1844 / 158 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

Plan einer Eisenbahn⸗Verbindung zwischen der Krakau⸗LC berschlesischen Bahn und Galizien Vorbereitungen zu treffen. Unter der Leitung des General⸗Lieutenants Hiller von Gartenstein ist zu Görlitz am 30. Mai d. J. das provisorische Comité eines Zweig Vereins der Gustav⸗Adolph⸗Stiftung, welcher die ganze preußische Ober⸗Lausitz umfassen soll, zusammengetreten.

Rhein⸗Provinz. Die Köln. Ztg. enthält ein Privat⸗Schrei⸗- ben aus Elberfeld vom 31. Mai, worin mit Belegen nachgewiesen wird, daß sich seit Kurzem im Wupperthal ein lebhafter Sinn für bildende Kunst bethätige. „In der schönen Baukunst“, heißt es ferner, „hat man gleichfalls in den letzten Jahren zu Elberfeld einige Fortschritte gemacht. Die traurigen dunkelblauen Schieferhäuser werden immer unbeliebter, wogegen sich eine Reihe prachtvoller bausteinerner Pri⸗ vathäuser im neuesten Geschmack erhebt. Dies findet man namentlich in der Königsstraße und ihren Verbindungsgassen; es ist überraschend, wie schnell und hübsch sich dies neue bedeutende Stadtviertel gebildet hat, dessen Mittelpunkt die große katholische Kirche ist.“ Demselben Blatte zufolge, geht man zu Elberfeld mit dem Plane um, dem ver⸗ storbenen Ober⸗Bürgermeister Brüning ein Denkmal auf dem neuen Markte zu errichten.

ünfr: .“

Königreich Bayern. Zu Anfang Juni verweilte eine der ersten militairischen Celebritäten, der K. K. General⸗Feldmarschall⸗ Lieutenant Graf Bianchi, Herzog von Casalanza, der berühmte Be⸗ sieger Murat's, in München. Bereits mehr als siebzig Jahre alt, begiebt sich der alte rüstige Feldherr nach den neuen Bundesfestungen, welche zum Schutze Süddeutschlands im Bau begriffen sind. Un⸗ term 1. Juni wird aus München berichtet, die unlängst von Sr. Majestät dem Könige niedergesetzte Gesetzgebungs⸗Kommission habe vor einigen Tagen ihre erste Sitzung gehalten. Die kissinger Kurliste vom 1. Juni weist eine Gesammtzahl von 315 Kurgästen nach, dar⸗ unter wiederum beinahe die Hälfte aus England und Schottland, und der russische Gesandte Herr von Severin. Bereits herrscht reges Leben in Kissingen, und in kurzem erwartet man dort, außer Sr. Majestät dem Kaiser Nikolaus, Se. Königl. Hoheit den Prinzen Al⸗ brecht von Preußen, den Hof von Altenburg und die Kronprinzessin von Hannover, die Königin von Württemberg mit den Prinzessinnen Auguste und Katharine, den Prinzen von Württemberg und . hohe Personen. 1 . 3

Königreich Hannover. Die neueste Nr. der Gesetz⸗ gebung enthält ein Königliches Patent, die Stiftung eines Ehren⸗ zeichens für die Armee betreffend. Dieses neue Ehrenzeichen hat den Namen „Ernst⸗Augusts⸗Kreuz“ erhalten, und nur eine funfzigjährige Dienstzeit in der hannoverschen Armee gewährt Anspruch auf Erlan⸗ gung desselben. Se. Majestät der König hat das Ernst⸗Augusts⸗ Kreuz Sr. Königl. Hoheit dem Herzog von Cambridge, dem General der Infanterie von dem Bussche, den General⸗Lieutenants Hartmann, Röttiger, von dem Bussche (zu Hannover), von dem Bussche (u Stade) und von Berger, so wie noch verschiedenen anderen höheren Militairs verliehen. Die Hannoversche Zeitung vom 5. Juni

(Geburtstag Sr. Majestät des Königs) enthält ein Verzeichniß von weiteren Ordens⸗Verleihungen und Beförderungen.

Großherzogthum Baden. Das Regierungs⸗Blatt vom 31. Mai meldet die Ernennung des Abgeordneten, Geh. Rathes Schaaff zum Regierungs⸗Direktor des Unterrheinkreises. Die Dampfschifffahrten der Düsseldorfer Gesellschaft sind seit dem 10. Mai d. J. bedeutend beschleunigt worden. Die Fahrt von Mannheim

nach Rotterdam wird seitdem auf einem, mit allem Comfort aus⸗ gerüsteten Dampfboot in 35 Stunden zurückgelegt.

Großherzogthum Sachsen⸗Weimar. Se. Königl. Hoheit Prinz Karl von Preußen hat am 2. Juni das Großherzogl.

Haus mit einem Besuch erfreut.

Großherzogthum Mecklenburg⸗Schwerin. Die am 30. Mai zu Schwerin eingetroffenen Berichte aus Konstan⸗ tinopel enthalten die erfreulichsten Nachrichten über das Befinden und den Aufenthalt Sr. Königl. Hoheit des Großherzogs. Am 15. Mai sollte ein großes Abschieds⸗Diner beim Sultan stattfinden; die Ab⸗ reise von Konstantinopel war auf den 17ten festgesetzt. Se. Königl. Hoheit hoffte, am 24. Mai Malta zu erreichen und am Zlsten dort aus der Quarantaine entlassen zu werden, wollte dann auf Sicilien noch einmal den Aetna besteigen und über Neapel und Livorno nach Florenz; nach einem Aufenthalt von mehreren Tagen in dieser kunst⸗ reichen Stadt über Lukka und Genua nach den italienischen Seen und von dort durch das berner Oberland über Schaafhausen nach Stutt⸗ gart gehen, dann aber über Karlsruhe, Darmstadt und Frankfurt nach Mecklenburg zurückkehren, und hoffte, Anfangs August das geliebte Vaterland wiederzusehen.

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Anhaltische Herzogthümer. Im Anhaltischen haben

Ueberschwemmungen der Elbe großen Schaden angerichtet. Die Fluth stieg so unerwartet, daß an Abwehr⸗Maßregeln gar nicht gedacht werden konnte.

Freie Stadt Lübeck. Unsere Dampfschifffahrt nach Peters⸗ burg hat eine unangenehme Unterbrechung erliitten. Dem „Nasled⸗ nick“ (Großfürst Thronfolger), welcher am 1. Juni von Travemünde abgegangen, sind auf der Höhe von Bornholm die Kessel gesprungen; die Maschine stockte und die Ingenieurs erklärten, die Reise nicht fortsetzen zu können. Am 3. Juni ist das Boot nach Travemünde zurückgekehrt, ohne weiteren Unfall erlitten zu haben; am Bord be⸗ fanden sich 11 Passagiere. (Laut der Hamburger Börsenhalle vom 5. Juni ist der Schaden bald zu repariren, und das Schiff wird schon in ein paar Tagen seine Reise wieder antreten können.)

*ℳ* Frankfurt a. M., 41. Juni. Der Kampf wegen der Wahl des Platzes für das Göthe⸗Monument hat von neuem begon⸗ nen, und es ist nun wahrscheinlich, das Monument werde doch in die Stadt, und zwar in die Allee kommen, welche aber eigens dazu ein⸗ gerichtet werden muß. Prof. von Launitz ist in Paris und will nach seiner Rückkehr mit erneuter Thätigkeit an die Modellirung des Gutenberg⸗Monuments gehen. Prof. Becker hat sein neuestes Gemälde, „ein Mann wird auf dem Felde vom Blitz erschlagen“, der städtelschen Gallerie für 3000 Fl. verkauft, ein Preis, der der Trefflichkeit des Bildes entspricht. Schwind malt auch ein histo⸗ risches Gemälde für die Gallerie des Instituts.

Russland und Polen.

St. Petersburg, 1. Juni. Se. Majestät der Kaiser hat dem Erzbischof von Warschau, Nikanor, wie das Journal de St. Petersburg meldet, „als ein Zeichen hohen Wohlgefallens an der thätigen Sorgsamkeit, welche dieser Prälat stets für das Wohl der (griechischen) Kirche entfaltet, so wie an der Weisheit, dem Eifer und der Milde, seiner dem Geist und den Interessen des orthodoxen Glaubens so entsprechenden apostolischen Bemühungen“, ein an der erzbischöflichen Mütze zu tragendes Kreuz in Diamanten verliehen.

Krükhreith.

Deputirten⸗Kammer. Sitzung vom 1. Juni. Von Herrn St. Mare Girardin wurde im weiteren Verlauf der De⸗ batten über die Supplementar⸗Kredite auch die Frage über die grie⸗ chische Thronfolge zur Sprache gebracht.

„Wenn ich mich nicht irre“, sagte der Redner, „haben die Gesandten Englands und Frankreichs gegen den 40sten Artikel der neuen griechischen Verfassung protestirt.“

Herr Guizot: Nein.

Herr St. Marc Girardin: Sobald der Minister erklärt, daß eine solche Protestation nicht erfolgt ist, nehme ich die Bemerkungen zurück, die ich in dieser Hinsicht machen wollte.

Herr Guizot: Ich wiederhole meine Versicherung; es ist kein Protest eingelegt worden.

Herr Berryer: Diese Erklärung veranlaßt mich, das Wort zu neh⸗ men, um zu fragen, warum keine Protestation stattgefunden hat. Als Frank⸗

reich sich zu Gunsten Griechenlands bewaffnete, als es so wesentlich dazu beitrug, die Unabhängigkeit dieses Landes zu sichern, da trat es mit den großen Staaten Europa's in Unterhandlung; es unterhandelte mit Rußland und England; es ordnete die Verhältnisse der europäischen Mächte zu Grie⸗ chenland, als unabhängigem Staat. Man suchte nach einer Garantie für die Zukunft, welche aller Welt eine sichere Bürgschaft gewähren könnte, und man glaubte dieselbe in der Wahl des Souverains zu finden, der später Griechenland gegeben wurde. Die religiöse Frage erhält hier große Wich⸗ tigkeit. Was die getroffenen Vorkehrungen betrifft, die Wahl aus der Fa⸗ milie, welcher dieser Souverain angehört, und welche Garantieen darbot, so können diese Garantieen vermischt werden, verloren gehen. Es scheint auch wirklich, daß jene Vorkehrung durch die Klausel der neuen Verfassung vernichtet ist, welche verlangt, daß der Souverain Griechenlands sich zur griechischen Religion bekenne. Dies, scheint mir, kann unserem Lande zu ernsten Betrachtungen Anlaß geben. Ich frage daher, ob der Minister es wohl bedacht hat, daß es Frankreichs würdig und für unser Land heilsam wäre, die Folgen dieser neuen Bestimmung der griechischen Verfassung zu erwägen und darüber zu berathen, inwieweit, nach dem Antheil, welchen wir an Giechenlands Unabhängigkeit genommen, nach der Hülfe, die wir bei der neuen Begründung dieses Landes geleistet, und nach den Freundschafts⸗ beziehungen, in denen wir zu ihm stehen, eine solche Veränderung seiner Zu⸗ kunft in dem constitutionellen Grundvertrage des Landes stipulirt werden kann, ohne uns irgendwie Besorgniß zu erregen.

Herr Guizot: Es ist dies allerdings eine ernste Frage, die auch die Aufmerksamkeit der Regierung beschäftigt. Die zwischen verschiedenen euro⸗ päischen Mächten abgeschlossenen Verträge, welche also einen Theil des europäischen Völkerrechts ausmachen, können durch keinen inneren Akt irgend einer Macht abgeändert werden. Der König von Baypern, der bei dieser Frage am meisten betheiligt ist, hat Reclamationen in dieser Hinsicht erho⸗ ben, und seine Vorbehalte sind angenommen worden (il lui a été donné acte de ses réserves). Dies ist Alles, was ich bis jetzt sagen kann.

In den übrigen Verhandlungen dieses Abends kam nichts von allgemeinerem Interesse vor. Außer den schon erwähnten Kredit⸗Be⸗ willigungen erfolgten auch noch die für das Finanz⸗Ministerium. Näch⸗ sten Montag wird das Marine⸗Departement an die Reihe kommen.

Paris, 2. Juni. Die vorgestrige Debatte in der Deputirten⸗ Kammer war eigentlich weniger ein Streit über Buenos⸗Ayres

und Montevideo, Rivera und Oribe, als ein persönlicher Kampf zwi⸗ schen Guizot und Thiers, zwischen dem Minister der auswärtigen An⸗ gelegenheiten vom 29. Oktober und dem Minister desselben Depar⸗ tements und Conseils⸗-Präsidenten vom 1. März. Der Sieg blieb auf Seiten des Ersteren, obgleich Herr Thiers es sich nicht nehmen ließ, das letzte Wort zu behalten. Die Niederlage für diesen war so entschieden, daß Odilon Barrot einige Verlegenheit zeigte und die Opposition, von der man nach dem Anlauf, den sie genom⸗ men, entweder den Antrag auf eine Reduction des geforderten Sup⸗ plementar-Kredits oder wohl gar den Vorschlag einer Erhöhung desselben, um Rivera in seinem Krieg gegen Rosas beizustehen, hätte erwarten sollen, die Opposition machte nicht einmal Miene, auf Ab⸗ stimmung zu dringen. Von dem Schauspiel, welches die beiden Gegner darboten, die ihre staatsmännischen Eigenschaften und ihr Redner⸗ talent an diesem Abend gegen einander maßen, entwirft die Presse folgende Schilderung:

„Unsere Bewunderung für Herrn Guizot ist bekanntlich keine blinde und systematische, man wird uns also glauben können, wenn wir versichern, daß niemals seine unbestreitbare Ueberlegenheit über Herrn Thiers mit so viel Glanz hervortrat. Welcher Unterschied zwischen dem Talent des Einen und dem des Anderen! Welcher Kontrast zwischen diesem beiderseitigen Ausdruck: der eine sich selbst so beherrschend, stets das Ziel treffend und niemals darüber hinausschweifend, eben so würdevoll als von stolzer Verachtung erfüllt, nicht bis zur Ironie sich herablassend, sondern durch unerschütterliche und unwiderstehliche, freigebige und feine Höflichkeit sie zu sich erhebend; der andere seiner nicht mächtig, sich beständig wiederholend, mit Kleinlichkeiten sich schleppend, in Persönlichkeiten und Beleidigungen ver⸗ fallend und von diesen nur zu Gemeinplätzen und Uebertreibungen sich wendend. Hat denn Herr Thiers gar keinen Freund mehr, der ihn darauf aufmerksam macht, daß sein Aerger ihn in die Irre führt, sein Groll ihn zu Grunde richtet? Ein ehemaliger Minister, ein ehemaliger Conseils⸗ Präsident konnte nicht weiter gehen im Vergessen seiner selbst, im Vergessen aller Grundsätze und aller Schicklichkeit. Wird er von diesem Sturz sich erholen? Es darf bezweifelt werden. So viel kann man behaupten, daß, um ihn nunmehr wieder ans Ruder zu bringen, sehr ernste Umstände ein⸗ treten müßten, und daß dieser Tag der Vorabend unseliger Ereignisse sein dürfte. Um sich eine richtige Vorstellung von der Sitzung des 31. Mai zu machen, muß man ihr selbst beigewohnt, muß man den ehemaligen Conseils⸗Prä⸗ sidenten vom 22. Februar und 1. März die Verirrung und Erniedrigung so weit haben treiben sehen, daß er bei jedem Zeichen von Ungläubigkeit, welches seine Worte begleitete, die Kammer aufforderte, sie solle sich, gleich dem Konvent, zum Richter über das Benehmen unserer Konsuln und Ad⸗ mirale bestellen und, ohne daß eine kontradiktorische Debatte möglich wäre, die Aussagen ihrer Ankläger entgegennehmen. Man muß es gehört haben, wie Herr Thiers zu wiederholten Malen den Präsidenten eines Staagts, mit dem er, als Präsident des 1. März, Unterhandlungen eröffnet und einen Vertrag; (vom 29. Oktober 1840) abgeschlossen hatte, wie er diesen als Straßenräuber bezeichnete. Man muß es ge⸗ hört haben, wie Herr Thiers sich zum Vertheidiger der Empörung auf⸗ warf und erklärte, daß die Franzosen, welche dem Verbot des französischen Konsuls zu Montevideo zuwider sich bewaffnet, Recht gehabt hätten, sich der Autorität des Konsuls nicht zu unterwerfen, da sie das französische Interesse besser als er hätten beurtheilen können, die National⸗Ehre besser als der Befehlshaber der Escadre, Vice⸗Admiral Massieu de Clerval. Man muß es gehört haben, wie Herr Thiers, ein ehemaliger Conseils⸗Präsident und Minister der auswärtigen Angelegenheiten, auf unsichere Aussagen hin öffentlich den ganzen Ruf eines alten Seemannes brandmaikte und sich nicht scheute, das ganze Verhalten eines mit hoher und ernster Ver⸗ antwortlichkeit belasteten, zweitausend Meilen von seinem Vaterlande entfernten und sich nicht vertheidigen könnenden Agenten auf die leichtfertigste Weise zu verurtheilen. Man muß es gehört haben, wie Herr Thiers auf der Rednerbühne die Geheimnisse der Kö⸗ niglichen Raths⸗Versammlungen verrieth und sich rühmte, 24 Stun⸗ den lang sein Portefeuille abgegeben zu haben, ohne aber zu erklären, warum er es wieder übernommen, wenn doch seine Ansicht nicht durchdrang. Man muß es endlich gehört haben, wie Herr Thiers von den Instructionen sprach, die er dem Admiral Mackau ertheilt, von den Approvisionirungen, die er angeordnet, von der Matrosenzahl, die er von 3 auf 6000 erhöht, von der Expedition, die er anbefohlen u. s. w., als ob es damals, unter dem Ministerium vom 1. März, weder Marine,, noch Kriegs⸗Minister, weder ein Conseil der Krone, noch eine Regierung des Königs gegeben. Niemals hat ein Autokrat die Regierung so selbstisch in seinem Ich personiftzirt, nie⸗ mals hat ein Minister so wenig Notiz genommen von seinen Kollegen und sie mit so wenig Rücksicht behandelt.“

Das Jourual des Débats äußert sich mehr mit ironischem Bedauern, als mit ernster Rüge über die Rolle, welche Herr Thiers in dieser Debatte gespielt:

„Herr Guizot ertheilte ihm eine harte Lection. Warum nahm Heir Thiers sie nicht mit der muthigen Fassung an, welche allein seine Nieder⸗ lage bemänteln konnte? Warum sträubte er sich so gewaltig gegen seinen Sieger? Wozu diese lange, heflige Rede, die eine bloße Wiederholung war? Wozu diese lächerlichen Herausforderungen, dies ohnmächtige Dro⸗ hen? Wollte Herr Thiers der Kammer Furcht einjagen, weil er sie zu überzeugen verzweifelte? Es ist ihm nur gelungen, sie zu ermüden. Er hat nur von neuem bewiesen, wie er die Leichtgläubigkeit seiner Par⸗ tei, die Mäßigung seiner Gegner und die Geduld aller Welt miß⸗ braucht. Nie schien ein fruchtbarer Geist so am Ende seiner Mittel; nie eine so bewegliche und lebhafte Einbildungskraft so ausgedorrt und mit Stanrsucht geschlagen. Der geistreiche Redner drehte sich im leidigen Zirkel seiner Declamationen vom vorigen Abend und stieß überall gegen die Früm⸗ mer seines umgestürzten Gerüstes. Es war ein peinliches Schauspiel, ein

Schrei der Verzweiflung, schmerzlich anzuhören. Vielleicht werden uns die Journale des Herrn Thiers morgen verkünden, der ehrenwerthe Redner habe sich niemals höher aufgeschwungen, und seine Beredsamkeit habe nie einen

Solche, welche die Herrschaft des Geistes und die ewige Freiheit in das gegenwärtige Leben des Staats hereinzerren wollen, ohne im mindesten die Gewalt der vorhandenen Zustände anzuerkennen. Sie bauen ohne Funda⸗ ment und heißen: Radikale.

Zum anderen solche, welche die Freiheit des Geistes aufgeben und blos der Nothwendigkeit huldigen, indem sie vergangene Zustände versteinern und die Flügel der Zeit fesseln möchten. Sie bauen ohne Idee und heißen: Absolutisten. 88

Derjenige aber, in welchem sich das Wünschen und Wollen, das ganze Leben des Volkes am meisten und geistigsten äußert; mit anderen Worten:

der wahre Mensch, der keine Parteithätigkeit kennt, ist uns der wahre Staatsmann.

Das Symbol des am meisten staatsmännischen Volkes, das Syvmbol der Römer ist Janus, der Gott der schönen Gegenwart, der in dem Einen Haupte den Werth der Vergangenheit und Zukunft trägt. So lange das romische Volk sein eigenes Symbol zu deuten wußte, fehlte es nie an sol⸗ chen, welche das auszuführen verstanden, was das Volk im Innern wälzte.

Als aber das Volk zerfiel, herrschten nur die Parteien, und die Herrlichkei des Reiches war zu Ende. 8 1

1 8291 dieselben Parteien, dasselbe Volk, welches wir dogmatisch als ie Elemente jedes Staatslebens bezeichnet haben, finden wir ausgesprochen und historisch nachweisbar seit 1215 in Florenz.

Ghibellinen und Guelfen käm in wi 1 rs 5 Gr pften in wilder Wuth um die Herrschaft, br. florentinische Leben 8 zertrümmert, hätte nicht, wie Kopisch N, „das eigentliche Volk zwi chen den Parteien der kämpfenden

9 . 1 .e gehalten, und mächtig durch Anzahl, eine ziemlich gesetzlich Zügel ee Neaeg. ge dem allzugewaltsamen Toben zuweilen

Endli⸗ 1” Sohnes 8. ücr gelangte mit Hülfe des letzten Friedrich's und seines ische zur Macht, und vertrieb die Guelfen; das

Volk sahe aber bald, da 8.

A BRA.42. . es noch ärger war, al ; A gegenseitig im Schach ger war, als da beide Partcien sich Fegleich selbst aber Es berief 1250 die Guelsen zurück, machte

ort j 1 4 macht unter dem Capitans schritt, und tritt nun durch seine Kommunal⸗

del popolo und 12 Aeltesten als Schwerpunkt

in ein erweitertes politisches Leben ein, und beginnt die glücklichste Zeit der Kraft nach außen und einfacher Sitte im Innern.

Diese ward bald, zuerst jedoch vergeblich, von den Ghibellinen gestört, die Guelfen fügten sich. Allein die Kommune verlor früh schon wieder das echt staatsmännische Gleichgewicht, sie nahm immer mehr die guelfische Parteifarbe, war grausam gegen die Ghibellinen, bis sich diese ermannten und durch die Schlacht bei Montaperti 1260 Florenz wieder in die Hand bekamen und das alte stolze Regiment des ghibellinischen Adels unter einem Podesta wiederherstellten und zu Manfred, dem natürlichen Sohne Frie⸗ drich's II. von Staufen, hielten. Als Gegner riefen nun die allenthalben in Italien vertriebenen Guelfen Karl von Anjou herbei, der unerwartet er⸗ schien und Manfred's Sturz herbeiführte. Nun schöpften auch die Guelfen von Florenz wieder Hoffnung, sie singen wieder Verbindungen in der Stadt an und kamen dort bald zur Macht. Während dieser Versuche ward Dante geboren und tritt hernach, als große Seele schicksalsmäßig hinein⸗ geworfen, ganz im Sinne des Volkes auf, unwirsch gegen beide Par⸗ teien, den Guelfen noch feindseliger als den Ghibellinen, wie in unseren Tagen am Ende der isolirte große Mensch, der wahre Staatsmann von geringerem Abscheu erfüllt ist gegen den Absolutismus, weil dieser nicht so maßlos sein kann, selbst wenn er wollte als unsere Guelfen und Nadikale.

Dante'’s Wille ist: die große Zeit der Einfachheit und Kraft, die Macht des Volkes wieder zu heben, und die Macht der Partei niederzuhalten. Schon in seiner Geburt ist diese Stellung ausgesprochen. Er ist vom Stamm der Elisäi, die nach und nach ganz men of people geworden sind, aber durch Heirath mit den Alighieris wieder an den ghibellinischen Adel geknüpft werden. So trägt er schon durch Geburt und Tradition seines Stammes das Verständniß des Volkes und der Ghibellinen Politik in der Seele. Insofern wird ihm dieselbe politische Stellung, wie sie einst Plato, der Lehrer des Dante, besessen hat. Plato, obwohl aus dem Stamme Solon'’s, will doch nicht mit der ihm verwandten oligarchischen Partei ope⸗ riren, sondern sucht das griechische Volk wieder zu erwecken, und da dies unmöglich ist, entsagt er einer praktischen Wirksamkeit im Staate. Un⸗ gleich ist Dante dem Plato, weil er stets noch hofft, daß sein Volk erwachen werde; überall versöhnt und vermittelt er; gleich ist er ihm darin, daß beide

Frreilich ist der Vater Dante's als Guelfe genannt, aber nicht als ent⸗ schiedener Parteimann, sondern nur so weit das guelfische Prinzip dem Leben der florentinischen Volksgemeinde mehr zusagte, als das ghibellinische. Sein Vater war deshalb auch waͤhrend der ghibellinischen Herrschaft unge⸗ stört in Florenz sitzen geblieben und bekleidete eine echt volksthümliche neu⸗ trale Stellung als Richter. Dies Volks⸗Element war zur Zeit der Geburt Dante's (1265) noch so mächtig, daß Karl von Anjoun, obwohl von der guelfischen Partei beru⸗ fen, doch nicht wagte, nach Vertreibung der Ghibellinen eine rein guelfische Herrschaft in Florenz einzuführen; im Gegentheil kehrte er zur alten Regie⸗ rungsweise der Gemeinde zurück, unter 12 Aeltesten und einem Rath von Hundert. Doch geschah dies nur aus Klugheit von Karl, nicht weil er dem Volke freundlich gewesen war. Er war dem Volke vielmehr ein Feind und darum auch Dante verhaßt. Der Eindruck seiner Treulosigkeit, als Führer der Guelfen, der Tod Konradin's war die erste Kindheits⸗Erinnerung Dante's, die wohl auch bestimmend auf seine späteren Ansichten wirkte. Dante wuchs also, früh von beiden Parteien abgestoßen, im Volke auf. Eine reine große Liebe zu Beatrice, die gleichfalls einer Familie des Volkes angehört, brachte seine Seele zum Bewußtsein. Unsicher ist, ob er verschul⸗ det oder unverschuldet um sein Lebensglück kam; gewiß ist, daß verlorene Liebe nur um so inniger die Liebe zum Vaterlande anfachte und der Schmerz ihm die Weisheit öffnete, die keiner Partei angehört, sondern, ein⸗ fach wirkend, ihn seine ganze Einsamkeit fühlen ließ. Dies ist am Ende das Schicksal jedes großen Menschen. Die parteilose Stimmung Dantt's wurde aber genährt durch den Ein⸗ druck einiger glücklichen Jahre der Republik. 1276 hatten sich Guelfen und Ghibellinen endlich zu Florenz versöhnt und war große Freude im Volke, der großes Glück auf dem Fuße folgte. Immer mehr konzentrirt sich das florentinische Leben in sich selbst, die auswärtige ghibellinische Politik tritt

immer mehr in Hintergrund, das innere Leben der Stadt gedeiht. Man

unterscheidet nicht mehr zwischen Guelfen und Ghibellinen, nur zwischen Volksgemeinde und Adel.

Allein in kurzem schon macht der Wohlstand den Adel übermüthig.

Es entspinnt sich ein Kampf zwischen Adel und Gemeinde innerhalb der

nicht gehört und verstanden werden.

[Stadt, bei welchem jedoch der Adel zuerst unterliegt.

glänzenderen Erfolg gehabt; Herr Thiers aber hat zu viel Geist, um sich mit einer solchen Täuschung zu schmeicheln. Wenn er in sich geht, so wird sein natürlicher Menschenverstand ihm im Gegentheil sagen, daß er nie einen traurigeren Feldzug gemacht, und daß die Ufer des La Plata ihm nicht günstiger waren, als die des Nil. Im Grunde aber mögen wir doch noch lieber die Thiersschen Feldzüge in der Opposition, als seine Kriegspläne, wenn er Minister ist. Jene kosten weniger, und ihre Folgen machen sich nicht so lange fühlbar.“ 1

Das Journal des Dobats lobt die Vorsicht, womit die französische Regierung, wie aus den Erklärungen des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten sich ergebe, bei Erwägung der ernsten Frage über die Bestimmung in Betreff der Religion des griechischen Thronfolgers zu Werke gehe, weil die Einstimmigkeit, welche die griechische National⸗Versammlung in ihrem Beschlusse über jene Frage gezeigt, die Lösung derselben höchst schwierig mache.

Ohne revolutionaire Demonstration hat das Leichenbegängniß Laffitte's nicht vorübergehen können. Herr Garnier Pagès war es, der am Grabe im Namen der Arbeiter und der Juli⸗Kämpfer eine Rede hielt, die selbst dem Blatt des Herrn Thiers, dem Constitu⸗ tionnel, zu leidenschaftlich vorgekommen ist, und von der das Journal des Débats sagt: „Wir werden die Rede des Herrn Garnier Pages nicht mittheilen; wir erweisen dadurch dem Andenken Laffitte's größere Achtung, als er es gethan. Das war nicht der Ort, solche Worte hören zu lassen. Die Rede bestand in nichts als einer der heftigsten und beleidigendsten Declama⸗ tionen gegen die ganze Politik der Juli ⸗Regierung, eine demagogische Tirade, würdig der revolutionairen Klubs. Es war darin Alles zusammengefaßt, was der züügelloseste Radi⸗ kalismus jemals über die Erniedrigung des Landes, über die Undankbarkeit und Verderbtheit der Regierung, über die Ausbeu⸗ tung des Armen durch den Reichen gesagt worden ist. Wiederholter Zuruf aus der Volksmenge, welche die Grabmonumente und Bäume ringsumher einnahm, antwortete dieser Appellation an die Volkslei⸗ denschaften.“ Die France giebt den Männern von 1830 zu beden⸗ ken, daß dergleichen Demonstrationen sehr erklärlich seien. „Wie konnte ihnen wohl“, sagt dies Blatt, „der Grundfehler der großen Bewegung jener Epoche entgehen, nämlich daß eine politische Umwäl⸗ zung in sozialer Hinsicht keine Frucht trägt und keine tragen kann, und daß die Revolutionen, als Sprößling der Leidenschaften, sehr bald der väterlichen Obhut sich entziehen und ungerathene Kinder werden. Daraus erklärt es sich auch ganz natürlich, daß das Werk von 1830 seinen Ursprung verleugnet, daß es keine seiner Versprechungen ge⸗ halten, und daß niemals die Freiheit weniger gesichert und mehr an⸗ gegriffen war.“ Auch durch eine tumultuarische Scene wurde die Bestattung Laffitte’'s im letzten Augenblicke noch gestört; doch wurde die Ordnung durch die Munizipal⸗Garde gleich wieder hergestellt. Einige junge Leute nämlich wollten dem Dichter Beranger die Pferde vom Wagen spannen und diesen selbst nach Hause ziehen. Sie wur⸗ den indeß durch das Einschreiten der Munizipal⸗Garden daran ver⸗ hindert. Dabei geriethen einige Personen unter die Pferde, andere verloren ihre Hüte, oder es wurden ihnen die Kleider zerrissen. Die Menge drängte sich in dichter Masse um den Wagen; Herr Beranger aber stieg aus, und es gelang ihm, unversehens zu entschlüpfen, worauf er schnell einen anderen Wagen nahm und im Galopp nach seinem Landsitz zu Passy zurückeilte.

O Paris, 2. Juni. Gelder haben gestern einen unerwartet schnellen Gang genommen, seit in der vorgestrigen Sitzung der Deputirten⸗Kammer Herr Latour⸗ nelle den Bericht über das Eisenbahn⸗Projekt von Paris nach Lyon vorlegte. Wenige Tage früher hatte Herr Dufaure das nämliche in Betreff der Eisenbahn von Paris nach Bordeaux gethan, so daß ge⸗ genwärtig zwei wichtige Eisenbahn⸗Projekte zur Diskussion bereit vor⸗ liegen. Die Deputirten der dabei betheiligten Departements sind dahin übereingekommen, alles aufzubieten, daß beide Eisenbahn⸗Pro⸗ jekte noch vor der Diskussion des Budgets votirt werden möchten, und so werden dieselben wohl auch vor dem Schlusse der Session zur Sprache kommen.

Die Supplementar⸗Kredite des Departements der Marine wer⸗ den noch zu lebhaften Debatten Anlaß geben, weil sowobl Herr Guizot als Baron Mackau Willens sein sollen, die in der Broschüre des Prinzen von Joinville enthaltenen Angaben über den Zustand der französischen Marine zu bekämpfen und zu widerlegen. Herr Thiers, heißt es, wird die Broschüre des Prinzen vertheidigen.

Ungeachtet der Schnelligkeit, womit die Deputirten⸗Kammer gestern eine Menge Supplementar⸗Kredite votirte, sind doch dabei mehrere sehr wichtige diplomatische Fragen berührt worden. Meiner An⸗ sicht nach ist die wichtigste darunter, die in Betreff der griechischen Ver⸗ fassung. Man hat bisher allgemein geglaubt, daß die Höfe von Paris und London gegen den Artikel 40 der neuen griechischen Constitution protestirt hätten, weil, wie Herr Berryer ganz richtig bemerkte, und Herr Guizot zugeben mußte, die griechische Nation nicht befugt ist, die Bestimmun⸗ gen des londoner Vertrages, welcher unter der Garantie der Schutz⸗ mächte steht, zu ändern, und dem Nachfolger des Königs Otto in Betreff des Religions⸗Bekenntnisses eine Obliegenheit aufzuerlegen, welche im londoner Vertrag nicht enthalten ist. Herr Guizot er⸗ klärte, daß Frankreich und England sich darum enthalten haben, eine

Die Debatten über die Supplementar⸗

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direkte Einsprache gegen den Artikel 40 der neuesten griechischen Con⸗ stitution zu erheben, um nicht den Schein zu haben, in die inneren Angelegenheiten Griechenlands sich zu mischen, und daß sie sich nur darauf beschränkten, die vom König von Bayern gegen jenen Artikel erhobene Protestation aufzunehmen. Gut Unterrichtete versichern indeß, daß Hexr Guizot gestern über diesen Punkt nicht alles ge⸗ sagt habe, was er wisse, indem in der That Unterhandlungen zwischen den Schutzmächten stattfinden sollen, welche das Memoran⸗ dum des Königs von Bayern, das Fürst Oettingen⸗Wallerstein über⸗ reichte, zum Gegenstande haben sollen, so daß bisher hierüber mit dem Kabinet von Athen weder direkt noch indirekt Rücksprache ge⸗ nommen worden zu sein scheint. 8 8

In der gestrigen Sitzung hat Herr Boissy d'Anglas den Mini⸗ ster der auswärtigen Angelegenheiten gefragt, wie es mit den ver⸗ schiedenen Geldforderungen stehe, welche Frankreich an Griechenland, Spanien, Mexiko, Belgien u. s. w. geltend zu machen hat. Frank⸗ reich hat allerdings von Spanien 85 Millionen in Folge des Krieges von 1823, von Griechenland an 4 Millionen wegen der vorgeschossener Gelder zur Zahlung der Zinsen⸗Semester, von Belgien 15 Millionen in Folge der französischen Intervention von 1830 u. s. w. zu fordern. Herr Guizot hat in Betreff Griechenlands und Mexiko's genügende Auf⸗ schlüsse gegeben, aber in Betreff der übrigen Geldforderungen beschränkte er sich auf die Versicherung, daß die Regierung mit den betreffenden Mächten über die Einzahlung der Schulden unterhandle, ohne jedoch zu bestimmen, in wiefern diese Unterhandlungen ein sicheres Endresultat versprechen. Darum soll die Kommission, welcher die Prüfung des Budgets der Ausgaben anvertraut ist, in ihrem Berichte verlangen wollen, daß die betreffenden Verhandlungen mit größerem Nachdruck geführt werden.

Herr Musoz, welcher bisher in Paris weilte, ist in Begleitung des Marquis von Viluma, welcher das Portefeuille des Aeußeren im neuen Kabinet Narvaez übernehmen soll, vorgestern von hier nach Barcelona abgegangen, wo die Königin Isabella mit ihrer Königli⸗ chen Mutter jetzt eingetroffen sein wird. Man hat viel von einem Besuche, welchen der Graf von Trapani, Bruder des Königs beider Sicilien, dem spanischen Hofe in Barcelona machen würde, gesprochen und zog schon daraus den Schluß, daß die Heirath zwischen der Königin Isabella und diesem Prinzen ausgemacht wäre. Ein Brief aus Barcelona von sicherster Hand meldet, daß das Gerücht des Besuches des Grafen von Trapani darin seinen Grund zu haben scheine, daß die spanische Regierung in Barcelona mit großer Pracht ein Hotel einrichten ließ, während die beiden Königinnen im Palacio de la Gobernacion absteigen sollten. Man schloß daraus auf den Besuch irgend eines fremden Prinzen, und beeilte sich, den Grafen von Trapani zu nennen. Allein das auf Kosten des Kabinets von Madrid eingerichtete Hotel in Barcelona ist bestimmt, den neu ernannten Gesandten der Pforte aufzunehmen, welchem die spanische Regierung den schmeichelhaftesten Empfang bereitet, und welcher während des Aufenthaltes der Königin Isabella in den Bä⸗ dern von Coldès in Barcelona verweilen wird. Somit fällt das Gerücht des Besuches des Grafen von Trapani von selbst weg.

Srossbritanien und Irland.

London, 1. Juni. Die ausführlicheren Berichte über die gestern erfolgte Landung Sr. Majestät des Kaisers von Rußland sind heute hier noch nicht eingegangen. „Se. Majestät“, schreibt die Times in einem leitenden Artikel an der Spitze ihres heutigen Blat⸗ tes, „werden wahrscheinlich Ihren Fuß auf den Boden Englands ge⸗ etzt haben, wenn diese Zeilen unseren Lesern vorliegen. Die Reise r. Majestät von St. Petersburg geschah unter dem strengsten In⸗ gnito und mit der größten Schnelligkeit. Wenige Stunden Ruhe

in Berlin und im Haag haben ihren reißend schnellen Lauf unter⸗

rochen, und zugleich mit dem Eintreffen der Nachricht seiner Ab⸗ feise von der Hauptstadt wird der Kaiserliche Gast der Königin on England die Schwelle ihres Palastes überschreiten.“ „Ob⸗ schon“, fährt die Times weiter fort, „die milderen Sitten des Frie⸗ bens und der neueren Gesellschaft Besuche von Souverainen häufiger geschehen lassen, als in früheren Zeiten, da solche Zusammenkünfte entweder von einem rohen Streite wetteifernden Prunkes oder einem schlecht verhehlten Kampfe politischer Eifersüchteleien begleitet sein mußten, so haben diese Ereignisse doch einen Charakter angenommen, welcher sie weit mehr den dabei betheiligten Souverainen und Staa⸗ ten zur Ehre gereichen läßt. Sie sind die Versicherungen nicht einer gelegentlichen und außerordentlichen Freundschaft, sondern eines dauernden, ewigen Friedens. Sie sind die glanzvollen Zeichen jener bei der gemeinsamen Arbeit der Welt⸗Regierung und Welt⸗Verbesserung nothwendigen Einigkeit der Gewalt, welche die sicherste Bürgschaft für die Dauer und die guten Erfolge dersel⸗ ben ist. Sie tragen dazu bei, Vorurtheile zu beseitigen, Verdächti⸗ gungen zu entfernen, jene unverbrieften Bündnisse und hergebrachten Sitten der Treue und des Anstandes zu befestigen, welche das beste Völkerrecht ausmachen. Auch hat es sich wohl noch nicht in der Ge⸗ schichte der Menschheit ereignet, daß zwei Souveraine zusammenge⸗ kommen sind, welche eine so ausgedehnte und unbestrittene Herrschaft auf dem Erdkreise ausgeübt, so viele Hunderte von Millionen zu ihren Unterthanen gezählt, und unter dem Schutze des Himmels einen so

mächtigen Einfluß auf die Geschicke der Erde besessen haben, als diese Potentaten, welche am heutigen Tage der Hof von England vereinen wird. Zu anderen Zeiten würde eine solche Begebenheit mehr Er⸗ staunen erregt haben; in anderen Ländern dürfte sie vielleicht auch heutigen Tages mehr Aufregung verursachen; aber die Abwesenheit aller pomphaften Förmlichkeiten dient nur dazu, die Courtoisie eines solchen Besuches, und die Würde einer solchen Zusammenkunft zu ver⸗ größern.“ Im weiteren Verlaufe des Artikels freut sich die Times der Stellung Großbritaniens, dessen Freundschaft von den verschie⸗ denen Souverainen zur Begründung des Wohles der Menschheit ge⸗ sucht werde. „Wir erhalten“, heißt es, „durch diesen Besuch den glänzendsten Beweis dafür, daß die Stellung dieses Landes gegenüber den anderen Staaten und Souverainen Europa's, eine so hohe Stufe der Größe und Würde erreicht hat, daß von den Mächten der Welt die stärksten unsere Freundschaft erstreben, die fernsten unsere Küsten aufsuchen. Mit unserem Bündnisse erstrebt man aber nicht eine Com⸗ bination gewisser politischer Elemente zur Ausführung eines beson⸗ deren Planes, sondern vielmehr die Anerkennung jener großen Prin⸗ zipien politischen Rechts, dessen Verkündigung und Beschützung die Aufgabe der Regierung Englands ist. Auf dieser breiten Grundlage stehen wir, um eine gleiche Gastfreundschaft gegen alle Mächte zu üben, in gleich gutem Einverständniß mit ihnen allen zu leben. Unser Land nimmt einen zu großen Raum in der Welt ein, um ein aus⸗ schließlicher Bundesgenosse Frankreichs oder Rußlands zu sein, und zu welchen Unternehmungen und Entschließungen man es auch führen mag, es duldet in seiner Politik keine nationalen Vorurtheile, sondern freut sich, wenn es nicht isolirt, vielmehr umgeben von allen anderen Nationen dasteht, und durch deren Achtung, wie durch seine eigene Kraft, die erste Stelle behauptet.“ .

Die Times vermuthet, daß Se. Majestät der Kaiser Nikolaus zu der Reise nach England vorzugsweise durch das Interesse veranlaßt worden sei, welches derselbe an den großen mechanischen Erfindungen und den industriellen Fortschritten unseres Jahrhunderts nehme und freut sich des günstigen Eindrucks, welchen in dieser Beziehung Eng⸗ land auf Se. Majestät machen dürfte, während die Intelligenz und die Persönlichkeit des Kaisers demselben bei dem englischen Volke wiederum den günstigsten Empfang bereiten werde.

Unsere Blätter bringen heute auch die ausführlicheren Berichte über das Endresultat des O'Connellschen Prozesses, welches gestern nur nach den kurzen Depeschen aus Dublin vom 30sten gegeben werden konnte. Es ist aus den Verhandlungen der Sitzung dieses Tages die Rede des Richters Burton, welcher das Strafurtheil publizirte, näher hervorzuheben, insofern als sie das Urtheil motivirt und für die Stimmung charakteristisch ist. Nachdem in der bereits angegebenen Weise die Sitzung eröffnet war und der General⸗Pro⸗ kurator beantragt hatte, daß das Urtheil ausgesprochen werde, er⸗ hob sich der Richter Burton sichtlich bewegt mit folgenden Worten:

Es sei, sagte er, eine sehr schmerzliche Pflicht, das Urtheil des Ge⸗ richtshofes und die gesetzliche Begründung desselben bekannt zu machen. Das Hauptverbrechen, welches den Angeklagten zur Last gelegt werde, be⸗ stehe in dem Versuche, die legislative Union mittelst einer Verschwörung abzuschaffen oder aufzuheben, welche auf Einschüchterung durch Entwickelung großer physischer Gewalt berechnet war. Diese Einschüchterung und das damit verbundene Streben, Uebelwolken zu erregen, sei der hauptsächlichste und verbrecherischste Theil der Verschwörung, welcher das Urtheil des Gerichts be⸗ gründet habe. „Es ist also jetzt meine schmerzliche und höchst betrübende Pflicht“, sagte der Richter, „das Ergebniß der Berathungen des Gerichts⸗ hofes kund zu geben Ein Ergebniß, welches die Freiheit so vieler Männer antasten wird, die, wie ich glaube insgesammt von einem derselben weiß ich es gewiß hoch in der öffentlichen Achtung stehen. Besonders schmerz⸗ lich ist mir dies in Bezug auf einen der Angellagten, auf dessen Urtheil als Rechtskundiger und wohlunterrichteter Mann ich selbst in einer Sache, wie die gegenwärtige, das höchste Vertrauen setzen würde, wenn dritte Personen betheiligt wären; in Bezug auf ihn, den Haupt⸗Angellagten, wenn man ihn mit den anderen Angeklagten vergleicht; in Bezug auf ihn, der sicherlich selbst mir darin zustimmen wird, daß er sich in einer beson⸗ deren, von jener der Mitangeklagten verschiedenen Stellung befindet. (Hörbares Murren in allen Theilen des Saales.) Diese haben sein Vergehen getheilt und gemeinsam mit ihm für die Sache gewirkt, der er sich gewidmet hatte; aber sie haben nach Ansicht des Gerichtshofes aus Achtung für seine überlegene Talenten und Einsichten dazu mitgewirkt, und er hatte überdies eingestandener Maßen übernommen, ihr Führer zu sein; in dieser Beziehung ist sein Fall von jenen der anderen Angeklagten zu seinem Nachtheile verschieden. (Bewegung in allen Theilen des Saales.) Diese Erwägungen vermindern die große Schuld der übrigen Angeklagten, wenn nämlich berücksichtigt wird, inwieweit sie vielleicht zur Verübung ihres Vergehens durch die Achtung bestimmt wurden, in welcher (hier stürzte John O'Connell, der mit seinem Vater in der Nähe saß, zu den Füßen des Rich⸗ ters und rief: „Erlauben Sie mir, Herr Richter“ ; er sprach jedoch den Satz, welcher offenbar dahin lauten sollte, daß er selbst die ganze Verantwortlichkeit für seine Handlungen trage und daß er dabei blos durch die eigene Ueber⸗ zeugung geleitet worden sei, nicht aus, da sein Vater ihm gerührt die Hand auf die Achsel legte und in ihn drang, seinen Sitz wieder einzunehmen.) Der Richter fährt sort: „Einer der Angeschuldigten ist der Sohn des Haupt⸗Angeklagten, und Letzterer wird selbst einsehen, daß die nahe Ver⸗ wandtschaft mit ihm mildernd zu Gunsten des Sohnes spricht. Noch muß ich eines Umstandes in Bezug auf den Haupt⸗Angeklagten erwähnen, des Umstandes nämlich, daß derselbe bei den zahlreichen Monster⸗Versammlun⸗ gen, welche er zur Förderung seines gesetzwidrigen Einschüchterungszweckes hielt, durch sein großes und unwiderstehlich wirkendes Ansehen alle Erzesse und jeden Friedensbruch zu verhindern wußte. Ich bin überzeugt, daß der

Das Volk aber läßt sich bereden, den Adel von Pistoja, der sich als Weiblinger und Welfen gegenübersteht, in die Mauern von Florenz aufzu⸗ nehmen, um Pistoja zu beruhigen. Pistoja wird allerdings ruhig, allein der florentinische Adel, gestärkt durch die Antömmlinge, spaltet sich selbst wieder. Weiße und schwarze Guelfen, Cerchi und Donati, Gemäßigte und nicht Gemäßigte, stehen sich gegenüber und suchen Jeder für sich die Herrschaft.

Vergeblich wendet sich die Volksgemeinde an den Papst um Vermitte⸗ lung. Schon hat das System jeder Partei die Verdächtigung begonnen; die weißen Guelfen sind beim Papst verleumdet als Ghibellinen, die schwarzen Guelfen nennen sich allein Guelsen. So sehr ist das Wesen und die Erscheinung der beiden Parteien nothwendig, sobald das Volk schwach wird. Nicht vergeblich sucht Dante, dem Einheit über Alles geht und Zwiespalt verhaßt ist, der fremden Einfluß fürchtet, die Volksgemeinde um die Stadt⸗ fahnen zu versammeln, damit sie selbst den Streit ihres Adels schlichte. Sie richtet und verbannt die Häupter beider Parteien, geräth aber dadurch in Streit mit dem Papst, der Florenz mit dem Interdikt belegt.

Allein nicht lange hielt die Kraft des Volkes, sie wich den durch den Papst und Karl von Valois unterstützten Schwarzen, denen ebenso daran gelegen war, die Männer der Volksgemeinde, wie Dante, als die Männer der Adels⸗Partei der Weißen zu vernichten. Die Stadtämter wurden der Volkswahl entrissen, Dante und die Weißen verbannt. Die Weißen, weil gemäßigt, standen Dante näher, gleiches Schicksal mochte sie noch mehr befreunden. Jedoch schloß er sich nur an den Theil dieser Partei an, welcher dem Volks⸗Element verwandter war, an die sogenannten Ghibellini verdi, eine gemäßigte Mittelpartei, welche sich nicht direkt gegen das Papst thum auflehnte, wie die entschiedenen Ghibellinen, sondern nur auch die Macht des Kaisers bewahrt wissen wollte, die von je Stütze der Volks⸗ gemeinde in Deutschlands wie in Italiens Städten gewesen war.

In Florenz selbst aber wüthete die Partei der Schwarzen, so daß Jeder, der ein Herz für sein Volk hat, den Grimm Dante's verstehen wird, auch ohne daß man ihn zum Ghibellinen stempelt, selbst wenn es erwiesen wäre, daß er den vergeblichen Versuch der Weißen, nach dem Tode des hasfs Benedilt, sich mit den Waffen ihrer Vaterstadt zu bemächtigen, ge⸗

heilt hat.

Der Mensch, der von sich sagen durfte: „Wenn ich von Florenz gehe, wer bleibt; wenn ich bleibe, wer geht“, konnte auch von sich sagen: „Mir wird es Ehre sein, Partei für mich allein gemacht zu haben“; und wer die eherne Hand betrachtet, welche die Komödie schrieb, wird nicht daran denken, daß ein so selbstständiger Mann dem innersten Bedürfniß seiner Natur, die jeder Partei fremd war, sei untreu geworden.

Erst lebte der Dichter in der Verbannung zu Bologna, von 1306 in Padua, und trat überall mit Männern beider Parteien in Verbindung. Dies kann uns nicht wundern, denn überall sucht die stolze Gestalt, die zwischen den Parteien durchschreitet, und mit jeder unterhandeln darf, nur Friede, nur Vermittelung. Alle seine Gesandtschaften, alle seine Briefe gehen auf Lösung des Zwiespalts und Beruhigung seiner Vaterstadt.

Wäre aber auch der Vorwurf gegründet, daß Dante grimmig über ungerechte Verbannung seine Vaterstadt gehaßt und ihrer vergessen hätte, so darf man nicht übersehen, daß eine so große Natur nicht blos Florenz gehörte, sondern seine Bestimmung als Retter und Friedebringer Italiens fühlen mußte. Er glühte für die ungetrennte Nationalität Italiens, er haßte, wie hernach Machiavelli, Alles, was die Zerstückelung und Zerklüf⸗ kung der italischen Nationalität herbeiführte, sei es das weltliche Regiment des Papstes, sei es eine zeitweilige falsche Politik seiner Vaterstadt, sei ecs die Politik der deutschen Kaiser. Italien mußte, Kaiserlich und päpstlich verwaist (die Päpste waren in Avignon), eben die bitteren Früchte aller Fehler genießen, welche Päpste, Kaiser und Volk begangen hatten. Auf die Gefahr hin, für einen Schwärmer gehalten zu werden, wagte es Dante, die Noth⸗ wendigkeit eines allgemeinen Kaiserthums darzuthun, das Anrecht seines, des rö⸗ mischen Volkes daran zu erweisen, und dies Kaiserthum für unabhängig vom Papst und für unmittelbar unter Gottes Leitung stehend, zu erklären. Beide Mächte, die geistliche und die weltliche, sollen die zwei leuchtenden Sonnen der Erde, die zwei Hüter der Christenheit sein.

So kolossal diese Idee auftritt, so gewaltig das Bewußtsein in Dante war, daß er nicht blos für Florenz, nicht blos für Italien, sondern für die ganze Welt und für alle Zeiten eine Bestimmung habe, so tritt bei ihm doch nirgends ein Kosmopolitismus auf, wie ihn die neuere Zeit als Ideal hinstellt. Er weiß nichts von diesen unstätflatternden Ideen, das Größte, was er gedacht hat, ruht stets auf dem Gefühl der Nationalität,

hierin liegt der Nerv seiner Natur; darin wird auch die Lebenskraft jedes wahren Staatsmannes überhaupt beruhen. Ein weltbürgerlicher Staats⸗ mann ist eine Lächerlichkeit, und nur das 19te Jahrhundert ist so klug, von einer Lächerlichkeit Erlösung zu hoffen.

v ⸗Wissens

In der Mai⸗Versammlung des Vereins theilte Herr Hertwig über die krebshaften Uebel der Hausthiere, namentlich über den Scirrhus mammae der Hündinnen, mit, gegen welchen die Operation, frühzeitig ausgeführt, sich entschieden hülfreich erweist. Hierau knüpfte derselbe einen Vortrag über die Beschälkrankheit der Pferde, nach welchem die von Einigen behauptete Analogie dieser Krantheit mit der Syphilis der Menschen abgewiesen wer⸗ den müßte. Es entspann sich ferner eine mündliche Unterhaltung über Tu⸗ berkelbildung und klimatische Krantheiten, namentlich über Wechselfieber in den verschiedenen Zonen, an welcher die Herren Link, Sinogowitz, Hecker und Andere Theil nahmen.

* * Aus dem Haag, 1. Juni. Der hier verweilende Oberst N. aus Bern, Offizier der Ehrenlegion, hat in seiner Wohnung ein sehr in⸗ teressantes Kunstwerk zur Anschauung für Freunde antiker Kunst ausgestellt. Es ist ein in Holz ausgearbeitetes massiv mit Gold überplattetes Basrelief, das die vier Erzengel und in der Mitte Christus in ganzen Figuren (Stand⸗ bildern) darstellt, und 5 ½ Fuß breit, 4 Fuß hoch ist. Der Werth wird von Kennern auf 150,000 Fr. geschätzt. Das Basrelief ist, we Dokumente be⸗ weisen, in Auftrag und noch bei Lebzeiten Heinrich’s II. zu Basel gemacht und zierte dessen Haus⸗Kapelle. Heinrich II. und seine Gemahlin Kuni⸗ gunde sind zu des Heilands Füßen in betender Lage angebracht. Oberst R. beabsichtigt, dieses Merkmal byzantinischer Kunst durch eine Lotterie zu ver⸗ äußern und sammelt die Subseriptionen kunstsinniger Monarchen und rei⸗ cher Privateteau. vn

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