überhand nehmenden Pauperismus und der aus diesem nb. lhenn, zu steuern, ist auch hier in milder schöner Form zur Ausführung gekommen. Der von der hiesigen Ortsbehörde dieserhalb erlassene Aufruf vom 20. April d. J. zur Bildung eines Vereins für Rettung verwahrloster Kinder ist nicht unbeachtet geblie⸗ ben, und er hat in den Gemüthern der meisten unserer Bewohner einen segensreichen Boden gefunden. Der milde Sinn hat sich in Üüchtiger Weise dadurch bekundet, daß bis heute das Ergebniß der Sammlung eine jährliche Einnahme von 68 Rthlr. 5 Sgr. nachweist.
Paderborn, 10. Mai. In unserer Nachbarstadt Gesecke (heißt es in einem durch den Westphälischen Merkur veröffent⸗ lichten Privatschreiben) haben gestern Abend beklagenswerthe Auf⸗ tritte stattgefunden. Zwischen 8 und 9 Uhr rotteten sich Volkshau⸗ fen zusammen und überfielen die Wohnungen der dortigen Juden, die sämmtlich, eine ausgenommen, in welcher eine Wöchnerin lag, mehr oder weniger demolirt wurden. Mißhandlungen an Personen scheinen nicht stattgefunden zu haben. Als nächste Veranlassung zu diesem Akt des Vandalismus erzählt man sich hier, ein sehr ehrwür⸗ diger Priester zu Gesecke habe ein mit dem Post⸗Stempel Paderborn ersehenes anonymes Schreiben erhalten, welches nicht blos die gröb⸗ en Beleidigungen für ihn, sondern auch arge Schmähungen gegen die katholische Kirche und alles den Katholiken Heilige enthielt. Der Inhalt wurde alsbald in Gesecke bekannt und angeblich ermittelt, daß dieser Droh⸗ und Schmähbrief von den gesecker Juͤden herrühre. Es erzeugte sich dadurch eine Erbitterung gegen die Juden, und so kam es zu jenen bedauernswerthen Excessen. Den eigentlichen Hergang der Sache wird die ohne Zweifel eingeleitete gerichtliche Untersuchung wohl näher herausstellen.
Düsseldorf, 13. Mai. Heute warf sich ein bis jetzt Unbe⸗ kannter, als der Eisenbahnzug zwischen hier und der kölner Chaussee heraneilte, auf die Schienen, und zwar so dicht vor das Convoi hin, daß es trotz aller Anstrengungen des Zugführers, den Zug zum Still⸗ stande zu bringen, unmöglich war, den Unglücklichen zu retten, dessen Körper, wie man hört, gräßlich verstümmelt ist. 8
Die hiesigen Maler Lessing, Ebers, Schadow und Scheuren haͤ⸗ ben 40 kleinere Gemälde angefertigt, welche nächstens zum Besten der nothleidenden Weber in Schlesien verloost werden sollen.
Duisburg, 14. Mai. Am 8ten d. wurde der neue Ruhr⸗ Kanal festlich eingeweiht und eröffnet. Nachdem sich um 9 Uhr Mor⸗ gens die hohen Gäste, unter ihnen Se. Excellenz der Ober⸗Präsident von Westphalen, Herr v. Vincke, nebst den Actionairen und Fest⸗ genossen am Schleusenhause versammelt hatten, wurde das in der Schleuse liegende reichgeschmückte Boot bestiegen, und unter dem Ju⸗ belruf der Menge, dem Donner der Geschütze, Musik und Gesang sscchwebte dasselbe der Mündung des Kanals entgegen, um das von Mülheim herunterkommende, mit Kohlen beladene, festlich bewimpelte Ruhrschiff in Empfang zu nehmen. Als dasselbe anlangte, ging die Fahrt durch den Kanal zur Stadt, und der Moment, wo das erste befrachtete Schiff in der Schleuse lag, wurde mit Jubel und dem Geläute aller Glocken bezeichnet. In der Festrede hob Pfarrer Krummacher hervor, daß durch dieses schöne Werk Duisburg vor Ueberschwemmungen gesichert, ein Theil der Nachbarschaft von schäd⸗
6 Sümpfen befreit sei und neue Erwerbsquellen sich eröffnet hätten. I.
Ssrtsi Fing
1111 . * Aus dem Großherzogthum Posen, 7. Mai. Bei den jetzt vielfach angestellten Versuchen, dem Erdboden Erze oder Mineralien abzugewinnen, wird es nicht ungelegen sein, unseres Groß⸗ herzogthums zu erwähnen und nachzuweisen, daß auch hier manche in dieser Absicht unternommene Erdarbeit nicht ohne Erfolg bleiben würde. In den „Bildern Großpolens!“ von Graf Eduard Raczynski findet sich folgende Stelle: „Die Gegende von Obornik (an der Warthe) verdienk die besondere Aufmerksamkeit der Naturforscher und Geolo⸗ gen wegen der hier vorhandenen Salzgruben. Die näheren Angaben jauten, daß um Obornik am rechten Ufer der Warthe sogenannte Salz⸗Hauländer wohnten, und daß man aus einem hier befindlichen Quell das Küchenwasser holte, um damit die Speisen zu salzen. Die Gärten, worin der Quell floß, liegen in einem von Sandhügeln ge⸗ bildeten Kessel, in denen der Quell sein Entstehen hatte, welcher heut mit Sand verschüttet ist. Auch finden sich hier noch andere Salz⸗ quellen, woraus die ältesten Bewohner von Obornik noch das Wasser genossen haben. Auch befinden sich nach den Angaben der Bewohner Oborniks am linken Ufer der Warthe Salzlager. Es scheint deshalb der Mühe nicht unwerth, einen kundigen Mi⸗ neralogen behufs Anstellung von Untersuchungen in diese Gegend zu schicken.“ Hoffentlich werden die Grundbesitzer der Provinz, über⸗ zeugt von den Erfolgen hiesiger Privat⸗Unternehmungen, auch auf
materielle Speculationen solcher Art in der Folge ihre Aufmerksam⸗ keit richten. Wir haben eine Gesellschaft, welche den Boden des Großherzogthums umwühlen läßt, aber nicht nach prosaischem Salz, sondern nach historischen Denkmälern: Krügen und Vasen, Säbeln und Schilden, Kreuzen und Panzern. Sehr lobenswerth, wenn die Geschichte diesen Werth und diese Würde gewonnen hat, daß unter den Augen treuer Wächter kein Bruchstück ihrer Erinnerungen verkümmern darf; aber dem Stolze über die Schätze der Vergangenheit darf die Sorge für Vorbereitung der Mittel nicht weichen, die das materielle Wohl be⸗ dingt. Neben der Verehrung jenes ideellen Zustandes, welchen die moderne Poesie für Polen erfunden hat, und der zur Chimäre wird, wenn man ihm ohne alle Rücksichten auf die Wirklichkeit der Lebens⸗ Verhältnisse nachjagt, kann das physische Element sehr wohl bestehen.
— Ausland. Deutsche Bundesstaaten.
111
Bay München, 11. Mai. Ihre Königl. Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin sind gestern von Hohenschwangau hier eingetroffen.
Ueber den Besuch Sr. Majestät des Königs auf Hohenschwangau heißt es in der Augsb. Abend⸗Ztg.: Am Sten d. M. trafen Se. Majestät König Ludwig unter dem rührendsten, herzlichsten Em⸗ pfang auf der Burg Hohenschwangau ein. Schon von Peiting an war die Straße mit Triumphbögen geschmückt. Die Burg und ihre Umgebung erfreuten sich des ausgezeichneten Beifalls Sr. Majestät, Allerhöchstwelche mit dem geliebten Burgherrn und der geliebten Burgfrau auch außer der Burg einige der interessantesten Plätze besuchten. Am 9ten war Vorstellung der Beamten ꝛc. und gegen den Abend beglück⸗ ten Se. Majestät der König mit Sr. Königl. Hoheit dem Kron⸗ prinzen und an Allerhöchstihrer Seite Ihre Königl. Hoheit die Frau Kronprinzessin die Stadt Füssen, durchfuhren daselbst einige Straßen, welche sämmtlich mit wahrer Begeisterung der Einwohner auf oft sehr sinnige Weise festlichen Schmuck erhalten hatten, worüber Se. Majestät der König und Ihre Königl. Hoheiten Allerhöchstihr Wohlgefallen laut kundzugeben geruhten. Die von der zahllosen Men⸗ schenmenge mit dem stürmischen Jubel begleiteten gefeierten hohen Gäste waren in der heitersten, freundlichsten Stimmung. Die Stadt war mit Triumphbögen geziert, und ein solcher befand sich auch an der Gränze von Ober⸗-Bayern und Schwaben. Am 10ten Morgens nach 4 Uhr setzte der König die Reise über Kempten nach Italien fort.
Von den Festen in München wird Jedem, der gegenwärtig ge⸗ wesen, der Moment als der erhebendste erschienen sein, als im Hof⸗ Theater die auf den Erzherzog Karl, den Helden von Aspern, sich beziehenden Stellen des Festspiels mit den lebhaftesten Beifallsrufen begrüßt wurden; als der König und der Erzherzog dann einander in den Armen lagen, ergriff überströmendes, laut sich äußerndes Ge⸗ fühl alle Anwesenden.
Legationsrath von Kölle aus Stuttgart und Freiherr von Hormayr, Minister⸗Resident bei den Hansestädten, verweilen seit einigen Ta⸗ “
Hannover. Hildesheim, 8. Mai. Heute hatte hier eine zahlreiche Versammlung protestantischer Geistlichen des Fürstenthums Hildesheim, an der auch viele Nichtgeistliche theilnahmen, zur Begrün⸗ dung eines Gustav⸗Adolphs⸗Vereins statt. Es wurde ein Ausschuß zur Entwerfung der Statuten gewählt und über die Fassung dersel⸗ ben das Weitere besprochen.
Hohenzollern⸗Sigmaringen. Sigmaringen, 4. Mai. Das diesjährige landwirthschaftliche Fest wird in Haigerloch gefeiert werden; es sind hierzu von der Centralstelle 17 Preise im Betrage von 500 Fl. nebst Preis⸗Medaillen für Orts⸗Vorsteher, Schullehrer und Gewerbsleute und von der Bezirksstelle 41 Preise im Betrage von 456 Fl. und Medaillen für treue Dienstboten ausgesetzt; auch für Mustervieh werden Preise vergeben.
Reuß⸗Schleiz. Schleiz, 11. Mai. Das fürstliche Steuer⸗ Direktorium hat unterm 8ten d. M. eine Bekanntmachung erlassen, in künftig vorkommenden Fällen den Ansprüchen auf die herkömmliche Steuervergütung wegen Hagelschadens nicht mehr statt zu geben, in⸗ dem durch das Bestehen von Hagelschaden⸗Versicherungs⸗Anstalten den steuerpflichtigen Grundbesitzern Gelegenheit gegeben sei, sich für die im Ertrag ihrer Grundstücke etwa entstehenden Verluste einen E satz zu sichern. ö
1“X“
Pairs⸗Kammer. Sitzung vom 9. Mai. Wenngleich die Frage, ob alle Mitglieder der in Frankreich verbotenen geistlichen
Orden auch von der 2 des Jugend⸗Unterrichts ausgeschlossen sein sollen, bereits von der Kammer bejahend entschieden ist, so wird doch die nachträgliche Hervorhebung noch einiger der bedeutendsten Stellen aus der Rede des Herrn Guizot, als des Haupt⸗Reprä⸗ sentanten der Politik des jetzigen Kabinets, über diese so lange dis⸗ kutirte Prinzipfrage nicht ohne Interesse sein. Nachdem der Minister erklärt hatte, daß es eigentlich kaum noch einer Bekämpfung des Harcourtschen Amendements bedürfe, da die Verwerfung desselben und die Annahme des Kommissions⸗Paragraphen wohl schon feststehe, rechtfertigte er seinen Vortrag in folgender Weise:
„Es reicht dies jedoch nicht hin für eine Regierung, die sich selbst achtet, die Ehrfurcht empfindet vor dem Lande und der Kammer. Wir be⸗ gnügen uns nicht mit der Thatsache, ja selbst nicht mit der Berufung auf das Gesetz; die Kammer und das Land müssen überzeugt werden, daß die Regierung Recht hat in ihrem Verhalten sowohl als in den Maximen, welche von ihr zur praktischen Anwendung gebracht werden.“ 5* .
An diese Vorbemerkung schloß sich ein Gemälde der bürgerlichen und politischen Gesellschaft, wie diese sich im Uebergange von der alten Verfassung zur neuen gestaltet habe.
„Unter dem Regime vor 1789“ sagte der Redner, „gab es eine Anzahl kol⸗ lektiver Gewalten mit Vorrechten; die Revolution hat diese Körperschaftenzerstört und eine einzige Herrschaft an ihre Stelle gesetzt, die der öffentlichen Gewalt; man hat beim Unterricht gethan, was in der Verwaltung, bei der Armee, in der Gesetzgebung gethan wurde; es entstand die National⸗Einheit, der Civil⸗-Codex, die Universität; die konstituirende Versammlung proklamirt die
individuellen Freiheiten, ohne die Bedingungen der öffentlichen Freiheiten zu begreifen und in ihr Werk aufzunehmen; Napoleon dagegen organisirte die öͤffentliche Gewalt, ohne die Bedingungen der individuellen Freiheiten zu beachten; beide aber, die konstituirende National⸗Versammlung und Napo⸗ leon, sahen ein, daß die speziellen Gewalten und Privilegien verschwinden mußten gegenüber einer großen öffentlichen Gewalt, die in der Erscheinung sich darstellt als der Staat auf der einen Seite und die Freiheit der Bür⸗ ger auf der anderen. Was ist nun unsere Aufgabe! Wozu sind wir be⸗ rufen? Die Organisation der öffentlichen Gewalt, von Napoleon geschaffen, zu befestigen und in diese Organisation die individuellen Freiheiten, von der konstituirenden Versammlung proklamirt, zu verflechten. Napoleon hat uns das gezimmerte Holz zum Bau der Staatsmaschine geliefert; uns ist vor⸗ behalten, dem Gesellschafts⸗Körper eine Seele zu geben, denn Napoleon schien zu wollen, daß nur seine Seele darin walte; heute müssen alle Seelen durch Freiheit im Schoße der großen Organisation, die uns der Kaiser hinter⸗ lassen hat, einen Platz einnehmen. Dies ist die Aufgabe unserer Zeit, das Werk, an welchem wir in Politik und Verwaltung arbeiten.“ Im zweiten Theil seiner Rede sprach der Minister über die Je⸗ suiten und ließ dem Stifter dieses Ordens, Ignaz Loyola, so wie der von ihm begründeten Gesellschaft Jesu im ersten Jahrhundert ihres Bestehens, vom Gesichtspunkte der damaligen Zeit aus betrach⸗ tet, selbst Gerechtigkrit widerfahren, erklärte sich jedoch entschieden gegen ihre spätere Zulässigkeit, weil sie nicht mit der Zeit fortge⸗ schritten, sondern mit dem Geist derselben in immer stärkeren Wider⸗ ruch gekommen. s 7e8 muß gesagt werden“, so lauteten die Meinungs⸗Aeußerungen des Herrn Guizot in dieser Hinsicht, „als die Jesuiten instituirt wurden, geschah es, damit sie in der großen Bewegung des 16ten Jahrhunderts die Gewalt in geistlichen Dingen und ein wenig auch in, weltlichen npterfasten; es läßt sich über diesen Grund ihrer Entstehung kein Zweifel unterha . man würde damit dem Andenken ihres Stifters zu nahe treten; b- vin überzeugt, daß, wenn dieser berühmte Mann, der zugleich ein großer Geist und ein großer Charakter war, die Auslegungen vernehmen könnte, S. heute seinem Werke zu geben versucht; wenn er sähe, unter welcher C estalt man die große Körperschaft, die er ins Leben gerufen hat, erscheinen läßt; — er würde sich mit Unwillen dagegen erheben. Ja, die Jesuiten sind ge⸗ stiftet worden, um den Glauben zu vertheidigen gegen jede Prüfung, die Auto⸗ rität zu bewahren vor jeder Kontrolle. Man hatte damals zureichende Motive zu einem so großen Unternehmen: ich begreife, wie im 16ten Jahrhundert große Geister, große Seelen sich diese Aufgabe stellen konnten. Es war ein sehr zwei⸗ felhaftes Problem, das in jenen Tagen aufgestellt wurde: diese Herrschaft der Freiheit in dem ganzen Reiche des Gedankens, dieser gebieterische An⸗ spruch der Gesellschaft auf unausgesetzte wirksame Aufsicht über die in ihrem Schooße bestehenden Gewalten, das war ein unermeßliches Unternehmen; es knüpften sich unberechenbare Gefahren daran; es konnten grausame Prü⸗ fungen und großes Unheil für die Menschheit daraus entstehen; und da die Wahrheit stets ihr Recht behalten muß, so dürfen wir sagen, daß es allerdings so gekommen ist. Nichts war darum natürlicher, als daß große Geister und große Seelen den Entschluß faßten, einer so heftigen, in jhren Folgen dunkeln Bewegung sich zu widersetzen. Es ist die Ehre und der Ruhm der Jesuiten, die Lösung einer so schweren Aufgabe unternommen zu haben. Aber die Jesuiten täuschten sich. Sie glaubten, aus der Bewegung im sechzehnten Jahrhun⸗ dert werde im Reiche der Intelligenz nur ausgelassener, unbändiger Frei⸗ heitssinn und im Reiche der⸗Poli ik nur Gesetzlosigkeit und Anarchie zu Tage kommen; sie sahen sich getäuscht; es sind vielmehr aus jener Bewe⸗ gung große, starke, glorreiche, wohlgeregelte Gesellschaften hervorgegangen, die zur Entwickelung, zum Glück, zum Ruhm der Humanität vielleicht mehr, gewiß aber eben so viel gethan haben, als die früheren Gesellschaften. England, Holland, Preußen, das protestantische Deutschland und das heu⸗ tige Frankreich, das sind die bürgerlichen Gesellschasten, die aus der Bewe⸗
gung im sechzehnten Jahrhundert hervorgegangen sind. Dieser Erfolg hat
Lami und Clément Boulanger anreihen. Die eigentlichen Genre⸗Maler und Landschafter der neueren Schule kann man leider nicht kennen lernen im Luxembourg; denn mit Ausnahme zweier Veduten von Watelet und André Giroux, und des launig gedachten und gegebenen Bildes von Biard, eine reisende Komödiantenbande darstellend, die im Begriff, den Mahomet und das Ballet der Psyche zu spielen, ist hier kein Werk von Cabat, keines von Jules Dupré, keines von Marilhat, keines von Flers, kurz, keines von denjenigen Landschaftsmalern vorhanden, welche in ihrem Fache des meisten Rufces genießen, und sindet sich kein Stück von Decamps, dem größten Humoristen und mächtigsten Koloristen der neuesten französischen Malerschule, — ein bizarres, aber höchst geistreiches und vielseitiges Talent, welches, im Besitz des brillantesten und origi⸗ nellsten Kunst⸗Vermögens, sich in den verschiedensten Genres, in Bauern⸗, Vieh⸗ und Jagdstücken, in Architektur⸗Ansichten, in Land⸗ schaften, auch im Portrait und in der Historienmalerei, überall mit frappantem Erfolg versucht hat —; keines von Tonv Johannot, Roehn dem Juüngeren, Grenier, Destouches, Franquelin, Duval⸗le⸗Cannis u. A., die durch so viele artige Bilder als Genre⸗ Maler rühmlich bekannt sind. Die neueste Marine⸗Malerei geht wenigstens nicht ganz leer aus im Luxembourg und ist daselbst repräsentirt durch den Windstoß auf der Rhede von Algier (1835) von⸗ Gudin;z durch die Ebbe am Strande der Bretagne, ein prächtiges Bild von Eugene Lepoitte⸗ vin, dem Nachahmer und Nachejferer des Eugeͤne Isabey, von welchem, auffallend genug, hier kein Seebild vorhanden; endlich durch eine Ansicht von der Küste der Normandie von Camille Roqueplan, eine Marine, voll Wahrheit, Natur, Reiz und Energie, wie alle Erzeugnisse dieses wun⸗ derbaren und vielseitigen Talents, welches galante Genre⸗Scenen und Land⸗ schaften mit dem elegantesten Geschmack und poetischstem Gefühl und sogar bistorische Gegenstände bisweilen nicht ohne Glück und immer mit vielem Geschick und brillanter Farben⸗Harmonie behandelt. 1 Was von Genrebildern, Landschaften und Architekturen aus der älteren Schule da ist, will wenig bedeuten; die Stücke von Ducis, Pierre Revoil, Mad. H ersent u. s. w., welche Aneldoten aus der älteren französischen Geschichte behandeln, die stylisirten Landschaften von Edouard und Jean Victor Bertin, von Remond, Bidauld u. A., mit Nymphen, Faunen und dergleichen mothologischem Zeug staffirt, üben wenig Anziehung. Granet's Darstellungen des Innern von Kirchen, Kreuzgängen, Klosterzellen ꝛc. stehen war in europäischem Rufe und bei auswärtigen Liebhabern in hohem Preise, nd aber hier außerordentlich im Werthe und Ansehen gefallen und in Ver⸗ eigerungen oft unter hundert Franken zu haben. Am meisten gefallen noch aus dieser Zeit die Blumenstücke von Vandasl und Redouts, welche freilich mit denen des neuesten Blumen⸗Malers Saint⸗Je an keinen Ver⸗
gleich aushalten. Unter den neu hinzugekommenen Bildern verdienen be⸗
sonders hervorgehoben zu werden: eine jüdische Hochzeit im Marokkanischen, ein treffliches Genrebild von Eugéne Delacroix, und eine Winter⸗ Landschaft von Wickemberg, welche beide Stücke in der Ausstellung von 1841 allgemeinen Beifall sanden. Ingres ist jetzt mit drei Bildern be⸗ setzt, die aber von seinem Talente nicht gerade den günstigsten Begriff geben; zu seinem wunderlichen Rüdiger, welcher auf einem Hippogtyph einherfliegend, seine Lante in den Rachen des Ungeheuers stößt, welches sich anschickt, die gefesselte Angelika zu verschlingen (vom Jahre 1819), hat man neuerdings noch hinzugefugt: den Christus, wie er in Gegenwart der Apostel dem Petrus die Himmelsschlüssel übergiebt, mit dem vorigen Bilde zu gleicher Zeit und an gleicher Stelle gemalt (zu Rom 1819), und das „historische Portrait“ Cherubini's, welchen die Muse der Musik bekränzt, vom Jahre 1842, wo wir dieses Portrait in Ingres’ Atelier ausgestellt sahen, ohne daß die große Treue der Durchbildung im Einzelnen uns mit der trüben, aschgrauen Carnation und der sonderbaren Anordnung des Ganzen hätte aussöhnen können. Die Productionen, die sonst noch von Pignol, Carninnade, Grée, Gleyre, Champmartin, Steuben, Leloir, Pilliard, Remond, Gros⸗Claude, Justin⸗Ouvrié, de La⸗ bocière und Watelet frisch aufgehängt worden, sind eben keine Bereiche⸗ rungen des Luxembourg⸗Museums zu nennen und theilweise dieser Samm⸗ lung ganz unwürdig.
& Leipzig, im Mai. Zu meinem neulichen Berichte über die wissen⸗ schaftlichen Unterhaltungen dieser Winter⸗Saison habe ich noch nachzutragen, daß seültdem eine dritte Abend⸗Unterhaltung des Literaten⸗Vereins stattge⸗ funden hat, in welcher die hier eben anwesende Künstlerin Ch. von Hagn zwei Gedichte, ein heiteres und ein ernstes, ersteres mit eben so viel An⸗ muth und Naivität, als letzteres mit tiefergreifender tragischer Wirkung, vortrug, Professor Wolff aus Jena sein improvisatorisches Talent, wel⸗ ches er, wie er selbst in dem einleitenden Vortrage über die Kunst des Improvisirens bemerkte, vor 18 Jahren zum letzten Male und zwar eben hier produzirt hatte, noch einmal in Thätigkeit setzte und ziemlichen Beifall ärndtete, wenn schon, wie natürlich Solche, die ihn früher gehört, eine be⸗ deutende Abnahme seiner Fertigkeit bemerken wollten; endlich Herloßsohn in seiner gewohnten launigen Weise ein Potpourri humoristischer und kausti⸗ scher Witze zum Besten gab. Endlich sind auch noch für die nächsten Wochen drei Vorlesungen von Dr. Brendel angekündigt über Ge⸗ schichte der Musik, mit begleitenden musikalischen Execntionen zur Veranschaulichung des Vortrags. In Dresden, wo Brendel diese Vor⸗ lesungen mehrere Winter hindurch gehalten hat, haben sie sich immer großen
Beifalls zu erfreuen gehabt, und es ist kanm zu bezweifeln, daß sie hier,
wo ein so außerordentlich reger Sinn für Musik herrscht, keinen minder günstigen Boden finden werden. Die Messe brachte uns neben zahlreichen Schenswürdigkeiten mehr unterhaltender Art (wopon indeß manche natur⸗ historische Schaustellungen, z. B. ein sehr schönes Exemplar einer Giraffe, auch schon ein mehr wissenschaftliches, so wie manche andere ein künstleri⸗ sches Interesse beanspruchen konnten), auch geine Sehenswürdigkeit recht zeitgemäßer und instruktiver Art, nämlich das Modell einer atmosphärischen Eisenbahn, welches ein Herr Stelling aus Hamburg hier ausstellte, der dasselbe in Irland, nach der Ansicht der Bahn von Kingstown nach Delkey und nach den Angaben der Erbauer selbst gefertigt hatte. Die verwickelte Construction dieser neuen Art von Lokomotive, die bei der bloßen Beschrei⸗ bung, selbst der genausten und klarsten, immer noch einige Schwierigkeit des Verständnisses zurückläßt, wird hier durch Autopsie des ganzen Mechanis⸗ mus, sowohl der Bahn selbst, als des Wagens, in allen seinen sehr künst⸗ lichen und sinnreichen Einzelheiten, so wie durch die Erklärungen des tech⸗ nisch bewanderten Künstlers, vollkommen anschaulich und faßbar. Das Modell einer Centrifugal⸗Eisenbahn, welches derselbe T echniker zeigt, ist nur eine artige Spielerei, die, wie er berichtet, in London im Coventgarden Theater in großem Maßstabe zur Anwendung gebracht worden ist. ”nn Mechanis⸗ mus hierbei ist dieser, daß ein Wagen auf einer steilen Bahn herabrollt und, in Folge des starken Anlaufs, in eine nach aufwärts gebogene Kreis⸗ bahn durchläuft, wobei das Oberste zu unterst gekehrt, gleichwohl aber durch das bekannte Gesetz der Centrifugalkraft ein Herabfallen verhindert wird. Gestern fand die letzte Vorstellung in dem hiesigen Theater unter Ringelhardt's Direction statt. Das Theater wird nun auf einige Monate geschlossen und bedeutenden Reparaturen im Innern unterworfen, um dann zum Herbst unter der Leitung des neuen Pachters, Dr. Schmidt, ein neues, hoffentlich kräftigeres und künstlerisch edleres Leben zu beginnen. b98* “ 11“
1A1X“X“ Vermischtes.
Am 6. Mai starb zu Dresden der Schriftsteller Dr. Echtermeyer an dem Wiederausbruch eines Uebels, wegen dessen ihm vor sechs Jahren der Vorderarm abgenommen worden war.
Am 25. August 1844 werden es hundert Jahre, daß Joh. Gottfr. von Herder zu Mohrungen in Ostpreußen geboren wurde. Oeffentliche Blätter haben die Idee angeregt, dies Geburts⸗Jubiläum des in jeder Be⸗ iehung bedeutenden Mannes in allen Gauen Deutschlands festlich zu begehen.
Mhhodln Hat H SxI11“ ee e er oens.
1 BittrHGh. grteh Ktz ur
die oraussicht des Stifters des Jesuiten⸗Ordens und seiner Nachfolger ge⸗ täuscht; und weil sich die Jesuiten geirrt haben, sind sie geschlagen wor⸗ den, und zwar nicht nur in den Ländern, wo die Reformation gleich zu Anfang siegte, sondern selbst da, wo der Absolutismus zu bestehen fortfuhr. Spanien und Portugal sind unter dem Einfluß der Jesuiten in Verfall ge⸗ rathen, und doch konnte der Orden der Ausweisung und Verbannung aus diesen Ländern nicht entgehen. Sind nun heute die Jesuiten, durch Er⸗ fahrung belehrt, zu der Einsicht gelangt, daß die freie Prüfung neben der Staatsgewalt bestehen und daß die Volks⸗Kontrolle ihren Platz einnehmen kann neben einer starken und geregelten Autorität, entsagen sie der absolu⸗ tistischen Idee ihres Stifters, so mögen sie unter uns wohnen als Bür⸗ ger unter Bürgern, aber nicht als Mitglieder einer Congregation, nicht in ihrer alten Form, mit ihren früheren Rechten. Wir wollen weder Jesuiten, noch Parlamente, noch Zünfte; alle derartige privilegirte Körperschaften sind verschwunden; die Congregationen allein verlangen heute etwas Anderes, als was ihre Mitglieder als Bürger zu fordern berechtigt sind; dieses An⸗ dere aber kann und wird ihnen nicht zugestanden werden. Das Publikum glaubt, und es hat Grund, zu glauben, daß die Gesellschast Jesu noch nicht genugsam belehrt ist durch die Erfahrung dreier Jahrhunderte, und daß sie den ersten Gedanken ihrer Stiftung, den Kampf gegen freie Prüfung und öffentliche Kontrolle, noch nicht aufgegeben hat. Wenn dem so ist, so hat man Recht, sich vor den Jesuiten zu hüten.“
Ueber den Schluß dieser Debatte ist bereits gestern berichtet worden.
Deputirten⸗Kammer. Sitzung vom 10. Mai. Wie schon erwähnt, wurde die Einführung des Zellen⸗Systems und die einsame Haft bei Tag und Nacht, um deren Anwendung auf die Verurtheilten es sich im 22sten Artikel des Gesetz⸗Entwurfes über die Gefängniß⸗Reform handelt, in dieser Sitzung besonders eifrig von Herrn Leon de Maleville bekämpft, obgleich dieser Deputirte in dem Thiersschen Ministerium, welches die Grundlagen des vorliegen⸗ den Gesetz⸗Entwurfes vorbereitete, Unter⸗Staats⸗Secretair gewesen. Alle gegen die Isolirung vorgebrachten Argumente wurden von ihm wiederholt: daß sie die Rückfälle vermehre, die Gesundheit des Ge⸗ fangenen untergrabe und zum Wahnsinn führe; ferner daß sie die Ausübung des Gottesdienstes hindere, die abscheulichsten Zuchtmaß⸗ regeln, wie den Knebel, die Peitsche und die Strafe des Hungerns nöthig mache und enorme Kosten verursache. Der Finanz⸗Minister bemerkte mit Hinsicht auf letzteren Punkt, daß allerdings die ersten Einrichtungen nicht geringe Ausgaben erfordern, daß jedoch die schon bestehenden Central⸗Gefängnisse den neuen Plan etwas erleichtern, und daß mit der Zeit eher Ersparnisse als Kosten⸗ Vermehrung aus der Annahme desselben erwachsen würden. Herr von Tocqueville, der Berichterstatter der Kommission, übernahm es, die anderen Einwendungen des vorigen Redners zurückzuweisen. Er behauptete einerseits, daß Jener seine statistischen Angaben über die Wirkungen des pennsylvanischen Systems in Amerika nicht aus den lautersten Quellen, sondern zum Theil aus Berichten von Gegnern des Systems entnommen habe; andererseits wies er darauf hin, daß das für Frankreich vorgeschlagene System keinesweges alle die Härten des amerikanischen beibehalten habe; so sei es z. B. in Amerika den Gefangenen nicht gestattet, Briefe von ihren Freunden zu empfangen, während der vorliegende Gesetz⸗Ent⸗ wurf keine solche Beschränkung enthalte. Der Redner brachte dann seinerseits statistische Tabellen bei, um zu zeigen, daß die Sterblich⸗ keit in den amerikanischen Gefängnissen des pennsylvanischen Systems geringer sei, als selbst unter den französischen Soldaten in großen Garnisonstädten. Vor 1 ½ Jahren sei zu Pentonville ein pennsylva⸗ nisches Gefängniß für die verzweifeltsten Sträflinge errichtet worden, und aus dem Bericht darüber ergäbe sich, daß dort im Laufe eines Jahres bei einer Zahl von 524 Gefangenen nur 139 Züchtigungen vorgekommen seien, wogegen bei dem System der gemeinsamen Ar⸗ beit nach einem Bericht auf 1100 Gefangene im gleichen Zeitraum 18,000 Züchtigungen vorgekommen seien, worunter 9000 für Brechung des Schweigens. Das Resultat der heu⸗ tigen Debatte war die Annahme des ersten Theils des von Herrn Vatout zum 22sten Artikel vorgeschlagenen Amendements, welcher fürs erste nur feststellt, daß die zu Zwangsarbeit verurtheilten Individuen bei Tag und Nacht in abgesonderten Zellen eingesperrt sein sollen, und welchem sowohl das Ministerium, wie die Kommission beigetreten waren. Ein Unter⸗Amendement des Herrn Cremieux, welches die einsame Einsperrung auf die zu immerwährender Zwangsarbeit Verurtheilten beschränken sollte, wurde mit starker Majorität verworfen. Es ist nun noch über die anderen Theile des Vatoutschen Amendements abzustimmen, welche für die zur Einsperrung (reclusion) Verurtheilten ebenfalls das Zellen⸗System bei Tag und Nacht, für die zu bloßem, gewöhnlichen Gefängniß Verurtheilten aber dieses System nur dann, wenn die Verurtheilung auf mehr als ein Jahr lautet, endlich für die zu mehr als zehnjähriger Zwangs⸗ Arbeit verurtheilten Sträflinge nach Ablauf von 10 Jahren die De⸗ portation vorschlagen. Ueber jeden der verschiedenen Theile dieses Amendements wird besonders debattirt und abgestimmt werden. Das Amendement unterscheidet sich von dem Artikel des Gesetz⸗Entwurfes dadurch, daß dieser die isolirte Einsperrung für die zu Zwangsarbeit, zu Reklusion und zu bloßer gefänglicher Haft Verurtheilten ohne Un⸗ terschied und ohne spätere Umwandlung in Deportation anordnet.
Paris, 11. Mai. Die Herzogin von Kent ist gestern mit ihrem Sohne, dem Fürsten Karl von Leiningen, von Fontainebleau nach Deutschland abgereist.
11 Paris, 11. Mai. Die Diskusston war gestern in der Pairs⸗Kammer bei dem letzten Paragraphen des Artikel 10 stehen geblieben, der so lautet: Drei Mitglieder, die von dem Minister des öffentlichen Unterrichts unter den Titular⸗Professoren der Fakultäten und den angesehenen Bürgern ausgewählt werden. Die Kommission schlägt vor, zu setzen: „unter den Beigeordneten (agrégés), den Mit gliedern des akademischen Rathes und den angesehenen Bürgern“. Diese Fassung wird angenommen. Herr Persil beantragt einen Zusatz⸗Artikel, wonach das Comité gehalten sein soll, binnen zwei Monaten über die Verlangen um Zeugnisse zu beschließen, die dem⸗ selben unverzüglich durch den Unter⸗Präfekten des Arrondissements übermacht werden; und es soll nicht einen Beschluß fassen können, wenn nicht mindestens 5 Mitglieder zugegen sind. Die Kammer nimmt mit Vorbehalt einiger Modificationen der Fassung den Artikel 11 der Kommission an, wonach Jeder, der als tauglich zur Leitung eines Instituts von der Jury zugelassen werden will, Franzose sein und 25 Jahre zählen muß, u. s. w. Der hier nicht an⸗ geführte Theil des Artikels lautet, wie im Entwurfe der Regierung. Es sprechen die Herren Pelet de la Lo⸗ zere, Barthelemy, Cousin, de Broglie, Feutrier und der Minister des öffentlichen Unterrichts. Der Artikel wird bei der Abstimmung angenommen; desgleichen die Artikel 12 und 13 der Kommission ohne Diskussion. Der Präsident Boullet beantragt, daß auch die maitres d'études das Gelöbniß ablegen sol⸗ len, keiner nicht erlaubten religiösen Congregation anzugehören. Die⸗ ses Amendement wird nach zwei zweifelhaften Abstimmungen endlich angenommen; dann auch der Art. 14. Zu Art. 15 schlägt die Kom⸗ mission folgende Modisication vor: „Das Moralitäts⸗Zeugniß wird dem Bittsteller ausgestellt, wenn er seit wenigstens einem Jahre aus einer öffentlichen Anstalt oder einer Privat⸗Anstalt für den Sekun⸗ där⸗Unterricht ausgetreten ist, und zwar von dem Chef der besag⸗
819
ten Anstalt; in jedem anderen Falle wird das Zeugniß von dem im Artikel 5 des gegenwärtigen Gesetzes erwähnten besonderen Comité ausgestellt.“ Graf Beugnot bekämpft diese Modification; der Mi⸗ nister des öffentlichen Unterrichts vertheidigt sie. (Die Sitzung dauert fort.) 8 “
In der Deputirten⸗Kammer wurde die Diskussion über Art. 22 des Gefängnißgesetzes wieder aufgenommen. Herr Vatout entwickelt zuerst den zweiten Theil seines Amendements, wonach die Centralhäuser bis auf Weiteres fortwährend dem gegenwärtigen Re⸗ gime unterworfen bleiben sollen. In Betreff der Angeschuldigten und Angeklagten habe die Kammer die Absonderung in Zellen bei Tag und Nacht annehmen müssen, um die Berührung der Schuldigen mit einander zu verhindern, und weil deren Haft nur von kurzer Dauer sei; desgleichen für die zu Zwangsarbeit Verurtheilten, weil auf diese die strengste Strafe Anwendung finden müsse. In Bezug der anderen Verurtheilten, namentlich jener in den Centralhäusern, bestehe diese Nothwendigkeit nicht. In diesen bestehe die Trennung bei Nacht, die Arbeit bei Tage finde gemeinschaftlich statt. Diese Einrichtung sei gut und nichts daran zu ändern. Wollte man das Zellen⸗System auch auf die Centralhäuser anwenden, so würde dies eine Ausgabe von 200 Millionen erfordern. Es bestehen 50 Centralhäuser. Dies würde dann nicht ausreichen, man müßte funfzig andere nach dem Zellen⸗System bauen u. s. w. Der Minister habe sich ver⸗ bindlich gemacht, die Bagnos binnen 4 Jahren aufzuheben. Aber selbst in 5 Jahren könnte er die neuen Central-Häuser nicht zu Stande bringen. Auch sei eine Straferschwerung in den Central⸗Häusern nicht nöthig. Herr Pares widerlegt Herrn Vatout, gerade in den Central⸗Häusern greife die Verderbniß der einen durch die anderen am meisten um sich. Alle Anschläge des Herrn Vatout seien über⸗ trieben; man brauche nicht 50 neue Central⸗Häuser zu bauen und 4 Jahre wären zu dem Baue der etwa erforderlichen Zahl hinreichend. Herr Viger: das neue Gesetz stürze das ganze Strafgesetzbuch um, trotz aller Behauptungen vom Gegentheil; es schaffe allen Unter⸗ schied der Strafe ab, verkenne die verschiedene Natur der Verbrechen. Seit Einführung der barmherzigen Schwester in die Central⸗Häuser gehe Alles sehr gut darin, Nimes und Montpellier bezeugen dies. Man solle nichts in den Centralhäusern ändern. Er beschwöre die Kammer, innezuhalten auf dem Wege, zu dem sie sich fortreißen lasse. Der Minister des Innern sucht die Kammer über die angeblich so bedeutende Ausgabe zu beruhigen; dieselbe vertheile sich auf mehrere Jahre. Nur allgemeine Grundsätze über die Weise der Gefangen⸗ haltung wolle die Regierung vorerst festgestellt wissen. Man wolle keinesweges Alles einstürzen und Alles frisch aufbauen, wenigstens 20 Jahre wären zu vollständiger Reform aller Gefängnisse nöthig. Für die Centralhäuser wären im Ganzen wohl nicht über 54 Millionen nöthig. (Die Sitzung dauert fort.)
O Paris, 11. Mai. Die Annahme des Amendements des Herrn Vatout zeigt auf die anschaulichste Art, daß das Zellen⸗ System von der Deputirten⸗Kammer definitiv angenommen werden dürfte. Durch das schon adoptirte Amendement des Herrn Vavin hatte die Kammer das Prinzip des Zellen⸗Systems auf solche Sträf⸗ linge, deren Strafzeit unter einem Jahre dauert, angewendet. Durch das Amendement Vatout wird die nämliche Maßregel auf solche Ver⸗ brecher ausgedehnt, welche zur Zwangs⸗Arbeit verurtheilt worden sind. Das Zellen⸗ oder Absonderungs⸗System würde mithin auf die zwei Extreme, nämlich die geringsten und die schwersten Verbrecher, in Anwendung kommen. Es bleibt noch die Mittelklasse der Verbre⸗ cher übrig, deren Strafzeit über ein Jahr dauert, ohne daß dieselben zur schweren Arbeit verurtheilt worden sind. Wenn die Kammer die leichtesten Verbrechen dem Zellen⸗System unterwerfen will, so darf man wohl annehmen, daß sie die Verbrecher der so eben erwähnten Mittelklasse nicht besser wird behandeln wollen. Dies ist um so ge⸗ wisser zu erwarten, als das gestrige Amendement des Herrn Vatout mit einer so bedeutenden Majorität votirt wurde.
Der gestrige Abend⸗-Empfang in den Tuilerieen war ungemein glänzend. Die Zahl der Damen, worunter viele fremde, besonders Engländerinnen, welche dabei erschienen, wird auf 500 angeschlagen. Alle Mitglieder des diplomatischen Corps, die Minister und die höch⸗ sten Würdenträger waren anwesend, obwohl gestern eigentlich der Empfangs⸗Abend für Damen war. Der Hof hätte heute die Som⸗ mer⸗Residenz in Neuilly beziehen sollen. Da aber in der Erwartung eines abermaligen Besuches der Königin Victoria der König große Verschönerungs⸗Anstalten im Schlosse von Neuilly angeordnet hat, welche noch nicht ganz vollendet sind, so wird der Hof erst in den ersten Tagen der nächsten Woche die Tuilerieen verlassen.
Herr Goury, diesseitiger Gesandtschafts⸗Secretair in Mexiko, ist gestern Morgen aus Mexiko in unserer Hauptstadt eingetroffen. Er überbringt, dem Vernehmen nach, sehr wichtige Depeschen von Sei⸗ ten des Herrn Cyprey, französischem Gesandten daselbst. Heute um Mittag war in den Tutlerieen Kabinetsrath unter dem Vorsitz des Königs, worauf der Telegraph auf der Linie von Brest in Be⸗ wegung gesetzt wurde. So viel darüber im Konferenz⸗Saale der Deputirten⸗Kammer verlautete, handelt es sich darum, eine gemeinschaftliche Demonstration mit England bei der mexikani⸗ schen Regierung zu machen, um den unendlichen Plackereien, wel⸗ chen die Ausländer von Seiten Santana's ausgesetzt werden, für immer Einhalt zu thun. Santang weigert sich, die von den franzö⸗ sischen Handelsleuten gemachten Entschädigungs⸗Ansprüche anzuerken⸗ nen, ungeachtet Herr Cyprey, durch eine sehr energische Sprache, die Forderungen seiner Landsleute unterstützte. Unser Kabinet soll die Ueberzeugung gewonnen haben, daß man von Santana nichts erlangen wird, so lange Frankreich nicht zu Zwangsmitteln sich ent⸗ schließt. Diese Eventualität wurde schon mehrmals zwischen den bei⸗ den Kabinetten von Paris und London besprochen, und Lord Aberdeen soll dabei dem Herrn Guizot die Versicherung ertheilt haben, daß die britische Regierung, welche ebenfalls starken Grund hat, mit Santana unzufrieden zu sein, bereit ist, gemeinschaftlich mit Frankreich eine ernsthafte Demonstration gegen Mexiko zu unternehmen, wovon man sich bei der mißlichen Stellung Santana's, der mit dem mexikanischen Kongreß nicht im besten Einverständnisse lebt, ein heilsames Endre⸗ sultat verspricht.
Die neuesten Nachrichten aus Haiti machen ebenfalls die Absen⸗ dung einer französischen Escadre in jenen Gewässern unerläßlich. Frankreich hat gegen die Regierung von Haiti zu bedeutende Geldforde⸗ rungen geltend zu machen, um den daselbst neuausgebrochenen Un⸗ ruhen müßig zusehen zu dürfen.
Bei dem gestrigen Damenzirkel in den Tuilerieen bemerkte man den Grafen von Syrakus, Bruder des Königs beider, Sicilien, und mithin Neffe der Königin der Franzosen. Es bestätigt sich immer mehr, daß die Sendung des Prinzen, weit entfernt, das Heiraths⸗ Projekt zwischen der Königin Isabella und dem Grafen von Trapani zum Gegenstande zu haben, vielmehr darauf zielt, die kaum ange⸗ knüpften Verhältnisse zwischen Neapel und Madrid wieder abzubrechen, wenn das Loos des Don Carlos nicht eine baldige und würdige Lösung erhält, wie es zwischen dem Kabinet der Tuilerieen und dem König beider Sicilien ausbedungen worden war, als Letzterer sich dazu ver⸗ stand, die Regierung der Königin Isabella anzuerkennen. än 11“]
r in g es Jamltas, K. ern
11144““ “] “ f
713 FIact. Brnsginzar fin st Fahorn
Grossbritanien und Irland.
Oberhaus. Sitzung vom 10. Mai. Der Herzog von
Richmond brachte die bevorstehende Aufhebung des Einfuhrzolles von Wolle zur Sprache, indem er auf Vorlegung einer Liste der Woll⸗Einfuhr seit 1815 antrug, und erklärte sich bei dieser Gelegen⸗ heit gegen die beabsichtigte Maßnahme, die er als nur dem fremden, besonders deutschen Schafzüchter, der bisher mit der englischen und australischen Wolle zu konkurriren gehabt habe, Vortheil bringend dar⸗ zustellen suchte. Graf Dalhousie, der Präsident des Departements der öffentlichen Arbeiten, wies dagegen nach, daß der Zustand der Wollfabriken im Lande eine solche Maßregel nicht nur vortheilhaft, sondern sogar nothwendig erscheinen lasse, indeß wurde, nachdem noch mehrere Mitglieder des Hauses gesprochen, die Vorlegung der Liste bewilligt. „Ein Antrag des Lord Cloncurry auf Einsetzung eines Spe⸗ zial⸗Comité's zur Untersuchung der Frage, auf welche Weise mittelst Ausdehnung der öffentlichen Bauten in Irland der geringeren Volks⸗ klasse in jenem Lande am besten Arbeit verschafft werden könne, wurde ohne Abstimmung verworfen, als der Herzog von Wellington er⸗ klärte, daß die Regierung sich nicht veranlaßt finden könne, einen größeren Aufwand auf die öffentlichen Bauten in Irland zu bean⸗ tragen, als bereits vom Parlamente bewilligt sei, nän
Unterhaus. Sitzung vom 10. Mai. Die dritte Verle⸗ sung der Fabrik⸗Bill, welche die heutige Tagesordnung erheischte, regte die lange gefürchtete Debatte über das Amendement Lord Ashley's, welches die Verkürzung der Arbeitszeit in Fabriken zum Inhalt hat, von neuem an. Lord Ashley hatte bekanntlich die seinem Vorschlage anfangs günstige Stimmung des Hauses zu benutzen nicht den Muth gehabt, weil das Kabinet geradezu seine Existenz an die Entscheidung dieser Frage knüpfte; und nach der bekannten doppelten Abstimmung des Hauses, daß die Arbeitszeit in Fabriken theils „nicht weniger als zwölf“, theils „nur zehn“ Stunden dauern solle, hatte der Lord die Annahme seines Amendements als einen Ver⸗ gleich mit der Regierung hingestellt, indem er darin die Arbeitszeit für Frauen und junge Leute bis zum Oktober 1847 auf eilf und von da an erst auf zehn Stunden festgestellt wissen wollte. Aber man weiß, wie auch diesem Vorschlage die Regierung sich auf das Entschiedenste widersetzte, ihre erste Bill zurückzog und eine neue dem Hause vor⸗ legte, welche über die Dauer der Arbeitszeit in Fabriken nichts be⸗ stimmt. Lord Ashley ließ sich indeß hierdurch nicht zurückschrecken; er reservirte sein Amendement bis zu der auf heute anstehenden drit⸗ ten Verlesung der zweiten Regierungs⸗Bill und trat sogleich damit hervor, als Sir James Graham dieselbe beantragte. Die Besorgnisse des Kabinets, daß die erneute Debatte über das Amendement einen ähnlichen Ausgang nehme, wie früher, schienen durch die fast allge⸗ meine Aufregung in den Fabrik⸗Distrikten zu Gunsten des Ashleyschen Vorschlages, so wie durch die Parteinahme der unabhängigen Tory⸗ Presse, namentlich der Times, gerechtfertigt; nur in Rücksicht auf die ungeheure Verantwortlichkeit, welche die ministeriellen Leiter dieser Bewegung gegen ihr eigenes Ministerium auf sich laden würden wenn dasselbe durch eine zweite Niederlage in dieser Frage gezwungen würde, sich zurückzuziehen, kann man auf ein der Regierung günstiges Votum hoffen. Die heutige Debatte hatte noch kein Resultat und mußte vertagt werden, aber es gaben sich in derselben bereits An⸗ zeichen kund, daß man auf der Toryseite vor jener Verantwortlichkeit zurückschreckt; mehrere Mitglieder derselben, welche bisher für Lord Ashley gestimmt haben, wie Herr Liddell und Herr Gally Knight, machten heute ihren Subordinationsfehler wieder gut und sprachen gegen das Amendement. Immer indeß bleibt der Ausgang der Debatte noch sehr ungewiß und die Lage des Kabinets kritisch, da Sir James Graham auch heute wiederholt ausgesprochen hat, daß der vorliegende Gegenstand eine Kabinetsfrage in sich schließe. Die Argumente der heutigen Redner für und wider das Amendement konnten nur die bekannten sein und lassen sich folgendermaßen zusam⸗ menfassen: 3
Lord Ashley sucht die Haupt⸗Argumente seiner Gegner gegen die Be⸗ schränkung der Arbeit durch eine Widerlegung folgender vier Punkte zu ent⸗ kräften: 1) unverhältnißmäßige Verminderung der Fabrik⸗Erzeugnisse; sie findet nicht statt, wenigstens nicht in dem Verhältniß der Verringerung der Arbeit, weil bei dem dadurch verbesserten physischen Zustande die Arbeiter in 10 ½ Stunden mehr arbeiten würden als jetzt in 12. 2) Verminderung des Betriebs⸗Kapitals; sie steht gleichfalls nicht in dem gefürchteten Maße zu erwarten, denn ein Ausfall in dem Werthe desselben, wie z. B. der Ma⸗ schinen, würde unter Umständen durch den geringeren Verbrauch von Koh⸗ len, Oel, Talg, Gas ꝛc. ausgeglichen werden. 3) Verminderung des Ar⸗ beitslohns; sie ist nicht zu befürchten, da in den meisten Fällen nicht die Arbeit stundenweise, sondern nach den abgelieferten Stücken bezahlt würde; aber wenn auch der Arbeitslohn sich niedriger stellte, so würden doch die Vor⸗ theile in moralischer Beziehung und in Hinsicht des häuslichen Comforts den Arbeiter für kleine Verluste entschädigen; 4) Steigerung der Preise nebst allen nachtheiligen Folgen vermehrter Konkurrenz des Auslandes; er glaube in Bezug hierauf, daß die Ersparnisse von dem festen Kapital und von dem Arbeitslohn den Kapitalisten in Stand setzen würden, das Fabrikat zu einem sehr wenig höheren Preise zu verkaufen, als der Ausländer. Jeden dieser
unkte führte der edle Lord, nicht eben grade nach richtigen staats⸗ökonomi⸗ chen Prinzipien, weiter aus, und die Schwäche seiner Argumentatton wohl erkennend, suchte er in seinen philanthropischen Ansichten Schutz. Er sagte, der gegenwärtige Zustand sei jedenfalls ein moralisch verkehrter und darum kein politisch richtiger.
Sir James Graham bedauerte, dem edlen Lord, dessen Beweg⸗ gründe und Fähigkeiten er schätzte, sich widersetzen zu müssen. Er deprezirte alle Anschuldigungen gegen die Regierung ihrer vermeintlichen Tyrannei wegen, ja, er hielt es für eine Tyrannei der Krone, und ebenso für eine Tyrannei des Parlaments, „sobald diese beiden erwarteten, ein Minister solle fernerhin für die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten verantwort⸗ lich bleiben, wenn man von ihm etwas verlangt, was er vor seinem Ur⸗ theil und seinem Gewissen nicht verantworten kann.“ „Ich muß erklären“, fügte er hinzu, „mit aller Offenheit, daß ich dem Hause die Entscheidung über die vorliegende Frage anheimstelle; aber mit derselben Offenheit muß ich hier auch eröffnen, daß, wenn die Entscheidung des Hauses zu Gunsten des Vorschlages des edlen Lords ausfällt, es meine Pflicht sein wird, eine Pri⸗ vatstellung zu suchen, in der Hoffnung, daß die Entscheidung des Hauses dem Lande zur Wohlfahrt gereiche. Der edle Lord spricht von der Mühe und Arbeit, welche dieser Gegenstand ihm verursacht. Ich kann auch da⸗ von etwas sagen:
„— nihil dulcius est, bene quam munita tenere “
“ Fühs Sn. giendhh templa zerena; Keenn 8u 8 erI „„ 18D9 ere unde 2 19% Passimque videre mvlhi 8
8 „Errare, atque viam palanteis quarere vitae.“ 8 In solcher Privatstellung werde ich alsdann sagen können, daß ich mit allen Kräften bestrebt gewesen bin, das zu erreichen, was ich zum Heile des Landes für unerläßlich hielt, und ich werde alsdann die Fehler sehen kön⸗ nen, welche das Haus begangen hat und von denen ich frei geblieben bin. ... Der edle Lord habe von geringer Verkürzung gesprochen; er frage, ob 12 Stunden wöchentlich weniger Arbeit so genannt werden kann? Eine folche Maßregel müßte den hemmendsten Einfluß auf die gesammte Fäbrikthätig⸗ keit des Landes ausüben, was bei der hohen Bedeutung, welche das Fabrik⸗ wesen für England habe, von den verderblichsten Folgen für alle Verhält⸗ nisse des Landes sich erweisen würde. Die ganze Rede des Ministers be⸗ wegte sich in den bekannten Argumenten, und auf die gefahrdrohende Kon⸗ kurrenz des Auslandes ward auch jetzt wieder das größte Gewicht gelegt.