Anlaß geben. Die natuͤrlichste Erklaͤrung ist vielleicht, daß Ihre Majestaͤt so kurze Zeit vor ihrer Entbindung Windsor nicht ver⸗ lassen und nicht oͤffentlich erscheinen will; die richtigste Erklaͤrung aber ist wohl, daß Lord Melbourne und seine Kollegen den An⸗ griff der Opposition selbst pariren und es vermeiden wollen, der Souverainin den entschiedenen Ausdruck einer Politik in den Mund zu legen, die mit den Ansichten einer bekannten Majoritaͤt beider Haͤuser im Widerspruche steht. Die im Namen der Krone sprechenden Minister werden wahrscheinlich die Opposition auffor⸗ dern, diejenigen kommerziellen Maßregeln zu eroͤrtern, durch welche Lord Melbourne die politische Schwaͤche seiner Partei zu verbergen und das Ende seiner Verwaltung mit einem Heiligenschein zu um⸗ geben suchte. Die Abwesenheit der Koͤnigin erspart der Opposi⸗ tion das unangenehme Gefuͤhl, daß sie, indem sie sich der Adresse widersetzt, auch wirklich gegen die von ihrer Souverainin in Per⸗ son anempfohlenen Prinzipien auftritt. Es wird natuͤrlich ein Amendement zur Adresse beantragt und im Unterhause mit einer Majoritaͤt von etwa 80 Stimmen angenommen werden. Im Oberhause ist es der Regierung gelungen, den Grafen Spencer (fruͤher Lord Althorp und Kanzler der Schatzkammer unter dem Ministerium des Grafen Grey) zu bewegen, die Adresse zur Beantwortung der Thron⸗Rede zu beantragen. Graf Spencer ist einer der angesehensten Agrikulturisten Englands, und hat die hoͤchsten Staats⸗Aemter dem Vergnuͤgen, die groͤßten Ochsen zu maͤsten, aufgeopfert. Es wird daher von großem Gewicht seyn, daß er ein Gegner der jetzigen Korngesetze ist und den ministe⸗ riellen Plan eines festen Zolles von acht Fhillingen fuͤr das Quar⸗ ter Weizen beguͤnstigt. Es wird indeß auch im Oberhause ein Amendement zur Adresse vorgeschlagen und angenommen werden. Die letzte Handlung der Whig⸗Regierung ist eine Pairs⸗ Kreirung gewesen. Sir Hussey Vivian, General⸗Feldzeugmeister, und Sir Henry Parnell, fruͤher Kriegs⸗Zahlmeister der Armee, haben durch ihre fruͤheren Dienste einige Anspruͤche auf die ihnen verliehenen Titel; aber die Ernennungen des Lord Segrave, des Hauptes der Familie Berkeley, zum Grafen von Fitzhardinge, und des Lord Barham zum Grafen von Gainsborough find nur den Partei⸗Diensten zuzuschreiben, die bisweilen mit so hohen Ehren⸗ stellen belohnt werden, als sie selbst dem groͤßten Talent, der roͤßten Industrie oder der groͤßten Tapferkeit nicht hoͤher zu heil werden. Ich erwaͤhnte zu Anfange dieses Schreibens, daß die voll⸗ kommenste Ruhe in London herrsche; dasselbe ist auch in den po⸗ itischen Kreisen der Fall. Sir R. Peel hat sich so sorgfaͤltig ge⸗ huͤtet, sich zu vorzeitig einen Theil der Autoritaͤt anzumaßen, wo⸗ mit die Stimme seiner Partei und die Erwartungen des Koͤnig⸗ reichs ihn schon bekleiden, daß er selbst seinen naͤchsten politischen Freunden uͤber die Art der Maßregeln, die seinem Eintritte ins Ministerium folgen werden, nichts mitgetheilt hat. Nicht eine inzige Ernennung, die unter dem Tory⸗Ministerium stattfinden wird, laͤßt sich in diesem Augenblicke mit Sicherheit vorhersagen, und die strenge Disziplin der Partei und die vollkommene Selbst⸗ beherrschung ihrer Fuͤhrer hat sich niemals mehr offenbart, als n der gegenwaͤrtigen Krisis. G Ich weiß nicht, ob man den Charakter Lord Melbourne's, der theils durch seine eigene Indolenz verhuͤllt wird, theils durch die Raͤnke und Schliche seiner Partei verunstaltet worden ist, auf dem Kontinent richtig beurtheilt haben mag — ja, ich weiß eben so wenig, ob man ihn in seinem eigenen Lande genau erkannt hat. Lord Melbourne ist wesentlich der Minister und Diener der Koͤ⸗ nigin; er ist ihren Wuͤnschen und ihrer Wohlfahrt mit einer Art
von enthustastischer Zuneigung ergeben, worin sich die Zaͤrtlichkeit
1
eines Vaters mit der Loyalitaͤt eines Unterthans vereinigt. Alle⸗
Partei⸗ und politische Ruͤcksichten sind in Lord Melbourne’'s Geist dem Einfluüsse untergeordnet, den sie auf das kuͤnftige Wohlerge⸗ hen der Koͤnigin haben koͤnnen.
8 Ich sage es ohne große Bewunderung des Charakters Lord Melbourne's. Denn ich kann ihn nicht in die Klasse der Maͤnner etzen, denen die Geschicke maͤchtiger Reiche anvertraut werden muͤßten; allein man muß zugeben, daß kein bloßer Staatsdiener, welcher seine Stelle uͤbernommen hat, um seinem persoͤnlichen Ehrgeiz zu genuͤgen, oder selbst dem edleren Zwecke der Erhaltung
eines großartigen und vollstaͤndigen politischen Systems zu leben, je in denselben vertraulichen Verhaͤltnissen zur Koͤnigin Victoria stehen kann, wie der Greis, auf dessen Arm sie sich an dem
Tage stuͤtzte, an welchem sie das Scepter Englands in hre Hand nahm. Dieser Arm hat sie bis zu die⸗ er Stunde nicht verlassen; und wer auch immer Lord Melbourne m Kabinet folgen mag: Niemand wird je seinen Platz im Ge⸗ nach der Koͤnigin ausfuͤllen. Ich glaube, daß, wenn die Köͤni⸗ gin dem herannahenden Wechsel ihrer Raͤthe mit mehr Fassung entgegensieht, als sie im Mai 1839 zeigte, diese Veraͤnderung dem Rathe des Lord Melbourne zugeschrieben werden kann. Und in der That ist er den kleinlichen Intriguen und Chikanen der Par⸗ teien so fremd, daß es wahrscheinlich Niemand mehr, als ihm, am Herzen liegt, das Gemuͤth der Koͤnigin darauf vorzubereiten, daß sie sich mit Wuͤrde einem Wechsel unterziehe, welcher unver⸗ meidlich ist. Ohne Ruͤcksicht auf die politischen Plaͤne und Ansichten seiner Nachfolger, wird Lord Melbourne wahrscheinlich seinen Einfluß
nur anwenden, die Schwierigkeiten, welche in ihren Beziehun⸗ gen zur Koͤnigin sich geltend machen duͤrften, eher zu beseitigen, als hervorzurufen. Er ist ein Mann von Verstand und Ehrge⸗ fuͤhl, besitzt unter dem Gewande blos feiner Sitten ein warmes Herz, unter dem Schleier eines vielbewegten, zerstreuungsvollen Lebens ausgedehnte Kenntnisse, und ermangelt blos der feststehen⸗ den politischen Ueberzeugungen eines Staatsmannes und der po⸗ litischen Leidenschaften seiner Partei. Dies sind freilich sonder⸗ bare Eigenschaften fuͤr einen Premier⸗Minister Englands; aber sie sind dennoch die des Mannes, welcher, mit einziger Ausnahme des Lords Liverpool, diese hohe Stelle laͤngere Zeit bekleidet hat, als seit Pitt's Tod irgend ein anderer Minister.
Niederlande.
Aus dem Haag, 18. Aug. Das den Generalstaaten voreh gelegte Budget giebt die Summe der Ausgabe fuͤr das Jah 1842 auf 71,338,103 Fl. 65. C. und die der Einnahme au 71,353,551 Fl. 92 C. an. Es kommen von ersterer auf das Kö nigliche Haus 1,250,000; auf die hohen Kollegien 604,732; aus⸗ waͤrtige Angelegenheiten 580,200; Justiz 1,586,220; Ministerium des Innern 5,402,490; reformirte Kirche 1,432,142; katholischern
Kultus 520,000; Marine 5,600,000; Kolonieen 61,226; Finanzen:† a) Nationalschuld 33,481,341; b) Pensionen ꝛc. 2,865,370; c) Departements⸗Kosten 5,954,382; Kriegs⸗Ministerium 12,000,000 Fl.]
Die Hollaͤndischen Blaͤtter enthalten bereits den den General⸗ staaten vorgelegten Gesetz⸗Entwurf hinsichtlich einer beschleunigten
Verwandlung der ausgesetzten und wirklichen Schuld. Die Ver⸗ wandlung findet, wie es im Art. 1 des Gesetz⸗Entwurfes heißt, die B klaͤrung nicht mehr gewonnen werden kann.
drid scheint das Feuer unter der Asche fortzuglimmen, und Jeder⸗
„nach Verhaͤltniß zu dem berechneten inneren Werthe statt, den die ausgesetzte Schuld und die Kanz⸗Billettz, sowohl die bereits peclosten, als die noch unverlosten, besitzen.“ Fuͤr 4000 Fl. ausgesetzte Schuld nebst einem noch unverlosten Kanz⸗Billet wird man dem⸗
nach 68 Fl. in wirklicher 2 ½ pCt. tragende Schuld erhalten; fuͤr 1000 Fl. ausgesetzte Schuld, ohne Kanz⸗Billet 18 Fl.; far je⸗ des noch nicht gezogene Kanz⸗Billet ohne ausgesetzte Schuldver⸗ schreibung 50 Fl.; fuͤr 1000 Fl. ausgesetzte Schuld nebst einem bereits gezogenen Kanz⸗Billet erhaͤlt man, sofern Letzteres bereits im Jahre 1842 zahlbar ist, die vollen 1000 Fl.; insofern es je⸗ doch erst in den darauf folgenden sieben Jahren zahlbar, wird davon ein verhaͤltnißmaͤßiger Abzug stattfinden.
Die Koͤnigin von Wuͤrttemberg und ihre Toͤchter, so wie der Großherzog von Baden, haben gestern Mittag bei Hofe gespeist.
Es war hier das Geruͤcht verbreitet, Se. Majestaͤt der Graf von Nassau werde noch in diesem Sommer auf dem Los erwar⸗ tet; das Handelsblad erklaͤrt dieses Geruͤcht jedoch fuͤr unge⸗
Belgien.
Brüssel, 17. Aug. Der Staats⸗Minister, Graf von Mue⸗ lenaere, wird sich, wie man vernimmt, in Folge der letzten Kon⸗ ferenzen von hier nach Paris begeben, um mit der Franzoͤsischen Regierung uͤber einige Gegenstaͤnde von Wichtigkeit zu unter⸗ handeln.
Deutsche Bundesstaaten. Kassel, 18. Aug. In der Sitzung der Staͤnde vom 11ten d. M. wurde der Antrag, die Regierung um ein Amnestie⸗Gesetz zu ersuchen, nachdem derselbe einige Modificationen gefunden hatte, mit 24 Stimmen genehmigt.
Hesterreich. Wien, 18. Aug. Gestern sind Ihre Majestaͤten der Kai⸗ ser und die Kaiserin nach Graͤtz abgereist.
„ Prag, 16. August. Die bis jetzt bekannt gewordenen
Resultate der Aerndte in den mittleren Landesgegenden schildern
diese als nicht sehr guͤnstig; die starke anhaltende Hitze im Mai war dem Gehalte der Frucht eben so nachtheilig, wie die spaͤtere kalte und allzufeuchte Witterung im Juni und Juli die entspre⸗ chende Reife verhinderte. Am allernachtheiligsten wirkte aber die seit der ganzen Aerndtezeit andauernden, nur wenige Tage unter— brochenen Regen, welche dem Einbringen der Frucht fast uͤberall hinderlich und an vielen Orten sogar verderblich wurden. Tritt nicht bald eine anhaltend waͤrmere Witterung ein, so ist voller Grund zur Besorgniß vorhanden, daß das Getraide in unsern hoͤheren Landesgegenden kaum zur Reife gelangen, und dann eine bedeutende Erhoͤhung der Brodtpreise stattsinden moͤchte, was fuͤr unsere Bevoͤlkerung um so empfindlicher waͤre, da bei der ohne⸗ hin im ganzen Lande herrschenden Stockung in Handel und Ge⸗ werben die Lage der arbeitenden Klassen eine keineswegs erfreu— liche ist
Unser Oberst⸗Burggraf von Chotek ist seit einigen Tagen von seiner großen Reise zuruͤckgekehrt, und widmet sich bereits mit fruͤherem Eifer den Administrations⸗Geschaͤften.
Der suspendirt gewesene Umbau unseres Rathhauses wird seit einiger Zeit wieder fortgesetzt, und auch die bei dem Bau der Auffahrt zu unserer Kettenbruͤcke vorgekommenen Reclamationen scheinen ohne Folge geblieben zu seyn.
Dem Geiste einer mehr zeitgemaͤßen Gewerbe⸗Ordnung ge⸗ maͤß wurde den Unterbehoͤrden des Landes bedeutet: daß da der Wittwe eines Gewerbs⸗ und Meisterrechts⸗Besitzers die Fortfuͤh⸗ rung des Gewerbes ohne Beschraͤnkung der damit verbundenen Rechte nach den Gesetzen zusteht, ihr auch das mit dem Ge⸗ werbs⸗ und Meisterrechte verbundene Befugniß, Lehrjungen auf⸗ dingen und halten zu duͤrfen, unbeschraͤnkt zugestanden werden muͤsse; die Bedenken aber wegen möͤglicher mangelhafter Ausbil⸗ dung der Lehrjungen nicht beruͤcksichtigt werden koͤnnen, weil der Gewerbs⸗Betrieb selbst bei den hierzu befugten Wittwen durch
sachkundige Werkfuͤhrer ausgeuͤbt werden muß. Italien.
Nom, 9. Aug. (A. Z.) Dom Miguel, der gegenwaͤrtig in Albano und Nettuno in Zuruͤckgezogenheit von der großen Welt lebt, will nun naͤchstens von hier fortgehen, ohne daß man bestimmt weiß, wohin. Doch wird allgemein angenommen, er werde Modena zu seinem zukuͤnftigen Aufenthalt waͤhlen, wohin ihn der Herzog fruͤher einladen ließ. Er soll noch immer jenes Anerbieten einer Geld⸗Entschaͤdigung standhaft ausschlagen, wo⸗ durch er sowohl sich als seine Umgebung in die druͤckendste Lage versetzt. Man erwartet hier von Seiten der Regierung in Por⸗ tugal nun einen wirklichen Gesandten, indem der Vicomte de Car— reira auf seinen Posten nach Paris zuruͤckkehrt.
Mit großem Leidwesen hat man hier die Nachricht aus Ve⸗ rona vernommen, daß der gewesene Kardinal Odescalchi dort an der Brustwassersucht darniederliege, die er sich bei seiner schwaͤch— lichen Constitution im Eifer seines gegenwaͤrtigen Berufs als Jesuit zugezogen haben soll.
Unter mehreren Verbesserungen im Gebiete des Handels und der Industrie, die in letzterer Zeit zur Berathung gekommen sind, glauben wir nicht unbemerkt lassen zu duͤrfen, daß der Kar— dinal Tosti, unermuͤdet thaͤtig in seinem Amte als Tresoriere, nun durch Dampfboͤte die Tiber befahren lassen will. Diese sollen statt der Buͤffel die Seeschiffe den Fluß heraufziehen und Reisende mitnehmen, die von der Muͤndung dann durch andere Dampfboͤte nach Neapel oder Civitaä⸗Vecchia und von dort hier⸗ her befoͤrdert werden koͤnnen. Ferner sehr flach gebaute Dampf⸗ schiffe sollen den Fluß oberhalb der Stadt befahren, wodurch der Verkehr mit den Provinzen erleichtert wird. Bedenkt man, daß vor wenigen Jahren noch einem gleichen Unternehmen, welches Privat⸗Personen damals vorhatten, von der Regierung die Ge⸗ nehmigung verweigert wurde, so muß man sich Gluͤck wuͤnschen, daß sich eine entgegengesetzte Ansicht Bahn gebrochen hat.
Spanien.
O Madrid, 10. Aug. Die Regierung bereut es jetzt, die Protestation der Koͤnigin Marie Christine so lange verheimlicht zu haben. Man erfaͤhrt nunmehr, daß man sich uͤberall in den Provinzen beeilte, jenes Aktenstuͤck aus den Franzoͤsischen Blaͤt⸗ tern zu uͤbersetzen und bekannt zu machen. Das Volk draͤngte sich zu den Zeitungs⸗Buͤreaus, um seine Neugierde zu befriedigen, und mehrere der in Barcelona, Bilbao, Cadix, Sevilla erscheinen⸗ den Blaͤtter begleiten jene Protestation mit Betrachtungen, die davon zeugen, daß das Gefuͤhl fuͤr Recht und das Andenken an die von der vertriebenen Regentin empfangenen Wohlthaten noch nicht ganz in den Gemuͤthern der Spanier erloschen sind. Jetzt, nachdem die Regierung jene Protestation fuͤr ein den Aufruhr bezweckendes Ma⸗ nifest ausgegeben hat, muß es ihr sehr empfindlich seyn, zu bemerken, daß die oͤffentliche Meinung in den Provinzen durch eine solche Er⸗ Auch hier in Ma⸗
mann ist darauf gefaßt,
die Flamme hell lodernd aufschlagen zu ehen. aüals
Das Feuer wird, wie man allgemein behaupten hoͤrt, von
den Anhaͤngern der neuen Ordnung der Dinge selbst angeschuͤrt, .
indem diese einen voreiligen Ausbruch herbeizufuͤhren wuͤnschen, um dann der Regierung die Ermaͤchtigung zu außerordentlichen Maßregeln zu ertheilen.
Auch unter den Offizieren greift Unruhe und Unzufriedenheit immer weiter um sich, seitdem man erfaͤhrt, daß die bereits ver fuͤgten Reformen der Armee nur die Einleitung zu einer um⸗ fassenderen, sich auf alle Klassen des Heeres erstreckenden Umge⸗ staltung bilden. Die Aenderungen, welche Herr Arguëlles im Hofstaate vornimmt, verletzen natuͤrlich die Interssen vieler den hoͤchsten Staͤnden angehoͤrenden Familien, und man hoͤrt laut die Koͤniglichen Kinder beklagen, in deren Umgebung man keine einzige Person gelassen hat, deren Anblick ihnen gewohnt oder
Menschen angeborne Gefuͤhl der Liebe und Ehrfurcht vor den Eltern, aus ihrem Herzen zu verdraͤngen. Auch die Kammerher ren fangen jetzt an, den Herzog von Osuna an der Spitze, ihre Entlassungen einzureichen. Indessen ist es dem Vormunde ge⸗ gluͤckt, eine Dame hohen Ranges aufzufinden, welche bereitwillig waͤre, den erledigten Posten der Ober⸗Hofmeisterin der Koͤnigin (Camarera mayor) auszufuͤllen. Die Wittwe des Marquis von Belgida, Granden erster Klasse, eine Dame, welche bereits in fruͤ⸗ her Jugend Beweise eines liebevollen Herzens abgelegt haben soll, steht als Ober⸗Hofmeisterin auf wuͤrdige Weise an der Spitze des von Herrn Axguëlles neu einzurichtenden weiblichen Hofstaates. Auch der beruͤhmte Volkstribun Don Joaquin Maria Lopez, die⸗ ser unerschuͤtterliche Verkuͤndiger republikanischer Grundsaͤtze, hat sich herabgelassen, auf die Einladung des Herrn Arguölles, ein eintraͤgliches Amt bei der Verwaltung des Koͤniglichen Hauses anzunehmen.
Der Kongreß hat gestern entschieden, daß dem Gerichte die Erlaubniß, gegen den Deputirten Prim, welcher die vielbesproche⸗ nen Pruͤgel austheilte, einzuschreiten, nicht zu gewaͤhren sey. Diese Entscheidung hat den allgemeinsten Beifall gefüͤnden.
Im Senat hatte sich gestern eine hinreichende Anzahl von Mitgliedern eingefunden, um uͤber die Gesetzentwuͤrfe, deren Dis⸗ kussion erledigt war, abstimmen zu koͤnnen. So wurden denn unter andern der uͤber die Dotation des Clerus, der uͤber die Aus⸗ hebung von 50,000 Mann, der uͤber die Majorate und Fidei⸗ kommisse, und der, durch welchen die Fueros von Navarra mo⸗ difizirt werden, angenommen.
Die Marokkaner scheinen von dem Zustande der Spanischen Marine ziemlich genau unterrichtet zu seyn. Sie ruͤsten naͤmlich in Larrache eine Kriegsbrigg von 18 Kanonen und ein kleineres Fahrzeug aus, ohne daß man die Bestimmung dieser Schiffe ge⸗ nau erfahren koͤnnte. Die diesseitige Regierung erblickt in dieser Maßregel eine kriegerische Drohung, und verkuͤndigt, bereits alle Anstalten getroffen zu haben, um die bedrohte Spanische Schiff⸗ fahrt vor Beeintraͤchtigungen zu schuͤtzen.
Das Klima von Maͤdrid ist in diesem Sommer nicht wieder zu erkennen. Die Hitze, welche sonst sich im Juli und August bestaͤndig auf der Hoͤhe von 28 bis 34 Grad Reaumur erhaͤlt, schwankt dieses Jahr oft in wenigen Stunden zwischen 12 — 33 Grad. Einem so raschen Uebergange von gluͤhender Hitze zu sehr fuͤhlbarer Kuͤhle vermoͤgen nur eiserne Naturen zu wiederstehen. Am 3ten d. M. fuͤhlte man Abends 10 Uhr 10 Minuten in Ca⸗ dix, Malaga, Huelpa, Sevilla und selbst in Ciudad⸗Real so deut⸗ lich eine Erderschuͤtterung, daß viele Leute aus ihren Haͤusern
Lissabon, 9. August. (Engl. Bl.) Der Bricht des Fi⸗ nanz⸗Ausschusses der Deputirten⸗Kammer uͤber die Lebensfrage hinsichtlich der Zahlungs⸗Einstellung oder des voͤlligen Bankerotts vermittelst Kapitalisirung der schwebenden Schuld bis zu Ende Juni's vorigen Jahres, wie die Palmellasche Kommision vor⸗ geschlagen, wurde am Montag von der Kammer in Erwaͤ⸗ gung gezogen und nach sehr hitzigen Debatten, nachdem eine von Herrn Derramado, einem gemaͤßigten Septembristen, be⸗ antragte Vertagung mit 75 gegen 18 Stimmen verwor⸗ fen worden war, am Donnerstag, bei einer Gesammtzahl von 81 anwesenden Mitgliedern, mit einer Majoritaͤt von 49 Stimmen angenommen, so daß die Finanz⸗Plaͤne des Landes in der bisherigen Weise werden fortgefuͤhrt werden. Herr Gomes de Castro schlug am letzteren Tage ein Amendement vor, welches die Minister vor Verantwortlichkeit schuͤtzen und ihnen gestatten sollte, nach ihrem Gutduͤnken zu handeln, oder, mit anderen Wor⸗ ten, ein Votum des Vertrauens zu Gunsten der Rath⸗ geber der Krone, und dadurch der Diskussion des Budgets zu begegnen. Dies Amendement wurde jedoch verworfen und das Budget einem Ausschusse zu unverzuͤglicher Begutachtung uͤber⸗ wiesen. Es enthaͤlt unter seinen Bestimmungen die Einstellung einiger Civil⸗- und Militair⸗Ruͤckstands⸗Zahlungen und empfiehlt vom 1. September an prompte Dividenden⸗Zahlung, was jedoch eine voͤllige Unmoͤglichkeit ist, denn bei einem solchen Defizit in den jaͤhrlichen Einnahmen kann der Schatz die regelmaͤßigen For⸗ derungen an ihn nicht befriedigen.
Griechenland.
Athen, 31. Juli. (A. Z.) Es sind aus Kandia zwei Eng⸗ lische Kriegsschiffe mit 256 Griechen am Bord im Piraͤeus ein⸗ gelaufen. Die Kandioten haben von der ihnen vom Sultan an⸗ gebotenen Amnestie Gebrauch gemacht und sich unterworfen. Die aus fremden Provinzen den Insurgenten zugezogen waren, sind auf den obigen Schiffen zuruͤckgekehrt, darunter selbst die Epitro⸗ pie des Aufstandes. Beide Fahrzeuge wurden nach Aegina beor⸗ dert, wo sie ihre Quarantaine zu halten haben. Die Regierung schickt heute eine Compagnie Infanterie ebenfalls dahin zur Auf⸗ rechthaltung der Ordnung, und wird Sorge tragen, die Leute nach vollendeter Kontumaz in ihre Provinzen geleiten zu lassen. Die Kreter sollen, wie man sagt, es noch nicht nothwendig gehabt ha⸗ ben sich zu ergeben und haͤtten sie nur noch ein Bischen gezoͤgert, so waͤre ihnen von hier neue Huͤlfe zugekommen und zum Gelin⸗ gen große Hoffnung gewesen. So sprechen die Griechen des Kö⸗ nigreichs und wollen viel auch der Macht der Liren und der Ster⸗ lings zuschreiben.
Seit einiger Zeit ist die Hitze in allen Gegenden Griechen⸗ lands außerordentlich. Schon eine geraume Anzahl von Jahren erinnert man sich nicht einer aͤhnlichen Hohe der Temperatur. Wir haben immer zwischen 30, 31 und 32, ja 33 Grade im Schat⸗ ten Reaumur. Von mehreren Provinzen schreibt man uns, daß das durch die große Hitze hervorgebrachte Cerebral⸗Fieber auf
beunruhigende Art die Sterblichkelt erhöht. In Betracht der Ungesundheit des Aufenthalts in Kalavrita waͤhrend dieser Jah⸗ reszeit wurden die Behoͤrden in Folge eines Ministerial⸗Reskripts von dort nach Carpenisi verlegt. Aus derselben Ursache und eben⸗ falls in Folge eines Ministerial⸗Reskripts zogen die Behoͤrden von Eleusis nach Mandra.
erfreulich seyn koͤnnte. Die neuen Erzieher der verwaisten Prinzessin⸗ 1 nen haben sich der schwierigen Aufgabe unterzogen, das erste jedem
mneerl ne enesin mmöhhese eeee
21510 “ 1 Türkei. Konstantinopel, 4. August. (Oest. B.) Am 31. Juli wohnte Se. Hoheit der Sultan einer bei der Pforte gehaltenen Raths⸗Versammlung bei, waͤhrend welcher der Minister der aus⸗ waͤrtigen Angelegenheiten, Rifaat Pascha, durch den Oesterreichi⸗ schen Internuntius von der am 13. Juli zu London stattgefunde⸗ nen Unterzeichnung der Convention zwischen den fuͤnf Großmaͤch⸗ ten und der hohen Pforte, die Sperrung der Dardanellen und des Bosporus betreffend, in Kenntniß gesetzt wurde und diese Nach⸗ richt alsogleich Sr. Hoheit mittheilte. — Die Raths⸗Sitzungen, bei welchen nur die Chefs der verschiedenen Departements zu er⸗ scheinen haben, werden von nun an, mit Ausnahme außerordent⸗ licher Faͤlle, am Sonnabend gehalten.
. Wegen uͤberhand nehmender Verfaͤlschung der Turkischen Staats⸗Obligationen (Sehim) hat die Regierung eigene Bekannt⸗ machungen zur Warnung des Publikums oͤffentlich anschlagen
en. 27 Es ist bereits eine Subscription zu Gunsten der durch die Feuersbrunst in Smyrna Verungluͤckten eroͤffnet worden, und zwei Abgeordnete des zu diesem Ende gebildeten Comité's sind hier angekommen, um die Mildthaͤtigkeit des Publikums in An⸗ spruch zu nehmen. Se. Hoheit haben den durch diesen Brand zu Schaden Gekommenen die Summe von 150,000 Piaster und 20,000 Kilo Mehl zusenden lassen, welche auf dem Oesterreichischern Dampfboote „Crescent“ unverzuͤglich dahin abgehen sollen.
Nachdem seit Einfuͤhrung der Quarantaine⸗Maßregeln diese Hauptstadt stets von der Pest⸗Seuche frei geblieben, hat sich am 30sten v. M. zu großer Bestuͤrzung des Publikums, ein Pestfall im Kloster Terra Santa in Pera zugetragen. Ein kuͤrzlich aus Jerusalem angekommener Laien⸗Vruder, welcher eine funfzehntaͤ⸗ gige Quarantaine hier bestanden hatte, erkrankte ploͤtzlich und die eiligst herbeigerufenen Aerzte erkannten an ihm die Symptome der Pest. Man traf ohne Zeitverlust die noͤthigen Anstalten, um jede Commucation mit dem genannten Kloster zu verhindern; der Kranke wurde darauf nach dem Leander⸗Thurme abgefuͤhrt, wo er unter strenger Aufsicht steht, und im Kloster selbst ward ein eigner Commissair des Sanitaͤts⸗Amtes mit mehreren Waͤchtern aufgestellt, welche fuͤr die gehoͤrige Reinigung aller Effekten zu sor⸗ gen haben. An die Kanzleien erging sogleich die Anzeige wegen der Paͤsse und Patente, welche bis auf weitere Verfuͤgung die Anmerkung „provenancçces brutes“ zu fuͤhren haben. — Uebri—- gens hat dieser Fall bisher keihe weiteren Folgen gehabt, und man darf daher der Hoffnung Raum geben, daß die getroffenen Anstalten genuͤgend seyn werden, um der Ausbreitung des Pest⸗ Stoffes Schranken zu setzen.
VBereinigte Staaten von Nord⸗Amerika.
New⸗York, 31. Juli. Das Revpraͤsentanten⸗Haus zu Washington hat mit großer Majoritaͤt die noͤthigen Gelder zur Verstaͤrkung der an den einheimischen Kuͤsten stationirten Flotte bewilligt. Es soll hauptsaͤchlich die Zahl der Dampfschisse zum Schutz der Kuͤsten vermehrt werden. .
Die Schwester und der Schwager des Praͤsidenten der Ver⸗ einigten Staaten sind zur katholischen Kirche uͤbergetreten.
Die Weizen⸗Aerndte in den Vereinigten Staaten verspricht im Ganzen einen ziemlich guten Ertrag, wenn sie auch in einzel⸗- nen Staaten, wie Virginien, Pennsylvanien und New⸗York, nur mittelmaͤßig ausfallen duͤrfte. Es sind schon kleine Quantitaͤten neuen Weizens aus dem Suͤden hier eingetroffen und mit 118 bis 125 Cents der Bushel bezahlt worden.
Die Bank⸗Bill ist im Senat durchgegangen, und man hofft, daß sie die Geld⸗Angelegenheiten der Union auf eine festere Basis bringen werde. In jedem Staat sollen Filiale der Haupt⸗Bank mit Einwilligung der Lokal⸗Legislaturen, die sich wohl nirgends dagegen straͤuben duͤrften, errichtet werden. Die Bill, hinsichtlich der Anleihe, hat die Genehmigung des Praͤsidenten erhalten.
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Breslau, 20. Aug. Se. Koͤnigl. Hoheit der Prinz Wilhelm
ist vorgestern mit Hoͤchstseiner Familie aus den Rheingegenden in
Schloß Fischbach eingetroffen.
Der zwischen Preußen und den übrigen Staaten des Zoll⸗ und Handels⸗Vereins mit der Pforte ab⸗ geschlossene Handels⸗Vertrag.
Zwischen Preußen und der Pforte ist am 22. Maͤrz 1761 ein Freundschafts⸗ und Handels-Vertrag *) abgeschlossen und in
*) Dieser Vertrag ist in „de Ilertzberg, Recueil Tom. I. pag. 486“ und in „de Martens, Recueil de traités ed. I. Tom. IIl. pag. 194 sqq.“ abgedruckt. Eine kurze Uebersicht von dem Inhalte dieses Vertrages erfolgt michstehehg,
EEEII
Gegenseitige Gestattung des Verkehrs zu Wasser und zu Lande. Die mit Preußischen Paͤssen versehenen Preußischen Unterthanen, so wie die Preußischen Schiffe, welche in Haͤfen des Gebietes der Pforte einlaufen, sollen nebst ihren Waaren und Ladungen bei ih⸗ rer Ankunft, ihrem Aufenthalte und ihrer Ruͤckkehr nicht belaͤstigt werden, sie duͤrfen ihre Schiffe ausbessern, Lebensmittel und alle zu ihrem Unterhalt erforderlichen Gegenstaͤnde ohne Hinderniß kaufen. In Beziehung auf den An⸗ und Verkauf von Wgaren werden die Preußischen Unterthanen und Schiffe denen der uͤbrigen befreunde ten Maͤchte gleichgestellt. Waaren und Guͤter von gestrandeten Preußischen Schiffen sollen gegen jede feindliche Behandlung ge⸗ schuͤtzt und den in der Naͤhe befindlichen Preußischen Konsuln uͤber geben werden.
8 Artikel II.
Die Preußischen Kaufleute und Alle, welche zu ihnen gehoͤren, haben fuͤr die ein- oder auszufuͤhrenden Guͤter nur 3 Ct. vom Werthe an Zoll, wie die Unterthanen der uͤbrigen befreundeten Na
tionen, zu entrichten. Der Preußische Gesandte ist von allen Zoͤllen und Abgaben fuͤr Waaren und Effekten befreit, welche fuͤr seine Per⸗ son oder zu Geschenken bestimmt sind. — Den Preußischen Unter⸗ thauen steht es frei, ihre Schiffe nicht auszuladen, oder mit dem Reste der Ladung einen anderen Hafen zu suchen. Der Zoll wird nur von den ausgeladenen Waaren erhoben, und von den verzollten Wgäaren, welche nach einem anderen Orte gefuͤhrt werden, darf nicht nochmals Zoll gefordert werden. — In allen uͤbrigen, die Zoͤlle betreffenden Punkten stehen die Unterthanen Preußens mit denen
deer uͤübrigen befreundeten Maͤchte gleich; auch soll von ihnen nicht
die Abgabe Cassabice oder Cassabié ewelche die Tuͤrkischen Untertha⸗ nen bei der Ein⸗ und Ausfuhr neben dem Zolle entrichten) gefor⸗ dert werden. 8 Artikel III. Schifsgruß. — Preußische Schiffe duͤrfen nicht zu Militair⸗ Transporten gezwungen werden. P „Artikel IV. „ Preußische Gesandte stehen in Ruͤcksicht der gebraͤuchlichen Pri⸗ pilegien den Gesandten anderer befreundeten Maͤchte gleich. Sie
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eedem Allianz⸗Vertrage zwischen beiden genannten Staaten vom
3t. Januar 1790 *) bestaͤtigt worden, in Folge dessen den Preußi⸗ schen Unterthanen und dem Preußischen Handel im Gebiete der Pforte voͤllig dieselben Rechte zugesichert worden sind, welche die Unterthanen und der Handel anderer Staaten kraft deren Ver⸗ traͤge und Capitulationen mit der Pforte genießen.
Nach diesen Vertraͤgen stand den Unterthanen der Staaten des Abendlandes die Freiheit der Waaren⸗Einfuhr in die unter der Herrschaft der Pforte stehenden Laͤnder, so wie der Waaren⸗Aus⸗ fuhr aus denselben, gegen eine Abgabe von 3 pCt. des Werthes der Waare zu. Der Betrag dieser Procente je nach dem Werthe der verschiedenen Waaren wurde periodisch auf eine Reihe von Jahren in bestimmten Geldsaͤtzen durch Tarife festgestellt, welche die betheiligten Staaten mit der Pforte vereinbarten.
Inzwischen ist die Pforte durch die Nothwendigkeit, auf eine Vergroͤßerung ihrer Einkuͤnfte Bedacht zu nehmen, allmaͤlig zu einem Abgaben⸗Systeme geleitet worden, bei welchem sie zwar die Bestimmungen der Vertraͤge in Ruͤcksicht der Ein⸗ und Ausfuhr⸗ Zoͤlle den Worten nach beobachtete, in der That aber durch Er⸗ hebung anderweitiger Abgaben den Handel weit uͤber das verab⸗ redete Maß hinaus beschwerte.
Was zunaͤchst den Ausfuhr⸗Handel betrifft, so bestand das System der Monopole. Die Regierung ließ theils fuͤr eigene Rechnung gewisse Landes⸗Erzeugnisse zu festgesetzten niedrigen Prei⸗ sen von den Produzenten aufkaufen, um dieselben zu weit hoͤhe⸗ ren Preisen wieder verkaufen oder ausfuͤhren zu lassen, theils er⸗ theilte sie fuͤr Geld Erlaubnißscheine (Teskeres genannt), kraft deren der Inhaber berechtigt wurde, gewisse Landes-Erzeug⸗ nisse zu sehr niedrigen, von den Provinzial⸗Behoͤrden fest⸗ gesetzten Preisen den Produzenten abzunehmen, um solche nachher theurer zu verkaufen oder auszufuͤhren. Wenn schon diese Monopole nachtheilig auf die Production und die Waaren⸗ preise wirken mußten, so trat noch hinzu, daß die meisten der im Innern des Landes zur Ausfuhr gekauften Waaren, bevor sie von den Stapelplaͤtzen ausgefuͤhrt werden durften, mannigfachen Abgaben, z. B. am Orte des Einkaufs einem lokalen Aussuhr⸗Zoll von 5 pCt., am Orte der Verschiffung einem gleich hohen Ein⸗ gangs⸗Zolle unterworfen wurden. So geschah es, daß die bedeu⸗ tendsten Artikel der Tuͤrkischen Ausfuhr schon anderweit funfzehn bis zwanzig und bisweilen noch mehr Procente des Werthes an Abgaben getragen hatten, bevor in dem Ausfuhr-Hafen die Erle— gung des vertragsmaͤßigen Ausgangs⸗Zolles von 3 pCt. eintrat.
Nicht guͤnstiger stand es um den Einfuhr⸗Handel. Die Waa⸗ ren wurden zwar bei ihrem Eintritte in das Gebiet der Pforte nur mit dem vertragsmaͤßigen Eingangs⸗Zolle von 3 pCt. belegt; die Kaͤufer derselben mußten aber bei der Weiterversendung nach dem Innern, und endlich selbst die Konsumenten noch vielerlei besondere Abgaben entrichten.
Dieses System fuͤhrte zu großen Klagen des fremden Han— delsstandes, und die Pforte selbst mußte sich endlich uͤberzeugen, daß dadurch die Production gewaltsam niedergedruͤckt und der wohlthaͤtige Verkehr im Innern des Landes auf alle Weise ge⸗ hemmt wurde.
Die Aufgabe der Pforte bestand aber darin, den passenden Weg zu finden, auf der einen Seite die Production und den Verkehr von jenen laͤstigen Fesseln zu befreien, ohne auf der an⸗ deren Seite die zum Staats⸗Haushalte erforderlichen Einkuͤnfte zu schmaͤlern. In dieser Richtung erschien es am zweckmaͤßigsten, die Monopole, die Handels⸗Abgaben und Beschraͤnkungen im In⸗ nern gaͤnzlich aufzuheben und dafuͤr die Ausgangs⸗ und Eingangs⸗ Zoͤlle zu erhoͤhen. Ließ sich hierbei nicht in Abrede stellen, daß die Pforte vielleicht anfangs manche Einbuße erleiden wuͤrde, so war doch mit Zuversicht zu erwarten, daß sich jeder Nachtheil binnen kurzem mit dem Steigen der Production und des Ver⸗ kehrs vollstaͤndig wieder ausgleichen wuͤrde. 1
Nicht minder lagen die Vortheile zu Tage, welche der Han⸗ del des Auslandes davon ziehen mußte, wenn der Verkehr im In⸗ nern von den druͤckenden darauf ruhenden Lasten befreit wurde. Die Pforte konnte daher auch hoffen, zu der neuen Einrichtung die Zustimmung derjenigen Staaten, mit welchen uͤber die Hoͤhe den Eingangs⸗ und Ausgangs⸗Zoͤlle Vertraͤge bestanden, zu er⸗
alten.
Hierzu hat England, als der bei dem Levantischen Handel vorzuͤglich betheiligte Staat, zuerst die Hand geboten. England schloß mit der Pforte unter dem 16. August 1838 einen Vertrag, dessen wesentlicher Inhalt, so weit derselbe hier von Interesse ist, in Folgendem besteht:
Es werden die bisherigen vertragsmaͤßigen Rechte der Eng⸗
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lischen Unterthanen und Schiffe im Gebiete der Pforte, so weit
dieselben durch die neue Uebereinkunft nicht modifizirt werden, be⸗ staͤigt. Die Pforte entsagt den oben erwaͤhnten Monopolen und den inneren, auf der Aus⸗ und Einfuhr ruhenden Zoͤllen zu Gun⸗ sten der fraglichen Unterthanen; in Compensation dafuͤr tritt:
1) hinsichtlich der Ausfuhr eine Abgabe von 9 pCt. bei⸗ der Ankunft der Waare aus dem Innern an dem Orte, von wo sie ausgefuͤhrt werden soll, sodann aber bei der Ausfuhr selbst der bisherige Ausfuhr⸗Zoll von 3 pCt.; und
duͤrfen uͤberall da, wo andere befreundete Maͤchte Konsuln, Vice⸗Kon⸗ suln und Dragomans haben, dergleichen ebenfalls anstellen, entlassen, ersetzen. Die Preußischen Konsuln, Vice⸗Konsuln, Dragomans, Kauf⸗ leute und andere Unterthanen sollen dieselben Freiheiten, wie die Un⸗ terthanen der anderen befreundeten Maͤchte, genießen.
Artikel V.
Streitigkeiten zwischen Preußischen Unterthanen werden von dem Gesandten oder den Konsuln Preußens entschieden, und ohne Verlan⸗ gen der Parteien darf die Ottomanische Justiz sich nicht einmischen. — Die Konsuln im Gebiete der Pforte durfen nicht verhaftet, ihre Haͤuser duͤrfen nicht untersucht oder versiegelt werden; ihre Rechts⸗ streitigkeiten werden in Konstantinopel durch den Gesandten entschie⸗ den — Prozesse zwischen Preußischen Unterthanen und denen der Pforte werden vor den Ottomanischen Tribunalen, unter Zuziehung der Preußischen Gesandten, Konsuln oder ihrer Dragomans, ohne welche kein Preußischer Unterthan sich einzulassen braucht, verhandelt.
Artikel VI.
Die Verlassenschaften verstorbener Preußischer Unterthanen wer⸗ den dem Preußischen Gesandten oder den Preußischen Konsuln, in deren Ermangelung aber ihren Landsleuten, zum Zwecke der Ueber⸗ machung an die Erben zugestellt. Waͤre aber kein Preuße an dem Orte, wo der Todesfall stattgefunden, so soll von dem Orts⸗Richter ein Inventarium aufgenommen und der Nachlaß demjenigen, wel⸗ chen der Gesandte dazu bevollmaͤchtigt, uͤbergeben werden, ohne die Abgabe Resmikismet (Abgabe an den Orts⸗Richter bei Erbschafts⸗ Regulirungen) zu erheben. In Ansehung der Ausuͤbung der Reli⸗ gion soll den Preußen dieselbe Behandlung, wie den Unterthanen der uͤbrigen befreundeten Staaten, zu Theil werden.
Artikel VII.
Die den Preußischen Unterthanen zugestandene Behandlung soll
Preußischerseits auch den Unterthanen der Pforte gewaͤhrt werden.
*) Dieser Vertrag ist de Hertzberg Recueil Pom. III. pag. 36 und in de Martens Recueil de traités ed. I. Tom. IV, pag. 560 89q. abgedruckt.
2) in Betreff der Einfuhr neben dem bisherigen Einfuhr⸗ Zoll von 3 pCt. noch ein Additional⸗Zoll von 2 pEt. ein, nach deren Erlegung es dem Einfuͤhrer freisteht, die Waare an Ort und Stelle zu verkaufen, oder nach anderen Orten im Gebiete der Pforte zu fuͤhren, ohne daß weiter von dem Verkaͤufer oder Kaͤufer eine andere Abgabe erhoben werden darf. Außerdem be⸗ stimmt der Vertrag, daß Englische Kaufleute im Gebiete der Pforte, welche daselbst Tuͤrkische Erzeugnisse kaufen, um solche zur inneren Consumtion wieder zu verkaufen, bei dem Ankaufe sowohl wie bei dem Verkaufe mit den Ottomanischen Unterthanen auf gleichem Fuße behandelt werden sollen. 8
Endlich wird in Betreff der Durchfuhr das bisher schon faktisch Bestehende vertragsmaͤßig festgesetzt, daß die Wagren⸗ Durchfuhr durch die Dardanellen und den Bosporus, auch im Falle einer Umladung von Bord zu Bord oder voruͤbergehender Ausladung der Wagre am Lande, zollfrei ist und im Uebrigen alle zum Transit eingefuͤhrten Guͤter nur einem Zolle von 3 pCt. un⸗ terworfen sind. 4
Der Pforte mußte daran gelegen seyn, in gleiche Verabre⸗ dungen auch mit den uͤbrigen Maͤchten zu treten, um ein gleich 8 maͤßiges Prinzip gegen alle Staaten befolgen zu koͤnnen und nicht genoͤthigt zu seyn, unter Beobachtung zweier ganz entgegengesetz⸗ ter Systeme die Unterthanen des einen Staates nach dem alten,
die des anderen Staates nach dem neuen System zu behandell.
Auf der anderen Seite konnte England auf eine entsprechende vollstaͤndige Durchfuͤhrung dieses besseren Handels⸗ und Zoll⸗ Systems der Pforte mit um so groͤßerer Zuversicht rechnen, wenn auch den anderen, mit derselben im Verkehr stehenden Nationen gegenuͤber eben dasselbe Prinzip eintrat.
Aus diesen Ruͤcksichten ward in den Vertrag mit England am Schlusse des sechsten Artikels die Verabredung aufgenommen, daß die Pforte einwillige, die Stipulationen dieses Vertrages auch gegen die uͤbrigen befreundeten Maͤchte auf deren Verlangen ein⸗ treten zu lassen.
Auf diese Abrede gestuͤtzt, ist Frankreich bereits dem Vorgange Englands gefolgt und hat am 25. November 1838 mit der Pforte eine Convention abgeschlossen, welche mit den Bestimmungen des Englischen Vertrages wesentlich uͤbereinstimmt. 1
Die uͤbrigen, bei dem Handel mit der Tuͤrkei mehr oder min⸗ der betheiligten Staaten wollten zuvoͤrderst beobachten, wie sich die Durchfuͤhrung der Vertraͤge mit England und Frankreich in der Tuͤrkei gestalten wuͤrde. Die Pforte hatte den mit ihr in Ver⸗ trags⸗Verhaͤltnissen stehenden Staaten jene Uebereinkunft mit England unter dem Anerbieten einer gleichen Verabredung mitgetheilt. Anfangs bestanden Zweifel daruͤber, ob die Pferte sich im Stande befinden wuͤrde, ihr bisheriges Zoll⸗System vollstaͤndig und den Vertraͤgen ent⸗ sprechend aufzugeben. Diese Zweifel haben sich geloͤst. Jene Ver⸗ traͤge sind in Ausfuͤhrung gesetzt worden, und die Englischen und Franzoͤsischen Kaufleute in der Tuͤrkei genießen des Vortheils unter den vereinbarten guͤnstigen Verhaͤltnissen nicht blos die Er⸗ zeugnisse ihrer Heimath, sondern selbst diejenigen aller anderen Staaten einfuͤhren und ausfuͤhren zu koͤnnen.
Dies Letztere namentlich hat seinen Grund in der Einrichtung, daß alle eingefuͤhrten Waaren nach Zahlung der Additional⸗Ab⸗ gabe von 2 pCt. mit einem Stempel versehen werden und so⸗ dann bei der weiteren Versendung und beim weiteren Verkauf frei von allen ferneren Abgaben bleiben. Daraus ergiebt sich von selbst, daß die Behandlung der Waare in Hinsicht der Zoll⸗ und Abgabenpflichtigkeit sich nach der Nationalitaͤt des Einfuͤh⸗ renden und Ausfuͤhrenden richtet, und hieraus entstehen wiederum die nothwendigen Folgen, daß
1) die den uͤbrigen Staaten angehoͤrigen Kaufleute in Ge⸗ fahr gerathen, bei solcher Konkurrenz ihren Handel ganz zu ver⸗ lieren, ferner aber
2) was die Einfuhr fremder Waaren in die Tuͤrkei betrifft, alle diejenigen Staaten, welche nicht in gleiche Verabredungen mit der Pforte treten, allmaͤlig jeden Absatz dorthin ganz verlie⸗ ren muͤssen, indem nichts natuͤrlicher ist, als daß die Englischen und Franzoͤsischen Kaufleute im Gebiete der Tuͤrkei unter sonst gleichen Verhaͤltnissen den Erzeugnissen ihres Vaterlandes den Vorzug vor den Productionen anderer Laͤnder geben werden. —
Dieser letztere Umstand durfte um so weniger von den Staaten des Abendlandes außer Acht gelassen werden, deren Stre⸗ ben bei dem Aufschwunge der Industrie und der gesammten ge⸗ 1 werblichen Thaͤtigkeit nothwendig dahin gerichtet seyn muß, den Markt fuͤr den Absatz ihrer Erzeugnisse nach jeder Richtung hin zu erweitern. Von diesen Ruͤcksichten geleitet, haben denn auch ohne Zoͤgern fast alle Regierungen, welche in Ansehung ihrer Handels⸗Verhaͤltnisse mit der Pforte sich in aͤhnlichem Falle be⸗ finden, namentlich Oesterreich, Schweden und Norwegen, Spa⸗ nien, die Niederlande, Sardinien, Belgien und die Vereinigten Staaten von Nord⸗Anprika, Additional⸗Vertraͤge mit der Pforte in Uebereinstimmung mit den Vertraͤgen Englands und Frank⸗ reichs unterhandelt und zum Theil schon abgeschlossen.
Unter diesen Umstaͤnden durfte auch Preußen nicht zuruͤckblei⸗ ben. Es kam indeß darauf an, dieselben Handels⸗Vortheile auf welche Preußen nach dem aͤlteren oben angefuͤhrten Vertrage An⸗ spruch hatte, auf saͤmmtliche Staaten des Zoll⸗ und Handels⸗Ver⸗ eins zu uͤbertragen. Die im Einverstaͤndnisse mit jenen Staaten in dieser Beziehung gemachten Antraͤge sind von der Pforte be⸗ willigt, und es ist von Preußen in seinem und im Namen der uͤbrigen Staaten des Zoll⸗Vereins uͤber einen Handels⸗Vertrag verhandelt, der im Wesentlichen dieselben Stipulationen enthaͤlt wie der von der Pforte mit England und Frankreich abgeschlos⸗ sene Vertrag. In Gemaͤßheit des Artikels X. des Vertrages ist der Tarif, mit Zuziehung der in Konstantinopel ansaͤssigen Kauf⸗ leute aus Preußen, festgestellt, und sind dabei die zwischen Groß⸗ britanien, so wie zwischen Frankreich und der Pforte vereinbarten Tarise wesentlich zum Grunde gelegt worden. Mit diesen Tari⸗ fen stimmt daher auch der vorliegende bis auf wenige neu hinzu⸗ gekommene Artikel uͤberein.
Der Vertrag lautet nach der durch die Gesetz⸗Sammlung gleichzeitig mit dem Franzoͤsischen Original⸗Texte publizirten Ueber⸗ setzung wie folgt: 8
Waͤhrend der langjaͤhrigen Allianz, welche gluͤcklicher Weise zwischen Preußen und der hohen Pforte bestanden hat, haben die zwischen beiden Maͤchten abgeschlossenen Vertraͤge den Betrag der von den aus der Tuͤrkei ausgefuͤhrten oder dahin eingefuͤhrten Waaren zu entrichtenden Abgaben bestimmt und die Rechte, Pri⸗ vilegien, Freiheiten und Pflichten der Preußischen Kaufleute, wel⸗ che im Gebiete des Ottomanischen Reiches Handel treiben und sich aufhalten, auf feierliche Weise bestimmt. Gleichwohl sind viel⸗ faͤltige Veraͤnderungen neuerlich eingetreten, eines Theils, was die hohe Pforte betrifft, sowohl in der inneren Verwaltung des Rei⸗ ches, als in ihren aͤußeren Beziehungen zu anderen Maͤchten, und anderen Theils, was Preußen betrifft, in Folge der Errichtung des Handels⸗ und Zoll⸗Vereins zwischen Preußen und den Kro⸗ nen von Bayern, Sachsen und Wuͤrttemberg, dem Großherzog