1847 / 210 p. 4 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

u stellen.“ Die Arbeit des Mi⸗ 1ang scher „e 88¼ dem Abschnitt über die

Zukunft gegen jede Beeinträchti olution von 1830 sind Steuern

nisters umsaßt die Zeit von 2 „Steuern“ bemerkt er: „Seit der, ich auf mehr als 18 Millionen abgeschafft worden, deren jäͤhrlicher Crnag, ssh Lueefer Periode eingeführt Francs belief. Eine einzige vich circa 950,000 Fr. einbringt, es ist die worden, die im Durchschnitt jähr der gestiegenen Bevölkerung, des erhöhten auf geistige Getränke. In wehsenal- Steuer im Jahre 1845, verglichen National⸗Reichthums 82 tc22 5 ½ pCt, die Patent⸗Steuer um 1032 pCt., mit dem Jahre 1831, 1 140 ½ Ct., die Douanen⸗Steuer um 209 ¼ pCt., die Ber 25247 35, pCt., die Einregistrirungs⸗Steuer um nahe an der Arcise-Ertrag un⸗ n Velgien giebt es nicht, wie in anderen Ländern, 50 pCt. gestiegen. des Monopols, wie von Taback, Salz, Karten, Pulver Der Eingangszoll auf Taback beträgt im Durchschnitt

540,000 Fr. ist keiner Accise unterworfen. In Frantreich nahm die Regie im Jahre 1845 aus dem Tabacks⸗Monopol 82,534,494 Francs Netto ein; die Brutto⸗ Einnahme betrug 111,899,920 Fr. Das belgische Budget für 1848 ist auf 117,013,550 Fr. veranschlagt, dar⸗ unter die eigentlichen Steuern, direkte und indirekte, mit 84,536,430 Fr. Die Einwohnerzahl zu 4,335,319 angenommen, so kommen auf den Kopf durchschnittlich 19 Fr. 49 Cent.; in Frankreich 52 37 Fr. 74 Cent. und in Holland 49 Fr. 2 Cent. auf jeden Kopf.“ en Abschnitt über die Steuern schließt der Minister mit Hervorhebung der folgenden Thatsachen: „1) Es sind die Steuern, in ihrer Gesammtheit betrachtet, vermindert wor⸗ Len; 2) die Abänderungen in den Details gingen nicht von einer siskali⸗ schen Idee aus, sondern bezweckten eine billigere Vertheilung der öffentlichen Lasten oder die Sicherung aller Interessen, des Ackerbaus, der Industrie und des Handels; 3) in Belgien sind die Steuern niedriger, als in Frank⸗ reich und Holland. Der nächste Abschnitt handelt von den „Ein⸗ nahmen und Ausgaben.“ Es stellt sich heraus, daß von 1830 bis 1816 inklusive ein Ueberschuß der laufenden Einnahmen über die Ausgaben sich gebildet hat, welcher 3,197,187 Fr. beträgt. „Man muß nicht übersehen“, heißt es, „daß das unabhängige, freie Belgien sich Ange⸗ sichts großer Schwierigkeiten der äußeren Politik zu konstituiren hatte, daß bei ihm Alles erst zu schaffen war, und besonders nicht, daß es in den letz⸗ ten zwei Jahren die Lebensmittel⸗Krisis zu bestehen hatte. Trotzdem ist das Gleichgewicht in den Finanzen aufrecht erhalten worden. In besseren Zeiten ist, bei kluger und geschickter Benutzung der Hülfsquellen des Landes, nicht blos ein Ueberschuß der Einnahmen über die Ausgaben, sondern die Errichtung eines Reserve⸗Fonds zu hoffen, dessen Nützlichkeit im Schoße Kammern wiederholt proklamirt worden ist.“ Es folgt hierauf „schwebende Schuld.“ Sie besteht in Belgien unter der Form Schatzscheinen. Die seit 1842 gesetzlich autorisirten Emissio⸗

nen belaufen sich auf 28,950,950 Franken; davon sind fast 12 Millionen auf die Staats⸗Eisenbahnen (Vermehrung der Transportmittel ꝛc.) ben so viel auf Kanal⸗ und Wasserbauten und 4 zu verschiedenen anderen nützlichen und meist produktiven Arbeiten, Anschaffungen, Unterstützungen ꝛc. erwandt worden. Der Minister zeigt sodann, daß die schwebende Schuld war nominell die obige Summe, eigentlich aber nur 8,879,241 Fr. beträgt, ndem 20,071,718 Fr., welche der Staat als Gegenwerthe in Händen hat, abzuziehen sind. Was endlich die konsolidirte Schuld betrifft, so ist sie nominell 586,487,215 Fr., nach den jetzigen Coursen berechnet aber blos 467,277,998 Fr. verglichen mit der Bevölkerung (4,335,319 Einw.), kom⸗ men auf den Kopf 107 Fr. 78 Cent. konsolidirte Schuld und an Interessen dafür 5 Fr. 13 Cent. (nach einer beigefügten Tabelle, in Holland auf den Kopf 849 Fr. 6 C. Kapital und 24 Fr. 71 C. Zins, in England 731 Fr. 25 C. Kapital und 27 Fr. 5 C. Zins, für Frankreich ist der Kapitalbetrag nicht angegeben, der Zins macht 10 Fr. 71 C. auf den Kopf, in Oester⸗ reich 65 Fr. 62 C. Kapital und 3 Fr. 38 C. Zins, in Preußen 55 Fr. 95 C. Kapital und 1 Fr. 17 C. Zins). Im Vergleich zur gesammten Jahres⸗Einnahme betragen die Interessen für die konsolidirte Schuld in

Belgien 229 Tausendstel, in Holland, nach der beigefügten Tabelle, 506, in England 499, in Oesterreich 328, in Frankreich 283, in Preußen 69 Tau⸗ sendstel. Von seiner konsolidirten Schuld hat Belgien seit 1830 schon 34 Milllionen getilgt. Das Staats⸗Vermögen ist außerdem durch Erwerbung von unbeweglichem Eigenthum im Betrage von 53 Millionen gewachsen,

und endlich ist das Land um 200 Millionen an öffentlichen Bauten von allgemeinem Nutzen reicher geworden.

Die im Großherzogthum Posen und in Westpreußen entdeckte revolutionaire Verbindung

zum Zweck der Wiederherstellung eines selbstständigen polnischen Reiches

in den alten Gränzen vor dem Jahre 4772 9

Schon gegen Ende des Jahres 1845 kamen in den vormals polnischen Provinzen, welche, seit den Jahren 1772, 1793, 1795 und 1815 der Krone Preußen unterworfen, gegenwärtig unter der Be⸗ nennung Westpreußen und Provinz Posen integrirende Bestandtheile des preußischen Staates bilden, Ereignisse vor, welche kaum bezwei⸗ feln ließen, daß man mit einer neuen Revolutionirung der ehemals polnischen Landestheile umgehe.

Es wurde bald unzweifelhaft, daß diese Umtriebe weit verzweigt waren und die Verfassung des Landes, so wie das Leben der deut⸗ schen Bevölkerung, in jenen Provinzen in Gefahr setzten.

Hierdurch erwiesen sich kräftige und energische Maßregeln zur Beseitigung der drohenden Gefahr für erforderlich. Durch schleunige Verstärkung und zweckmäßige Verwendung der bewaffneten Macht wurde dafür gesorgt, daß jedem offenen Aufstands⸗Versuche mit Nach⸗ druck begegnet werden konnte. Gleichzeitig begannen die Civil⸗Behör den ihre Thätigkeit, darauf gerichtet, die noch weitere Verbreitung und Entwickelung der Umtriebe zu verhindern, die entdeckten Fäden derselben zu verfolgen, die Theilnehmer und Hülfsmittel zu erforschen, 9 Verdächtigen zur Untersuchung, die Schuldigen zur Strafe zu

ringen.

Zur schnelleren und kräftigeren Ausführung ernannten des Kö⸗ nigs Majestät mittelst Allerhöchster Ordre vom 13. Januar 1846 eine Immediat⸗Untersuchungs⸗Kommission unter Vorsitz des König⸗ lichen Wirklichen Geheimen Raths und Chef⸗Präsidenten des König⸗ lichen Ober⸗Appellationsgerichts und Ober⸗Landesgerichts zu Posen, von Franckenberg⸗Ludwigsdors, welche, aus Justiz⸗ und Verwaltungs⸗ Beamten zusammengesetzt, die Polizei und Justiz in sich vereinigte, ohne indeß die Betheiligten irgendwie einem exceptionellen Verfahren zu unterwerfen. Die polizeilichen Organe der Immediat⸗Kommission waren nämlich, wie dies den Gesetzen entspricht, nur zu den polizei⸗ lichen Ermittelungen und zum ersten Angriff bestimmt und wurden

emgemäß verwendet.

Die Aufgabe der Immediat⸗Kommission bestand nur darin, die Untersuchung gegen die Betheiligten so weit zu leiten, bis das nach der Kabinets⸗Order vom 25. April 1835 (Gesetz⸗Saml. Seite 47) kompetente Gericht dadurch in den Stand gesetzt werden würde, über Einleitung der förmlichen Kriminal⸗Untersuchung Beschluß zu fassen.

Bevor indeß dieser Auftrag erledigt war, bevor es also dazu am, die Fortleitung und Beendigung der Untersuchung an das Kam⸗ nergericht, als den kompetenten Richter, abzugeben, erschien das Gesetz vom 17. Juli 1846, betreffend das Verfahren in den bei dem Kam⸗

wergerichte und dem Kriminalgerichte zu Berlin zu führenden Unter⸗ suchungen, durch welches das Institut der Staats⸗Anwaltschaft in

*) Wir geben diese Darstellung als Einleitung zu un 1 über 88 Nen k. Mts. beginnenden G.nne nec nnseren Bersc 8 reffenden Untersuchung. Bei etwanigem neuen Abonnement auf das lau⸗ fende Quartal unserer Zeitung werden wir diese Darstellung in besonderem Abdruck liefern, da wir nur eine geringe Zahl Exemplare unseres Blattes über den Bedarf drucken lassen.

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Kriminal⸗Prozessen und ein öffentliches und mündliches Verfahren vor dem erkennenden Richter eingeführt ist. Dies Gesetz sollte nach §§. 132, 133 mit dem 1. Oktober 1846 in Kraft treten, dergestalt, daß auch diejenigen Untersuchungen, in denen das Verfahren erster Instanz mit Einschluß der Vertheidigung beim Eintritt jenes Zeitpunktes noch nicht geschlossen sein würde, nach den Vorschriften des neuen Gesetzes umgeleitet werden sollten.

In Uebereinstimmung hiermit bestimmte denn auch sofort eine an die Minister des Innern und der Justiz erlassene Allerhöchste Order vom 18. Juli 1846:

daß da die Untersuchungen wegen der im Großherzogthum Po⸗ sen und den angränzenden Landestheilen entdeckten Verschwörung vor dem 1. Oktober 1846 einschließlich der Defensionen nicht been⸗ det sein könnten und deshalb, nach §. 133 des Gesetzes vom 17. Juli 1846, in dem durch dasselbe angeordneten Verfahren zu erledigen sein würden, die Immediat⸗Untersuchungs⸗Kom⸗ mission zu Posen die in dem §. 65 des Gesetzes gedachte Vor⸗Un⸗ tersuchung leiten, in diese das von ihr bisher geführte Skrutinial⸗ Verfahren umwandeln und bei dieser Voruntersuchung nach den Vorschriften des gedachten Gesetzes bereits gegenwärtig verfahren solle.

Hiermit trat auch sofort die amtliche Thätigkeit der Staats⸗An⸗ waltschaft ein. Der Staats⸗Anwalt des Kammergerichts begab sich deshalb mit mehreren, ihm ausschließlich für diese umfangreiche Sache zugeordneten Gehülfen nach Posen, um bei Leitung der Vor⸗Unter⸗ suchung seine gesetzlichen Functionen auszuüben und gleichzeitig die Vorarbeiten für die spätere Anklageschrift zu beginnen.

Es war gegen nahe an elf hundert verdächtig gewordene Per⸗

2

sonen theils mit, theils ohne Verhaftung eingeschritten. Nach Beendigung der Voruntersuchung hat der Staats⸗Anwalt die ihm nach §. 49 des Gesetzes vom 17. Juli 1846 obliegende Erklärung abgegeben. Gegen 283 hat er die Versetzung in den An⸗ klage⸗Zustand bei der Anklage⸗Deputation des Kammergerichts be⸗ antragt.

Diese hat durch ihre Beschlüsse vom 12. April, 21. April und 12. Mai d. J. 254 Personen in Anklagestand versetzt, und auf Grund dieser Beschlüsse hat der Staats⸗Anwalt am 1. Juni eine 120 Druck⸗ bogen starke Anklageschrift gegen diese 251 Personen, wegen Hochver⸗ raths durch Betheiligung bei dem Unternehmen zur Wiederherstellung eines polnischen Staats in den Gränzen desselben vor dem Jahre 1772 bei dem Kriminal⸗Senate des Kammergerichts eingereicht.

Nunmehr beginnt in Gemäßheit der §§. 15 ff. §§. 64 u. 70 des Gesetzes vom 17. Juli 1846 das mündliche Verfahren vor dem er⸗ kennenden Gerichte, der aus acht Mitgliedern bestehenden Abtheilung des Kriminal⸗Senats des Kammergerichts für besonders schwere Ver brechen. Durch dasselbe wird festgestellt werden, ob und in welchem Umfange die einzelnen Angeklagten einer Theilnahme sich schuldig ge⸗ macht haben und derselben zu überführen sind.

Daß aber wirklich ein Unternehmen, mit Waffengewalt gegen die preußische, österreichische und russische Regierung einen selbststän⸗ digen polnischen Staat herzustellen, vorbereitet worden ist, daß diese Vorbereitung nicht nur schon weit vorgeschritten war, sondern auch in einzelnen, allerdings sehr ohnmächtigen Versuchen zur Ausführung gekommen ist, wird die folgende aktenmäßige Darstellung zeigen. Sie wird ein allgemeines Bild von den entdeckten politischen Umtrieben geben und durch Mittheilung einzelner Thatsachen den Leser in den Stand setzen, selbst zu beurtheilen, von welcher Bedeutung für den Staat und wie gefahrvoll für das Leben der deutschen Bewohner sei⸗ 18 polnischen Provinzen die entdeckte Versch wörung gewe⸗

en ist. .

Erster Abschnitt. Entstehung des polnisch Ddomokratischen Vereins und vorbereitende Thätigkeit desselben in der polnischen Emigration.

Der am 29. November 1830 zu Warschau ausgebrochene Auf⸗ stand gegen die russische Herrschaft war in der zweiten Hälfte des folgenden Jahres durch die Kaiserlich russischen Truppen bewältigt. Starke Haufen des polnischen Insurgenten⸗ Heeres legten auf preu- ßischem und österreichischem Boden die Waffen nieder. Ihnen schloß sich eine große Zahl der Nichtkämpfenden an, die, sei es aus Furcht vor Untersuchung und Strafe wegen der Theilnahme an dem Auf⸗ stande, sei es aus Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen ihr Vaterland verließen.

In Frankreich vor allen fanden die polnischen Flüchtlinge gast⸗ liche Aufnahme und Unterstützung. Es bildete sich hier fortan ein besonderer, in sich abgeschlossener Körper: die polnische Emigra⸗ tion. Sie repräsentirte das Bild des ehemaligen polnischen Reiches im Kleinen; denn, was dieses von je her zerrissen, die Kämpfe der verschiedenen Factionen und Parteiungen, fand, freilich auf Wort und Schrift beschränkt, in der Emigration seinen Fortgang. Eben der letzte Aufstandsversuch gab nur zu reichhaltigen Stoff zu gegenseitigen Anfeindungen und Vorwürfen.

Bald standen die aristokratische und demokratische Partei feind⸗ lich gerüstet sich gegenüber. Beide zerfielen wieder in sich in verschie dene kleinere Factionen und Nüancirungen. Diese Kämpfe gaben der einen Partei Veranlassung, sich zu einer kompakten Masse zu vereini⸗ gen. Alle in der Emigration lebenden Theilnehmer an dem letzten Aufstande, die von der Annahme ausgingen, „daß den früheren Machthabern die richtige Erkenntniß alles dessen gemangelt habe, was ein Volk im Allgemeinen für eine Revolution empfänglich machen und begeistern könne, und daß man die Prinzipien der Freiheit, Gleich— heit und Brüderlichkeit den Regierungs⸗ und Gesellschaftsregeln zu Grunde legen müsse, wenn man der Hoffnung einer allgemeinen Erhebung des polnischen Volks zur Wiedererlangung seiner Unabhän⸗ gigkeit und Selbstbeständigkeit Raum geben wolle alle diese tra⸗ ten zu einer besonderen Verbindung: dem polnisch⸗demokrati⸗ schen Vereine, zusammen. . 3

Es waren nahe an 3000 Personen. In seinem Gründungs⸗ Akt vom 17. März 1832 sprach der Verein als seinen Zweck den aus: in der polnischen Nationalsache in dem Geiste rein philosophisch⸗ demokratischer Grundsätze wirken zu wollen.

Der Sitz der Gesellschaft und ihrer sämmtlichen Mitglieder war Paris, und als sich viele der letzteren von hier entfernten, so wurde durch ein Publikandum vom 15. April 1832 bestimmt: „daß wenig⸗ stens die Centralisation für die Thätigkeit der Gesellschaft zu Paris verbleiben solle.“ Hierdurch erhielten die zu Paris anwesenden Mit⸗

glieder des Vereins die Leitung aller Angelegenheiten desselben, und nur zu Abändernng der Statuten und anderer organischen Bestim⸗ vüden blieb die Stimmenmehrheit sämmtlicher Mitglieder erfor⸗ erlich.

So stand es bis zum Jahre 1835, wo die Gesellschaft ihr Haupt⸗Statut (innere Organisation der polnisch⸗demokratischen Ge⸗ sellschaft genannt) am 5. Juli publizirte. Das Statut regulirt in sechs Titeln und zweiundneunzig Paragraphen den inneren Organis⸗ mus des Vereins.

Die ganze Autorität der Gesellschaft beruht nach demselben in der Gesammtheit der Mitglieder. Die Gesammtheit der Gesellschaft

zerfällt in Sectionen. Die oberste Aufsicht führt eine Central⸗

Behörde, die Centralisation des polnisch⸗demokratischen Vereins.

Was zunächst die Sectionen betrifft, so bilden eine solche sämmt⸗ liche in einer einzelnen Ortschaft wohnhaften Mitglieder des Vereins sobald ihre Zahl wenigstens fünf beträgt. Die zerstreut wohnenden Mitglieder gehören der ihnen zunächst —— Section an. Jede Section wählt einen Secretair und einen Kassirer, hält regelmäßi jede Woche eine Sitzung und beschließt nach Stimmenmehrheit Ihrs Thätigkeit ist indeß nur innerer Natur. Sie diskutirt über die 2 die Gesammtheit gerichteten Vorstellungen, macht selbst Anträge lüe⸗ fert Beiträge für das periodische Blatt des Vereins, überwacht das moralische Verhalten der Mitglieder, sorgt für die Einziehun der Beiträge und nimmt endlich neue Mitglieder auf. Das vA 8 schieht auf Vorschlag eines Mitgliedes nach Stimmenmehrheit durch 8 terschrift der Statuten. Die Aufnahme ist der Central⸗Behörde anzuzei⸗ gen; diese setzt die Gesammtheit davon in Kenntniß, und jedem Mitzliede steht das Recht zu, gegen die Aufnahme Opposition zu erheben, worüber demnächst wieder von der Gesammtheit durch Abstimmung in den Sectionen entschieden wird.

Auch das Recht der Ausschließung eines Mitgliedes steht den Sectionen zu, gegen deren Ausspruch indeß eine Berufung (Appella⸗ tion) an die Gesammtheit innerhalb bestimmter Fristen zulässig ist.

Die einzelnen Mitglieder der Section haben den Sitzungen re⸗ gelmäßig beizuwohnen und sich den Beschlüssen der Majorität zu fü⸗ gen. In Contraventionsfällen steht ihnen Verweis, Bekanntmachung ihres Namens oder gar Ausstoßung bevor.

Die Gesetzgebung ist bei der Gesammtheit der Gesellschaft, als deren zur Vollführung und Bekanntmachung aller Beschlüsse berufenes Organ die Centralisation erscheint. Diese kann nur in außer⸗ ordentlichen Fällen provisorische Maßregeln treffen. Sie hat die Verwaltung aller Fonds und muß alle drei Monate sämmtlichen Sectionen, also der Gesammtheit der Mitglieder, Bericht und Rechen⸗ schaft ablegen. Außerdem hat sie die Redaction des allmonatlich er⸗ scheinenden Blattes der Gesellschaft (Pismo towarzystwo), welches in seinem amtlichen Theile die Manifeste, Aufrufe kund andere Be⸗ kanntmachungen der Gesellschaft enthält und in dem nichtamtlichen Theile für die Propaganda der polnisch⸗demokratischen Grundsätze be⸗ stimmt ist. Die Centralisation besteht aus neun alljährlich von der Gesammtheit zu wählenden Mitgliedern. Fünf sind zur Beschluß⸗ nahme erforderlich. Die Sitzungen sind für alle Mitglieder des Ver⸗ eins öffentlich. Der Vorsitz wechselt unter den Mitgliedern. Eines derselben bekleidet die Function eines Secretairs. Die Mitglieder der Centralisation gehören keiner Section an.

Neben der Centralisation besteht eine Aufsichts⸗ (vorstel⸗ lende) Section, welche Beschwerden gegen die Centralisation oder einzelne Mitglieder derselben entgegennimmt, dieselben prüft und der Gesammtheit zur Entscheidung vorlegt, auch die Centralisation, bei etwaniger Entfernung derselben, bis zur Neuwahl vertritt. Sie wird alljährlich durch die Gesammtheit gewählt.

An demselben Tage, dem 5. Juli 1835, erließ der Verein eine Bestimmung über die Beiträge und Fonds der Gesellschaft, welche die von den Mitgliedern allmonatlich zu den nothwendigen Ausgaben zu leistenden Beiträge, nach Maßgabe der Einnahme eines Jeden, regulirt, und die später durch zwei Erlasse vom 30. Januar und vom 18. Juni 1838 erweitert ist. Durch den erstgedachten Erlaß wird eine sogenannte brüderliche Abgabe zur Unterstützung hülfsbedürftiger Brüder ausgeschrieben, deren Verwaltung und Austheilung lediglich der Centralisation zustehen soll.

Bald nach seiner Entstehung trat der demokratische Verein mit zwei Aktenstücken hervor, die dasjenige, was der Gründungsakt vom 17. März 1832 noch nicht mit nackten Worten ausgesprochen hatte, ganz offen und unumwunden hinstellen, daß nämlich der Zweck der Gesellschaft und ihrer ganzen Organisation nur der sei: „Durch Wiedervereinigung aller ehemals polnischen Landes⸗ theile ein selbstständiges Polenreich in seinem alten Um⸗ fange wied erherzustellen.“

Das erste dieser Aktenstücke ist die am 18. Mai 1832 zu Paris erschienene und von allen damaligen Mitgliedern des Vereins unter⸗ zeichnete Protestation gegen die Theilungs-Verträge von 1772 bis 1815, in welcher der Verein im Interesse Europa's und der Civili⸗ sation die Wiederherstellung Polens in seinen alten Gränzen verlangt. Das zweite und wichtigere ist das Manifest des polnisch⸗demokrati⸗ schen Vereins, d. d. Poitiers, den 4. Dezember 1836, von 1135 Mit⸗ gliedern unterzeichnet.

Nach diesem Manifest ist der Zweck des demokratischen Vereins: Befreiung Polens und Erhebung. desselben zu einem selbstständigen Reich mit demokratischen Einrichtungen.

Der Verein will diesen Zweck durch eine Umgestaltung aller politi⸗

schen und sozialen Einrichtungen erreichen und hat es sich deshalb zunächst zur Aufgabe gestellt:

1) die öffentliche Meinung aufzuklären über die Ursachen, welche den Verfall Polens herbeigeführt haben, und über die welt— geschichtliche Aufgabe, welche den Polen zu Theil geworden ist;

2) alle Verträge, welche die Theilungen Polens begründen oder sanctioniren, als von Anfang an nichtig aufzurufen und wider ihre Gültigkeit rechtliche Verwahrung einzulegen;

3) in der Emigration und im Volke die demokratischen Ideen zu verbreiten und klar zu machen, daß von der Ausführung dieser Gedanken die Wiederherstellung der polnischen Nation und künftig des neuen Reiches Wohlfahrt zu erwarten ist.

Diese Arbeiten bezeichnet das Manifest als größtentheils bereits vollendet. Der Verein betritt nunmehr die zweite Stufe auf dem Wege zur Erfüllung seiner Aufgabe und will zuvor noch einmal das Ziel seines Strebens, sein Glaubensbekenntniß darlegen.

Bei der Verwirklichung der demokratischen Ideen, durch welche Polen befreit werden soll, steht die Gleichheit mit den von selbst aus ihr hervorgehenden Momenten der Freiheit und Brüder lichkeit an der Spitze; Gleichheit in allen Rechten und Pflichten, Gleichheit in allen Vortheilen und Lasten.

In den politischen Einrichtungen kommt demnach der Grundsatz der Volks⸗Souverainetät zur Geltung. Alles für das Volk, Alles durch das Volk. Es herrschen Freiheit in Rede und Schrift und Freiheit des Glaubeus. Alle politischen und bürgerlichen Vorzüge hören für immer auf. Das Volk nimmt auf gleiche Weise an der Herrschaft Theil; es wird durch eine gemeinsame, öffentliche Erzie⸗ hung gebildet und der Arbeit das Recht auf Eigenthum zuerkannt.

Alle sozialen Einrichtungen, insonderheit das Eigenthum, die Ar⸗ beit, die Industrie und die Volkserziehung, haben ihre gänzliche Um⸗ gestaltung in diesem demokratischen Geiste zu erwarten.

Auf diesem Wege wird die Unabhängigkeit des demokratischen

Po etrebt! Polens eshn dahin zu gelangen, erwartet der Verein im Schoo der polnischen Nation und umfaßt hierbei das ganze Polen in seinen Gränzen. 8

Ausführung der in dem Manifest ausgesprochenen Zweck zu erleichtern, erfolgte durch einen Beschluß vom 29. März 1837 ein Umgestaltung der Central⸗Behörde, deren Sitz nach Poitiers und im Jahre 1840 nach Versailles verlegt wurde.

Der Centralisation wurde hierdurch die Ausführung aller Maß⸗ regeln überlassen, welche die äußere Frage (also die eigentliche Ver⸗

schwörung in den ehemals polnischen Landestheilen) zum Ziele hatten. Sie sollte nur nicht von dem in dem Manifeste dargelegten Zwecke und Geiste und den beschlossenen Ausführungsmitteln abweichen dür⸗ fen, in jeder anderen Beziehung aber frei und selbstständig handeln. Die Zahl der Mitglieder wurde von neun auf sünf reduzirt. Alle diese zu Paris, Poitiers und Versailles in polnischer Sprache im Druck erschienenen Aktenstücke liegen dem Gerichtshof vor. Niach den in der Voruntersuchung abgelegten Geständnissen des im Großherzogthum Posen verhafteten Centralisations⸗Mitgliedes Lud⸗ wig von Mieroslawski betrachtete die neu organisirte Centralisation als ihre nächste Aufgabe: die ihrer Ansicht nach, hinreichend vor⸗ handenen materiellen Kräfte der Nation nachhaltig zu beleben und unter wirksame Leitung zu bringen. Um dies zu erreichen und sich hierbei eines besseren Erfolges zu versichern, als die früheren Auf⸗ stands⸗Versuche gehabt hatten, begann die Centralisation im Jahre 1838 Prinzipien⸗Fragen aufzustellen, welche sie den einzelnen Sectio⸗ nen des Vereins zur Discussion in ihren Versammlungen mittheilte und demnächst das Resultat der Besprechungen und die eigenen Ansichten durch Umlaufschreiben den Mitgliedern der Verbindung eröffnete. Letzteres geschah auch durch die in der Druckerei von Saurin zu Poitiers erschienene und ebenfalls im Besitz der diesseitigen Behörden befind⸗ liche Druckschrift: der polnisch⸗demokratische Verein, welche einen Auszug aus den Umlaufschreiben und in denselben die in der Zeit von 1838 bis 1840 ventilirten fünf ersten Fragen mittheilt. Nach Dis⸗ kussion der Vorfrage: welches sind die inneren Kräfteder pol⸗ nischen Nation in sozialer und politischer Hinsicht? war die Centralisation zu den Fragen übergegangen; 1) 8 muß, zur Zeit des Aufstandes die höchste Gewalt organi⸗ irt sein? 2) wie sollen zur Zeit des Aufstandes die untergeordneten Behör⸗ den organisirt sein? 3) welche Rechte müssen während des Aufstandes suspendirt bleiben? 4) welche Maximen sind in politischer Hinsicht bei der Bildung und

Organisation der bewaffneten Macht anzuwenden?

5) welche Bürgschaften gebühren dem Volke, daß die Sache des

Aufstandes Nine Sache sein wird?

Diese Fragen waren durch sämmtliche Sectionen des Vereins gegangen, und das Ergebniß der Diskussionen und Berathungen liegt den bekannt gewordenen Plänen und Instructionen der Centralisation zu Grunde.

Vorläufig mag es genügen, hier nur beispielsweise hervorzuhe⸗ ben, daß die Centralisation in einem jener Umlaufsschreiben nach Mittheilung der verschiedenen Ansichten über die fünfte Frage: über die dem Volke dafür zu gewährende Garantie, daß die Sache des Aufstandes die seinige sein werde, ihre eigene Ansicht dahin ausspricht: 8 b

Der künftige Aufstand dürfe keine bloße Insurrection, er müsse eine soziale Revolution werden. Geistige und materielle Emancipatio⸗ nen Aller habe diese Revolution den unterdrückten Völkern zu ver⸗ künden. Aufhebung der Leibeigenschaft, Unterthänigkeit und Dienste, so wie aller Titel, vollkommenste persönliche Freiheit, Gleich⸗ stellung aller Stände, gleiche Berechtigung zu allen Aemtern, glei⸗ chen Rechts⸗ und Religionsschutz, endlich und besonders Eigen ⸗Verleihung an die Landbauer ohne Entschädigung des els.

Neben dieser Thätigkeit im Innern der Gesellschaft war die Centralisation eifrig bemüht, dem Vereine und dessen politischen An⸗ sichten nnd Bestrebungen auch eine größere räumliche Ausdehnung darch Anwerbung neuer Mitglieder in allen ehemals polnischen Lan⸗ destheilen zu verschaffen, wie dies in der Emigration bereits seit Ent⸗ stehung der Gesellschaft durch die einzelnen Sectionen geschehen war.

Mit den ehemals polnischen Landestheilen stand die Emigration bereits seit dem Jahre 1836 in direkter Verbindung. Die Centrali⸗ sation entsandte ihre Agenten, wozu sie entweder Personen aus ihrer Mitte oder ausgeschiedene Centralisations⸗Mitglieder nahm, um durch Wort und Schrift, namentlich durch Verbreitung der Schrif⸗ ten des Vereins, den demokratischen Ideen Eingang zu verschaffen und Filial⸗Vereine zu begründen.

Für die Aufnahme neuer Mitglieder in den polnischen Landes⸗ theilen war bestimmt, daß dieselbe nicht blos durch die neu begründe ten Comités oder die Abgesandten der Centralisation, sondern durch jedes Verbindungs⸗Mitglied erfolgen könne, sobald der Aufnehmende, durch eine mit dem Kandidaten anzustellende Prüfung, sich von der Uneigennützigkeit der Gründe des Beitritts und von der Treue der Gesinnung Ueberzeugung verschafft habe.

Wegen der mit der Vorlegung des Manifestes und der Statuten des Vereins und mit der Sammlung von Unterschriften verbundenen Gefahr sollte hier an die Stelle der in der Emigration einzig üb lichen Unterschrift ein eidliches Angelöbniß treten, welches der Kan⸗ didat, wo möglich im Beisein eines Zeugen, in die Hand des Auf⸗ nehmenden abzulegen hatte. Eine bestimmte Eidesform für jede Pro⸗ vinz sollte der betreffende Bevollmächtigte der Centralisation bestim⸗ men. Dies nahm man indeß nicht so streng und hielt bald jede Form für genügend, sobald der Schwörende sich nur zum unbedingten Gehorsam gegen die Bundesbehörde, zur treuen Bewahrung des Ge⸗ heimnisses und zur unnnterbrochenen Thätigkeit für die Wiederherstel⸗ lung eines unabhängigen polnischen Reiches in seiner ganzen Ausdeh⸗ nung, für die Freimachung des gemeinen Volkes und die Eigenthums⸗ Verleihung an dasselbe verpflichtete.

In den letzten Jahren begnügte man sich mit dem Ehrenworte, ja sogar mit einem einfachen Beitritts⸗Versprechen.

Aufnahmen in die Verbindung, die auf die eine oder andere hier erwähnte Art erfolgten, sind denn auch im Laufe der Vor⸗Untersu⸗ chung sehr häusig zur Sprache gekommen. Ludwig von Mieros⸗ lawski selbst nahm den Gutsbesitzer Bronislaus von Dabrowski, nach ihren beiderseits übereinstimmenden Angaben, durch ein bloßes Bei⸗ trittsversprechen in die Verbindung auf. Der geständige Gutsbesitzer Heinrich von Poninski erzählt, wie ihn der Landschaftsrath Alexander von Guttry im Beisein des gleichfalls angeklagten Apollinar von Kurnatowski einen Eid abgenommen, durch den er habe angeloben müssen, unbedingten Gehorsam den Oberen zu leisten, das Geheimniß zu und nicht eher zu rasten, als bis Polen erlöst sein werde.

Einen gleichen Eid mußte der Gutspächter Apollonius von Ku⸗ rowski, nach seinem Geständniß, im Beisein des Michael von Slo⸗ mezewski leisten, als ihn der Landschafts⸗Translateur von Slupecki in die Verbindung aufnahm. Als der flüchtige Wladimir von Wolnie⸗ wicz den Gutsbesitzer Wladislaus von Kosinski für die Verschwörung warb, begnügte er sich, nach von Kosinski's eigener Erzählung, da⸗ mit, ihm das Manifest des demokratischen Vereins zum Durchlesen einzuhändigen und ihn durch Handschlag zu verpflichten, für die An⸗ erkennung der demokratischen Prinzipien zu wirken und andere Mit⸗ 1- IG“ zu gewinnen. von Kosinski warb dann wei⸗ ter den Gutsbesitzer Joseph von Szoldrski. Er gab demselben, wie Beide übereinstimmend angeben, ein demokratische 8

- eben, atisches Glaubensbekennt⸗ niß zum Durchlesen und ließ ihn im Beisein des Dr. Matecki einen Eid nachsprechen, durch den er sich verpflichtete, der Verbindung an⸗ zugehören, den Behörden derselben unbedingten Gehorsam zu leisten die Selbstständigkeit Polens zu erkämpfen und unverbrüchliches Still⸗

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tigen Landschafts⸗Kassen⸗Controlleurs von Buchowski in die Verbin⸗ dung aufgenommen, und man hatte sich, nach seiner Angabe in der Voruntersuchung, damit begnügt, ihn durch Ehrenwort Verschwiegen⸗ heit angeloben und die Eidesformel still für sich durchlesen zu lassen böa Diche wenigen Beispiele mögen hier genügen.

Jedes Bundes⸗ Mitglied sollte bei seiner Aufnahme in die Ver⸗ bindung folgende Schriften erhalten, die, in der Druckerei der Ge⸗ sellschaft bei Bourgogne und Martinet in Paris erschienen, von der Centralisation, als die orthodoxen Lehren des demokratischen Vereins enthaltend, anerkannt waren:

1) Das Manifest des polnisch⸗demokratischen Vereins nebst Be⸗

merkungen;

2) das Tagesblatt: Der polnische Demokrat;

3) die Statuten des polnisch⸗demokratischen Vereins;

4) die Umlaufs⸗Schreiben;

5) die sogenannte historische Uebersicht;

6) das Tagebuch und Schreiben des Vereins;

7) die Fragen;

8) den Kursus der militairischen Wissenschaften und

9) die Militair⸗Reglements.

Neben diesen Schriften, deren Druckkosten aus den der Cen⸗ tralisation zu allgemeinen Zwecken zu Gebote stehenden Fonds bestritten wurden, um sie den Mitgliedern unentgeltlich liefern zu können, empfahl die Centralisation auch die Lektüre des vennokrati⸗ schen Katechismus, als dessen Verfasser der wegen seiner Theilnahme an den politischen Umtrieben in Galizien verhaftete Graf Franz Wie⸗ siolowski einen Edelmann aus der Wohwodschaft Lublin, Heinrich Kaminski, bezeichnet.

Nach von Mieroslawski's Versicherung, hatte die Centralisation den Druck dieser Schrift, nach vorgängiger Ausmerzung verschiedener mit ihren Lehren und Grundsätzen nicht übereinstimmenden Stellen, nur deshalb veranlaßt, um sich den Verfasser nicht zu verfeinden, der ihr das Manuskript anonym zugesandt hatte.

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Neben der beabsichtigten Propaganda der eigenen demokratisch⸗ revolutionairen Grundsätze in politischer und sozialer Beziehung ver⸗ folgte die Centralisation bei der emsigen Verbreitung der obigen Schriften, nach von Mieroslawski's Angabe, auch den Zweck, die dem Streben des demokratischen Vereins entgegengesetzten und eine revo⸗ lutionaire Anarchie predigenden Grundsätze zu neutralisiren, die, in verschiedenen Werken entwickelt, hiernach in allen polnischen Landes⸗ theilen nicht geringen Anklang fanden. Hierher zählt von Mieros⸗ lawski namentlich die zu Brüssel erschienenen Lebenswahrheiten des polnischen Volkes, nach des Grafen Wiesiolowski Versicherung von dem bereits erwähnten Heinrich Kaminski unter dem Namen Filaret Prawdowski herausgegeben; dann den Parteigängerkrieg von dem ehemaligen Artillerie-Capitain, Karl Stolzmann, mit vielen aus den Lebenswahrheiten enthaltenen Grundsätzen; ferner viele Parteischrif⸗ ten des Professor Lelewel zu Brüssel und des Emigranten Ostrowski zu London und endlich eine Menge von den erst im Jahre 1840 nach Paris gekommenen Emigranten herausgegebenen Broschüren.

Gegen den Parteigängerkrieg trat von Mieroslawski überdies in der am 25. Januar 1845 erschienenen Nummer des polnischen De mokraten, welche gegenwärtig dem Gerichtshofe vorliegt, mit einer sehr heftigen Kritik auf, in der ausgesprochenen Absicht, den verderb⸗ lichen Einfluß zu unterdrücken, den sich dies Werk zu vindiziren drohe.

Wenu es in dieser Kritik heißt: „Das Ideal eines Kriegers sei dem Verfasser der Bandit in den Appenninen, das erhabene Genie in dieser Kunst ein Rinaldo⸗Rinaldini“, so wird hierdurch treffend

ein Werk charakterisirt, welches eine den Grundsätzen des europäischen Völkerrechts direkt zuwiderlaufende Kriegführung predigt. Es lehrt z. B., wie man durch Vergiftung des Trinkwassers, durch Verpestung der Luft, durch Verleitung der Soldaten, ihre Offiziere meuchlings zu ermorden, sich der Festungen bemächtigen können. Unter die Waffen der Insurgenten zählt es auch den Dolch, dessen man sich zu bedienen habe, um den Feind im Schlafe zu ermorden.

Der Parteigängerkrieg sowohl wie auch die Kritik desselben lie⸗ gen dem Gerichtshofe vor.

Die ersten Agenten und Emissaire der Centralisation wirkten mit vielem Glück. Die Schriften des demokratischen Vereins wur den mit Erfolg durch alle ehemals polnischen Landestheile verbreitet, und es gelang, die Trümmer schon früher bestandener revolutionairer Verbindungen zu benutzen, dieselben wieder zu vereinigen und durch sie weitere Werbungen anzuͤstellen. b b

Die Emissaire verfuhren hierbei mit solcher Vorsicht, daß es ihnen gelang, die Aufmerksamkeit der Behörden zu vermeiden.

Das Jahr 1841 soll der Sache der Verschwörung nicht so gün⸗ stig gewesen sein, indem, wie in der Emigration, so auch in den einzelnen polnischen Landestheilen, eine nicht unbedeutende Opposition gegen die Grundsätze des demokratischen Vereins hervortrat.

Nach von Mieroslawski's Schilderung fanden die Lebenswahr⸗ heiten und der Parteigängerkrieg, so wie die Flugschriften der Lele⸗ wel⸗ und Ostrowskischen Partei, in den polnischen Provinzen bedeu⸗ tenden Anhang; es drohte hier unbesonnener Losbruch und vollstän⸗ dige Anarchie; und auch in der Emigration dauerten die Partei⸗ kämpfe uach wie vor fort.

Die Centralisation befürchtete, daß sich die Nation ihren Lehren und ihrem Einfluße gänzlich entziehen und sich einer planlosen Be⸗ wegung hingeben werde, sofern sie selbst sich noch länger auf die friedliche und wissenschaftliche Propaganda beschränken würde, statt die Initative zu einer materiellen Verschwörung zu ergreifen. Sie beschloß jetzt, praktische Thätigkeit zu zeigen, und übertrug deshalb dem Centralisations⸗Mitgliede Joseph Wysocki und dem Literaten Ludwig von Mieroslawski die Eröffnung eines Kursus über Kriegs⸗ kunst, besorgte die Herausgabe des früher schon erwähnten Werkes: Kursus der Militair⸗Wissenschaften, ließ verschiedene Emigranten in der Generalstabsschule zu Paris und in der Ingenieur⸗ und Artille⸗ rie⸗Schule zu Metz, andere in den Pulver⸗ und Waffen⸗Fabriken und in den Stückgießereien unterrichten und schritt endlich sogar zur Errichtung einer eigenen Militair⸗Schule, um 1“

1) einzelne Individuen aus der Emigration und dem Vaterlande zu tüchtigen Anführern für den künftigen Aufstand auszubil⸗ den, und

2) die zu dem künftigen Aufstande nothwendigsten Kenntnisse unter der Nation und in der Emigration zu verbreiten.

Ein Prospektus, betreffend die Herausgabe des Kursus der Mi⸗ litair-Wissenschaften, und das zu Beiträgen für die Errichtung der Militair⸗Schule auffordernde Cirkular der Centralisation, d. d. Ver⸗ sailles, den 21. November 1843 ist bei einem der Angeklagten in Beschlag genommen und liegt dem Gerichtshofe vor.

Inzwischen wuchs die zum Aufstande drängende Ungeduld in den einzelnen polnischen Landestheilen immer mehr. Die Factionen und Spaltungen nahmen zu, und Alles dies beeinträchtigte sehr die Thätigkeit der Emissaire, unter denen sich namentlich Theophil Wisz⸗ niowski, Thomas Malioowski, Victor Heltmann und Johann Alcyato als besonders thätig bewiesen. Die Sache kam dahin, daß Thomas Malinowski, der zu Ende des Jahres 1844 von einer anderthalb jährigen propagandistischen Mission zurückkehrte, dahin antrug:

„alle Verbindungen, die sich dem Prinzipe des leidenden Gehor⸗ sams entziehen wollten, aus dem Verbande der Verschwörung aus⸗

schweigen zu beobachten. Matecki war durch Vermittelung des flüch⸗

Diesem traten indeß alle übrigen Mitglieder der Centralisation entgegen, indem sie annahmen, daß nur der Aufstand selbst eine Beseitigung der bestehenden Uneinigkeit herbeiführen werde. Malinowski schied deshalb aus der Centralisation aus und stellte sich nach dem herr⸗ schenden Gebrauche zur Disposition. Malinowski's Stelle nahm von Mieroslawski ein. Außer ihm waren damals Mitglieder der Cen⸗ tralisation: Heinrich Jakubowski, Johann Alcyato, Joseph Wysocki, Theophil Wiszniowski. Letzterer befand sich auf einer Mission in Galizien, und deshalb ordnete sich die Centralisation noch den Albert Darasz als berathendes Mitglied bei. b

Die Centralisation beschloß nunmehr, so schnell zum Aufstande zu schreiten, als es die vorhandenen Mittel nur erlauben würden.

Alle von dem Vereine ausgearbeiteten Theorieen über die revo⸗ lutionaire Gewalt und deren Mechanismus bis zur Herstellung der vöe Unabhängigkeit wurden nochmals geprüft, und man kam überein:

1) ein allgemein verständliches Militair⸗Reglement für die zu in⸗

surgirenden Lande zu verfassen; 3

2) die Grundzüge eines auf alle Fälle anwendbaren Kriegsplanes

aufzustellen;

eine Liste sämmtlicher Vereinsglieder der Emigration zu ent⸗

werfen, die im Stande seien, auf das erste Signal zur Ueber⸗ nahmee politischer und militairischer Functionen abzureisen.

Das Resultat dieser Berathungen, die administrative und mili⸗ tairische Organisation des Aufstandes, wurde in zwei, später beson⸗ ders durch von Mieroslowski ausgearbeitete und unter die Verschwo⸗ renen vertheilte Instructionen niedergelegt und zugleich der General⸗ Kriegsplan dahin beschlossen: sich mit allen Hülfsmitteln an Mann- schaft und Kriegsgeräth, die sich in den ersten acht Tagen würden aufbringen lassen, aus allen ehemals polnischen Provinzen auf das Königreich Polen zu werfen, durch die zurückgelassenen Reserve⸗Corps die nachrückenden österreichischen und preußischen Truppen abzuhalten und auf dem Boden des Königreichs, im Kampfe mit der russische Heeresmacht, die Sache zu entscheiden.

Kaum hatte die Centralisation diese Beschlüsse gefaßt, als von allen Seiten Berichte der Emissaire eingingen: sie seien nicht mehr Herren der Ereignisse und würden allen Einfluß verlieren, wenn sie noch länger dem Drängen der neuen Filial⸗Verbindungen nach dem Ausbruch des Aufstandes widerstehen würden.

Victor Heltmann, dem Chef aller Emissaire der Centralisation, der sich damals eben auf einer Rundreise durch alle ehemals polni⸗ schen Provinzen befand, um namentlich die militairischen Streitkräfte der Oesterreicher und Russen zu rekognosziren, war es noch gelungen, die verschiedenen Parteien im Königreiche, in Klein⸗Rußland, Galizien und im Großherzogthum Posen zu dem Versprechen zu bewegen, sich bis zur Ankunft eines von der Centralisation sofort abzuschickenden militairischen Sachverständigen ruhig zu verhalten und sich demnächst dem Ausspruche dieses Schiedsrichters über die Möglichkeit und die Zeit des Aufstandes zu unterwerfen.

Die Centralisation übertrug dies Schiedsrichteramt dem Ludwig

von Mieroslawski, der sich sofort auf den Weg begab und anfangs März 1845 in Posen eintraf. Durch eigene Beobachtungen und Heltmann's Berichte gewann von Mieroslawski die Ueberzeugung, daß bei dem Drängen der verschiedenen Parteiungen nach dem Aus⸗ bruch ein allzulanges Säumen ganz unvermeidlich eine gänzliche Auf⸗ lösung der Vereine und eine Entdeckung seitens der Behörden herbei⸗ führen müsse; daß andererseits aber auch die Vorbereitungen noch nicht so weit vorgeschritten seien, daß schon jetzt ein günstiger Erfolg erwartet werden könne. Heltmann stimmte mit ihm dahin überein, daß für das laufende Jahr 1845 an den Ausbruch des Auf⸗ standes noch nicht gedacht werden dürfe.

Ludwig von Mieroslawski kehrte nach Versailles zurück, nachdem Victor Heltmann es übernommen, die verschiedenen politischen Factio⸗ nen noch ferner in den Gränzen bloßer Vorbereitungen zu halten.

Als eines der größten Hindernisse, mit denen die Centralisation fortwährend zu kämpfen hatte, wird auch die Geldverlegenheit bezeich⸗ net, in der sie sich ewig befand. Die Beiträge aus den einzelnen,

ehemals polnischen Ländern fielen nach seinen Angaben nur dürftig aus, weil die lokalen Bedürfnisse zu sehr vorwalteten und näher lagen, als die Verlegenheiten der Centralisation. Diese war deshalb haupt⸗ sächlich auf die Mitglieder der Mutterverbindung in der Emigration angewiesen, welche stets die Hälfte, häufig auch zwei Drittel zu zan Kosten der Bekanntmachungen, der Expeditionen, der Emissaire, der Korrespondenz, der Anschaffung von Pässen, der Ausbildung der Offi⸗ ziere, Ingenieure und Feuerwerker und zu anderen Ausgaben beige⸗ steuert haben sollen.

Auch als Mieroslawski von Posen nach Versailles zurückkehrte, war die Centralisation wieder in der größten Geldverlegenheit. Nur durch persönliche Opfer einiger Mitglieder der Mutterverbindung ge⸗ lang es, bei einzelnen Gläubigern eine Verlängerung des Kredits zu beschaffen. Man beschloß, nochmals die Kräfte der ehemals polni⸗ schen Provinzen durch den ausschließlich zu diesem Zwecke nach Posen abgesandten Johann Alcyato in Anspruch zu nehmen.

Es sollten nämlich nach den gesaßten Beschlüssen noch vor dem Ausbruch des Aufstandes und bevor in Folge desselben die Verbin⸗ dung zwischen der Emigration und den zu insurgirenden Provinzen abgeschnitten sein würde, nicht nur die Militair⸗Reglements, die Offi⸗ ziere und Kriegs⸗Handwerker aus der Emigration abgeschickt werden, sondern die Centralisation wollte auch noch Waffen in Frankreich und England ankaufen und diese demnächst nach dem künftigen Kriegs⸗ schauplatze transportiren lassen.

Man ging zwar davon aus, daß die blanke Waffe, namentlich Sense und Lanze, für die Insurgenten die wichtigste Waffe sein werde, und wollte deshalb gleich nach dem Ausbruch des Aufstandes Alles, was an Sensen, Eggen, Forken und ähnlichen Geräthschaften aufgebracht werden könne, sofort zu solchen Waffen umarbeiten lassen; auch rechnete man für Posen und West Preußen und die vier westli⸗ chen Woywodschaften des Königreichs Polen auf 45,000 bereits vor⸗ handene und 15,000 noch zu beschaffende Jagdgewehre. Alles dies hielt aber die Centralisation noch nicht für ausreichend und schickte deshalb zu den bereits gedachten Ankäufen Agenten in Frankreich und nach England aus. 1

Es fehlte weiter nichts mehr, als das Geld. Alcyato verhieß von Posen aus 10,000 Rthlr., nach Mieroslawski's Berechnung nicht ein Drittheil dessen, was die Centralisation zur Ausführung ihrer Pläne bedurfte. Aber auch dies ging nicht ein, sondern nur unbe⸗ deutende Summen, kaum genügend, um die laufenden Ausgaben zu decken und vier Offiziere abzusenden.

Zu derselben Zeit entsandte die Centralisation Agenten an die unter österreichischer Herrschaft stehenden slavischen Völkerschaften, so wie nach Sachsen und Schlesien, um hier Sympathieen für die pol⸗ nische Sache zu erwecken. Denn, wenn auch die Centralisation an⸗ geblich an dem Grundsatze festhalten wollte, daß Polen nur von sei⸗ nen eigenen Anstrengungen etwas erwarten solle, so hielt sie es doch für wichtig, die moralische Stimmung anderer Völker für die polni⸗ sche Sache zu sondiren und Verbindungen anzuknüpfen, die geeignet seien, namentlich durch das Mittel der Presse, die allgemeine Stim⸗

mung für die Polen und den Au stands⸗Versuch zu gewim 1 A . fs ailles eifrig damit be⸗

zuschließen und ihrem Schicksale zu überlassen.“

Inzwischen, und während man sich in Versa⸗ 2C 2 schäftigte, für die Häupter der Emigration Pässe zu beschaffen, die