1841 / 232 p. 3 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

liberale Partei, die diesen Minister durch ihren Einfluß vor zwei Jahren in der Provinz Luxemburg, wo derselbe bedeutende Eisen⸗ Fabriken besitzt, zum Senator ernennen ließ, indem sie ihn als einen tuͤchtigen und mit den industriellen Interessen wohl ver⸗ trauten Kandidaten ruͤhmte. Mit einiger Konsequenz haͤtte man doch jetzt wenigstens einraͤumen muͤssen, daß Herr de Briey besser den auswaͤrtigen Angelegenheiten als den Finanzen vorstehen wird, da der Minister der auswaͤrtigen Angelegenheiten auch den Han⸗ del in seinem Departement hat, und die Handels⸗Angelegenheiten vorlaͤufig wenigstens die Hauptbeschaͤftigung fuͤr dieses Ministe⸗ rium bilden werden. Was den Austritt des Herrn de Muele⸗ naere betrifft, so hat man freilich nicht unterlassen, densel⸗ ben mit der an der Tagesordnung stehenden Frage in Verbindung zu bringen, indem man behauptet, daß die⸗ ser Minister, personlich einer Zollvereinigung mit

zugeneigt, wegen des Widerstandes, den diese Idee

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Belohnung oder Strafe stattfinden, und dem Gefangenen ein Theil des Erwerbes zur Disposition stehen und ein Theil dem Huͤlfsverein zur Aufbewahrung gegeben werden. Durch die Ge⸗ setze soll zum voraus bestimmt werden, unter welchen Umstaͤnden Begnadigung und theilweiser Erlaß der Strafe stattfinden kann. Der Bau soll nach dem panoptischen Plane stattfinden, allein so, die Aufsicht mehr auf die Arbeitssaͤle gerichtet sey als auf die Zellen.“

Hamburg, 19. Aug. (Boͤrsen⸗Halle.) Heute ist ein Mann beerdigt worden, der unter den musikalischen Kuͤnstlern Europa's schon seit langer Zeit einen der ersten Plaͤtze eingenommen hatte und dem in Bezug auf das Instrument seiner Wahl, das

Violoncell, allgemein der Vorrang vor Allen zuerkannt worden ist.

Frankreich Es ist Bernhard Romberg, der am 13ten d. M. im 73sten Jahre bei seines Alters hier an der Brustwassersucht starb.

Sein Tod wird

seinen Kollegen gefunden, das Kabinet verlassen habe. Franzoͤsische in allen Europaͤischen Laͤndern viele Theilnahme finden, denn fast

Blaͤtter, wahrscheinlich um uns glauben zu machen, daß die Regierung selbst einer solchen Vereinigung zugethan sey, haben, wie haͤufig, die Sache wieder auf den Kopf gestellt, indem sie Herrn de Mue⸗ lenagere als Gegner dieser Verbindung auftreten lassen. Die er⸗ stere Vermuthung schreibt sich vielleicht daher, daß der austre⸗ tende Minister Gouverneur von West⸗Flandern ist, einer Provinz, die, wenn gleich ihre Provinzial⸗Staͤnde kein Gesuch um einen Handels⸗ Vertrag mit Frankreich an das Ministerium gestellt haben, doch dabei bedeutend wegen des Leinwand⸗Handels gewinnen wuͤrde. Sollte aber wirklich auch im Kabinette einige Meinungs⸗Verschie⸗ denheit uͤber diesen Punkt obgewaltet haben, so ist sie doch jeden⸗ falls nicht der Art gewesen, daß sie den Austritt eines Mitgliedes motivirt haͤtte. Der Hauptbeweggrund ist der, welchen wir an⸗ gegeben haben. Denn man bemerke wohl, daß Herr Graf de Muelenaere berathendes Mitglied des Kabinets bleibt, an allen Beschließungen, und also auch an der Verantwortlichkeit Theil nimmt, nur aber, seiner Gesundheit wegen, der Last der wirklich exekutiven Functionen uͤberhoben ist.

Die Handelsfrage beschaͤftigt noch immer die oͤffentliche Auf⸗

alle bedeutenden Staͤdte unseres Welttheils hat er auf seinen Kunstreisen besucht und durch sein Spiel begeistert

- Oesterreich.

Prag, 15. Aug. Die Normal⸗Verordnung fuͤr die Israeli⸗ ten in Boͤhmen vom Jahre 1797 hat durch eine neuerliche Ent⸗ schließung Sr. Majestaͤt des Kaisers mehrere Aenderungen erfah⸗ ren, die ein neuer Beweis der Humanitaͤt unserer Regierung sind. Zuvorderst die Kultur der Israliten beruͤcksichtigend, wird angeord⸗ net, daß die Jugend da, wo keine vorschriftsmaͤßig organisirten juͤdischen Schulen bestehen, zum Besuche der christlichen Schulen anzuhalten sey. In Absicht auf den Religions⸗Unterricht sey es vor Allem noͤthig, zu diesem Behufe vollkommen geeignete Rab⸗ biner zu bilden, und es ist daruͤber ein genau motivirter Bericht der Landes⸗Behoͤrde verlangt, ob nicht eine aͤhnliche mosaisch⸗theo⸗ logische Lehr-Anstalt, wie sie in Padua besteht, auch fuͤr Boͤhmen zu errichten waͤre, woruͤber die Vorsteher der juͤdischen Ge— meinden zu vernehmen seyen. Der Gehalt fuͤr die Rab⸗

biner sey von nun an nach Maßgabe der Seelen, die

merksamkeit und ist wenigstens in der Hinsicht um einen Schritt jeder in seinem Sprengel hat, und nach den Orts⸗Verhaͤltnissen

weiter gebracht, daß man ziemlich allgemein von einer Zoll⸗Ver⸗ einigung mit Frankreich zuruͤckgekommen ist. Daß wir uns in V den die Franzöͤsischen Blaͤtter bei dieser Angelegenheit leitenden

Motiven nicht geirrt haben, beweist der letzte Artikel des Jour⸗ nal des Débats, welcher manches fuͤr Frankreich sehr zu be— herzigende enthaͤlt, aber unumwunden die politische Seite der Handels⸗Verbindungs⸗Frage in den Vordergrund stellt und offen erklaͤrt, daß eine Zoll⸗Vereinigung mit Belgien eine auf fried⸗ lichem Wege unternommene Reaction der Friedens⸗Vertraͤge von 1815, d. h. mit andern Worten eine unter der Zoll⸗Vereinigung maskirte politische Vereinigung Belgiens mit Frankreich sey. Was soll man aber einem Journale antworten, welches immer wieder von neuem das Beispiel des Eintritts von Bayern, Wuͤrttemberg, Ba⸗ den u. s. w. in den Preußischen oder besser Deutschen Zollverein anfuͤhrt, um ein gleiches von Seiten Frankreichs in Bezug auf Belgien geltend zu machen? Das Verhaͤltniß ist doch gerade das umgekehrte. Denn, wie wir schon fruͤher bemerkten, dort bildet eine schon bestehende politische Bundesvereinigung das Prinzip und den Ausgangspunkt zu einer Handelsvereinigung als einer der natuͤrlichen weiteren Konsequenzen, hier hingegen will man bei einer Handelsvereinigung die politische in Kauf obendrein er⸗ halten. . 1 Unsere Artikel sind hier theilweise Gegenstand der Diskussion in densenigen Blaͤttern geworden, welche eine vollstaͤndige Zoll⸗ Vereinigung mit Frankreich verfechten. Man hat diese Artikel

sogar aus offizieller Quelle ableiten und mit vorgegebenen diplo⸗

matischen Verhandlungen und Vorstellungen in Verbindung brin⸗

gen wollen; daß diese Vermuthungen ganz grundlos sind, brauchen

wir nicht weiter zu bemerken. Wir haben diese Lage aus einem

ganz unabhaͤngigen und das wahrhafte politische wie kommerzielle

Interesse Belgiens vor Augen behaltenden Gesichtspunkt betrach⸗

tet. Unser naͤchster Artikel wird sich etwas ausfuͤhrlicher mit den

Mitteln beschaͤftigen, die Belgien, nach unserer Ansicht, zu ergrei⸗ V fen oder auszudehnen hat, um seine industrielle Lage zu verbessern.

Deutsche Bundesstaaten. Hannover, 16. Aug. Die vom Verein fuͤr inlaͤndische Pferdezucht eingefuͤhrten jaͤhrlichen Wettrennen begannen auf der

Rennbahn bei Celle am vorigen Mittwoch, Mittags 12 Uhr, nach⸗ bleiben sie jedoch wie bisher ausgeschlossen.

dem in den Vormittags⸗Stunden die jaͤhrliche Thierschau nebst der Vertheilung der Praͤmien stattgefunden hat.

Kassel, 17. Aug. (Kass. Z.) Versammlung der V Staͤnde. Sitzung vom 11. Aug. Es erfolgte die Berathung

des von Herrn Rebelthau erstatteten Berichts des Rechtspflege⸗ Ausschusses uͤber den Antrag des Herrn Schantz, das Ersuchen um Vorlegung eines Amnestie⸗Gesetzes betreffend. Im Berichte wird aus der Begruͤndung des Antrags hervorgehoben, daß, waͤh⸗ rend in den Nachbarstaaten die polischen Umtriebe der Vergessen⸗ heit uͤbergeben seyen, noch ein rechtlicher und ausgezeichneter Mann (Prof. Jordan) aus bloßem Verdachte einer Mitwissenschaft bei jenen Umtrieben bei uns im Untersuchungs⸗Gefaͤngnisse schmachte; mit ihm theilten noch manche andere ein gleiches Schicksal, und mehrere seyen bereits verurtheilt worden. (Das Resultat dieses Antrags wird in der Kass. Z. noch nicht mitgetheilt.)

Frankfurt a. M., 8. August. Die hier als Extrabeilage

zum Frankfurter Journal erscheinenden „Mitth eilungen aus den Protokollen der gesetzgebenden Versammlung der freien Stadt

Frankfurt“ enthalten in ihren beiden letzten Nummern einige in⸗ vom 11. August: So liefert Nr. 13 uns die Ansichten uͤber

teressante Vortraͤge. Poͤnitentiarsysteme, welche Hr. Geh. Hofrath Dr. Stiebel aus dem reichen Vorrath seiner Belesenheit in der Commission uͤber das Gefaͤngnißwesen mitgetheilt hat. Nach ausfuͤhrlicher Erörterung des Gegenstandes faßt derselbe die Resultate zusammen, unter denendie

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des Rabbinats zu bemessen, und der hoͤchsten Hof⸗Behoͤrde zur Bestaͤtigung vorzulegen. Unbeschraͤnkt durch die fruͤhere Verord⸗ nung, welche die Heiraths-Bewilligung fuͤr Israeliten an den Besitz einer sogenannten Familien⸗Matrik, oder an den Betrieb der Landwirthschaft oder eines zuͤnftigen Gewerbes band, ist nun⸗ mehr den Rabbinern oder gepruͤften Schullehrern sich zu verehe— lichen gestattet, mit dem Beisatze jedoch, daß durch eine solche Heirath keine bleibende Familienstelle gegruͤndet werde, somit ihre Soͤhne nur dann auf eine gleiche Beguͤnstigung Anspruch machen koͤnnen, wenn sie dem Berufe ihres Vaters im Rabbinat folgen, oder gepruͤfte Schullehrer sind. Die buͤrgerlichen Verhaͤltnisse der Israeliten betreffend, ist fuͤr jene, die nicht als Erstgeborene oder Aelteste in die Familienstelle, die ihr Vater besessen, eintreten koͤn⸗ nen, die Heiraths⸗Bewilligung auf Grundlage eines Gewerbs⸗ betriebs nur auf solche Beschaͤftigungen beschraͤnkt, die bereits im Jahre 1797 zuͤnftig waren, und findet die Ausdehnung dieser Be⸗ guͤnstigung auf jene Israeliten, welche damals schon frei gewesene Beschaͤftigungen betreiben, nicht statt. Das bestehende Verbot, welches fuͤr Israͤeliten den Ankauf von Christen⸗Haͤusern unter⸗ sagt, hat zwar als Regel zu gelten, jedoch geruhten Se. Majestaͤt der Kaiser Ihre Bereitwilligkeit zu erklaͤren, denjenigen Ifraeliten, welche sich im Gebiete der Industrie, der Gewerbe und der Wis⸗ senschaften auszeichnen, oder sonst Verdienste um den Staat er⸗ werben, den Ankauf und Besitz von Christen Haͤusern ausnahms⸗ weise, gegen von Fall zu Fall einzuholende Allerhoͤchste Bewilli⸗ gung, zu gestatten. Als aufgehoben wird dagegen die fruͤhere Beschraͤnkung erklaͤrt, welche bisher selbst den israelitischen Groß⸗ haͤndlern und Fabrikanten in Prag das Wohnen in gewissen Straßen und auf einigen Plaͤtzen untersagte. Vom Ankaufe und

der Pachtung unterthaͤniger Gruͤnde bleiben die Israeliten zwar

noch ferner ausgeschlossen, jedoch wird ihnen von nun an der An— kauf und Besitz von obrigkeitlichen und staͤdtischen Kommunal⸗ Grundstuͤcken, mit dem Befugnisse, sich die noͤthigen Haͤuser da— selbst aufzufuͤhren, gegen die Verpflichtung erlaubt, daß sie die Grundstuͤcke mit eigenen Haͤnden oder durch andere Israeliten bearbeiten; nur in der Saat- und Aerndtezeit ist ihnen gestattet, sich hierbei christlicher Huͤlfs⸗Arbeiter zu bedienen. Von der Pach— tung der Mahlmuͤhlen und dem Betriebe des Apotheker⸗Gewerbes Ob uͤbrigens die in Prag bestehende Israliten-Gemeinde als besondere Corporation aufzulbsen und die sogenannte Judenstadt als ein integrirender Theil der Stadt Prag zu behandeln, die Domestikal-Kasse der ersteren einzuziehen und der Kosten-Aufwand fuͤr die oͤffentlichen Straßen⸗Anstalten aus der staͤdtischen Kasse zu bestreiten, und an selbe die von den Israeliten bisher zu diesem Behufe geleisteten Beitraͤge einzuzahlen seyen, daruͤber wurde die Aeußerung des Prager Magistrats verlangt. Die bisherige Taxe von 50 Fl. fuͤr die Aufstellung der Thora in neuerbauten Syna⸗ gogen wird nachgesehen, und auch die in der Juden⸗Ordnung vom Jahre 1797 ausgesprochene Außerlandschaffung aufgehoben, welche fuͤr gewisse Vergehungen gegen jenes Patent ausgesprochen war, und sollen fuͤr die dort bezeichneten Uebertretungsfaͤlle andere Strafen eingefuͤhrt werden. Eben so hat die fruͤhere Bestimmung eines von den Israeliten zu entrichtenden Abfahrtsgeldes von 20 pCt. aufzuhdren und sind die Israeliten in Auswanderungs⸗ Faͤllen auf gleichem Fuße mit den christlichen Unterthanen zu be⸗ handeln.

Der Bote fuͤr Tyrol meldet aus Innsbruck „Als eine meteorologische Merkwuͤrdigkeit ver⸗

Tyrol.

dient angefuͤhrt zu werden, daß wir gestern hier ein Gewitter, V

oder vielmehr eine Reihenfolge von Gewittern hatten, welche ohne Unterbrechung durch beinahe eilf Stunden, von 4 Uhr Morgens bis nahe an 3 Uhr Namittags, andauerten. Dabei regnete es die ganze Zeit hindurch sehr heftig, waͤhrend auf den Hochgebirgen

nachfolgenden uns die erheblichsten scheinen: Hr. Stiebel „haͤlt nur ein Schnee siel, der die Temperatuͤr bis zur Empfindlichkeit herab⸗

solches System fuͤr zweckmaͤßig, welches die Besserung nicht bloß durch Unterdruͤckung und Einschuͤchterung, sondern durch Ent⸗ wicklung, Hoffnung und Staͤrkung erreicht. Es muß ein Huͤlfs⸗ Verein bestehen, ohne welchen die Besserung nicht möglich ist. Die Untersuchungs⸗Gefangenen möoͤssen getrennt seyn und die moͤg⸗ lichste Freiheit haben. Die einsame Einsperrung ist trotz ihrer Nachtheile (in mehreren naͤher bestimmten Faͤllen) nothwendig. Trennung der Geschlechter, der Jungen und Alten, ist zur Ver⸗ huͤtuug der Ansteckung nothwendig. Nachts soll in jeder Zelle nur Einer seyn. Die eigentlich dem Besserungs⸗System unter⸗ worfenen Gefangenen sollen am Tage gemeinschaftlich arbeiten, gemeinschaftlichen moralisch⸗religibsen und industriellen Unter⸗ richt genießen, waͤhrend der dogmatisch⸗confessionelle in der, Zelle gegeben wird. Es sollen verschledene Klassen⸗Abtheilungen fuͤr die Gefangenen seyn. Der Gefangene kann, je nach seiner Auffuͤh⸗ rung, seiner Fuͤgung unter die Gesetze, von einer niederen zu. einer höheren steigen oder zur Strafe zuruͤckversetzt werden. Es soll

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druͤckte, obwohl dieselbe am vorher gegangenen Tage durch den anhaltend wehenden Sirocco auf 24 Grade im Schatten, Nach⸗ mittags um 4 Uhr, gehoben worden war. Das Gewitter war in manchen Momenten sehr heftig, so daß der Blitz an zwei oder drei kirchlichen Gebaͤuden herabgefahren seyn soll, jedoch ohne auf⸗ fallende Spuren zu hinterlassen.“ (Eine aͤhnliche Erscheinung zeigte sich am naͤmlichen Tage in Wien von 5 Uhr Nachmittags bis gegen 9 Uhr Abends.)

3 Madrid, 8. Aug. Die Besorgniß, daß in Folge der dekretirten Reduzirung des Garde⸗Corps unruhige Auftritte statt⸗ finden moͤchten, ist bisher nicht in Erfuͤllung gegangen, obgleich man aus verschiedenen in der Stille getroffenen Maßregeln schlie⸗ ßen kann, daß jene Besorgnisse höͤheren Orts getheilt wurden. Die gaͤnzliche Auflösung der Garde du Corps, die seit Philipp V. den

Dienst zunaͤchst der Person des Souverains verrichtete, hat na⸗

mentlich bei dem schoͤnen Geschlechte, dessen Urtheil hier mehr als irgendwo von Gewicht ist, großes Mißfallen erregt, und zwar, um jeder falschen Auslegung meiner Worte vorzubeugen, weil auch der Souverain dem schoͤnen Geschlecht angehoͤrt, und dieses es in der Ordnung findet, daß eine Koͤnigin durch wohlerzogene junge Edel⸗ leute von Offiziers⸗Rang und nicht durch schmutzige, grobe und steinalte Sergeanten umgeben und begleitet sey. Der Regent denkt ver⸗ muthlich, daß die Koͤnigin doch etwas vor ihm voraus haben muͤsse, und da er selbst, wenn er oͤffentlich erscheint, stets von 50 Mann glaͤnzender Kavallerie eskortirt wird, so kann es aller⸗ dings fuͤr eine Auszeichnung gelten, daß die Koͤnigin fortan von keinem anderen Geleite, als der Treue ihres Volkes umgeben, die Mauern ihres Palastes verlassen soll. Vorgestern Abend hieß es, die Garde du Corps wuͤrde den Palast verlassen, und eine Menge Volks, meist dem schwachen Geschlecht angehoͤrend, hatte sich vor demselben versammelt, um abzuwarten, ob dieses ange⸗ kuͤndigte Ereigniß wirklich stattfinden werde. Allein man wurde getaͤuscht; bis heute hat die Garde du Corps die Koͤnigin auf ihren Spazierfahrten nach wie vor begleitet. 8

Ein ganz neues Schauspiel fuͤr die Bewohner der Hauptstadt ist aber das Wegfallen der Hofdamen, welche sonst die der Koͤ⸗ niglichen Kutsche folgende Karosse einnahmen. Da saͤmmtliche Ehrendamen der Koͤnigin ihre Entlassung eingereicht haben und Herr Arguülles bei der neuen Organisation des Hofstaates sich bisher in dem Kreise seiner Freunde, die in der That fast alle dem ehrenwerthen Junggesellenstande angehoͤren, vergeblich nach Da⸗ men umsah, durch welche er die entstandenen Luͤcken haͤtte aus⸗ fuͤllen koͤnnen, so befahl er, daß jedesmal zwei Kammerherren in einem offenen Wagen der Kutsche, in welcher die Koͤnigin faͤhrt, folgen sollen. Herr Arguölles, sonst von constitutionellen Grund⸗ saͤtzen begeistert, hat doch fuͤr gut befunden, im Innern des Pa⸗ lastes als unumschraͤnkter Herrscher aufzutreten. Als er sich neulich zu der Koͤnigin begeben wollte, bat ihn der im Vorzimmer verweilende dienstthuende Kammerherr, einen Augenblick zu ver⸗ ziehen, damit er ihn anmelden koͤnne; allein Herr Arguülles er⸗ klaͤrte ihm, er beduͤrfe keiner Anmeldung und trat ungemeldet vor die Koͤnigin, die, ihn nicht sogleich erkennend, eine Art von Ueber⸗ raschung gehabt haben soll. Der vorlaute Kammerherr erhielt am folgende Tage seine Entlassung zugeschickt. Auch der Chef der Koͤniglichen Garderobe, ein alter treuer Diener Ferdinand's N nb. ist durch den neuen Vormund seiner Stelle entsetzt worden.

Uebrigens sorgt dieser mit dem loͤblichsten Eifer dafuͤr, daß das Privat⸗Vermoͤgen seiner erlauchten Muͤndel keine Einbuße erleide. Seiner Anordnung gemaͤß, werden der Koͤnigin monat⸗ lich 25 Piaster Taschengeld gereicht, uͤber deren Verwendung sie ihrem Lehrer schriftlich Rechnung abzulegen hat. Da die Koͤni⸗ gin bei ihren Spazierfahrten haͤufig um Almosen angesprochen wird, so erhaͤlt sie durch diese ihr bewilligten Geldmittel natuͤrlich die Gelegenheit, ihre Freigebigkeit auf eine wahrhaft Koͤnigliche Weise an den Tag zu legen. Auch die bisherigen Leibaͤrzte der Koͤnigin haben ihre Verabschiedung erhalten, und der Privat⸗Arzt des Regenten soll an ihre Stelle treten. Wuͤrden Sie glauben, daß der Parteigeist so weit geht, dieses anstoͤßig zu finden, als ob es bedenklich waͤre, die Pflege der Gesundheit der Koͤnigin einem Manne anzuvertrauen, der in den engsten Verhaͤltnissen zu dem Regenten des Reichs steht?

Herr Arguülles hat seinen Busenfreund, den Senateur He⸗ ros, zum Intendanten des Koͤniglichen Palastes ernannt, und ihm dadurch das hoͤchste Amt des Koͤniglichen Haushaltes uͤbertragen Der Art. 43 der Constitution verfuͤgt ausdruͤcklich, daß ein Se⸗ nateur, der eine Stelle im Koͤniglichen Haushalt annimmt sich einer neuen Wahl zu unterziehen habe, und der Art. 97 des Wahl⸗Gesetzes schreibt vor, daß die hoͤchsten Beamten des Koͤ⸗ niglichen Haushaltes weder Senatoren noch Deputirte seyn koͤn⸗ nen. Dennoch hat der Senat entschieden, Herr Heros solle Se⸗ nateur bleiben, selbst ohne einer neuen Wahl unterworfen zu seyn.

Der General und Senateur Don Francisco Narvaez (fruͤ⸗ herhin Kriegs⸗Minister) hat von Paris aus an den Senat eine Schrift eingeschickt, in der er auf etwas derbe Weise gegen den Beschluß proͤtestirt, durch welchen die Koͤnigin Christine der Vor⸗ mundschaft entsetzt wird. Hieruͤber geriethen die progressistischen Senatoren in solche Erbitterung, daß sie foͤrmlich darauf antru⸗ gen, jenen General vom Senat auszuschließen, „weil er Theil an den Plaͤnen habe, die jenseits der Pyrenaͤen gegen die Spanische Freiheit geschmiedet wuͤrden.“ Das Gegenstuͤck zu diesen Be⸗ schluͤssen liesert der Kongreß. Der durchgepruͤgelte Frai Gerun— dio hatte den Deputirten Prim bei dem Gerichte verklagt, und dieses vom Kongresse die Erlaubniß verlangt, den Schuldigen ver⸗ haften zu duͤrfen. Die Mehrheit des Kongresses ist aber der An⸗ sicht, diese Erlaubniß sey nicht zu ertheilen, da dem gepruͤgelten Satiriker nur sein Recht widerfahren sey. „Was wuͤrde“, rief der Graf de las Navas gestern aus, „der Cid, was wuͤrde Gonsalvo de Cordova sagen, wenn sie hoͤrten, daß die Spanischen Cortes sich uͤber die Stockschlaͤge berathschlagen, die auf den Ruͤcken ei⸗ nes elenden Feiglings gefallen sind?“

Auch der Regent selbst hat sein Recht nicht finden koͤnnen. Ein hiesiges Blatt hatte den biographischen Artikel „Espartero“ aus dem Franzoͤsischen Journal „la Presse“ uͤbersetzt aufgenom⸗ men, und mit boshaften Anmerkungen begleitet. Der Regent ließ den Artikel als Injurie denunziren, allein die Geschwornen erklaͤrten das Blatt einstimmig fuͤr unschuldig. Welche Folge⸗ rung fuͤr den Regenten? ö“

Türkei.

Smyrna, 30. Juli. (Smyrn. Bl.) Ein entsetzliches Ungluͤck hat die Stadt Smyrna betroffen und 20,000 ihrer Be⸗ wohner in Trauer und Roth versetzt. Eine furchtbare Feuers⸗ brunst, wie sich Niemand hier einer solchen zu erinnern weiß, hat in dem Zeitraume von etwa 18 Stunden die Haͤlfte der Stadt in Asche gelegt und mehr als 20,000 Personen vollig zu Grunde gerichtet. Das Feuer brach am 28. Juli gegen Mitternacht in einem Kaffeehause des Basars der Goldschmiede aus. Zwei Stun⸗ den darauf nahm die Feuersbrunst eine Strecke von einer halben Meile ein und ergriff Hunderte von Haͤusern gleichzeitig. Der heftige Wind trieb die Flammen mit unglaublicher Wuth gegen verschiedene Quartiere der oberen Stadt und machte alle mensch⸗ liche Huͤlfe unnuͤtz. Das Feuer drang wie ein wuͤthender Berg⸗ strom, dem kein Hinderniß, kein Damm entgegensteht, vorwaͤrts Die Lage, das Alter und die fehlerhafte Bauart der Haͤuser, die dort dicht zusammengedraͤngt sind, die unertraͤgliche Hitze, der Wassermangel an mehreren Punkten, der Wind, kurz Alles schien sich zu vereinigen, um das Ungluͤck vollstaͤndig zu machen. 8 Ein Drittel der Tuͤrken⸗Stadt, das Juden⸗Viertel, mehrere Basars, wie der des Getraides, der Goldschmiede, Schuhmacher Sattler, Zuckerbaͤcker, Troͤdler, Droguisten u. s. w., eine große Anzahl Moscheen, sieben Synagogen und 9000 bis 10,000 Haͤu⸗ ser sind in Asche verwandelt und bilden nur furchtbare Haufen von noch rauchenden Truͤmmern. 8

Mehrere Personen sind bei dieser entsetzlichen Katastrophe ums Leben gekommen; man kennt zwar die Anzahl derselben

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littene Verlust laͤßt sich noch nicht berechnen, betraͤgt indeß gewiß ere Millionen. B 22* ersten Nachricht von dem Ungluͤcke sandte der Oe⸗ rreichische Admiral, Baron von Bandiera, sogleich ein Detasche⸗ 200 bis 300 Mann von der Fregatte „Venere“, der Korvette „Lipsia“ und der Goelette „Aurora“ ans Land, wo es, so lange die Gefahr waͤhrte, bestaͤndig abgeloͤst wurde. Es ist, un⸗ moͤglich sich einen Begriff zu machen von dem bewundernswuͤrdi⸗ gen, bis zum Heroismus gesteigerten Benehmen der Oesterreichi⸗ schen Seeleute. Commandeure, Offiziere, Unteroffiziere, Matrosen und Soldaten, Alle haben sich ausgezeichnet, Alle ihr Leben stun⸗ denlang muthig aufs Spiel gesetzt, Alle haben sich gleiche Anspruͤche auf die Dankbarkeit unserer Stadt erworben, denn ihnen allein ist die Rettung des noch uͤbrig gebliebenen Theiles zuzuschreiben. Der Admiral selbst gab das Beispiel der Hingebung, indem er sich mehrmals auf den Schauplatz der Feuersbrust ver⸗ fuͤgte. Die Franzöoͤsische Brigg „Alcibiades,“ die am Mittwoch unter Segel gehen mußte, um einem Franzosischen Handels⸗Fahr⸗ zeuge, welches sich am Nord⸗Ende der großen Insel Vurla in gro⸗ ßer Gefahr befand, Beistand zu leisten, beeilte sich, nach Smyrna zuruͤckzukehren, wo sie noch bei Zeiten ankam, um ihre Spritze und einen Theil ihrer Mannschaft ans Land zu schicken. Diese Huͤlfe war nicht ohne Nutzen, denn da das Feuer gestern Abend mit einer gewissen Heftigkeit wieder ausbrach, so trugen die Fran⸗ zoͤsischen Seeleute sehr viel dazu bei, dasselbe zu daͤmpfen. Auch dies Franzoͤsische Detaschement wurde alle vier

loͤst, bis alle Gefahr voruͤber war.“ 8

Aegypten.

Alexandrien, 27. Juli. (L. A. Z.) Oberst Napier's Auf⸗ trag beschaͤftigt jetzt alle Gemuͤther. Wie ich schon fruͤher mit⸗ theilte, sandte dieser Offizier, als er keine Antwort mehr von Meh⸗ med Ali erhalten konnte und einsah, daß alle guͤtlichen Verhand⸗ lungen erfolglos seyn wuͤrden, ein Dampfschiff nach Malta ab, im neue Befehle einzuholen. Diese Befehle ließen nicht auf sich vwarten; gestern gingen zwei Englische Linienschiffe auf der hiesigen

Rhede vor Anker; zwei andere werden ihnen folgen; der Commo⸗ dore begiebt sich heute in das Palais, um die Losgebung der Sy⸗

er zu fordern. Noch kennt man den Erfolg nicht, glaubt aber, daß er guͤnstig seyn werde, da der Commodore Befehl haben soll, im Weigerungsfalle zu handeln. Nachschrift. Der Englische Commodore ist aus dem Palais zuruͤckgekehrt und soll eine ab— schlaͤgige Antwort erhalten haben. Mehmed Ali weigert sich, wie man sagt, die Syrier loszugeben, weil er jetzt, nach dem Abschlusse des Friedens, nur vom Sultan Befehle zu empfangen habe und nur einem Ferman aus Konstantinopel gehorchen werde. So eben wird die Ankunft der beiden noch erwarteten Englischen Li— nienschiffe signalisirt.

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Magdeburg, 19. Aug. Das Direktorium der Magde⸗ burg⸗Leipziger Eisenbahn hat nachstehende Bekanntmachung uͤber einen gestern eingetretenen Unfall erlassen:

„Ein schweres Ungluͤck hat uns betroffen! Gestern Abend gegen 9 Uhr sind 2 Lokomotiven, wovon die eine den von Schoͤnebeck kom⸗ menden Abendzug fuͤhrte, die andere, eine Huͤlfs⸗Maschine, demselben von dem Bahnhofe bei Buckau her entgegengefahren war, in der Nahe von Fermersleben auf einander gestoßen. Durch diesen Zusam menstoß sind außer dem Vorsitzenden des unterzeichneten Direkto riums, Herrn Stadtrath Cuny, welcher auf der Maschine des Abend zuges stand, fuͤnf von unseren Beamten schwer beschaͤdigt und da von drei, ein Lokomotiven⸗Fuͤhrer, ein Feuermann und ein Schaffner, in Folge der erhaltenen Verletzungen mit Tode abgegangen. Aüßer⸗ dem sind einige Passagiere, jedoch zum Gluͤck nicht gefaͤhrlich, beschaͤdigt. Die Veranlassung dieses traurigen Ereignisses liegt, so weit sich bis jetzt hat ermitteln lassen, darin, daß ein Bahnwaͤrter aus einem, vielleicht durch den dichten Nebel des gestrigen Abends herbeigefuͤhrten Versehen, das zum Herbeirufen einer Huͤlfs⸗Maschine bestimmte Signal in der Richtung hierher gegeben hat, worauf die auf dem Bahnhofe von Buckau be reit stehende Huͤlfs-Maschine dem Zuge, welcher einer Huͤlfe gar nicht bedurfte und dieselbe daher auch nicht erwarten konnte, entgegenge

fahren ist.“

Naumburg, 17. Aug. Nachtraͤglich zu dem in Nr. 225 enthaltenen Berichte uͤber den Hagelschaden in den be— nachbarten Ortschaften des Querfurter Kreises muß noch bemerkt werden, daß nach den von den Behoͤrden angestellten Besichtigun⸗ gen in zwoͤlf Ortschaften und in der Flur der Stadt Freiburg dieser Hagelschaden kein partieller, sondern ein fotaler gewesen ist. Die Feldfruͤchte sind durchaus vernichtet, der Verlust fuͤr die Land⸗ leute ist außerordentlich.

Die Insel Kandia unter der Herrschaft der Venetianer. Hi·i stor ische Frazmnente.

(Vergl. St. Ztg. Nr. 222, 228, 230 u. 231.)

Ohnmacht und fortdauernde Gaͤhrung. Einfaͤlle Os⸗

manischer Freibeuter. Barbarossa greift die Insel

an. Haͤndel mit der Pforte. Giacomo Foscarini. Schluß.

Wir haben nicht noͤthig, den Zustand der Insel Kandia nach den zwei zuletzt erzaͤhlten Aufstaͤnden naͤher zu schildern. Mit etwas Phantasie kann sich leicht Jeder selbst das traurige Bild eines Landes entwerfen, welches, eins der reichsten und von der Natur begluͤcktesten der Erde, damals der Sammelplatz alles menschlichen Elends, ein furchtbares Denkmal des im Kampfe seiner eigenen Leidenschaften untergehenden Menschengeschlechts geworden war. Wuͤst liegende Felder, verodete Thaͤler, zerstoͤrte Staͤdte und Burgen, ausgestorbene Doͤrfer und Weiler, uͤberall noch die blutige Mahnung an das Ungluͤck der letzten Jahre, Pest und Hungersnoth, eine nur spaͤrlich zerstreute Bevoͤlkerung voll Mißtrauen, Entmuthigung, Verzweifelung, und uͤber ihr das eiserne Schwerdt der bis zum Ingrimm gereizten Signorie, wel⸗ ches jeden Augenblick herabzustuͤrzen drohete, um dieses verhaßte Geschlecht lieber bis zu den letzten Spuren seines Daseyns aus⸗ zutilgen; das sind die Hauptzuͤge jenes Bildes, dessen Ausfuͤh⸗ rung wir dem Wohlgefallen und der Geschicklichkeit des denken⸗ den Beschauers uͤberlassen.

Wir treten jetzt in die Periode der Ruhe, einer furchtbaren Ruhe, ein. Venedig fing an, die spaͤrlichen Fruͤchte eines Werkes zu genießen, woran es zwei Jahrhunderte gearbeitet hatte. Um nur erst die ucheorber und herrenlosen Guͤter wieder nach und nach durch eine der Republik ergebene Bevolkerung zu be⸗

bne 8

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Stunden abge⸗

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leben und nutzbar zu machen, ließ die Signorie, die ihr durch den Untergang ihrer ehemaligen Besitzer zugefallenen Ritterlehen zu Venedig selbst oͤffentlich an die Meistbietenden versteigern. Diese Versteigerung, welche wenig Theilnahme gefunden zu ha⸗ ben scheint, begann im Jahre 1367 und zog sich mehrere Jahre hindurch bis zum Jahre 1371. Ein neuer Eidschwur, welcher, nach Aufhebung der alten von dem Dogen Pietro Ziani (1211) gegebenen Capitulation, die gesammte Ritterschaft von Kandia zur Treue und zum Gehorsam gegen die Republik verpflichtete, war schon vorher, im Maͤrz 1366 verordnet worden. Zehn Jahre nach der Ankunft der neuen Ritter erhielt Kandia einen aber⸗ maligen Zuwachs der Bevoͤlkerung durch die Bewohner des auf Befehl des Senats geschleiften Kastels von Tenedos, welche saͤmmt⸗ lich nach Kandia verpflanzt und in einem eigenen Quartiere vor den Thoren der Hauptstadt angesiedelt wurden. Auch zogen von anderen Seiten her, bei dauernder Ruhe, bald neue Koloni⸗ sten ein, welche zur Belebung des Landes durch Anbau, Handel und Verkehr nicht wenig beitrugen.

Es waͤre vielleicht selbst ein gewisser Wohlstand möglich ge⸗ wesen, wenn man sich von den Schlaͤgen der fruͤheren Jahre schnel⸗ ler haͤtte wieder erholen koͤnnen, und das Mißtrauen der Repu— blik uͤberhaupt menschlicher Thaͤtigkeit, im Genusse unendlicher Mittel, eine freiere Entwickelung gestattet haͤtte. Die Signorie wußte aber wohl, daß sie sich den Besitz der Insel nicht hier⸗ durch, sondern nur durch jenes auf unerschuͤtterliche Grundsaͤtze gestuͤtzte und in seinen Formen streng ausgebildete System der Verwaltung sichern koͤnne, welches, bei scheinbarer aͤußerer Frei⸗ heit, die Geister in Fesseln schlug, und in seiner Unbeweglichkeit den Stuͤrmen aller Zeiten trotz bieten wollte. Venedig taͤuschte sich nicht. Es kannte sein unnatuͤrliches Verhaͤltniß zu Kandia, aber es war ein Verhaͤltniß der Nothwendigkeit, jener eisernen Nothwendigkeit welche, wie eine undurchdringliche Scheidewand, die Herrscher fuͤr immer von den Beherrschten trennte, und folg— lich die Bedingungen der unvermeidlichen Aufloͤsung vom An—- fange an in sich selbst trug.;. Schon im Laufe des funfzehnten Jahrhunderts trat in Kandia jener merkwuͤrdige Zustand ein, welcher spaͤter das Erbtheil der Republik Venedig uͤberhaupt ge⸗ worden ist, und welchen Soranzo so treffend mit dem sterbenden Loͤwen verglichen hat, in dessen Maͤhne noch die Maͤuse spielen, Denn waͤhrend die Herrschaft Venedigs auf Kandia offenbar schon jetzt der Ohnmacht und der Erschoͤpfung entgegen ging, fehlte es fast zu keiner Zeit an wiederholten Versuchen der Eingebornen, sich von diesem Joche frei zu machen. Sie beschraͤnkten sich aber meistens auf verfehlte Plane ohne festen Zweck und hinlaͤngliche Mittel, nichtige Vorbereitungen, und oft selbst blos eitele Wuͤnsche.

Von Volks⸗Aufstaͤnden, wie in fruͤherer Zeit, war jetzt frei⸗ lich nicht die Rede; der Unmuth aͤußerte sich aber in vereinzelten ohnmaͤchtigen Volks⸗Bewegungen und, was die Kandiotischen Zu⸗ staͤnde um damalige Zeit am besten zu charakterisiren scheint, in Verschwoͤrungen unter ihrer gehaͤssigsten Gestalt. So hatte z. B. ein angesehener Grieche in Rethimo, Vlasto mit Namen, im Jahre 1453 den teuflischen Plan entworfen, alle Venetianischen Beam⸗ ten und die angesehensten Ritter auf der ganzen Insel an einem Tage und zu derselben Stunde zu ermorden, und dann einen aus⸗ heimischen Fuͤrsten, wahrscheinlich aus der schon vertriebenen Fa⸗ milie der Palaͤologen, herbeizurusen, der die Herrschaft von Kan⸗ dia uͤbernehmen sollte. Der Plan fand Beifall, die Verschwore⸗ nen mehrten sich mit jedem Tage, und schon dachte man an die Ausfuͤhrung des verwegenen Schlages, als zwei der Mitverschwo⸗ renen, ein Priester und ein Jude, den Herzog, damals Bernardo Victurio, davon in Kenntniß setzten. Die Verschworenen wur⸗ den, auf diese Anzeige hin, mit leichter Muͤhe aufgehoben, in Fes⸗ seln geschlagen und ohne Weiteres hingerichtet. Die Verraͤther belohnte der Senat mit Ehren und eintraͤglichen Guͤtern.

Schon diese einzige Thatsache beweist zur Genuͤge, auf wel⸗ chem Grunde damals die Herrschaft der Venetianer auf Kandia beruhte. Sollte sie uͤberhaupt noch dauern, so war ihr vielleicht eben von Außen ein heftiger Anstoß noͤthig, der ihr dann auch von innen heraus neue Kraft und Festigkeit geben mußte. Und dieser Anstoß blieb nicht aus. Schon mit dem Anfange des funfzehnten Jahrhunderts erstreckten sich die Raubzuͤge Tuͤrkischer Freibeuter bis in die Kretischen Gewaͤsser und nahmen bald einen gefaͤhrli⸗ chen Charakter an. Cypern und Kandia wurden die Vormauern der Christenheit, und Venedig mußte an ernstlicher Abwehr denken. Auch wurden die ersten verwegenen Einfaͤlle Osmanischer See⸗ raͤuber, welche sich meistens auf die Auspluͤnderung einzelner Kuͤ⸗ stenstriche beschraͤnkten, wie z. B. einer im Jahre 1427, immer mit Gluͤck zuruͤckgeschlagen. Schwieriger und bedenklicher ward die Stellung der Insel schon nach dem Falle von Konstantinopel im Jahre 1453. Das gute Vernehmen, in welches sich die Re⸗ publik gleich vom Anfange herein zu der Pforte zu stellen wußte, blieb ohne Einfluß auf die Unternehmungen einzelner Freibeuter. Ueberdies war Kandia natuͤrlich bei jedem Bruche der Republik den ersten Angriffen der Osmanischen Flotten am meisten ausge⸗ setzt. So wurde im Jahre 1469 die Insel auf mehreren Punk⸗ ten zugleich von den Osmanischen Schiffen angegriffen, verheert, gebrandschatzt und entvoͤlkert.

Doch fehlte es damals noch, wie es scheint, an einem durch- greifenden Systeme der Vertheidigung. Im Jahre 1471 schickte deshalb die Ritterschaft selbst eine Deputation nach Venedig, um Verstaͤrkungen und namentlich Waffen, wahrscheinlich zur Be— waffnung des Landvolkes, zu verlangen. Der Senat hatte aber damals, außer Kandia, auch den Peloponnes und Albanien zu schuͤtzen. Erst nachdem Negroponte und ein großer Theil von Albanien in dem Frieden von 1479 hatten aufgegeben werden muͤssen, konnten die Kraͤfte der Republik den Besitzungen im mittellaͤndischen Meere zugewendet werden. Gleichwohl beschraͤnkte man sich auch jetzt noch zunaͤchst nur auf das Nothwendigste und voruͤbergehende Maßregeln, wie sie das Beduͤrfniß des Augenblicks verlangte. Es bedurfte erst noch mehrerer dringender Vorstellun⸗ gen von Seiten der Ritterschaft, ehe sich die Signorie endlich im Jahre 1501 entschloß, die laͤngst verfallenen Festungswerke von Kandia wieder herzustellen und die gewoͤhnliche Besatzung der In⸗ sel durch eine betraͤchtliche Vermehrung der Reiterei zu verstaͤrken. Indessen konnten auch im Laufe des sechzehnten Jahrhunderts die Grundfehler des einmal eingefuͤhrten Systems der Vertheidigung und Verwaltung nicht mehr gehoben werden. So lange die Re⸗ publik noch Cypern besaß, schien Kandia uͤberhaupt von unter⸗ geordneter Wichtigkeit zu seyn. Den augenblicklichen Aufregungen drohender Gefahren folgten in der Regel die Jahre der Erschlaf⸗ fung und traͤger Ruhe. Zu den Tuͤrkischen Seeraͤubern, welche die Insel fortwaͤhrend von Zeit zu Zeit heimsuchten, gesellten sich bald inlaͤndische Raͤuberbanden, welche das Land noch mehr beun⸗ ruhigten, als jene. Eine solche hatte sich z. B. um das Jahr 1525 bei dem Flecken Alicambi, in der Gegend des alten Phala⸗ xarna, festgesetzt und konnte nur mit Huͤlfe einer bedeutenden Heeresmacht ausgetilgt werden, welche der Senat ausdruͤcklich zu diesem Zwecke nach Kandia abschickte.

Von den Tuͤrkischen Waffen hatte Kandia am meisten waͤh⸗ rend des Krieges zwischen der Republik und Solyman dem Praͤch⸗

tigen im Jahre 1538 zu leiden. Im Juni dieses Jahres erschien naͤmlich Barbarossa mit der ganzen Tuͤrkischen Seemacht, nachdem er bereits die Cycladen gebrandschatzt hatte, auch vor Kandia, setzte bei Mylopotomo Truppen ans Land, welche die Umgegend verheerten, machte einen vergeblichen Angriff auf Rethimo, lief dann in den Hafen von Suda ein, schiffte hier abermals einen großen Theil seiner Truppen aus, verheerte weit und breit das Land, legte den von den Einwohnern verlassenen Burgflecken Am⸗ picorna in Asche und schleppte Menschen, Vieh und bewegliches Eigenthum nach seinen Schiffen. Gleiches Schicksal traf die Um⸗ gegend von Kanea, welches nur durch die Entschlossenheit des Pro⸗ veditoren Andreas Gritti gerettet wurde. Zuletzt versuchte Barba⸗ rossa auch einen Angriff auf Kandia, welches, schwach vertheidigt, wahrscheinlich schon damals in die Haͤnde der Osmanen gefallen waͤre, wenn es nicht der Herzog Antonio Amulio und der Be⸗ fehlshaber der Truppen, Marco Antonio Trevisant, verstanden haͤtten, ihre geringen Streitkraͤfte so zu disponiren, daß Barba⸗ rossa uͤber ihre wahre Staͤrke getaͤuscht, den beabsichtigten Sturm nicht wagte, sich waͤhrend der Nacht wieder einschiffte und die In⸗ sel ohne weiteren Aufenthalt verließ. Gegen das Ende des Jah⸗ res kehrte zwar eine kleine Abtheilung seiner Flotte zuruͤck da aber die beiden Kuͤstenschloͤsser, gegen welche sie sich versuchte, Kissamo und Mirabella, ernstlichen Widerstand zeigten, so be⸗ schraͤnkte sich fuͤr dieses Mal ihre ganze Unternehmung auf einige Raͤubereien in der Umgegend. 1 Nach diesem Sturme trat wieder eine laͤngere Periode der Sicherheit und Abspannung ein, welche der Aufrechthaltung eines tuͤchtigen Vertheldigungs⸗Gystems nicht eben guͤnstig war. Erst im Jahre 1560 wurden, auf die Vorstellungen der Ritter, die Ar⸗ beiten an den Befestigungswerken von Kandia, unter der Leitung des Herzogs Antonio Calbo, wieder mit Ernst betrieben. Zwei Jahre spaͤter ward endlich, auf dringendes Bitten des Herzogs Marco Grimani, zum ersten Male ein Geschwader zur Vertheidi⸗ gung der Gewaͤsser und Kuͤsten von Kandia ausgeruͤstet, welches unter einem eigenen Praͤfekten, fortwaͤhrend seine Station in der Naͤhe oder in einem der Haupthaͤfen der Insel haben sollte. Der erste Befehlshaber dieses Geschwaders war Pietro Throno. Al⸗ lein sein Erscheinen veranlaßte auch sogleich neue Häͤndel mit der Pforte. Denn als Throno kurz nach seiner Ankunft bei der Insel einen Tuͤrkischen Seeraͤuber, welcher sich fuͤr einen Gefaͤhrten Solymans ausgab, in dem Augenblicke aufheben und niedermachen ließ, wo er mit Kandiotischer Beute beladen zu entkommen suchte; da verlangte Solyman Genugthuung von der Republik, und gab dabei deutlich zu verstehen, er werde sie mit den Waffen erzwin⸗ gen, wenn man sie ihm nicht gutwillig zu gewaͤhren gedaͤchte. Die Schwaͤche der Signorie belohnte hierauf den Diensteifer des armen Throno mit der Verbannung, und schickte den gewandten Daniel Barbaro als außerordentlichen Botschafter nach Konstan⸗ tinopel, dem es, wie die Chronisten melden, gelang, den Zorn So lymans durch die Geschicklichkeit seiner Reden zu besaͤnftigen. 8 Doch war diese schimpflich erkaufte Ruhe nur von kurzer Dauer. Der Tod Solymans zerriß das schlaffe Freundschafts⸗ band, welches Venedig an die Pforte knuͤpfte, und sein Nachfol⸗ ger, Selim II., nahm gleich nach seiner Thronbesteigung (1566) egen die Signorie eine feindliche Stellung ein. Der erste Sturm rach jedoch nur uͤber Cypern aus, und die Republik mußte daher ihre Kraͤfte vorzuͤglich auf diesen Punkt konzentriren. In Kandia geschah unterdessen, was die Nothwendigkeit gebot und was die Mittel erlaubten. Der Eifer, welchen der Herzog Pasquali Ci⸗ conia seit dem Jahre 1567 in der Verproviantirung und Verthei⸗ digung der Insel entwickelte, wird allgemein gerühmt. Er war

der Erste, welcher daran dachte, der von Zeit zu Zeit einreißenden Hungersnoth durch die Anlage regelmaͤßig zu unterhaltender Ma⸗ gazine vorzubeugen. Auch bot er alles auf, die groͤßeren und kleineren Kuͤsten⸗Festungen in guten Vertheidigungs⸗Zustand zu setzen, und die einheimischen Truppen, damals fast die einzigen auf der 8 ganzen Insel, an einen geordneten Dienst zu gewoͤhnen. Allein seine Bemuͤhungen wurden weder von der Signorie, noch von den Eingebornen gehoͤrig unterstuͤtzt. Er fand unsaͤgliche Schwierig⸗ keiten, und erreichte seinen Zweck doch nicht. Schon 1567 wurde Suda bei einem Raͤchtlichen Ueberfalle von den Osmanen einge⸗ nommen, ausgepluͤndert und in einen Aschenhaufen verwandelt. Kanea und die Umgegend wurde damals nur durch den Muth und die Entschlossenheit des dortigen Rettoren, Luca Michieli, geret⸗ tet, welcher die Tuͤrken mit einer kleinen Schaar Korsischen Fuß volkes und einigen Abtheilungen der einheimischen Milizen nach den Schiffen zuruͤckwarf. Fast um dieselbe Zeit legte ein Huͤlfs⸗ geschwader aus Algier, welches, 50 Schiffe stark, zu der Tuͤrki⸗ schen Flotte stoßen sollte, in der Gegend von Rethimo an, ver⸗ heerte zuerst die naͤchsten Kuͤstenstriche mit Feuer und Schwerdt, siel dann in die von ihren Bewohnern in aller Eile verlassene Stadt ein, pluͤnderte sie aus, und steckte sie gleichfalls in Brand. Kaum war dieses Ungluͤck voruͤber, als unter dem Landvolke,

vorzuͤglich in der Umgegend von Rethimo und unter den Spha⸗ 8

kioten, ein Aufstand ausbrach, weil man die Bauern waͤhrend des Cyprischen Krieges zum Galeerendienst zwingen wollte. Die Meu-⸗ terei um Rethimo herum, wo man schon Schritte gethan hatte, die Herrschaft der Insel den Tuͤrken anzutragen, unterdruͤckte Mas⸗ rino de' Cavalli, damals General⸗Capitain der gesammten Land⸗ macht auf Kandia, und die Sphakioten brachte Luca Michieli noch als Rettore von Kanea zur Ruhe. Aber die Gaͤhrung im Innern dauerte fort, die unaufhoͤrlichen Ruͤstungen erschoͤpften das Land, und die Gefahren von außen minderten sich nicht. Im Jahre 1571 hob zwar der Sieg der christlichen Flotten bei den Kurzolarischen Inseln den Stolz der Republik; allein er aͤnderte wenig in ihrer mißlichen Stellung zur Pforte, verminderte den allgemeinen Nothstand nicht, und brachte am Ende keinen Vor⸗ theil. Schon 1572 ging Cypern verloren; und der unsichere Friede des naͤchsten Jahres (den 7. Maͤrz 1573) setzte fortan das nothduͤrftig erhaltene Kandia den ersten Angriffen der Osmanischen Waffen aus. Dies war der Zeitpunkt, wo die Signorie die Nothwendigkeit erkannte, sich den Besitz der Insel Kandia durch tief eingreifende Reformen in der Verwaltung und der Vertheidigung dieser Kolonie fuͤr die Zukunft zu sichern. Sollten sie Wurzel fassen und Fruͤchte tragen diese Reformen, so durften sie nicht, wie bisher, aus den geheimnißvollen Gemaͤchern der Pregadi oder des Rathes der Zehn hervorgehen, sondern sie mußten der Weisheit und Gewissenhaf⸗ tigkeit eines Mannes uͤberlassen werden, welcher mit dem Ver⸗ trauen der Signorie zugleich die Faͤhigkeit verband, die Dinge an Ort und Stelle richtig aufzufassen, schnell zu helfen, wo es Noth that, die Strenge der Gesetze durch Tuͤchtigkeit und Milde der ei⸗ genen Gesinnung zu lindern, und neben den Interessen der Repu⸗ blik auch die Beduͤrfnisse der eingebornen Bevoͤlkerung wahrzuneh⸗ men. Die Wahl eines solchen Mannes war schwer. Die Signo⸗ rie entschied sich fuͤr den Prokurator von San Marco, Giacomo Foscarini. 8 8 Giacomo Foscarini stammte aus einer der aͤltesten und angesehensten Familien der Republik, welche, wie wir beilaͤufig aus einer handschriftlichen Notiz uͤber die Geschlechter der Venetiani⸗

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