritter viel⸗ leicht eine der intessantesten Erscheinungen fuͤr die Philosophie der Europaͤlschen Staaten⸗Geschichte. Wir finden hier, in der Tiefe des Mittelalters, freilich unter ganz anderen Verhaͤltnissen, die Analogie von Ereignissen wieder, welche in neuerer Zeit un⸗ sere Bewunderung erregt haben, und fuͤr alle Zukunft als Epo⸗ chen der Weltgeschichte gelten werden. So wie sich seit dem letz⸗ ten Viertheil des achtzehnten Jahrhunderts die Kolonien des Ame⸗ rikansschen Kontinents von ihren Europaͤischen Mutterlaͤndern mit mehr oder weniger Gluͤck, losgerissen haben, so versuchten es da⸗ mals, um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts, diese Ritter,
sich der Zuchtruthe einer maͤchtigen Mutterstadt zu entziehen; sie wollt n ihre Unabhaͤngigkeit, ihre eigene Regierung, natuͤrlich nach den Ideen der Zeit und den Beduͤrfnissen der Verhaͤltnisse, die ihnen gegeben waren.
Dies beweißt gleich der erste Schritt, den man that, dem man sich einmal des Herzogs und hatte. Man waͤhlte aus der Mitte der aͤlteren Ritter den Oheim des Tito Gradonico, Marco Gradonico, zum Herzoge und stellte ihm vier der erfahrensten Lehnsleute, Franzesco Mudatio, Marco Fradello, Andrea Panthaleo und VBartholomeo Grimaldi, als Raͤthe zur Seite. Um hierauf zunaͤchst das einheimische Volk
nach⸗
fuͤr diese neue Ordnung der Dinge zu gewinnen, ließ man auf
der ganzen Insel verkuͤndigen, der Lateinische Kultus sey abge⸗ schafft, und in Zukunft werde nur der Griechische Ritus geduldet werden, fuͤr dessen Annahme sich auch bereits der Herzog und seine Raͤthe durch eine oͤffentliche 1 1 hatten. Alle Insignien, welche an die Herrschaft der Republick erinnern mochten, wurden herabgezissen und zerstoͤrt, und so sah man in kurzer Zeit an den oͤffentlichen Gebaͤuden und auf den Panieren der neuen Regierung nicht mehr das Bild des heiligen Markus, sondern den Kopf des heiligen Titus, des Schutzpatrons der Insel und der Familie Gradonico.
Die Nachricht von diesen Vorfaͤllen machte in Venedig einen unbeschreiblichen Eindruck. Auf dergleichen Dinge war die Si⸗ gnorie in keinem Falle gefaßt. Wahrscheinlich konnte man in der Eile nicht einmal sogleich uͤber eine Macht gebieten, welche hinge⸗ reicht haben wuͤrde, die Rebellen mit Gewalt zum Gehorsam zu zwingen. Nothgedrungen beschloß der Senat zuerst eine guͤtliche Ausgleichung zu versuchen. In dieser Absicht wurde unverzuͤglich
ine Botschaft nach Kandia abgesandt, welche die Insurgenten der Gnade und der Verzeihung der Signorie versichern sollte, wenn sie sich dazu verstehen wuͤrden, zur alten Treue zuruͤckzukehren. Sie bestand aus fuͤnf Proveditoren, Andrea Contareno, Pietro Ziani, Francesco Bembo, Giovanni Gradonico und Laurentio Dandolo, lauter Maͤnner von hohem Ansehen und großer Ge⸗ wandheit. Die Insurgenten weigerten sich nicht, diese Botschaft anzunehmen und den Vorschlaͤgen des Senats Gehoͤr zu geben. Man schickte den Gesandten sogar eine Deputation nach der klei— nen Insel Standia entgegen und ließ sie unter sicherem Geleit durch die mit bewaffnetem Volke uͤberfuͤllten Straßen von Kandia nach dem Palast bringen, wo die neue Regierung, inmitten einer Schaar Bewaffneter, ihre Sitzungen hielt. Als diese jedoch ver⸗ nommen hatte, daß der Zweck ihrer Sendung kein anderer sey, als im Namen des Senats die Unterwerfung der Insurgenten zu verlangen, da gab man ihnen stolz zur Anwort: „Man habe die
Waffen ergriffen, um die Freiheit der Insel zu schuͤtzen, und werde
nie dulden, daß der Senot die einmal zugestandenen Privilegien aufhebe oder verletze.“ . r neten, unverletzt, sogleich wieder nach Venedig zuruͤck. Der Se⸗ nat entschied sich hierauf ohne Weiteres fuͤr die Unterwerfung der Insel durch die Waffen.
Waͤhrend man hierzu die Vorbereitungen machte, steigerte ein verungluͤckter Angriff des Venetianischen Geschwaders, welches alljaͤhrlich nach Cypern und 1 die Kuͤstenfestung Settia die Erbitterung der Venetianer und den Muth der Rebellen. Indessen ging die Signorie bei ihren Ruͤ⸗ stungen mit großer Umsicht und Entschiedenheit zu, Werke. Wle Anstifter des Aufruhrs wurden sogleich nach der Ruͤckkehr der Ge⸗ sandten fuͤr vogelfrei erklaͤrt. Um der Insel von außen her alle Zufuhr und Huͤlfe abzuschneiden, schickte der Doge an alle der Republik befreundete Maͤchte Eilboten mit der Bitte ab, daß sie sowohl sich selbst aller und jeder Unterstuͤtzung der Kandiotischen Rebellen enthalten, als auch ihren Unterthanen den Verkehr mit denselben gaͤnzlich untersagen moͤchten. Papst Urban V., damals zu Avignon, Kaiser Karl die Koͤnige von Frankreich, Un⸗ garn und Cypern, die Koͤnigin von Neapel, ja selbst die Republik Genua gingen auf dieses Verlangen ein, und verpoͤnten allen Handel und Verkehr ihrer Unterthanen mit der Insel Kandia bei harten Strafen. Pietro Lusignani, Koͤnig von Cypern, sagte der Sig⸗ norie sogar noch seine persoͤnliche Huͤlfe mit einer Schaar auser⸗ lesener Ritter zu, waͤhrend Papst Urban V. die Rebellen durch einen Hirtenbrief an den Erzbischof von Kandia zur Eintracht und zur Ruͤckkehr zu dem alten Gehorsam ermahnte. Doch aͤn⸗ derte dieß Alles nichts in der entschiedenen Stellung, welche die Insurgenten einmal gegen die Republick angenommen hatten. Die Ermahnungen zur Versoöhnung, welche einige Wenige ver⸗ suchten, blieben ohne Wirkung. Jacopo Mudatio, Bruder des zum Mitgliede des Rathes erwaͤhlten Francesco Mudatio, erschien mit dergleichen Antraͤgen selbst vor der neuen Regierung. Kaum hatte er aber seine Rede, voller Vorwuͤrfe und Schmaͤhungen ge⸗ gen seinen eigenen Bruder, begonnen, als man ihn greifen ließ und mit Gewalt aus dem Sitzungssaale hinauswarf.
seiner Raͤthe versichert
Freierlichkeit foͤrmlich erklaͤrt
Mit dieser Antwork kehrten die Abgeord⸗
Alexandrien abgeschickt wurde, auf
Die Macht, womit die Venetianer diese Hartnaͤckigkeit zu brechen gedachten, bestand aus dreiunddreißig Dreiruderern und
zwolf Lastschiffen, unter dem Oberbefehl des Dominico Michaele,
und einer sehr bedeutenden Landmacht, welche, aus ganz Italien zusammengebracht, unter das Kommando des Veronesers Luchino dal Verme gestellt wurde. Ihm zur Seite standen zwei der ausgezeichnetsten Capitaine der Rupublik, Giovanni Dandolo und Pietro Morosini. Auch wurden der Expedition noch besonders
fuͤnf Proveditoren beigegeben, (Pietro Trevisano, Nicolo Justiniani,
Giovanni Mocenico und die Bruͤder Marco und Boetio Qui⸗ rini) welche üͤber die Insurgenten das gerichtliche Urtheil sprechen und die gebuͤhrenden Strafen verhaͤngen sollten. Sie oekamen zu diesem Zwecke unbeschraͤnkte Vollmacht, und eiserne Strenge
ward als der Grundsatz festgesetzt, nach dem sie verfahren sollten.
Es wurde ihm namentlich anbefohlen, gegen zehn der Ritter, welche als die Urheber des Abfalls betrachtet wurden, ohne Wei⸗ teres die Todesstrafe zu verhaͤngen, und sie, im Falle sie entkom⸗ men sollten, so lange zu verfolgen, rechtigkeit erreicht haben wuͤrde. Au⸗ lordne daß der erste Angriff sogleich auf die Stadt Kandia gemacht wer⸗ den sollte, weil man hoffte, daß nach Unterwerfung des Sitzes der Regierung, sich der uͤbrige Theil der Insel von selbst ergeben e. e Ruͤstungen verzoͤgerten sich durch das ganze Jahr 43603 bindurch. Erst im Fruͤhjahre 1364 ging die Flotte unter, Segel. Am ersten Mai warf sie in dem Hafen von Fraschia Anker, nur siebentausend Schritt westlich von Kandia. Luchino dal Verme
“
bis sie das Schwert der Ge⸗ Auch verordnete der Senat,
1028
setzte sogleich seine Truppen ans Land, und marschirte ohne Auf⸗
enthalt gegen Kandia, waͤhrend Dominico Michele die Stadt von der Seeseite angreifen sollte. Die Insurgenten, hiervon benach⸗ richtigt, zogen mit allen ihren Truppen den Venetianern entgegen und boten ihnen unkluger Weise mit weit unterlegener Macht die Schlacht, unter der Fuͤhrung des Francesco Mudatio. Die ersten verzweifelten Angriffe der Rebellen waren heftig und un⸗ gestuͤm, wurden aber von den dichten Reihen der Venetianischen Truppen mit Muth ausgehalten, und dies entschied natuͤrlich den Sieg fuͤr Luchino dal Verme. Denn gleich der erste Angriff, den er seinerseits machte, noch ehe die Insurgenten ihre Schlachtlinie wieder gebildet hatten, warf sie auseinandrr und noͤthigte sie zu aufgelöster Flucht nach den naͤchsten Gebirgen. In Kandia, welches fast aller Truppen entbloͤßt war, konnte man, nach dieser Niederlage, nicht mehr an Wiederstand denken. Um sich die Gunst der Sieger noch einigermaßen zu gewinnen, befreite man noch vor ihrem Einzuge den Herzog Leonardo Dandolo und seine Raͤthe aus dem Gefaͤngnisse, und oͤffnete selbse die Thore, durch welche, wie es im Chronisten heißt, kurz darauf der Capitain und die Proveditoren der Republik unter dem ruhmreichen und triumphi⸗ renden Paniere des heiligen Marcus ihren Einzug hielten. Allein diese erzwungene Bereitwilligkeit vermochte nicht die Strenge zu mildern, welche die Beschluͤsse der Signorie gegen die Aufruͤhrer diktirt hatte. Schon am 15. Mai fiel, nach kurzem Prozesse, auf Befehl der Proveditoren, das Haupt des Herzogs der Rebel⸗ len, Marco Gradonico, auf der Plattform der Festung unter dem Schwerte des Henkers. Mit ihm zugleich und zwar, auf aus⸗ druͤcklichem Befehl, ihm zu beiden Seiten, wurden zwei der Haupt⸗
anstifter des Abfalls, Marco Fradello und Gabriel del Abbado,
hingerichtet. Als warnendes Beispiel sollten ihre Leichen so, lange auf der Plattform liegen bleiben, bis es die Proveditoren fuͤr gut befinden wuͤrden, sie hinwegnehmen zu lassen. Wer es wagen sollte, eine derselben, offen oder verstohlener Weise, aufzuheben, wurde durch eine besondere Verordnung mit dem Verluste der Hand bedroht. Ihre Guͤter, bewegliche und unbewegliche, wur⸗ den zum Nutzen der Republik eingezogen.
Dies war der Anfang eines furchtbaren Blutgerichtes, wel⸗ ches hierauf mehrere Monate lang, wie ein entsetzliches Verhaͤng⸗ niß, durch die ganze Insel ging. Denn auch Kanea und Rethimo fielen, wie alle uͤbrigen unbedeutenderen Stäaͤdte und Festungen, ohne Schwertstreich in die Haͤnde der Venetianer, und wo die Proveditoren erschienen, da hinterließen sie auf lange Zeit die blutigen Spuren ihres unerbittlichen Urtheils. Ein großer Theil der Ritter kam durch das Schwert des Henkers um; ein ande— rer wurde ausgeknuͤpft; ein dritter mußte die entferntere Theil⸗ nahme an dem Aufstande durch die Verbannung buͤßen. Das Schicksal der ersteren traf auch einen der Hauptanstifter Tito Ve⸗ niero, welcher sich noch vor der Einnahme von Kandia nach Nea— pel begeben sollte, um von hier aus den Genuesern, den Catalo⸗ niern und einigen anderen Staaten im Geheimen die Herrschaft der Insel anzubieten, wenn sie sich dazu verstehen wollten, die Insuͤrgenten gegen die Venetianer zu unterstuͤtzen. Allein seine Antraͤge fanden nirgends Gehoͤr; und als er foölglich unverrichte⸗ ter Sache und ohne Kenntniß der Dinge, welche unterdessen vor⸗ gefallen waren, nach der Insel zuruͤckkehrte, ward er schon im Meere von den Venetianischen Schiffen aufgegriffen, an das zu⸗ naͤchst liegende Ufer geschleppt, und ohne Weiteres enthauptet. Nur Tito Gradonico entkam mit einigen seiner Anhaͤnger nach Rhodos. Desto strenger verfuhr man gegen seine Familie. Alle noch uͤbrigen Glieder derselben wurden, zugleich mit den Resten der Familie Veniero und den Soͤhnen der Ritter, welche zur Todes⸗ strafe verurtheilt worden waren, zur weiteren Verfuͤgung des Se⸗ nats, nach Venedig geschickt. Nur die schwaͤchsten Kinder, kranke Greise und hochschwangere Frauen, welche man den Gefahren einer unmittelbaren Abreise nicht aussetzen konnte, erhielten eine Frist von sieben Monaten. Alle Lehenguͤter der Verbannten so⸗ wohl, wie der Hingerichteten, fielen der Republik anheim. Also endigte dieser ungluͤckselige Aufstand der Venetianischen Ritter im Sommer des Jahres 1304.
In Venedig verursachte die Nachricht von der Niederlage der Rebellen unendlichen Jubel. Nach dreitaͤgigen feierlichen Dank— festen folgten, zur Verherrlichung des Triumphes der Republik, glaͤnzende Festspiele, welchen der Doge und der ganze Senat, der eben anwesende Koͤnig von Cypern, und der gefeierteste Dichter seines Zeitalters, Franzesko Petrarka, beiwohnten. Auch die der Republik befreundeten Maͤchte nahmen Theil an diesem Jubel und
wuͤnschten der Signorie durch offizielle Sendschreiben Gluͤck. Auf
Kandia selbst veranstaltete der neue Herzog, Pietro Morosini,
zum Andenken des Sieges, ein am 10. Mai jedes Jahres wieder⸗
kehrendes Dankfest, welches zuerst durch feierlichen Gottesdienst
in den Kirchen beider Konfessionen und dann durch glaͤnzende Rit⸗ terspiele verherrlichet werden sollte.
Zum erstenmale wurde dieses Dankfest im Jahre 1365 un⸗ ter betruͤbten Umstaͤnden gefeiert. Denn waͤhrend man sich in Kandia dem unfreiwilligen Jubel hingeben sollte, erhob sich in den Bergthaͤlern von Lassiti ein neuer Aufstand, welcher, klein im
Entstehen, bald einen sehr drohenden Charakter annahm. An der
Spitze desselben standen drei Bruͤder aus der Famllie Kalergis, denen sich, auf die erste Nachricht, eine ziemliche Anzahl der fluͤch⸗ tig gewordenen oder verbannten Ritter, vorzuͤglich aus den Fami— lien Veniero und Gradonico, beigesellten. Aufstand das Schicksal aller uͤbrigen. Die Venetianer zogen in der Eile Truppen herbei, schickten abermals Proveditoren nach der Insel, erlitten in mehreren Gefechten bedeutende Verluste, tru⸗ gen am Ende aber doch den Sieg davon, nur mit dem Unterschiede, daß sie diesmal den Sieg nicht sowohl der Ueberlegenheit ihrer Waffen, als der Noth und dem Verrathe ihrer Gegner zu verdan⸗ ken hatten. Denn der damals auf der ganzen Insel herrschende Mangel an Lebensmitteln machte sich auf der von allen Seiten eingeschlossenen Hochebene von Lassiti doppelt fuͤhlbar. Die Be⸗
wohner derselben dachten daher in der Verzweifelung nur an ihre
eigene Rettung, und unterwarfen nicht nur sich selbst den Vene⸗ tianern, sondern lieferten auch die Anstifter des Aufruhrs freiwil⸗ lig in die Haͤnde des Herzogs und der Proveditoren. Die drei Bruͤder Kalergis, zwei Venieri und eine Menge anderer Ritter empfingen den Lohn ihres Abfalls, nach den mit Blut geschriebe⸗ nen Gesetzen der Signorie, unter dem Beile des Henkers.
Auch ihre Anhaͤnger traf diesmal ein harter Richterspruch. Denn in Folge des Aufstandes ließ der Senat nicht nur den Burg— flecken Anapolis den Boden gleich machen, sondern verordnete auch, daß fernerhin die ganze Hochebene Lassiti, in eine Wuͤste verwan⸗ delt, weder von Menschen noch Vieh betreten und bebaut werden solle. Die Bewohner derselben wurden mit Gewalt hinwegge⸗ schleppt, ihre Haͤuser niedergerissen, und Alle, die es wagen wuͤr⸗ den, sortan daselbst zu wohnen, zu saͤen oder ihr Vieh zu weiden, mit dem Verluste eines Fußes und ihrer Frerne bedroht. Also blieb einer der fruchtbarsten Landstriche der nsel ein ganzes Jahr⸗ hundert wuͤste liegen, bis es der Senat fuͤr noͤthig hielt, den An⸗ bau desselben durch eine besondere Verordnung vom 30. Novem⸗
ber 1463 wieder zu gestatten, um von hieraus fuͤr die damals ge⸗
Es hatte auch dieser
gen die Tuͤrken ausgeschickte Flotte den noͤthigen Unterhalt zu be⸗ ziehen. Allein diese Erlaubniß gab, wie es scheint, kurz darauf wieder zu neuen Mißbraͤuchen, neuen Besorgnissen Anlaß. Schon im Jahre 1471 wurden die daselbst neu errichteten Wohnungen abermals dem Boden gleich gemacht, und der Anbau des Landes durch gewisse Beschraͤnkungen erschwert, bis endlich eine Verord⸗ nung vom 11. September 1497 die Benutzung der ganzen Ebene der unmittelbaren Aufsicht und dem Gutduͤnken des Herzogs und seiner Räͤthe unterwarf.
Dauer der Eisenbahnkahrten am 19. August 1841.
Abgang 3 Abgan .“ Zeitdauer gangs von von
Berlin. St. M. Potsdam. M.
Um 6 ½ Uhr Morgens... 8 8 5 1 11 11“
6 .
Morgens..% — 43 . Vormittags’. 41 Vormittags. — 40 2 ½ - Nachmittags „ Nachmittags — 42 - Nachmittags — 40 — — 40 [-
19
Nachmittags Abends... Abends...
Abends...
Abends.. Abends..
St 40 [Um 6 8½ Uhr Morgens. — 42
Meteorologische Beobachtungen.
1811. 19. August.
Morgens “ Nach einmaliger
Abends 6 Uhr. 2 Uhr.
10 Uhe. Beobachtung.
Luftdruck 310,42 8 Par. 3 10,30 Par. 340,24 par. Quellwärme 1. Luftwärme ... + 11,509 R. + 19,2°9 K. +. 11,4° R. Flusswärme 16,0“ R. Thaupunkt 1“ + R. J⸗ 10,3° R. 9,09 R. Bodenwärme 16,5 1 Duustsättigung 83 pCt. 51 pct. 83 pCt. Ausdünstung 0,039“ Rh. 82-8ö“ beiter. heiter. heiter. Niederschlag 0.
Wind NW. NW. NW. Wärmewechsel † 20,1 9 NW. — + 8,90⁰. Tagesmittel: 310,32 Par. + 14,1° hR. + 9,5 °R. 72 pct. NW.
Wolkenzug. .. —
Berliner Börs Den 20. August 1841.
Pr. Cour. DPr. Cour. Brief. Geld. . Seld.
104 ¼ 104 Actien. 101 101 2 Brl. Pots. Eisenb. do. do. Prior. Act. 102⁷ Mgd Lpz. Eisenb. — 109 ½ do. do. Prior. Act. 102 Berl. Anh. Eisenb. do. do. Prior Act. Düss. Elb. Eisenb. do. do. Prior. Act. Rhein. Eisenb.
St. Schuld-Sch. Pr. Engl. Obl. 30. Präm. Sch. der Seebandlung. 80 ¼ — Kurm. Schuldv. 3 ½ 103 102²2 ½ Berl. Stadt-Obl. 4 103 ⁄¼ ]103 ¼ Elluinger do. 3 ½ 100 — 48 102½ 102 ½ 105
124 ½
Danz. do. in Th. Westp. Pfandbr. Grossh. Pos. do. — Ostpr. Pfandbr. 103 ½ — Pomm. do. 103 ½ 102 ¾ Kur- u. Neum. do. 3 ½ 102 2 101 vö
Gold al marco
Friedrichsd'or
Andre Goldmün- zen à 5 Th.
Disconto
Schlesische do.
Auswärtige Börsen. Niederl. wirkl. Schuld 51½. 5 ½ do. 100 ½. Ziusl. —.
Amsterdam, 16. Juli. Kanz. Bill. 25 25. 59 Spau. 18 16. Passive. —. Präm. Sch. öü
Antwerpen, 15. Aug. Zinsl. —. Neue Aul. 18 ½. 18 ¼.
Frankfurt a. M., 17. Aug. Oesterr. 59 Met. 107. 106 ½. 42 98 71, 2 ½ 55 Br. 18 24 ½ Be. Bank-Aect. 1913. 1911. Partial-Obl. —. L0080 zu 500 Fl. 133 ½. 133 ½. Loose zu 100 Fl. —. Preuss. Präm. Sch. 79 ⅞ G. do. 4 9¼ Anl. 102 G. Polu. Loose 73 G. 5 „% Span. Anl. 19 ½. 19 ¼ 2 ½ Holl. 50 126. 50 19. —
Eisenbahn-Actien. St. do. linkes —. Mäünchen-Augsburg —. Dresden 99 ¾ G. Köln-Aachen 99 ½ G.
Hamburg, 18. Aug. Bank-Actien 1580 G. Fngl. Russ. 108.
Petersburg, 13. Aug. Lond. 3 Met. 39 ¼. IHIamb. 34¹ Paris 410. Poln. à Par. 300 Fl. 69. do. 500 Fl. 73. do. 200 Fl. 25 %.
Ausg. —.
Preuss.
Germain —. Versailles rechtes
245 Be.
Ufer —,.
Strassburg - Basel Leipzig-
UÜhnigliche Schauspiele.
Sonnabend, 21. Aug. Im Schauspielhause: Der Ball zu Ellerbrunn, Lustspiel in 3 Abth., von C. Blum. Hierauf: Drei Genre⸗Bilder. 1) Der Spanische Contrebandier und seine Ge⸗ liebte; 2) Der Pyrenaͤische Gebirgssaͤnger und die Bearnerin, und 3) Hans und Grete, ausgefuͤhrt in Dialog, Gesang und Tanz von Hrn. Schneider und Dlle. Polin.
Sonntag, 22. Aug. Im Opernhause: Der Feensee, große Oper in 5 Abth., mit Ballet, Musik von Auber. (Dlle. Gruͤn⸗ baum: Margarethe.)
Preise der Plaͤtze: Ein Platz in den Logen des ersten Ranges 1 Rthlr. 10 Sgr. Ein Platz in den Logen des zweiten Ranges 20 Sgr. Ein Platz in den Parquet⸗Logen 1 Rthlr. I
Im Schauspielhause. Zum erstenmale wiederholt: Die Ka⸗ detten, Lustspiel in 3 Abth., von A. P. Hierauf: Erziehungs⸗ Resultate, Lustspiel in 2 Abth., von C. Blum.
Montag, 23. Aug. Im Schauspielhause: Symphonie von L. v. Beethoven. Hierauf: Iphigenie auf Tauris, Schauspiel in 5 Abth., von Goͤthe. “
Königsstädtisches Theater.
Sonnabend, 21. Aug. (Italienische Opern⸗Vorstellung. I Puritani. Opera in 3 Atti. Musica del Maestro Cav. Vincenz0 Bellini.
Preise der Plaͤtze: Ein Platz in der Orchester⸗Loge 1 Rthlr. 10 Sgr. Ein Platz in den Logen und im Balkon des ersten Ranges 1 Rthlr. u. s. w.
9 Leyeblcher, in und Deutscher Sprache, sind im Billet⸗Verkaufs⸗Buͤreau und Abends an der Kasse à 5 Sgr.
u haben.
z 22. Aug. Der Talisman, Posse mit Gesang in
3 Akten, von J. Nestroy. (Herr und Mad. Beckmann werden,
von ihrer Urlaubsreise zuruͤckgekehrt, hierin wieder auftreten.) Montag, 23. Aug. (Italienische Opern⸗Vorstellung.) I)Ajo
nell' imbarazzo. (Der Hofmeister in Verlegenheit.) Opera buͤffa
in 2 Atti. Musica del Maestro Gaetano Donizetti.
111““ 8 ““ 4 Verantwortlicher Redacteur Dr. J. W. Zi
Zeitdauer
ist vollkommen den in Nieder⸗Schlesien
1 a 888 nagh
FPFandtags-Angelegenheiten. “ Provinz Schlesien.
Denkschrift zu dem in Nr. 225 der St. 3. gegebenen Landtags⸗ Abschiede.
Denkschrift des Ministers des Innern zu der Petition der Schle⸗ sischen Provinzial⸗Staͤnde in Betreff des Verfah⸗ rens bei Feststellung der Abloͤsbarkeit der auf erb⸗ lichen Dreschgaͤrtner-Stellen in Nieder⸗Schlesien haftenden Handdienste.
rch die Allerhoͤchste Kabinets⸗Ordre vom 1. August 1835 sind aler drc. ees Ihehten erhobenen Zweifel daruͤber: ob die auf Dreschg rtner⸗Stellen in Schlesten haftenden Hand⸗ dienste nur auf Grund gegenseitiger. Einwilligung oder auch auf einseitige Antraͤge abgeloͤst werden koͤnnen? auf die von den Staͤnden angegebene Weise, naͤmlich dahin er⸗
die Abloͤsbarkeit der auf Dreschgaͤrtner⸗Stellen haftenden Handdienste davon abhaͤngt, ob jene als Acker⸗Nahrungen anzu⸗ sehen oder nicht? 1“
und bei Beantwortung dieser Frage sind in Schlesiten, mit Aus⸗
nahme des zum Bezirk der Ober⸗Schlesischen Landschaft gehoͤrigen
Theils, eben so wie in Preußen, Pommern und den Marken, die
Bestimmungen der Allerhoͤchsten Declaration vom 29. Mai 1816
maßgebend. 1 .
In derselben ist zwar im Art. 4. als eines der Merkmale einer
baͤuerlichen Stelle angegeben, daß ihre Hauptbestimmung sey, ihren Inhaber als selbststaͤndigen Ackerwirth zu ernaͤhren; der Begriff einer Ackernahrung jedoch erst im Art. 5, und zwar eigentlich nur negativ, im Gegensatz einer Dienst⸗Familienstelle, durch die Bestimmung festgestellt: daß eine Stelle nur dann zur Klasse der Dienst⸗Etablissements gehoͤre, wenn der Besitzer nur zu Handdiensten pflichtig sey, bis her zur Bewirthschaftung derselben kein Zugvieh gehalten habe und solches auch zur Bewirthschaftung nicht erforderlich sey.
Da diese drei negativen Eigenschaften neben einander erfordert werden, so genuͤgt der Mangel einer derselben, namentlich also auch der Umstand allein,
daß zur Bewirthschaftung der Stelle Zugvieh erforderlich ist, - um die Annahme, daß selbige ein Dienst⸗Etablissement sey, aus⸗ zuschließen. Des Umstandes, ob die Stelle einer ganzen Familie hinlaͤngliches Auskommen gewaͤhrt, ist dabei eben so wenig gedacht, wie des Umstandes, ob das erforderliche Zugvieh aus der Stelle selbst ernaͤhrt werden kann; noch weniger aber ist angeordnet oder auch nur angedeutet,
daß eine Stelle, zu deren Bewirthschaftung Zugvieh erforderlich
ist, dessenungeachtet als Dienst⸗Familienstelle angesehen werden
solle, wenn sie nicht gleichzeitig dem Besitzer und seiner Familie
hinlaͤngliches Auskommen außer dem fuͤr das Zugvieh noͤthigen
Futter gewaͤhrt.
Waͤre aber fuͤr Faͤlle dieser Art, die nicht bloß vorkommen koͤn⸗ nen, sondern wirklich nicht selten vorkommen, eine Beschraͤnkung des Begriffs der Acker⸗Nahrungen und in Folge dessen der Abloͤs⸗ barkeit der auf solchen Stellen haftenden Handdienste beabsichtigt, so haͤtte dies ausdruͤcklich ausgesprochen werden muͤssen, und da solches nicht geschehen ist, auch sonst nichts vorliegt, was eine solche Annahme irgend begruͤnden koͤnnte, vielmehr hiernach die Hinlaͤng⸗ lichkeit des Ertrages zum Auskommen der Familie des Besitzers und zur Ernaͤhrung des Zugviehs als ein irrelevanter Umstand an⸗ zusehen ist, so bedarf derselbe auch keiner Eroͤrterung. Die dieser⸗ halb von der General⸗Kommission zu Breslau, mit Bezug auf An⸗ weisungen des Ministeriums des Innern, unter dem 22. August 1832 und 18. Juni 1839 erlassenen Instructionen erscheinen daher voll⸗ kommen gerechtfertigt, die dagegen von den Schlesischen Provinzial⸗ Staͤnden erhobenen Bedenken aber unbegruͤndet.
Auch die Anweisung, “
daß in Gegenden, wo es gewoͤhnlich ist, Kuͤhe als Zugvieh zu ge⸗
brauchen, diese bei der Gespannhaltung beruͤcksichtigt werden sollen, zur Anwendung kommenden gesetzlichen Vorschriften entsprechend. 1“
In der Declaration vom 29. Mai 1816 ist naͤmlich nur vom Zugvieh ohne irgend eine Beschraͤnkung die Rede und nichts ent⸗ halten, woraus gefolgert werden koͤnnte,
daß darunter nur Pferde und Zugochsen gemeint gewesen, ungeachtet es schon damals sehr wohl bekannt war, daß es Gegenden uns Provinzen giebt, in denen nicht blos die meisten baͤuerlichen Wirthe, selbst die Spanndienstpflichtigen, sondern sogar die Be⸗ sitzer groͤßerer Guͤter die Kuͤhe als Zugvieh benutzen.
Unter diesen Umstaͤnden koͤnnen nur die Lokal⸗Verhaͤltnisse dar⸗ uͤber entscheiden, ob Kuͤhe, die zur Anspannung benutzt werden, als Zugvieh anzusehen sind oder nicht, und die desfallsige Anweisung ist nichts weiter, als eine aus der Anwendynng der allgemeinsten Rechts⸗ und Auslegungs⸗Regeln von selbst hervorgehende Folgerung.
Der von mir erlassenen Anordnung aber, 1 daß bei Streitigkeiten sowohl daruͤber, ob zur Bewirthschaftung einer bestimmten Stelle Zugvieh erforderlich,
als daruͤber, ob die bisher zur Anspannung benutzten Thierarten ortsuͤblich und im gewoͤhnlichen Sprachgebrauch als Zugthiere gelten koͤnnen, das schiedsrichterliche Verfahren eingeleitet werde, liegt die Ruͤcksicht zum Grunde, daß Fragen dieser Art nur unter genauer Beruͤcksichtigung aller obwaltenden Verhaͤltnisse beantwortet werden koͤnnen und daher recht eigentlich zu den nach §. 31 der Ver⸗ ordnung vom 30. Juni 1834 zum schiedsrichterlichen Verfahren ge⸗ eigneten Gegenstaͤnden gehoͤren, welche besser von verstaͤndigen, der Oekonomie kundigen Maͤnnern an Ort und Stelle, nach eingenom menem Augenschein, entschieden werden koͤnnen, als von entfernt woh⸗ nenden Behoͤrden. 1“
Die zugezogenen Schiedsrichter haben nun zwar, wie sich nicht in Abrede stellen laͤßt, in den vorgekommenen einzelnen Faͤllen mehr⸗ fach sehr verschiedenartige Ausspruͤche gethan, welche vielleicht nicht uͤberall durch wirkliche Verschiedenartigkeit der Verhaͤltnisse und Um⸗ staͤnde motivirt seyn moͤgen; indeß kann daraus, wie auch des Kod nigs Majestaͤt bereits bei Gelegenheit einer Spezial⸗Beschwerde aner⸗ kannt haben, die Unangemessenheit dieses Verfahrens im Allgemeinen nicht gefolgert werden. Einzelne Mißgriffe lassen sich bei keiner menschlichen Einrichtung vollstaäͤndig verhuͤten, und schon der Um stand, daß bisher in Schlesien, wie in den meisten Provinzen, das wohlthaͤtige Institut der Schiedsrichter zu wenig gewuͤrdigt und be⸗ nutzt wurde und die Feststellung des Begriffs der Ackernahrung bis⸗ her nur in der Hand der Auseinandersetzungs⸗Behoͤrde und ihrer Kom⸗ missarien lag, macht es sehr erklaͤrlich, wenn die desfallsigen Ansich⸗ ten der Landwirthe, aus denen die Schiedsrichter gewaͤhlt werden, nicht augenblicklich zur Reife gelangt und die ersten Entscheidungen hin und wieder mangelhaft ausgefallen sind; theilweise hat dazu auch wohl die mangelhafte Stellung der Fragen beigetragen.
Der Wiederholung dieses letzteren Uebelstandes glaube ich genuͤ⸗ gend vorgebeugt zu haben, und die haͤufigere Zuziehung der Schieds⸗ richter, der damit verbundene Austausch der Ideen und die Bekannt⸗ werdung wohl motivirter Entscheidungen wird, wie sich mit Zuver⸗ sicht hoffen laͤßt, wesentlich zur Berichtigung irriger und schwanken⸗ der Ideen beitragen und bald um so sicherer zu angemessenen und konsequenten schiedsrichterlichen Ausspruͤchen fuͤhren, je mehr sich die
1“
—
Preußischen Staats⸗Zeitung
Parteien auch ihrerseits bestreben, nur die verstaͤndigsten und vorur⸗ theilsfreisten Männer zu Schiedsrichtern zu waͤhlen.
Hierauf moͤglichst hinzuwirken, ist den Behoͤrden zur Pflicht ge⸗ macht; auch sind bereits mehrere recht gut motivirte Entscheidungen zu meiner Kenntniß gelangt, und hoffentlich duͤrfte bald die Ueber⸗ zeugung Platz greifen, daß der eingeschlagene Weg nicht blos der einfachste, kuͤrzeste, am wenigsten kostspielige, sondern auch uͤberhaupt der geeignetste ist und dadurch den geruͤgten Uebelstaͤnden besser vor⸗ gebengt werden wird, wie solches durch legislative Maßregeln oder auf andere Weise geschehen koͤnnte.
So lange naämlich nicht alle Dienste, in aͤhnlicher Art, wie sol⸗ ches in der Abloͤsungs⸗Ordnung vom 13. Juli 1829 fuͤr einen Theil der Monarchie geschehen, fuͤr abloͤsbar erklaͤrt werden, sondern die in der Abloͤsungs⸗Ordnung vom 7. Juni 1821 angeordnete Beschraͤn⸗ kung uͤberhaupt beibehalten wird, kann auch in dem Wesen der letz⸗ teren nicht fuͤglich eine Veraͤnderung getroffen werden, ohne denje⸗ nigen zenranbete Veranlassung zur Beschwerde zu geben, deren Verhaͤltniß dadurch alterirt und denen dadurch eine ihnen durch das Gesetz, ohne Bestimmung einer Frist, zur Ausuͤbung eingeraͤumte Befugniß wieder entzogen werden wuͤrde. — Es wuͤrde daher im⸗ mer die Unterscheidung zwischen Acker⸗Nahrungen und Dienst⸗Fa⸗ milienstellen beibehalten werden muͤssen und nur davon die Rede seyn koͤnnen, auf welche Weise desfallsige Zweifel am angemessen⸗ sten zu erledigen waͤren. Der Antrag der Staͤnde ist auch nur auf desfallsige naͤhere Bestimmungen gerichtet; indeß ergiebt sich bei naͤherer Pruͤfung bald, daß eine ganz genaue, jeden Zweifel und je⸗ des Schwanken ausschließende Feststellung unmoͤglich ist und jeder desfallsige Versuch die Zweifel und Bedenken eher vermehrt als vermindert.
Mag das Wesen der Acker⸗Nahrung nur darin,
daß zur Bewirthschaftung der betreffenden Stelle Zugvieh noͤthig, oder zugleich darin,
daß solche auch hinlaͤngliches Futter liefert und einer ganzen Fa⸗
milie auskoͤmmliche Suübsistenz gewaͤhrt, oder in irgend etwas Anderes gesetzt werden: immer ergeben sich Fragen, welche nicht nach allgemeinen, unter allen Umstaͤnden passenden und anwendbaren Normen beantwortet werden koͤnnen, sondern deren Beantwortung hauptsaͤchlich von den im einzelnen konkreten Fall obwaltenden Verhaͤltnissen abhaͤngt, und diese sind so mannigfaltig, daß sie sich gar nicht im voraus uͤbersehen, noch weniger ünter gewisse Regeln dringen lassen.
Die Majoritaͤt der Staͤnde hat zwar darauf angetragen:
auch in Nieder-Schlesien, wie in Ober⸗Schlesten, den Umfang und die Qualitaͤt des Grundbesitzes entscheiden zu lassen, indeß steht diesem Antrage, abgesehen von dem Widerspruch einer sehr bedeutenden Minoritaͤt, und namentlich des ganzen Standes der Landgemeinden, abgesehen ferner davon, daß auch die fuͤr Ober⸗ Schlesien ergangene Verordnung vom 13. Juli 1827,
wonach nur ein Besitzstand von 25 Morgen mittlerer Bodenklasse,
oder einem entsprechenden Quanto in anderen Klassen, die Regu⸗
lirungs⸗Faͤhigkeit begruͤndet,
in der praktischen Anwendung schwankend ist, da fast Alles davon ab⸗ haͤngt, welche Bodenklasse als Mittelklasse angesehen und welches Ver⸗ haͤltniß bei der Reduction anderer Klassen auf dieselbe zum Grunde gelegt wird, der erhebliche Umstand entgegen, daß aus gleicher Quan⸗ titaͤt und Qualitaͤt des Besitzstandes keinesweges ein gleiches Beduͤrf⸗ niß in Beziehung auf Spann Viehhaltung, noch weniger die Gleich⸗ heit des Futtergewinnes oder gar des Geld⸗Ertrages folgt, und daß so wenig in der einen als in der anderen Beziehung ein uͤberall pas⸗ sender Normalsatz aufgestellt werden kann.
Nicht blos die Art der Bewirthschaftung, die Lage und die Ver⸗ haͤltnisse des Orts und der Umgegend, sondern auch die Persoͤnlich⸗ keit, Lebensweise und Vermoͤgens⸗Lage des Besitzers und andere aͤhn⸗ liche Umstaͤnde uͤben den entschiedensten Einfluß und fuͤhren, bei glei⸗ cher Groͤße und Beschaffenheit des Grundbesitzes, zu den ungleichsten Resultaten.
Bei Erlaß der Verordnung vom 13. Juli 1827 ist zwar hierauf nicht Ruͤcksicht genommen, indeß hat dadurch auch die Abloͤsungs⸗ Ordnung nicht deklarirt, sondern in der That abgeaͤndert werden sol⸗ len, und diese Abaͤnderung beruht, wie im Eingang ausdruͤcklich be⸗ merkt ist, auf ganz speziellen Gruͤnden, namentlich den eigenthuͤmli⸗ chen und abweichenden Rechts⸗Verhaͤltnissen der kleinen Rustikal⸗ Besitzer in Ober-Schlesien, der dort allgemein vorhandenen Gelegen⸗ heit zur Benutzung des Spann⸗Viehes und der Schwierigkeit, die Dienste der Gaͤrtner durch gedungene Arbeiter zu ersetzen.
Diese Gruͤnde passen auf Nieder⸗Schlesien uͤberall nicht, wo die groͤßte Mannigfaltigkeit der Verhaͤltnisse stattfindet, große Flaͤchen von Aeckern und Wiesen mit Waldgegenden, gewerbreicher Verkehr mit ausschließlicher Beschraͤnkung auf den Landbau, die Naͤhe großer Staͤdte, Fluͤsse und Chausseen mit voͤlliger Isolirung in den viel⸗ fachsten Abstufungen wechseln; wo der Ertrag und Werth der laͤnd⸗ lichen Grundstuͤcke so verschieden ist, daß z. B. in den naͤchsten Doͤr⸗ fern bei Breslau der Morgen guten Bodens in der Regel eben so hoch bezahlt wird, wie ein ganzer Bauerhof in manchen entlegenen Theilen der Provinz.
Gerade hier wuͤrde es daher am wenigsten angemessen seyn, die Abloͤsbarkeit der Dienste lediglich von der Quantitaͤt und Qualitaͤt der zur verpflichteten Stelle gehoͤrigen Grundstuͤcke abhaͤngig zu ma⸗ chen und dafuͤr ein bestimmtes, in der ganzen Provinz zur Anwen⸗ dung kommendes Maß festzusetzen. Selbst eine distriktsweise Feststel⸗ lung von Normalsaͤtzen, in aͤhnlicher Art, wie sie nach der Abloͤsungs⸗ Ordnung vom 13. Juli 1829 stattgefunden, um die Graͤnze zu be⸗ stimmen, uͤber welche hinaus der Verpflichtete zu einer Land⸗Abtre⸗ tung nicht gezwungen werden kann, wuͤrde den dortigen Verhaͤltnis⸗ sen nicht entsprechen. Selbst wenn — wie jedenfalls geschehen muͤßte — eine sehr große Zahl von Distrikten gebildet und fuͤr jeden der⸗ selben ein besonderer Normalsatz bestimmt wuͤrde, duͤrften, bei der großen Mannigfaltigkeit der Verhaͤltnisse, immer noch sehr viele ein⸗ zelne Faͤlle vorkommen, in denen der in dem betreffenden Distrikt zur Anwendung kommende Normalsatz den Lokal⸗Verhaͤltnissen keineswe⸗ ges entspraͤche, und mithin die Folge eintreten, daß Dienste abloͤsbar wuͤrden, die es gegenwaͤrtig nicht sind, und umgekehrt.
Es duͤrften also auch dadurch die Beschwerden nicht erledigt werden, waͤhrend sich deren Beseitigung in Folge der angeordneten, mit den bestehenden gesetzlichen Vorschriften uͤberall im Einklang stehenden und zugleich zur Abkuͤrzung der Verhandlungen, so wie zur Verminderung der Kosten, wesentlich beitragenden Maßregeln mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten laͤßt.
Unter diesen Umstaͤnden kann es nicht fuͤr angemessen erachtet werden, 111““
dem Antrage der Schlesischen Provinzial⸗-Staͤnde Folge zu geben.
Berlin, den 19. Juli 1841. (gez. von Rochow]
Provinz Posen.
Denkschrift zu dem in Nr. 226 der St. 3. gegebenen Abschiede.
Denkschrift
uͤber den Zustand der Rechtspflege in der Provinz Posen und uͤber die von dem Landtage in Antrag ge⸗
brachte Erweiterug der Kompetenz der dortigen Land⸗ und Stadt⸗Gerichte. Vor der Reorganisation der Justiz⸗Behoͤrden im Jahre 1835 wurde in der Provinz Posen die Rechtspflege verwaltet von:
1) 7 Land⸗Gerichten, ) ein jedes derselben erstreckte sich uͤber 4 bis 5 landraͤthliche
andta g
Kreise mit 160 bis 200,000 Einwohnern, einem jeden Land⸗ gerichte waren 5 bis 6 Friedensgerichte untergeordnet, 2) 2 Hypotheken⸗Deputationen uͤber adliche Guͤter, welche mit
den Landgerichten zu Posen und Bromberg verbunden waren, 3) 4 großen Inquisitoriaten, und “ 4) von dem Ober⸗Appellationsgericht zu Posen,
aus 2 Senaten bestehend.
Den Friedensgerichten waren: die Bagatell⸗Sachen, Possesso⸗ rien⸗Prozesse bei staͤdtischen und baͤuerlichen Grundstuͤcken, Iniu⸗ rien⸗Prozesse, Holz⸗Defraudationen und in Kriminal⸗Untersuchungs⸗ sachen die Feststellung des Thatbestandes und Verhaftung des Ver⸗ brechers, die Vormundschafts⸗ und Nachlaßsachen bis zu 200 Tha⸗ lern und endlich die Ausuͤbung der freiwilligen Gerichtsbarkeit uͤber Gegenstaͤnde bis zu 200 Thaler, die Auf⸗ und Annahme von letzt⸗ 9, Verordnungen und einseitigen Handlungen unter Leben⸗ igen;
den beiden Hypotheken ⸗Deputationen die Fuͤhrung des Hypothekenbuchs uͤber saͤmmtliche adliche Guͤter, den Inquisi⸗ toriaten die Fuͤhrung der fiskalischen und Kriminal⸗Untersuchun⸗ gen uͤberwiesen.
Alle uͤbrigen Rechts⸗Angelegenheiten der Civil⸗ und Kriminal⸗ Gerichtbarkeit mit Einschluß des Erkenntnisses 1ster Instanz gehoͤr⸗ ten zum Ressort der Landgerichte. 8 scc b5 Ober⸗Appellationsgerichte stand das Recht der Ober⸗Auf⸗
icht zu.
Der 1ste Senat des Ober⸗Appellationsgerichts erkannte in 2ter; der 2te Senat desselben in letzter Instanz. Die Amts⸗Geschaͤfte dieser Behoͤrden hatten im Laufe der Zeit dergestalt zugenommen, daß die Friedens⸗ und die Landgerichte die ihnen obliegenden Ar⸗ beiten zu uͤberwaͤltigen nicht im Stande blieben; der Zustand der Rechtspflege verschlimmerte sich von Jahr zu Jahr, bis zu einem bedenklichen Maße, und von allen Seiten her wurden Klagen laut.
Des hochseligen Koͤnigs Majestaͤt fanden sich dadurch zu einer gruͤndlichen Reform des Justizwesens im Großherzogthum Posen ver⸗ anlaßt. Die Verordnung vom 16. Juni 1834 uͤber die Einrichtung der dortigen Justiz⸗Behoͤrden wurde erlassen und mit großen Opfern fuͤr die Staaskassen, aber mit eben so großer Umsicht ins Leben gerufen. .
In Folge derselben wird gegenwaͤrtig die Justiz statt der Friedens⸗ und Landgerichte:
von 30 kollegialisch gebildeten Land⸗ und Stadgerich⸗ ten verwaltet, b
an 33 Orten werden Gerichtstage gehalten, die Geschaͤfte der Inguisitoriate bis auf das zu Posen sind auf die Land⸗ und Stadt⸗ gerichte uͤbergegangen. 8
Die beiden Ober⸗Landesgerichte haben mit Ruͤcksicht auf das Ressort der beiden landschaftlichen Directionen die Fuͤhrung des Hy⸗ pothekenbuchs uͤber die Domainen und Ritterguͤter, alle auf dieselben sich beziehenden und damit in Verbindung stehenden Rechts⸗Angele⸗ genheiten, Prozesse, Vormundschaften und Nachlaß⸗Negulirungen,
außerdem aber alle wichtigeren Angelegenheiten, die Prozesse uͤber
persoͤnliche Verbindlichkeiten, deren Gegenstand 500 Rthlr., die Vor⸗ mundschaften und Nachlaßsachen, wenn der Nachlaß 2500 Rthlr. und bei obwaltender Guͤter⸗Gemeinschaft 5000 Rthlr. uͤbersteigt, die Abfassung der Erkenntnisse in Kriminalsachen
in wichtigeren Faͤllen in 1ster Instanz,
in minder wichtigen (deren Entscheidung in 1ster Instanz den Land⸗
und Stadtgerichten zusteht) in 2ter Instanz, “ Oberaufsicht uͤber die Land⸗ und Stadtgerichte zugetheilt erhalten.
Das Ober⸗Appellationsgericht erkennt in 2ter Instanz in allen Civilsachen und in den Kriminalsachen, in denen die Ober⸗Landesg richte in 1ster Instanz erkannt haben.
Das Geheime Ober⸗Tribunal entscheidet auf die Rechts⸗ mittel der Reviston und der Nichtigkeits⸗Beschwerde.
Diese neue Organisation der Gerichte hat den davon gehegten Erwartungen vollkommen ensprochen, der gegenwaͤrtige Zustand der Rechtspflege laͤßt kaum etwas zu wuͤnschen uͤbrig, saͤmmtliche Ge⸗ richts⸗Behoͤrden erfuͤllen die Pflichten ihres Berufs mit regem Dienst eifer, großem Geschick und ruͤhmlichem Fleiß; der ganze Geschaͤfts Betrieb ist fast durchgehends musterhaft. Keine Klage uͤber mangel⸗ hafte Justiz⸗Einrichtungen hat sich seitdem vernehmen lassen.
Dieses gluͤcklichen Erfolges ungeachtet bringt der Landtag nach eben erst abgelaufenen 6 Jahren neue Veraͤnderungen in Antrag.
Es wird gewuͤnscht, den Land⸗ und Stadtgerichten:
1) die Civil⸗Prozesse bis 4000 Rthlr.,
2) alle Todes⸗, Bloͤdsinnigkeits⸗ und Prodigalitaͤts⸗Erklaͤrungen, insofern kein Rittergut zum Vermoͤgen des Provokaten gehoͤrt, und
3) gleichen Beschraͤnkungen alle Vormundschaften zu uͤber⸗ ragen.
Nach diesen Antraͤgen wuͤrden von den beiden Ober⸗Landesgerich⸗ ten die jetzt bei denselben anhaͤngigen
400 Prozesse uͤber Objekte von 500 Rthlr. bis 4000 Rthlr.,
welche bei den Ober⸗Landesgerichten als persoͤnlicher Gerichts⸗ stand verhandelt werden, 18
9 Vormundschaften,
1 Nachlaß⸗Regulirung,
12 Bloͤdsinnigkeits⸗Prozesse,
41 Prodigalitats⸗Prozeß und
78 Todeserklaͤrungen auf die Land⸗ und Stadtgerichte uͤbergehen. v Ddiesen Antraͤgen steht entgegen, daß diese Ressort⸗Veraͤnderung eine nicht unerhebliche Verminderung des Geschaͤftskreises der Ober⸗ Landesgerichte und konsequenterweise eine Verminderung des Arbeits⸗ Personals bei denselben zur Folge haben wuͤrde, ohne allgemeine Vor⸗ theile dadurch zu erreichen.
Wenn es einzelnen Stadt⸗ und Landbewohnern bequem erscheinen mag, einen wichtigeren Prozeß in ihrer Naͤhe verhandelt zu sehen, so wuͤrden durch die Gewaͤhrung des Antrages andererseits die Besitzer von Ritterguͤtern, die in allen Real⸗Angelegenheiten bei den Ober Landesgerichten Recht nehmen muͤssen, nicht blos in den minder wich⸗ tigen, sondern auch in den wichtigeren persoͤnlichen Rechtsstreitigkei ten den Land⸗ und Stadtgerichten uͤberwiesen, alle Gerichts⸗Einge⸗ sessenen aber in der Freiheit ihrer Wahl unter der groͤßeren Zahl der bei den Ober⸗Landesgerichten angestellten Justiz⸗Kommissarien be⸗ schraͤnkt werden.
Dazu kommt, daß nach einer uralten Sitte die meisten wohlha⸗ benden Einwohner der Provinz und alle Geschaͤftsleute sich zu be⸗ stimmten Zeiten des Jahres in Posen und Bromberg einfinden, und daß hier alle wichtigeren Geschaͤfte abgeschlossen und erfuͤllt werden. Wuͤrde der Antrag des Landtags gewaͤhrt, so wuͤrden die Kontrahen⸗ ten ihre Gegner oft bei entfernten Land⸗ und Stadtgerichten belangen muͤssen und doch auch, wenn sich der Verpflichtete in Posen oder Bromberg betreffen laͤßt, vor den Land⸗ und Staͤdtgerichten dieser Sb Orte als Gerichtsstand des geschlossenen Kontrakts belangen oͤnnen.
Der Theilungs⸗Grundsatz von 500 Rthlr. entspricht genau den gesetzlichen Vorschriften uͤber das Rechtsmittel der Revision und dem angeordneten Instanzenzuge. Die bei den Ober⸗Landesgerichten ange⸗ stellten Justiz⸗Kommissarien wuͤrden endlich durch eine solche Veräan⸗ derung einen Theil der Mittel zu ihrer Subsistenz verlieren.
Es ist, im Allgemeinen betrachtet, ein offenbarer Vorzug fuͤr die Bewohner der Provinz Posen, daß alle wichtigeren Prozesse, Vormund⸗ schaften und Nachlaß⸗Regulirungen bei den Ober⸗Landesgerichten konzentrirt sind und dort ihre angemessene Behandlung finden.
1 . des uͦ saandes erleichtern die beiden
Bei Untersuchungen des Gemuͤthszus d geschickt großen Provinzial⸗Staͤdte die Zuztebung erfahrener un geschickter
Sachverstaͤndigen. Prodigalitaͤts⸗Prozesse kommen uͤberhaupt nur selten vor.