1841 / 340 p. 4 (Allgemeine Preußische Staats-Zeitung) scan diff

Wohnsitz wird in Ermangelung einer ausdruͤcklichen Erklaͤrung als

hresfrist nach der Ent⸗

aufgegeben angesehen, wenn nicht binnen Jahre —— gesehen⸗ rfuͤllung der Gemeinde⸗

fernung aus dem Orte ein Stellvertreter zur E

Obliegenheiten bestellt worden ist. 8 82 Das Gemeinde⸗Necht wird verloren, wenn der Grund⸗

ines fübeerbten eine solche Verminderung erleidet, daß da⸗

tet wird Entßeht die Verminderung der Steuer⸗Quote unter diesen Betrag blos dadurch, daß in Folge einer Vermehrung des Gesammt⸗ Katastral⸗Ertrages der westlichen Provinzen der allgemeine Steuer⸗ Prozentsatz sich ermaͤßigt, so verbleibt dem zeitherigen Meistbeerbten das Gemeinde⸗Recht. 1 8 2-She s

§. 45. Von dem Gemeinde⸗Rechte sind diejenigen auszuschließen, welche 1) wegen irgend eines Verbrechens auf zwei Jahre oder laͤn⸗ ger zum Zuchthause oder zu einer haͤrteren Strafart, oder 2) wegen Meineides, Diebstahls, oder qualifizirten Betrugs zu irgend einer Kri⸗ minalstrafe verurtheilt worden sind. Die Ausschließung von dem Gemeinde⸗Rechte wird auf den Grund des rechtskraͤftigen Erkennt⸗ nisses durch die Gemeinde⸗Versammlung ausgesprochen.

§. 46. Das Gemeinde⸗Recht kann durch Beschluß der Ge⸗ meinde⸗Versammlung auch demjenigen entzogen werden, welcher außer den Faͤllen des §. 45 zu irgend einer Kriminal⸗Strafe verurtheilt oder in irgend einer Kriminal⸗Untersuchung nur vorlaͤufig freigesprochen worden ist, oder sich durch einzelne Handlungen oder durch seine Le⸗ bensweise die oͤffentliche Verachtung zugezogen hat. Der Amtmann hat in diesen die zum Grunde liegenden Thatsachen zu unter⸗ suchen und festzustellen, den Angeschuldigten mit seiner Vertheidigung zu hoͤren und die Verhandlungen der Gemeinde⸗Versammlung zur Be⸗ schlußnahme vorzulegen, wobei er selbst den Vorsitz zu uͤbernehmen hat. Dem Angeschuldigten steht gegen den Beschluß der Rekurs an die vorgesetzte Regierung zu.

§. 47. Das Gemeinde⸗Recht ruht, wenn der dazu Berechtigte in Kriminal⸗Untersuchung oder Konkurs verfaͤllt.

§. 48. In jeder Gemeinde hat der Vorsteher ein vollstaͤndiges Verzeichniß der zur Ausuͤbung des Gemeinde⸗Rechts peesoͤnlich oder durch Stell⸗Vertreter befaͤhigten Meistbeerbten (Gemeinde⸗Rolle) zu fuͤhren. Wer einmal in diese Rolle aufgenommen ist, kann aus der selben ohne gesetzliche Gruͤnde, welche ihm bekannt gemacht werden muͤssen, nicht weggelassen werden und bleibt, wenn er der Weglassung widerspricht, außer den Faͤllen des §. 45, so lange in seinen fruͤhe ren Verhaͤltnissen, bis die Regierung wider ihn entschieden hat.

Abschnitt 3. 8 Von der Vertretung der Gemeinden.

8. 49. Die Gemeinde wird in allen ihren Angelegenheiten durch die Versammlung der Meistbeerbten vertreten, in groͤßeren Gemeinden, welche der Ober⸗Praͤsident nach einer ihm daruͤber von dem Ministec des Innern zu ertheilenden Instruction bestimmt, findet jedoch eine Vertretung durch Gemeinde⸗Verordnete statt. 1 §. 50. Die Gemeinde⸗Verordneten bestehen: 1) aus den Besitzern der zur Gemeinde gehorigen landtagsfaͤhigen Ritterguͤter, und 2) aus gewaͤhlten Gemeinde Verordneten, deren Zahl fuͤr jede Gemeinde von dem Ober⸗Praͤsidenten nach Vernehmung der Gemeinde⸗Behoͤrde be⸗ stimmt wird und nicht unter sechs und nicht uͤber achtzehn betra⸗ gen soll. 1 18 1 8 §. 51. Die Rittergutsbesitzer muͤssen, um an der Gemeinde⸗Ver⸗ ordneten⸗Versammlung Theil nehmen zu koͤnnen, diejenigen versoͤnli⸗ chen Eigenschaften besitzen, welche fuͤr einen gewaͤhlten Gemeinde⸗ Verordneten erforderlich sind; sie koͤnnen jedoch ihr Stimmrecht nach Vorschrift §. 42 durch Stellvertreter ausuͤben. §. 52. Die nach §. 50 Nr. 2 zu waͤhlenden Gemeinde⸗Verordneten werden auf sechs Jahre ernannt. Alle drei Jahre scheidet die Haͤlfte derselben aus, an deren Stelle neue Mitglieder zu waͤhlen sind. Die Ausgeschiedenen sind wieder waͤhlbar. Die Ausscheidung erfolgt bei⸗ dem Ablaufe der ersten dreijaͤhrigen Wahl⸗Periode nach dem Loose. §. 53. Die Gemeinde⸗Verordneten werden durch die zur Aus⸗ uͤbung des Gemeinderechts befaͤhigten Meistbeerbten, mit Ausnahme der Ritterqutsbesitzer, aus ihrer Mitte gewaͤhlt; die Gewaͤhlten muͤs⸗ sen sich zur christlichen Religion bekennen. §. 54. Die Wahlen erfolgen, wo die Meistbeerbten nach den Bestimmungen des §. 41 in zwei Klassen sich theilen, nach diesen Klassen. Auch kann, wenn die Gemeinde aus Bauerschaften mit zer⸗ streut liegenden Besitzungen und aus einem geschlossenen Dorfe be⸗ steht, zum Behuf der Wahlen aus den im Dorfe wohnenden Meist⸗ beerbten eine dritte Klasse gebildet werden. §. 55. Die Zahl der von jeder Klasse zu waͤhlenden Gemeinde⸗ Verordneten richtet sich nach dem Verhaͤltnisse der Gesammtsumme der Grundsteuer, welche von den in der Klasse begriffenen Meistbeerb⸗ ten entrichtet wird. Die Festsetzung hieruͤber erfolgt durch den Ober⸗ Praͤsidenten. §. 56. In dem Wahl⸗Termine, welcher vier Wochen vorher nach der in der Gemeinde gewoͤhnlichen Publications⸗Art bekannt zu ma⸗ chen ist, muͤssen die Meistbeerbten persoͤnlich oder in den nach §. 42 zulaͤssigen Faͤllen durch Stellvertreter erscheinen. Die Ausgebliebenen sind an die Beschluͤsse der Anwesenden gebunden und zur Einsendung scheiftlicher Abstimmungen nicht befugt. §. 57. Die Wahl steht unter der Leitung des Amtmannes; die⸗ ser kann aber hierbei sich durch den Gemeinde Vorsteher vertreten lassen. 6 §. 58. Als erwaͤhlt ist derienige zu betrachten, welcher die abso⸗ lute Stimmen⸗Mehrheit fuͤr sich hat. Ergiebt sich nicht eine absolute Mehrheit, so sind diejenigen drei Kandidaten, welche die meisten Stimmen fuͤr sich haben, auf eine engere Wahl zu bringen. Wird auch hierbei nach zweimaligem Versuche keine absolute Mehrheit er⸗ reicht, so entscheidet das Loos. 1 b §. 59. Reclamationen gegen das Verzeichniß der Wahlberechtig⸗ ten, welches bei Ankuͤndigung des Wahl⸗Termins oͤffentlich auszule⸗ gen ist, machen die Wahl⸗Handlung nur dann unguͤltig, wenn nach⸗ her eine solche Abaͤnderung desselben verfuͤgt wird, durch welche der Gewaͤhlte die absolute Stimmen⸗Mehrheit verliert. §. 60. Die Wahl⸗Verhandlungen sind nach vorgaͤngiger Pruͤ⸗ fung in der Gemeinde⸗Verordneten⸗Versammlung dem Landrathe ein zureichen, welcher, wenn gegen die Legalitaͤt des Verfahrens und die Qualification der Gewaͤhlten nichts zu erinnern ist oder die Erinne⸗ ungen erledigt sind, die Wahl zu bestaͤtigen und die Einsuͤheung der Gewaͤhlten anzuordnen hat. §. 61. Die nach den oͤrtlichen Verhaͤltnissen erforderlichen naͤhe⸗ en Bestimmungen uͤber die Wahlform bleiben besonderen Reglements vorbehalten, woruͤber der Minister des I nit Instruction versehen wird.

1““ 8* hnmntit 4. Von den Rechten und Verhaͤltnissen der Gemeinde⸗ Versammlung.

. 2 8. 62. Die Gemeinde⸗Versammlung (§. 49) hat die Vollmacht und Verpflichtung, die Gemeinde nach Ueberzeugung und Gewissen u vertreten und verbindende Beschluͤsse fuͤr dieselbe zu fassen. §. 63. Die Versammlung kann nur dann zusammentreten, wenn sie vr geen dem Vorsteher oder dem Amtmann zusammenberufen vorden ist. 6 §. 64. Der Vorsteher fuͤhrt in der Versammlung den Vorsitz mit vollem Stimmrechte und mit entscheidender Stimme bei Stimmen⸗ leichheit. Es steht jedoch auch dem Amtmann die Befugniß zu, den Vorst darin zu uͤbernehmen; er ist hierzu verpflichtet, wenn uͤber den Haushalts Etat und uͤber die Abnahme der Gemeinde⸗Rechnung, in⸗ leichen uͤber Angelegenheiten, bei denen mehrere Gemeinden des Amts⸗ Bezirks vaneinschaftlich betheiligt sind, berathen werden soll. Es ge⸗ buͤhrt ihm hierbei bei Stimmengleichheit die entscheidende Stimme, außerdem aber kein Stimmrecht. 1 §. 65. Wohnt ein Ritterguts⸗Besitzer der Versammlung persoͤn⸗ lich bei, so gebuͤhrt ihm, wenn nicht der Amtmann gegenwaͤrtig ist,

nnern den Ober-Praͤsidenten v11 8 v 8 Ss.

der Vorsitz, und zwar bei Stimmen⸗Gleichheit mit entscheidender Stimme; sind mehrere Ritterguts⸗Besitzer anwesend, so hat, in Er⸗ einer Einigung unter ihnen, der aͤlteste den Vorsitz zu fuͤhren.

§. 66. Die Beschluͤsse weeden nach Stimmen⸗Mehrheit gefaßt, zur Guͤltigkert eines Beschlusses ist die Gegenwart von wenigstens zwei Drittheilen der Mitglieder erforderlich. Fehlt es bei einer Ver⸗ sammlung der Gemeinde⸗Verordneten an dieser Zahl, so sind an der Stelle der verhinderten oder abgegangenen Mitglieder so viele der am hoͤchsten besteuerten Meistbeerbten einzuberufen, als zur Beschluß⸗ Faͤhigkeit der Versammlung noͤthig ist.

8. 67. Wer bei einer Angelegenheit ein von dem Interesse der Gemeinde verschiedenes Interesse hat, darf an der Berathung keinen Theil nehmen. Tritt dieser Fall bei dem Vorsteher ein, so hat der Amtmann den Vorsitz zu uͤbernehmen. Kann wegen persoͤnlicher Be⸗ theilung der Mitglieder und der an deren Stelle einzuberufenden Meistveerbten eine beschlußfaͤhige Versammlung nicht gehalten wer⸗ den, so hat die Regierung vermoͤge des ihr zustehenden Ober⸗Aufsichts⸗ rechts fuͤr die Gewahrung der Rechte der Gemeinde Sorge zu tragen, ihr einen Rechts⸗Anwalt zu bestellen und die sonst erforderlichen Ein⸗ leitungen zur Wahrnehmung des Interesses der Gemeinde zu treffen. Diese Bestimmung findet insonderheit alsdann Anwendung, wenn Streit daruͤber entsteht, ob ein Gegenstand Eigenthum der Gemeinde oder der einzelnen Gemeindeglieder ist.

85. 68. Die Beschluͤsse sind mit Anfuͤhrung der dabei gegenwaͤr⸗ tig gewesenen Mitglieder durch den Vorsitzenden in einem besonderen Buche zu verzeichnen. Die Ausfertigungen der Beschluͤsse, welche ohne Unterschied kostenfrei sind, muͤssen von dem Vorsitzenden und zwei Mitgliedern unterschrieben werden, welche dazu jaͤhrlich von der Gemeinde⸗Versammlung zu waͤhlen sind.

§. 69. Alle Beschluͤsse der Gemeinde- Versammlung muͤssen dem Amtmann, insofern er nicht selbst den Vorsitz gefuͤhrt hat, vor der Ausfuͤhrung vorgelegt werden.

§. 70. Den Meistbeerbten und Gemeinde⸗Verordneten ist es nicht erlaubt, irgend eine Vergeltung fuͤr die Ausuͤbung ihres Berufs an zunehmen, nur baare Auslagen werden ihnen erstattet.

§. 71. Die Gemeinde⸗Versammlung, so wie die einzelnen Mit⸗ glieder derselben, sind der Gemeinde fuͤr den ihe zugefuͤgten Nachtheil verantwortlich, wenn sie sich der Abstimmung entziehen, wenn sie durch Ordnungs⸗Widrigkeit die Beschlußnahme verhindern, oder die Beschluͤsse vereiteln, oder sich ungebuͤhelicherweise in die Ausfuͤheung mischen; dagegen sind sie fuͤr den Inhalt ihrer Beschluͤsse nur dann verantwortlich, wenn sie wider besseres Wissen, also in unredlicher Ab⸗ sicht, gehandelt haben. Ergiebt sich eine solche Vertretungs⸗Verbind⸗ lichkeit der Versammlung, so hat die Regierung einen Anwalt zu be⸗ stellen, welcher im Namen der Gemeinde den Prozeß zu fuͤhren hat. Auch einzelne Mitglieder koͤnnen wegen solcher Verbindlichkeiten auf Beschluß der Gemeinde-Versammlung in rechtlichen Anspruch genom⸗ men werden.

8. 72. Sollte eine Gemeinde⸗-Verordneten⸗Versammlung fort⸗ waͤhrend ihre Pflichten veenachlaͤssigen und in Unordnung und Par⸗ teiung verfallen, so weeden Wie sie nach genauer Untersuchung auf⸗ loͤsen, die Bildung einer neuen Versammlung nach Befinden wieder anordnen und die Schuldigen auf gewisse Zeit oder auf immec fuͤr unfaͤhig zu einer neuen Wahl erklacen. Außerdem bleibt in dazu gecigneten Faͤllen die gerichtliche Ruͤge vorbehalten.

A1A hE113.

Von dem Vorsteher und dem Unter⸗Beamten der Gemeinden.

§. 73. Der Gemeinde⸗Vorsteher, dessen Amt auf die jeden Orts herkoͤmmliche Weise zu bezeichnen ist, wied fuͤr jetzt und bis Wir Uns bewogen finden weeden, die Wahl desselben den Gemeinden zu uͤber⸗ lassen, vom Landrath aus den Meistbeerbten und, wo die Gemeinde durch Verordnete vertreten wird, aus Letzteren nach Vernehmung der gutachtlichen Vorschlaͤge des Amtmanns ernannt. Derselbe muß sich zur christlichen Religion bekennen, in dem Gemeinde⸗Bezirke wohnen und die zu seinen Geschaͤften noͤthigen Kenntnisse besitzen. Das Amt des Vorstehers dauert sechs Jahre, kann aber nach drei Jahren nie⸗ dergelegt werden. Fuͤr Verhinderungsfaͤlle wird in gleicher Art ein Stellvertreter (Beigeordneter) ernannt, welcher dieselben Eigenschaf ten besitzen muß.

§. 74. In denjenigen Gemeinden, welche fuͤr sich allein ein Amt bilden, ist der Amtmann zugleich der Gemeinde⸗Vorsteher.

§. 75. Auch kann, wenn mehrere Gemeinden ein Amt bilden, der Amtmann zugleich zum Vorsteher derjenigen Gemeinde bestellt werden, in welcher derselbe seinen Wohnsitz hat. Der Ober⸗Praͤsident hat hieruͤber nach Vernehmung der Gemeinde-Versammlung zu ent⸗ scheiden. Jene Gemeinde hat alsdann zu der Besoldung des Amt⸗ manns und dessen Entschaͤdigung fuͤr Dienst⸗Unkosten einen verhaͤlt⸗ nißmaͤßig hoͤheren Beitrag, wie die uͤbrigen zum Amte gehoͤrigen Gemeinden und Ritterguts⸗Besitzer, zu leisten (§. 109). 1

§. 70. Das Amt des Vorstehers wird unentgeltlich verwaltet und nur fuͤr Dienst⸗Unkosten eine Entschaͤdigung gewaͤhrt, welche von der Regierung nach Vernehmung der Gemeinde⸗Versammlung be⸗ stimmt wird, jedoch Einen Silbergroschen fuͤr jeden Kopf der Be⸗ voͤlkerung nicht uͤbersteigen soll. Fuͤr Dienst⸗Reisen außerhalb des Kreises kann jedoch besondere Verguͤtung verlangt werden. Gebuͤh⸗ ren fuͤr einzelne Amts⸗Handlungen duͤrfen nur insoweit erhoben wer⸗ den, als sie in den Gesetzen ausdruͤcklich gestattet sind; dagegen muͤssen die durch solche Handlungen verursachten baaren Auslagen jederzeit von den Betheiligten erstattet weeden.

§. 77. Der Vorsteher besorgt unter vorgeschriebener Mitwirkung der Gemeinde⸗Versammlung und unter der Aufsicht des Amtmanns die Verwaltung der Angelegenheiten der Gemeinde und ist in der Regel die ausfuͤhrende Behoͤrde. Das Etats-, Kassen⸗ und Rech⸗ nungswesen bleibt jedoch der unmittelbaren Leitung des Amtmanns vorbehalten.

§. 78. In allen Angelegenheiten des Amts, so weit sie die Ge⸗ meinde betreffen, ist der Vorsteher eine Unter⸗Behoͤrde des Amtmanns. In Ruͤcksicht auf diese Gegenstaͤnde und auf die Orts Polizei hat er die Aufsicht zu fuͤhren, Anzeige zu machen und ihm die von dem Amt⸗ mann gegebenen allgemeinen und besonderen Auftraͤge und Anwei⸗ sungen auszufuͤhren.

§. 79. In diesen amtlichen Beziehungen (§§. 77 und 78) sind dem Vorsteher untergeben und zum Gehorsam verpflichtet: sowohl alle ein⸗ zelne Mitglieder der Gemeinde, als auch die in dem Bezirk derselben bestehenden Corporationen und Stiftungen in ihren Verhaͤltnissen zu der Gemeinde.

§. 80. Der Vorsteher kann gegen diejenigen, welche seinen An⸗ ordnungen die gebuͤhrende Folgeleistung verweigern, Geldstrafen bis zu Einem Thaler verfuͤgen. Auch steht ihm, wenn der Amtmann nicht in derselben Gemeinde wohnt, die Untersuchung und Bestrafung der Orts⸗Polizei⸗Contraventionen zu, welche mit einer Geldbuße von hoͤchstens Einem Thaler bedroht sind. 8

§. 81. Die zur Gemeinde gehoͤrigen Rittergutsbesitzer sind jedoch in Bezug auf die Polizei⸗Aufsicht dem Amtmann unmittelbar unter⸗ geordnet. Auch in eigentlichen Kommunal Sachen ist der Vorsteher zur Erlassung von Zwangs⸗Verfuͤgungen gegen dieselben nicht befugt, sondern muß solche bei dem Amtmann in Antrag bringen. 1

§. 82. Wo der Umfang der Gemeinde es noͤthig macht, koͤnnen fuͤr einzelne Theile derselben, nach Bestimmung der Regierung, Dorfs⸗ oder Bauerschafts⸗Vorsteher bestellt werden, welche in dem ihnen an⸗ gewiesenen Bezirke wohnhaft seyn muͤssen. Wegen der Ernennung, Qualification und Amtsdauer gelten die wegen des Gemeinde⸗Vor⸗ stehers ertheilten Vorschriften. Die Dorfs⸗ und Bauerschafts⸗Vor⸗ steher bilden eine Huͤlfs⸗Behoͤrde des Gemeinde⸗Vorstehers fuͤr die blos oͤrtlichen Geschaͤfte und insonderheit fuͤr die Polizei⸗Aufsicht ihres Bezirks. 8

§. 83. In so weit zum Dienste der Gemeinde Unterbeamte und Diener erforderlich sind, werden diese, wenn sie zu blos mechanischen Dienstleistungen bestimmt sind, von dem Amtmanne, sonst aber von dem Landrathe ernannt. Ueber die Wuͤrdigkeit der anzustellenden Per⸗

ist die Gemeinde⸗Versammlung zuvor mit ihrer Erklaͤrung zu

§. 84. Der Elementar⸗Erheber der direkten Steuern versieht zu⸗ gleich die Stelle des Gemeinde Einnehmers und bezieht dafuͤr eine

.

nach Vernehmung der Gemeinde⸗Versammlung von der Regierung zu bestimmende Remuneration. Er hat fuͤr die Verwaltung saͤmmt⸗ licher Gemeinde⸗Kassen eine besondere Caution zu dem von der Re⸗ gierung festzusetzenden Betrage, im Uebrigen aber nach den fuͤr Un⸗ sere Kassen⸗Beamten bestehenden Vorschriften zu bestellen. Ausnahms⸗ weise kann von der Regierung mit Genehmigung des Ober⸗Praͤsiden⸗ ten die Anstellung eines eigenen Gemeinde⸗Einnehmers angeordnet werden. Die Ernennung des Letzteren erfolgt durch den Landrath; uͤber die Wuͤrdigkeit des Anzustellenden ist zuvor die Gemeinde⸗Ver⸗ sammlung zu hoͤren.

§. 85. Wo es noͤthig befunden wird, kann die Regierung die Aufstellung eines von ihr zu genehmigenden Normal⸗Besoldungs⸗ Etats anordnen.

S. 86. Die hinsichtlich der Suspension, Entsetzung und unfrei⸗ willigen Entlassung der Staatsdiener bestehenden Grundsaͤtze kommen auch bei den Gemeinde⸗Beamten mit der Maßgabe zur Anwendung, daß uͤber deren unfreiwillige Entlassung die Regierung in voller Vec⸗ sammlung entscheidet. Durch dasselbe Verfahren soll bei allen das Gemeinde⸗Recht voraussetzenden Stellen die Entlassung veranlaßt werden, wenn das Gemeinde⸗Recht verloren wird; im Falle des ru⸗ henden Gemeinde⸗Rechts ist nach den Umstaͤnden uͤber die Suspen⸗ sion zu verfuͤgen. 5. 97. Der Vorsteher ist berechtigt und verpflichtet, die Aufsicht uͤber die Unter⸗Beamten und Diener der Gemeinde und uͤber ihre Dienstleistungen zu fuͤhren. Bei vorkommenden Dienst⸗Vernach⸗ laͤssigungen und Dienst⸗Vergehen hat er dem Amtmann Anzeige zu machen, welcher zur Erhaltung der noͤthigen Disziplin das Recht hat, den Unter⸗Beamten Ordnungs⸗Strafen bis zu Drei Thalern un den blos zu mechanischen Dienstleistungen angestellten Dienern Ge⸗ faͤngniß⸗Strafen bis zu zwei Tagen aufzulegen.

A b chn 5.

Von dem Geschaͤfts⸗Verhaͤltnisse des Gemeinde⸗Vor⸗ stehers und der Gemeinde⸗Versammlung.

85. 88. Wenn in Gemeinde⸗Angelegenheiten nicht blos die Ge⸗ setze oder schon gefaßte Beschluͤsse auszufuͤhren, sondern neue Be⸗ schluͤsse zu fassen sind, so gehen zwar diese auch in der Regel zunaͤchst von dem Vorsteher oder dem Amtmann (s§§. 63 und 64) aus; jedoch soll dabei die Entscheidung nach Verschiedenheit der Faͤlle abhaͤngie seyn: entweder von dem Vorsteher und Amtmann, oder von der Ge⸗ meinde⸗Versammlung, oder von dieser und der hinzutretenden Geneh migung der vorgesetzten Staats⸗Behoͤrden.

§. 89. Angelegenheiten, in welchen es auf Erfuͤllung von Pflich ten gegen den Staat, gegen Institute und gegen Privat⸗Personen an kommt, gehoͤren zur Entscheidung des Vorstehers und Amtmanns es muß aber, wenn hierbei oͤrtliche Verhaͤltnisse Einfluß haben, z. B bei der Anlage und Unterhaltung der Polizei⸗ und Armen⸗Anstalten, bei den Angelegenheiten der Kirchen, Schulen, frommen Stiftungen u. s. w., die Gemeinde⸗Versammlung mit ihrem Gutachten vernom men werden. Dieses soll in so weit beachtet werden, als es dern Zwecken entsprechend und mit den allgemeinen Staats⸗Geundsaͤtzen veceinbar ist. Was nach den Festsetzungen der Staats⸗Behoͤrde it Beziehung auf Angelegenheiten dieser Art erfordert wird, ist die Ge⸗ meinde zu leisten verpflichtet. 85. 90. Wenn der Amtmann oder der Vorsteher mit dessen Zu stimmung irgend einen anderen Gegenstand, worin ihm die Entschei dung zusteht, freiwillig der Gemeinde⸗Versammlung vorlegt, so ist er an deren Beschluß gebunden. 8

§. 91. Die Gemeinde⸗Versammlung entscheidet in allen Angele genheiten, welche sich lediglich auf den inneren Haushalt der Ge⸗ meinde beziehen. Dahin gehoͤren: 1) Festsetzung des Haushalts Etats, 2) Verpachtung und Verwaltung von Grundstuͤcken, 3) Me⸗ lioration von Grundstuͤcken, 4) Verpfaͤndung von Grundstuͤcken 5) Anstellung von Prozessen und Abschließung von Vergleichen uͤber Gerechtsame deer Gemeinde oder uͤber die Substanz des Gemeinde Vermoͤgens, 6) Vertraͤge, die außer den (Graͤnzen des Haushalts Etats liegen, 7) aͤhnliche außerordentliche Geld⸗Bewilligungen, als Neu⸗- baue, Haupt⸗Reparaturen u. s. w., die den Haushalts⸗Etat uͤbersteigen.

§. 92. Die in Angelegenheiten dieser Art (§. 91) von der Ge⸗ meinde-Versammlung gefaßten Beschluͤsse sind, so weit sie nicht nach den folgenden Vorschriften hoͤherer Genehmigung beduͤrfen, fuͤr den Vorsteher und Amtmann verbindend. Wenn jedoch der Amtmann die Ueberzeugung hat, daß ein Beschluß den Gesetzen widerspricht ode dem Gemeindewohl nachtheilig werden wuͤrde, so soll er die Ausfuͤh rung versagen und daruͤber an die Regierung zur Entscheidung be⸗ richten; er muß aber, wenn er bei Abfassung des Beschlusses nicht anwesend war, eine nochmalige Berathung der Sache unter seinen Vorsitze veranlassen und eine Bereinigung hieruͤber versuchen. §. 93. Die freiwillige Veraͤußerung von Grundstuͤcken kann nur

mit Genehmigung der Regierung und, der Regel nach, nur im Wege der oͤffentlichen Licitation stattfinden. Zur Guͤltigkeit dee Lieitation aber gehoͤrt: 1) die Vorlegung eines beglaubigten Auszuges aus den Grundsteuer⸗Kataster anstatt der Tare, 2) eine oͤffentlich auszuhaͤn gende Ankuͤndigung, 3) einmalige Bekanntmachung durch das Amts blatt der Regierung oder durch die etwa im Kreise erscheinenden df fentlichen Blaͤtter, 4) eine Frist von sechs Wochen von der Bekannt machung bis zum Licitations⸗Termine, 5) Abhaltung des Licitations Termins durch eine Justizperson, den Amtmann oder den Vorsteher. Wenn der Katastral⸗Ertrag des Grundstuͤcks nicht zwei Thaler uͤber steigt, so bedarf es der unter 3. vorgeschriebenen Bekanntmachung nicht. Vor Erlassung der Bekanntmachung ist an die Regierung zu berichten, welche sich uͤberzeugen muß, ob hinreichende Gruͤnde zu der vorgeschlagenen Maßreégel vorhanden sind, und das Weitere zu verfuͤgen hat. Ist bei der Licitation der fuͤnfundzwanzigfache Betrag des Katastral⸗Ertrages, nach Abzug der auf dem Grundstuͤck ruhen⸗ den Abgaben und Lasten, nicht erreicht worden, so ist unter Einrei⸗ chung der Verhandlungen an die Regierung zu berichten, welche uͤber den Zuschlag entscheidet. Bei Veraͤußerung von Gebaͤnden, welche nur nach der Grundflaͤche besteuert sind (§. 21. des Grundsteuer⸗Ge⸗ setzes vom 21. Januar 1839) ist, sofern sie fuͤr sich allein und nicht als Zubehoͤr eines Gutes mit diesem zugleich veraͤußert werden, eine Taxe aufzunehmen und den Verhandlungen zum Grunde zu legen. In besonderen Faͤllen kann die Regierung auch den Verkauf aus freier Hand gestatten, sobald sie sich uͤberzeugt, daß der Vortheil der Ge⸗ meinde dadurch gefoͤrdert oder solche doch nicht benachtheiligt wird. Der Besitztitel kann fuͤr den Erwerber eines Gemeinde⸗Grundstuͤcks nur dann berichtigt werden, wenn die Beobachtung dieser Vorschrif ten nachgewiesen ist. Die vorstehenden Bestimmungen finden auch auf die Veraͤußerung von Real⸗Berechtigungen Anwendung, wobei die Aufnahme einer Taxe jederzeit nothwendig ist.

§. 94. Zur Aufnahme von Anleihen und zum Ankauf von Grund stuͤcken ist die Genehmigung der Regierung erforderlich. Die Ge nehmigung zu Anleihen soll nur dann ertheilt werden, wenn fuͤr einen sicheren Zinsen⸗- und Tilgungsfonds gesorgt ist. Desgleichen sind Prolongationen von Anleihen und Abweichungen von dem genehmig⸗ ten Tilgungsplan an die Einwilligung der Regierung gebunden.

§. 95. Auch die Einfuͤhrung neuer oder erhoͤhter Gemeinde⸗Auf lagen erfordert die Genehmigung der vorgesetzten Stgats⸗Behoͤrde nach naͤherer Bestimmung der daruͤber von den Ministerien des In nern und der Finanzen bereits ertheilten oder kuͤnftig etwa noch zu erlassenden Instructionen.

§. 96. Bei Verwaltung der Waldungen bleiben die Gemeinden den nach der Verordnung vom 24. Dezember 1816 stattfindenden Be⸗ schraͤnkungen fernerhin unterworfen.

§. 97. In jeder Gemeinde muß ein Haushalts⸗Etat fuͤr eine nach dem Ermessen der Regierung auf ein bis drei Jahre zu bestim⸗ mende Periode aufgestellt werden. Der Entwurf desselben ist von dem Amtmann anzufertigen und unter dessen Vorsitz von der Gemeinde Versammlung zu pruͤfen und festzusetzen. Ein Duvlikat des fest⸗

gesetzten Etats ist dem Landrathe einzureichen. Nimmt dieser darin rdnungswidrigkeiten oder eine Gefaͤhrdung des Gemeinde⸗Interesses

wahr, so hat er die Ausfuͤhrung desjenigen Theils des Etats, wobei solche vorkommen, zu untersagen. Wideespricht die Gemeinde-Ver⸗ fammlung, so ist die Sache zur Entscheidung der Regierung zu his, ; Der Amtmann hat dafuͤr zu sorgen, daß der Haushalt nach dem Etat gefuͤhrt werde. Au⸗ Ferordentliche Ausgaben, welche außer dem Etat geleistet werden sollen, beduͤrfen außer der Bewilli⸗ gung der Gemeinde⸗Versammlung (§. 91 Nr. 7) der Genehmigung des Landraths. . 11 1

§. 99. Alle Gemeinde⸗Einkuͤnfte muͤssen in die Gemeinde⸗Kasse fließen, sie duͤrfen zu keinem anderen Zwecke als zur Deckung des Gemeinde⸗Beduͤrfnisses verwendet werden.

§. 100. Die Gemeinde⸗Versammlung kontrollirt die Verwaltung. Sie ist daher berechtigt und verpflichtet, sich von der Ausfuͤhrung ihrer Beschluͤsse und der Verwendung aller Gemeinde⸗Einnahmen; Ueberzeugung zu verschaffen, die Akten einzusehen, die Richtigkeit der Ausfuͤhrung der Gemeinde-Arbeiten zu untersuchen u. s. w. Die Gemeinde Versammlung kann, wenn sie nicht aus Gemeinde⸗Verord⸗- neten besteht, Behufs dieser Kontrolle einen Ausschuß aus ihrer Mitte ernennen. 1 8

§. 101. Die Rechnung uͤber die Gemeinde⸗Kasse, welche der Ein⸗ nehmer vor dem 1. April des folgenden Jahres zu legen hat, ist zu⸗ naͤchst von dem Amtmann zu revidiren, welcher dieselbe mit seinen Bemerkungen der Gemeinde⸗Versammlung zur Pruͤfung und Ab⸗

vorlegt.

18½ 102. *Die Rechnung ist hiernaͤchst mit den Revisions- und Abnaͤhme⸗Verhandlungen an den Landrath zur schließlichen Pruͤfung und Feststellung einzusenden. Dieser hat laͤngstens in sechs Monaten die weitere Revision der Rechnung zu bewirken und die Decharge zu ertheilen oder seine Erinnerungen dem Amtmann mitzutheilen.

§. 103. Ueber die Art, wie die Haushalts⸗Etats und Rechnun⸗ gen, so wie das Kassenwesen, einzurichten sind, sollen die Regierungen die erforderliche Instruction ertheilen. G

§. 104. Wenn die Gemeinde⸗Versammlung glaubt, daß dem Vorsteher oder Amtmann Vernachlaͤssigungen oder Pflicht Verletzun⸗ gen zur Last fallen, so ist dem Landrathe Anzeige davon zu machen, welcher die Sache zunaͤchst im administrativen Wege untersucht und daruͤber an die Regierung zur Verfuͤgung berichtet. Wenn aber der eine oder andere Theil sich bei der Verfuͤgung der Regiecung nicht beruhigen will, so ist ihm freigestellt, binnen vier Wochen, von dem Eingange der Verfuͤgung an gerechnet, entweder auf die Entscheidung der hoͤheren Staats-Behoͤrde oder in dazu geeigneten Faͤllen auf den Rechtsweg zu provoziren. Bis zur Entscheidung bleibt die Vollzie⸗ hung dee vorlaͤufigen Verfuͤgung dem Ermessen der Regierung uͤber⸗ lassen. Sobald auf hoͤhere administrative Entscheidung angetragen, worden ist und beide Theile mit diesem Antrage einverstanden sind, ist der Rechtsweg ausgeschlossen, wenn nicht die hoͤhere Behdede die Sache selbst dahin verweist. Sollte ein Prozeß gegen den Vorsteher oder Amtmann noͤthig werden, so hat die Regierung solchen auf den Antrag der Gemeinde⸗Versammlung einzuleiten und der Gemeinde einen Anwalt zu bestellen, welcher Namens derselben den Prozeß zu fuͤhren hat. 88

§. 105. Urckunden, welche die Gemeinde verbinden sollen, muͤssen in der Ausfertigung von dem Vorsteher und dem Amtmann vollzogen werden; es muß aber, wenn sie Angelegenheiten des Gemeinde Haus⸗ halts betreffen, der Genehmigungs⸗Beschluß der Gemeinde Versamm⸗ lung und in dem Falle des §. 98 die Genehmigung des Landraths in beglaubigter Form beigefuͤgt seyn. Den Urkunden uͤber Veraͤuße⸗ rungen von Grundstuͤcken und Realberechtigungen ist dasjenige, was zum Beweis der im §. 93 aufgestellten Erfordernisse dient, nicht min⸗ der den Urkunden uͤber Anleihen und den Ankauf von Grundstuͤcken die Genehmigung der Regierung (§. 94), ebenfalls beglaubigt, beizu⸗ fuͤgen. Bezieht sich die uͤrkunde auf eine von der Gemeinde zu er⸗ fuͤllende Pflicht (§. 89), so ist, wenn die Gemeinde Versammlung die Genehmigung verweigert, die Entscheidung der Regierung in be⸗ beglaubter Foͤrm beizufuͤgen. 8

Titel III.

Von den Aemtern

§. 106. Der Amtmann wird ohne Unterschied, ob das Amt aus mehreren Gemeinden oder nur aus einer besteht, nach Vernehmung der gutachtlichen Vorschlaͤge des Landraths von der Regierung er⸗ nannt. E; soll hierbei auf angesehene Grundbesitzer in den Amts Bezirken besonders Ruͤcksicht genommen werden. Fuͤr Verhinderungs⸗ faͤlle ist in gleicher Art ein Stellvertreter zu ernennen. Das Amt des Stellvertreters dauert, wenn dazu ein Gemeinde⸗Vorsteher ernannt wird, nur so lange, als seine Anstellung als Vorsteher.

§. 107. In so weit zum Dienste des Amtes Unterbeamte oder Diener erforderlich sind, werden diese auf den Vorschlag des Amt manns von dem Landrath ernannt. Besteht das Amt nur aus Einer Gemeinde, so verbleibt es bei den Bestimmungen des §. 83. Wegen Suspension, Entsetzung und unfreiwilliger Entlassung der Unterbeam⸗ ten und Diener des Amtes finden die Vorschriften des §. 80 Anwen⸗ dung. Auch stehen dem Amtmann gegen diese Beamten die im §. 87 bestimmten Disziplinar⸗Befugnisse zu.

§. 108. Wo die Einrichtung einer besonderen Amtskasse noͤthig gefunden wird, soll deren Verwaltung gleichfalls durch den Elemen⸗ rar⸗Erheber der direkten Steuern besorgt werden, welcher dafuͤr eine nach Vernehmung der Amts⸗Versammlung (§. 111) von der Regie⸗ rung zu bestimmende Remuneration zu beziehen und eine mit der Caution fuͤr die Gemeindekassen (§. 84) zu verbindende Caution zu bestellen hat. Ist ein eigener Gemeinde Einnehmer angestellt, so kann demselben von der Regierung auch die Verwaltung der Amtskasse uͤbertragen werden.

§. 109. Fuͤr jedes Amt ist von der Regierung nach Verneh⸗ mung der Amts⸗Versammlung ein Normal⸗Besoldungs⸗Etat aufzustel len. Die Besoldungen, sogwie die Entschaͤdigungen fuͤr Dienst Un⸗ kosten, muͤssen von dem Amte aufgebracht werden; der Betrag ist auf die einzelnen Gemeinden und außer dem Gemeinde⸗Verbande befind⸗ lichen Ritterguts⸗Besitzer, nach Verhaͤltniß der Grund⸗ und Klassen Steuer, zu vertheilen. Die Besoldung des Amtmanns und dessen Entschaͤdigungen fuͤr Dienst⸗Unkosten sollen zusammen Drei Silber groschen und, wo der Amtmann zugleich Gemeinde⸗Vorsteher ist, Vier Silbergroschen auf den Kopf der Bevoͤlkerung nicht uͤbersteigen. In Ansehung der Verguͤtung fuͤr Dienstreisen, so wie der Gebuͤhren und baaren Auslagen fuͤr Amts Verhandlungen des Amtmanns, finden die Vorschriften des §. 70 Anwendung.

§. 110. Der Amtmann fuͤhrt, außer. der Beaufsichtigung und Leitung der Gemeinde⸗Angelegenheiten, die Verwaltung der Amts⸗ Kommunal⸗Angelegenheiten (§. 13) und ist hierbei die allein ausfuͤh⸗ rende Behoͤrde. Er hat in dem Amts⸗Bezirk die Polizei⸗Verwaltung, so wie alle in Landes⸗Angelegenheiten vorkommenden oͤrtlichen Ge⸗ schaͤfte, soweit hierzu nicht besondere Behoͤrden bestellt sind, zu besor⸗ gen. Unter der vorstehenden Beschraͤnkung ist er eben so berechtigt, als verpflichtet, darauf zu sehen, daß uͤberall die bestehenden Landes⸗ Gesetze und Vorschriften gehoͤrig beobachtet werden. In dieser Hin⸗ sicht sind ihm sowohl alle einzelne Mitglieder des Amts, als auch alle zu dffentlichen Zwecken in dem Amts⸗Bezirke bestehenden Gemeinde⸗ Behoͤrden, ingleichen Corporationen und Stiftungen, Folge zu leisten chuldig. 8,9111. Das Amt wird in den Amts⸗Kommunal⸗Angelegenhei⸗ ten (§. 13) durch die Amts⸗Versammlung vertreten; auf die besonde⸗ ren dö. gel genbesten der einzelnen Gemeinden steht ihr aber keine Ein⸗

wirkung zu. 1 8. 112. Die Amts⸗Versammlung ist in denjenigen Aemtern, welche aus Einer Gemeinde bestehen, von der Gemeinde⸗Versamm⸗ lung nicht verschieden, in den uͤbrigen Aemtern wird dieselbe gebildet: 1) aus den Besitzern der landtagsfaͤhigen Ritterguͤter, ohne Unter⸗ schied, ob diese im Orts⸗Gemeinde⸗Verbande stehen oder nicht, 2) aus

den Vorstehern der zum Amte gehoͤrigen Gemeinden, vermoge ihres

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Amtes, und 3) aus gewaͤhlten Abgeordneten. Jede Gemeinde sen⸗

det einen Abgeordneten, sind aber die einzelnen Gemeinden von sehr ungleicher Groͤße, so tritt bei den staͤrker bevoͤlkerten Gemeinden eine Vermehrung der Abgeordneten ein, woruͤber der Ober⸗Praͤsident zu bestimmen hat. Die Abgeordneten werden nach Vorschrift der §5. 52, 53 und 56 bis 61 und, wo die Gemeinde durch Verordnete vertreten wird, von Letzteren aus ihrer Mitte in gewoͤhnlicher Versammlung (§§. 63—66) mit Beruͤcksichtigung der Vorschrift des §. 58 gewaͤhlt, jedoch sind die Wahl⸗Verhandlungen dem Landrathe zur Bestaͤtigung der Wahlen einzureichen.

§. 113. Den Vorsitz in der Amts⸗Versammlung fuͤhrt der Amt⸗ mann und bei dessen Verhinderung der Stellvertreter mit vollem Stimmrechte und bei Stimmengleichheit mit entscheidender Stimme. Ist auch der Stellvertreter verhindert, so hat der aͤlteste Ritterguts⸗ besitzer und, wenn kein Rittergutsbesitzer an der Versammlung Theil nimmt, der aͤlteste Gemeinde⸗Vorsteher den Vorsitz zu uͤbernehmen.

§. 114. Die Vorschriften wegen der Rechte und Verhaͤltnisse der Gemeinde⸗Versammlung und wegen des Geschaͤfts⸗Verhaͤltnisses des Gemeinde⸗Vorstehers und der Gemeinde-Versammlung (Tit. II. Ab schnitt 4 und 0) finden auf die Amts⸗Versammlung und den Amt mann gleichmaͤßige Anwendung. 8

§. 115. In dem Falle des §. 92 hat der Amtmann, wenn er sich mit der Amts⸗Versammlung nicht vereinigen kann, dem Landrathe davon Anzeige zu machen, welcher zuvoͤrderst eine Vereinigung zu ver⸗ suchen und, wenn diese nicht gelingt, an die Regierung zur Entschei⸗ dung zu berichten hat.

§. 110. Das Verhaͤltniß, in welchem die einzelnen Gemeinden und nicht im Gemeinde⸗Verbande stehenden Ritterguts⸗Besitzer außer dem Falle des §. 109 zu den gemeinschaftlichen Beduͤrfnissen des Am⸗ tes beizutragen haben, wird durch die Regierung, nach Vernehmung der Amts⸗Versammlung, festgesetzt. Die Beitraͤge, welche von den Gemeinden zu leisten sind, sollen nicht auf die einzelnen Gemeinde⸗ Mitglieder, sondern auf die Gemeinden, und in diesen nach deren Verfassung auf die Einzelnen vertheilt werden.

Titel IV. Von der Verpflichtung zur Annahme von Stellen.

§. 117. Jedes zur Ausuͤbung des Gemeinderechts befaͤhigte Ge⸗ meindeglied ist in der Regel vecbunden, unbesoldete Stellen und ein⸗ zelne Auftraͤge, so wie die Stellen eines Gemeinde⸗- oder Amts⸗Ver ordneten, anzunehmen, die letzteren Stellen sechs Jahre und die uͤbri⸗ gen wenigstens drei Jahce zu verwalten. Nach Ablauf dieser Frist kann Jeder die Stelle niederlegen und binnen den naͤchsten drei Jah⸗ ren zur Annahme neuer Stellen oder Auftraͤge von laͤngerer Dauer nicht angehalten werden. 1

§. 118. Fortdaueende Krankheiten, Geschaͤfte, die laͤngere Reisen nothwendig machen, und ein Alter uͤber sechzig Jahre sind guͤltige Entschuldigungzgruͤnde, wodurch die im §. 117 ausgesprochene Ver⸗ pflichtung eine Ausnahme erleiden kann. Wer außer diesen bestimm⸗

(ten Faͤllen darzuthun vermag, daß er nach seinen desondecen Verhaͤlt⸗

nissen oder ohne wesentliche Stoͤrung seines Wohlstandes eine ihm angewiesene Stelle nicht uͤbernehmen koͤnne, soll auf seinen Antrag nach Umstaͤnden ganz befreit oder auch durch abgekuͤrzte Dauer dee Stelle erleichtert werden. Die Entscheidung hiecuͤber steht dem Land⸗ rathe zu. .' 8 §. 119. Von der im §. 117 festgesetzten Verbindlichkeit sind gaͤnzlich befreit: vom Stagte besoldete Beamte, standesherrliche Beamte, so weit sie den Staats⸗Beamten gleich zu achten sind, Justiz Kom⸗ missarien, Patrimonial⸗Richter, Geistliche, Schullehrer und Medizi⸗ nal⸗Personen. Desgleichen koͤnnen diejenigen, welche ein Gemeinde Amt oder die Stelle eines Gemeinde⸗Verordneten bekleiden, nicht gezwungen werden, eine neue Stelle neben der bisherigen zu uͤberneh⸗ men; doch koͤnnen die Letzteren die Wahl zu Amts⸗Verordneten, in⸗ gleichen die Gemeinde Vorsteher die Ernennung zum Stellvertreter des Amtmanns (§. 100), 1

nicht ablehnen. Dagegen sind Gemeinde⸗ 9

Verordnete unbesoldete Gemeinde⸗Aemter, desgleichen die Dorf⸗ un Bauerschafts⸗Vorsteher andere unbesoldete Stellen, so wie die Stel len der Gemeinde Verordneten anstatt ihrer bisherigen Stellen, zu uͤbernehmen verpflichtet. 8

§. 120. Die Besitzer der zur Gemeinde gehoͤrigen Ritterguͤter sind ein Gemeinde-Amt oder Auftraͤge in Gemeinde⸗Sachen zu uͤber⸗ nehmen nicht verbunden. b

§. 121. Die vom Staate besoldeten Beamten, die den Staats⸗ Beamten gleich zu achtenden standesherrlichen Beamten, die Patri⸗ monial⸗Richter, die Geistlichen und Schullehrer beduͤrfen, wenn sie eine Stelle oder einen Auftrag von laͤngerer Dauer bei der Gemeinde⸗ Verwaltung uͤbernehmen wollen, dazu die Erlaubniß ihrer vorgesetzten Dienstbehoͤrde und der Regierung. Diese Erlaubniß kann auch, wenn sich aus der Verbindung beider Dienstverhaͤltnisse fuͤr den Staats dienst oder fuͤr die Gemeinde⸗Verwaltung in der Folge ein Nachtheil ergiebt, von der Dienstbehoͤrde sowohl als von der Regierung zuruͤck⸗ genommen werden. .

§. 122. Wer sich den in den §§. 117 ff. bestimmten Verbindlich⸗ keiten außer den Faͤllen der §§. 118 120 beharrlich entzieht, kann durch Beschluß der Gemeinde- Versammlung mit Genehmigung der Regierung der Ausuͤbung des Gemeinderechts, so wie der Waͤhlbar keit, fuͤr immer oder auf bestimmte Zeit verlustig erklaͤrt werden.

Titel V.

Von der Ober⸗Aufsicht uͤber die Gemeinde⸗ Verwaltung.

§. 123. Die Ober⸗Aufsicht des Staats uͤber die Aemter und Gemeinden wird durch die Regierung und Landraͤthe ausgeuͤbt. Dier Landraͤthe handeln hierbei in Ansehung der ihnen durch das gegen⸗ waͤrtige Gesetz besonders uͤberwiesenen Angelegenheiten als selbststaͤn⸗ dige Behoͤrden, im Uebrigen aber als bestaͤndige Kommissarien der Regierung, und sind in dieser Eigenschaft verpflichtet, sich von der Amts⸗ und Gemeinde⸗Verwaltung in ihren Kreisen in steter Kennt niß zu erhalten und, wo sie eine Einschreitung noͤthig finden, der Regierung zur weiteren Verfuͤgung Anzeige zu machen. Die Regie⸗ rungen sind berechtigt und vecpflichtet: a) sich daruͤber, ob in jedem Amte, in jeder Gemeinde die Verwaltung nach den Gesetzen uͤberhaupt und nach dem gegenwaͤrtigen Gesetze insbesondere eingerichtet sey, die Ueberzeugung zu verschaffen, zu diesem Zwecke auch die Etats und Rechnungen einzufordern und die dabei wahrgenommenen Maͤngel zu ruͤgen; b) dafuͤr zu sorgen, daß die Verwaltung fortwaͤhrend in dem vorgeschriebenen Gange bleibe und alle Stoͤrungen beseitigt werden; c) die Beschwerden Einzelner uͤber die Verletzung der ihnen als Mit⸗ glieder zustehenden Rechte zu untersuchen und zu entscheiden; d) die Aemter und Gemeinden zur Erfuͤllung ihrer Pflichten anzuhalten, und c) in den Faͤllen zu entscheiden, welche in diesem Gesetze dahin gewiesen sind. Die Berichte, welche in Gemeinde⸗ und Amts⸗ An gelegenheiten an die Regierung erstattet werden, sind an den Land rath zu senden, um sie mit seinen etwanigen Bemerkungen weiter zu befoͤrdern. Rekurse an die Regierung gehen denselben Weg.

§. 124. Gegen die Entscheidung des Landraths in den ihm be⸗ sonders uͤberwiesenen Sachen bleibt der Rekurs an die Regierung, so wie gegen Entscheidungen der Regierung der Rekurs an den Ober Praͤsidenten, vorbehalten. Der Rechtsweg dagegen ist nur dann zulaͤssig, wenn die Klage auf einen speziellen privatrechtlichen Titel, gegruͤndet wird; uͤber allgemeine Verwaltungs⸗Grundsaͤtze und deren Anwendung gebuͤhrt dem Richter kein Ausspruch.

§. 125. In den Gemeinden, welche zu den Gebieten der vor mals unmittelbaren Deutschen Reichsstaͤnde gehoͤren, bleibt den Letz⸗ teren die Ausuͤbung der Regierungsrechte durch ihre Behoͤrden nach Maßgabe der Instruction vom 30. Mai 1820 vorbehalten, insofern nicht durch besondere Rezesse hierauf Verzicht geleistet oder ein Ande⸗ res bestimmt worden ist. 1 .

§. 126. Die zur Ausfuͤhrung des gegenwaͤrtigen Gesetzes erfor⸗ derlichen ersten Einrichtungen werden unter der Leitung des Ober⸗

8 8 11“ 1

Praͤsidenten getroffen, welchen der Minister des Innern mit einer In⸗

struction hieruͤber versehen wird. 8

üUrkundlich unter Unserer Hoͤchsteigenhaͤndigen Unterschrift und beigedrucktem Koͤniglichen Insiegel.

Gegeben Sanssouci, den 31. Oktober 1841. 2

(L. S.) Friedrich Wilhelm.

von Boyen. von Kamptz. Muͤhler. von Rochow. von Nagler. von Ladenbero Graf von Alvensleben. Frh. von Werther. vrg. von Thite.

Graf zu Stolberg. 3

g. t

Westphalen.

Die am 4. Dezember erschienene Gesetz⸗Sammlung enthaͤlt die vorstehende neue Landgemeinde⸗Ordnung fuͤr die Provinz West⸗ phalen und die Verordnung uͤber die Einrichtung der Gemeinde⸗ Verfassung in denjenigen Staͤdten der Provinz Westphalen, in denen die Staͤdte⸗Ordnung bisher nicht eingefuͤhrt ist. Bei dem Interesse, welches beide Verordnungen auch in einem weiteren Kreise in Anspruch nehmen werden, scheint es nothwendig, die Gesichtspunkte zur allgemeinen Kenntniß zu bringen, welche bei ihrer Abfassung im Auge behalten wurden.

Die Gemeinde⸗Verfassungen, welche von Alters her in den West⸗ phaͤlischen Landestheilen bestanden, wurden bei den Regierungs⸗ Veräaͤnderungen, welche jene Laͤnder seit dem Anfange dieses Jahr⸗ hunderts erlitten, großentheils beseitigt. Neue Gemeinde⸗Verfassun⸗ gen traten an ihre Stelle: die Franzoͤsische und verschiedene an⸗ dere, welche sich ihrem Grund⸗Charakter nach der Franzoͤsischen an⸗ schlossen. Den Gemeinden steht nach diesen Gemeinde⸗Verfassungen ein sehr geringer Grad von Selbststaͤndigkeit zu. Ihre Vorsteher, auch in den Staͤdten von der Staats⸗Behöͤrde ernannt, verwalten die Angelegenheiten der Gemeinde im Auftrage und unter fortge⸗ setzter spezieller Kontrolle der Regierung. Die Repraͤsentanten der Kommune, Gemeinderaͤthe u. s. w. haben nur eine berathende Stimme, keine selbststaͤndige, gesetzlich begruͤndete Einwirkung auf die Angelegenheiten des Gemeindewesens. Staͤdte, Dorfschaften, Bauerschaften ꝛc. sind, allerdings gegen die urspruͤngliche Absicht der Franzoͤsischen Kommunal⸗Gesetzgebung, in groͤßere Gemeinde⸗ Bezirke, Buͤrgermeistereien, Kantons ꝛc. zusammengelegt. Die Ritterguͤter, auch da, wo sie fruͤher von den Gemeinden gesondert waren, auch fuͤr Verhaͤltnisse, bei welchen eine innerlich begruͤndete Gemeinschaft der Interessen nicht besteht, wurden den Gemeinden als Bestandtheile einverleibt. Nur die Buͤrgermeistereien, Kan⸗ tons gelten der Regel nach als Gemeinde im gesetzlichen Sinn, nur sie haben einen Gemeinde⸗Vorstand und Gemeinde⸗Repraͤsentanten. Die Bauerschaften, Dorfschaften ꝛc., die alten, eigentlichen Ge⸗ meinden des Landes, noch jetzt durch korporative wichtige Inter⸗ essen eng verbunden, sind in dem groͤßten Theile der Provinz ohne gesetzlich anerkannte Verfassung, ohne Vorstand und ohne selbst⸗ staͤndige Gemeinde⸗Vertretung. Diese Verhäͤltnisse, wie sie sich der Hauptsache nach in Westphalen in aͤhnlicher Weise in der Rhein⸗ Provinz auch nach der Preußischen Besitznahme erhalten ha⸗ ben, stehen mit den Grundlagen, auf welchen die Gemeinde-Ver⸗ fassung in den uͤbrigen Provinzen der Monarchie beruht, in sehr bestimmtem Widerspruche. Selbststaͤndigkeit der Staͤdte, ver⸗ fassungsmaͤßige Mitwirkung auch der Landgemeinden bei Admini⸗ stration ihrer inneren Angelegenheiten sind, wie sie dem Grund⸗ Charakter Deutschen korporativen Lebens entsprechen, wesentliche Momente Preußischer Verfassung und Verwaltung. Den Staͤd⸗ ten der alten Provinzen, den einen nach der Eaͤdte⸗ͤrdnung den anderen nach ihren besonderen Verfassungen, den Landgemein⸗ den nach alter, großentheils unveraͤnderter Observanz ist ein reiches Maß korporativer Selbststaͤndigkeit gesichert und wird von ihnen mit anerkannt guͤnstigem Erfolge geubt. Es mußte darauf Be⸗ dacht genommen werden, auch den Gemeinden der westlichen Pro⸗ vinzen diejenige Mitwirkung bei Verwaltung ihrer inneren Ange⸗ legenheiten zu gewaͤhren, die zur Wiedererweckung korporativen Lebens im Sinne Deutscher Gemeinde-Verfassungen nothwendig ist. Schon im Jahre 1833 wurden den Provinzial⸗Landtagen der Rhein⸗Provinz und Westphalens Vorschlaͤge zur Umgestaltung der Gemeinde⸗Verfassung vorgelegt. Fuͤr Westphalen ist die Herstel⸗ lung der Gemeinde-Verfassung gegenwaͤrtig vollendet, sie ruht auf der Grundlage der fruͤheren, durch die Eigenthuͤmlichkeit des Lan⸗ des und seine geschichtliche Entwickelung begruͤndeten Verfassung, unter Beruͤcksichtigung der Beduͤrfnisse der Zeit und der neuen, in dem Leben der Gemeinden hervorgetretenen Elemente. In den be⸗ deutenderen Staͤdten der Provinz Westphalen ihre Zahl be— traͤgt 57 ist, unter Zustimmung der Stände, auf Grund der Allerhoͤchsten Kabinets⸗Ordre vom 18. Maͤrz 1835 die revidirte Staͤdte⸗Ordnung bereits eingefuͤhrt worden. In Bezug auf die Verfassung der Landgemeinden hatten sich so verschiedene Ansichten geltend gemacht, daß es nothwendig wurde, durch einen besonde⸗ ren Kommissarius des Staats⸗Ministeriums die Verhaͤltnisse der Gemeinden in der Rhein-Provinz und Westphalen, ihre alte Ver⸗ fassung, die Veraͤnderungen, welche die fremdherrliche Gesetzgebung veranlaßt hat, so wie den Zustand, wie er jetzt besteht, nochmals ge⸗ nau eroͤrtern zu lassen. Der Minister des Innern selbst benutzte im Jahre 1837 seinen Aufenthalt in jenen Provinzen, um sich von den Verhaͤltnissen vollstaͤndige Kenntniß zu verschaffen. Auf die⸗ sen Grundlagen wurde zur Ausarbeitung der beiden Gesetze ge— schritten, deren Publication, nachdem sie alle Stadien der Gesetz⸗ gebung durchgangen und die Genehmigung Sr. Majestaͤt des Kö⸗ nigs erlangt haben, nunmehr bevorsteht.

Die folgende Darstellung wird eine Uebersicht der wesentli⸗ ös Gesichtspunkte geben, welche diesen Gesetzen zum Grunde iegen.

Von mehreren Seiten war die Ansicht geltend gemacht wor⸗ den, daß der Erlassung einer Landgemeinde⸗Ordnung fuͤr die ganze Provinz Westphalen die Wiederherstellung der alten Verfassung in den einzelnen Laͤndestheilen mit den etwa erforderlichen Modi— ficationen vorzuziehen sey. Diese Ansicht, so wesentliche Ruͤck⸗ sichten ihr aus allgemeinen Gesichtspunkten zur Seite stehen, stellt sich jedoch, bei den eigenthuͤmlichen Verhaͤltnissen der Provinz, als unausfuͤhrbar dar. Die fruͤhere Landgemeinde⸗Verfassung stand in ihren aͤußeren Beziehungen und besonders in Betreff der Polizei⸗Verwaltung fast uͤberall mit der vormaligen Amts⸗Verfas⸗ sung in einigen Gegenden, wie im Fuͤrstenthum Muͤnster und der Grafschaft Mark, zugleich mit der vormaligen Rezeptur⸗Einrichtung, so wie in mehreren Landestheilen mit der bis auf wenige Aus⸗ nahmen erloschenen Patrimonial⸗Gerichtsbarkeit im engsten Zusam⸗ menhange. In diesen Beziehungen fehlt es gegenwartig ganz⸗ lich an den zur Wiederherstellung der alten Gemeinde⸗Verfassung noͤthigen Elementen. Von den inneren Elementen der. alten Verfassungen hat sich noch Manches erhalten, allein auch Vieles veraͤndert. Das Gemeinderecht beruhte fast allgemein auf dem Systeme geschlossener, contributions⸗ oder schatzungspflichtiger Guͤ⸗

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