Heute früh wurde hier nachstehende Bekanntmachung angeschlagen: „Die am gestrigen Abend von mehreren Reitern verübten groben Ex⸗ zesse verdienen die höchste Mißbilligung. Sie werden auf das genaueste untersucht und nach der Strenge der Gesetze bestraft werden. Dagegen dür⸗ fen wir gewiß erwarten, daß die Betheiligten und die übrigen Einwohner die richterliche Entscheidung ruhig abwarten. Selbsthülfe darf in geordne⸗ ten Staaten nicht vorkommen; sie würde eben so ungerecht und strafbar sein, hwie die berührte Handlung selbst. Wir wenden uns diesfalls mit vollem Vertrauen an das Rechtsgefühl aller Einwohner; sie wissen, was sie dem Gesetze schuldig sind. Ruhe, Ordnung und Achtung vor dem Rechte sind dringend nothwendig, soll nicht dem Gemeinwesen der größte Schaden er⸗ wachsen. Darum fordern wir Bürger und Soldaten auf, sie nicht zu ver⸗ letzen und der Obrigkeit treu zur Seite zu stehen. Wir wünschen aber auch von Herzen, daß das bisherige friedliche Verhältniß zwischen Bürgern und Soldaten nicht gestört und daß dem Militair im Ganzen nicht angerechnet werde, was nur Einzelne verschuldet haben. An Alle er⸗ geht endlich die Ermahnung, nicht allen Gerüchten Glauben zu schenken, die in Menge umhergehen, wie dieses in solchen Fällen immer vorkommt. Ein Gerücht z. B., daß selbst Behörden Theil an dem beklagenswerthen Vorfalle haben, sollte gar nicht widerlegt werden dürfen; da es aber ein⸗ mal von übelwollenden Menschen ausgesprengt ist, so erklären die Staats⸗ und Militair⸗Behörden es hiermit für grundfalsch. Die Behörden, Militair⸗ und Civil⸗Behörden, werden den Weg des Gesetzes nie verlassen. Den 28. Juni 1848. 8 Der Vice⸗Gouverneur der Bundesfestung: von Meisrimmel. Der Regierungs⸗Direktor: Schmalzigaug. Der Ober⸗Amtmann: Friz. Der Stadtschultheiß: Schuster.“
„Soldaten! Es wird Euch bekannt geworden sein, daß gestern eine Versammlung ruhiger Bürger im Schiffsaale ohne alle Veranlassung oder Privathändel von einer Anzahl Reiter mit bewaffneter Hand überfal⸗ len, auf dieselben eingehauen und theilweise lebensgefährlich verwundet wurden. Mit Abscheu werdet Ihr diese unwiderlegbare Wahrheit vernom⸗ men haben und vielleicht einige unter Euch glauben, daß wegen dieser ver⸗ ruchten ehrlosen Handlung einzelner Wenigen das seit Jahren unter uns bestehende gute Einvernehmen beeinträchtigt werden könnte. Indem wir der angestellten Untersuchung und Bestrafung dieser ehrlosen Soldaten ruhig. entgegensehen, erwarten wir, im Vertrauen auf Eure Ehre und gesunden Sinn, daß Ihr das Fortbestehen unseres freundschastlichen Verhältnisses bei freundlichem Entgegenkommen erwiedern werdet und Euch unter allen Ver⸗ hältnissen als biedere Soldaten und Söhne des Vaterlandes erweiset.
Ulm, 28. Juni 1848. Die Bürger und Einwohner Ulms.“
Baden. Donaueschingen, 27. Juni. (Schwäb. Merk.) In der abgewichenen Nacht, wenige Minuten vor 9 ¾ Uhr, fand in hiesiger Gegend, namentlich in Hüfingen, eine leichte Erd⸗Erschütte⸗ rung mit donnerähnlichem Getöse statt, welches sich in der Richtung von Nordwest nach Südost zu erstrecken schien. Das Thermometer zeigte +† 10, und das Barometer stand auf 26. 25““", der Himmel nur leicht bewölkt.
Oldenburg. Oldenburg, 29. Juni. (Wes. Ztg.) Fol⸗ gendes sind die hauptsächlichsten Paragraphen des neuen Wahl⸗ gesetzes:
„Für den Landtag, welchem die Befugniß beiwohnt, „„die künftige Staats⸗Verfassung des Großherzogthums mit dem Großherzog zu vereinba⸗ ren““ und „„zur Deckung etwaiger außerordentlicher Staats⸗Bedürsnisse außerordentliche Mittel zu bewilligen““, werden 35 Abgeordnete durch freie Wahl berufen. Wählbar ist jeder Staats⸗Angehörige nach zurückgelegtem dreißigsten Lebensjahre, der nicht unter Kuratel steht, nicht im Konkurse be⸗ fangen, nicht wegen eines Verbrechens oder eines nach der Ansicht des Land⸗ tags entehrenden Vergehens verurtheilt ist. Beamte, Militairpersonen, Geist⸗ liche und Lehrer bedürfen des Urlaubs, der jedoch nur aus erheblichen und angegebenen Dienstrücksichten versagt werden soll. Nimmt ein Abgeordneter ein Amt oder eine Beförderung an, so muß er sich einer nochmaligen Wahl unterwerfen. Jeder der sieben Kreise des Herzogthums und der Fürsten⸗ thümer Lübeck und Birkenfeld bildet einen Wahl⸗Bezirk. Jeder Bezirk
wählt vier Abgeordnete, nur der Kreis Oldenburg fünf, Jever drei und Lübeck drei, außerdem eben so viel Stellvertreter. Die Wahl geschieht durch die von den Urwählern ernannten Wahlmänner. Urwähler ist jeder großjährige Staats⸗Angehörige in dem Wahlbezirke, in welchem er zur Zeit der Vormahme der Wahl seinen Wohnsitz hat, ausgenommen wenn er ohne eigenen Haushalt bei einem Anderen in Kost und Lohn steht oder von öffentlichen Mitteln Armen⸗Unterstützung erhält. gür 250 Urwähler eines Wahlbezirks wird Ein Wahlmann gewählt. Wahlmann kann jedes volljährige Gemeindemitglied im Wahlbezirke werden, welches fähig ist, zum Abgeordneten ernannt zu werden und im Großherzogthum unbewegliches Eigenthum oder (nach Maßgabe des Armenbeitrags) ein Brutto⸗Einkom⸗ men von mindestens 150 Rthlr. hat. Die Function eines Wahlmannes kann nur derjenige ablehnen, welcher über 70 Jahre alt ist. Den Land⸗ tags⸗Direktor und Vice⸗Direltor ernennt der Großherzog aus sechs ihm vom Landtage vorgeschlagenen Personen. Die Sitzungen sind öffentlich; die Protokolle werden gedruckt.“
Schleswig⸗Holstein. Apenrade, 30. Juni. (Börs. H.) Bei Hadersleben hat ein Rencontre zwischen dem von der Tannschen Corps und dänischen Truppen stattgehabt, worin letztere geschlagen worden sind. Das von der Tannsche Corps ist am 30. Morgens in Hadersleben eingerückt, die Dänen sind auf dem Marsch nach Fühnen.
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HOesterreich. Pesth, 14. Juni. (Wien. Ztg.) Das Ministerium hat nachstehende Zuschrift an die Stände Siebenbürgens erlassen:
„Die Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn hat unsere Brust mit glühender Freude erfüllt. Von keinem glücklicheren und zugleich wichtigeren
Ereigniß konnte die Botschaft zu uns gelangen.
„„Wir waren überrascht, nicht durch das Unverhoffte der Freude, denn mit voller Zuversicht hatten wir das Aneinanderschließen der beiden Schwe⸗ ster⸗Nationen erwartet; sondern überrascht durch die Größe des stolzen Be⸗ wußtseins, das vereinigt hinfort dies Vaterland keiner Kabale und keinem Gewaltstreich mehr erliegen wird.
„Wir säumten michi, Alles anzuwenden, damit das Unionsgesetz auch
von dem Monarchen sanctionirt werde. Der Minister⸗Präsident reiste un⸗ verzüglich mit der Reichs⸗Deputatien zu unserem gekrönten König, um dringend das Königliche Wort und den Segen für den Bruderbund zu er⸗ bitten. Und nicht früher kehrte er zurück, als bis er in der konsummirten Wiedereinverleibung die unvergänglichen Grundfeiler unserer künftigen Größe IIkee. vene ha
„So lange vordem diese beiden Länder ei varen, umgab uns Alle Größe, Glanz und Nationalruhm. An dem 8 v ander losrissen, begann unsere Schwäche, unsere Erniedrigung, geriethen wir in Knechtschaft. An unseren vereinten Kräften brach sich die Macht der Eroberer; getrennt wurden wir Jeder einzeln Silaven und verschwanden aus der Reihe selbstständiger ebenn. f 18
„Gott, gemeinsame Bande des Blutes, unsere National⸗L gebielen uns, Brüder zu sein, nicht blos Nachbarn, ng v e ce waren. Der Nachbar kümmert sich wenig um das Loos des Nachbars Wir, Alle Bewohner Siebenbürgens und Ungarns, sind einander nahe. Wir sind Brüder, die einander lieben, unser gemeinsames Heil wollen und
einer für des Anderen Wohl zu leben wünschen, zu sterben gehalten sind. „‚ Die Uuion ist eine neue offenkundige Anerkennung dieser nationalen Verbrüderung vor den Augen Europa's, Was das Blut vereinigt, was die Freuden und Leiden einer tausendjährigen Geschichte geheiligt, das er⸗
klären wir heute offen vor der Welt als ewig dauerndd. 8 „Dies sei die erste und schönste Frucht unserer brüderlichen Vereini⸗
gung nach dreihundertjähriger Trennung. 8 n „Auch geschieden waren wir eins. Die faktische Vereinigung hat jetzt das Fürstenwort unseres gekrönten Königs sanctionirt. Nichts fehlt uns mehr, als daß Gottes Segen noch diesen Bund kröne, der für die Völker jeder Zunge und aller Glaubens⸗Bekenntnisse die heiligen Grundsätze der
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“ “ 8 Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ewig annehmen, bekennen und aus⸗ üben wird.
Pesth⸗Ofen, den 14. Juni 1848.
Gr. Ludw. Batthpaäͤni. Franz Deäk. Kossuth. B. Jos. Eötvös. Bart. Szemere. G. Stephan Széchenpi.“
Aus Temeswar sind gestern hier neue beunruhigende Nachrichten eingegangen. Unter Anführung von Georg Stanimirovich und No⸗ vakovich rückten 700 Aufständische am 23. Juni gegen die Stadt Weißkirchen und forderten den dortigen Oberst⸗Lieutenant Dreihahn zur Unterwerfung auf. Dieser übergab ihnen ohne allen Widerstand die Stadt mit 3 Kanonen, 215 Schießgewehren, 30 Ctr. Pulver und einer Compagnie Soldaten. Der Oberst⸗Lieutenant Dreihahn wird des Verraths beschuldigt, indem er auch 1200 National⸗Gardi⸗ sten hätte aufbieten können. Von Weißlirchen rückten die Aufständi⸗ schen am 24. Juni gegen Werschetz bei Temeswar, wo am 25. Juni ein Treffen erwartet wurde. Georg Stanimirovich ist aus Serbien und in seinem Trupp waren auch die meisten aus Belgrad herübergekom⸗ menen Aufwiegler. Schon früher plünderte ein solcher Haufe in Titel im Csaikisten⸗Bezirke. Dagegen lauten die Nachrichten aus Karlowitz und Neusatz erfreulicher. Ein sehr großer Theil der esatkistischen, kroatischen und slavonischen Gränzer und Bauern haben in Folge der Königl. Proclamationen die Lager bei Karlowitz und in den sogenann⸗ ten römischen Schanzen verlassen und sind nach Hause gegangen. Der König hat neuerdings eine Proclamation an die Csaikisten ge⸗ richtet, in welcher er ihnen streng befiehlt, die in Titel weggenomme⸗ nen Kanonen und Waffen zurückzustellen und ruhig nach Hause zu gehen. In Neusatz soll die ungarische Fahne wehen. Der Banus von Croatien, Baron Joseph Jellachich, welcher am 20. Juni Innsbruck verlassen, soll in Agram eingetroffen sein, der Agitator Dr. L. Gaj dagegen die Flucht ergriffen haben.
Der Közlöny theilt in seinem heutigen Blatte ein Königliches Dekret aus Innsbruck mit, wonach die Inhaber ungarischer Regi⸗ menter von nun an hinsichtlich der Stabs⸗Offiziere weder Ernen⸗ nungs⸗ noch Vorschlagsrecht haben sollen. Für die Stellen bis zum Capitain inkl. sollen sie jedoch dem ungarischen Kriegs⸗Minister Kan⸗ didaten vorschlagen dürfen. Die Stabs⸗Offiziere schlägt der unga⸗ rische Kriegs⸗Minister dem Könige vor, welcher nach Anhörung des österreichischen Kriegs⸗Ministers neben Gegenzeichnung des ungarischen Ministers des Auswärtigen die Ernennungen trifft. Der Palatin und Königliche Statthalter wird als Inhaber der Palatinal⸗Husaren⸗ Regimenter von diesen Verfügungen, welche übrigens nur bis zur definitiven Beschließung der Gesetzgebung gelten sollen, ausge⸗ nommen.
Der türkische Gesandte, welcher hier aus Innsbruck am 2sten ankam, reiste am 26sten weiter nach Konstantinopel. Er soll in Inns⸗ bruck den dringenden Auftrag erhalten haben, bei seiner Regierung die strenge Verwarnung des Fürsten von Serbien gegen jeden feind⸗ seligen Schritt zu befürworten, welcher das friedliche Verhältniß der Pforte mit Ungarn resp. Oesterreich stören könnte.
Aus Innsbruck hat das Ministerium günstige Nachrichten erhal⸗ ten. Die serbische und die croatische Deputation wurde als solche bei dem König nicht vorgelassen. Den einzelnen Mitgliedern dersel⸗ ben aber erklärte der König in einer Privataudienz, daß die Be⸗ schlüsse der agramer Landes⸗Congregation und des karlowitzer Kon⸗ gresses gesetzwidrig gesaßt worden, daß sie ihm ihre Wünsche nur mittelst des allgemeinen ungarischen Reichstags und des ungarischen Ministeriums vortragen könnten. Uebrigens werde er ihre Rechte stets unverletzt aufrecht erhalten. Der Erzherzog Johann ist be⸗ kanntlich zum Vermittler zwischen Ungarn und den Illyriern ernannt. Eine Landes⸗Congregation in Agram und eine griechische Synode in Temeswar sollen die Wünsche und Forderungen der Illyrier formu⸗ liren. Die Königliche Proͤclamation an die Serbianer hat eine gute Wirkung gemacht. Ein großer Theil von ihnen hat die Waffen niedergelegt, ohne jedoch die Ansprüche einer nationalen Selbststän⸗ digkeit aufzugeben.
Frankreich. National⸗Versammlung. Sitzung vom 29. Juni. In der heutigen Sitzung schlug der Präsident die Annahme eines Dekrets vor, nach welchem das Herz des gefallenen General⸗Lieutenants Negrier im Dom des Invalidenhauses beigesetzt, seine Leiche der Stadt Lille auf ihr Begehren verabfolgt, sein Sohn, der als Freiwilliger dient und schon die Prüfungen für St. Cyr be⸗ standen hat, zum Unter-Lieutenant ernannt, und seiner Wittwe, da sie kein Vermögen hat, eine Pension von 3000 Fr. bewilligt werden soll, die zur Hälfte auf ihre beiden Kinder fallen kann. Außerdem bleibt sie zum Genusse der Pension von 1500 Fr. berechtigt, die ihr als Wittwe eines General⸗Lieutenants zusteht. Das Dekret wurde ohne Berathung einmüthig genehmigt. — General Cavaignac kün⸗ digte an, daß in Folge der Nichtannahme des Admirals Leblanc Herr Bastide das Marine⸗Ministerium und General Be⸗ deau das Ministerium des Auswärtigen übernehme. (Lauter Beifall.) — Man schritt nun zum Skrutinium für die Präsidenten⸗ wahl. Herr Marie (Mitglied der ehemaligen Vollziehungs ⸗Kom⸗ mission), der unter 790 Stimmenden (also absolute Majorität 396) 414 Stimmen erhalten hatte (Dufaure hatte 297), wurde als Prä⸗ sident der National⸗Versammlung proklamirt. Der abtre⸗ tende Präsident Senard (jetzt Minister des Innern) nahm sodann das Wort und sagte: „Der Chef der vollziehenden Gewalt und der Präsident der National⸗Versammlung hatten während der Krisis ein⸗ ander nicht verlassen. General Capaignac wünschte, daß wir ferner beisammen blieben, und bot mir einen wichtigen Platz in der Verwaltung an, deren Zusammensetzung Sie ihm an⸗ vertraut haben. Meine erste Antwort war eine entschiedene Weigerung, die Sie leicht begreifen werden. Derjenige, den Ihre Stimmen zur Präsidentschaft dieser Versammlung berufen haben und der, stets als soicher durch Ihre Sympathieen unterstützt, gestern erst das in Ihrem Dekret ausgedrückte Zeugniß empfing, kann fortan nur hinabsteigen. Aber ich habe erkannt, daß es Stunden giebt, wo alle persönlichen Rücksichten schweigen müssen, und wo der Bürger sich als ergebener Soldat auf den Posten begeben muß, den man ihm anweist, und auf dem er, wie ehrenwerthe Beispiele ihm sagen, dem Lande noch einige Dienste leisten kann. Indem ich Sie verlasse, nehme ich in die schwierige Laufbahn, die ich zu betreten habe, als Regel des Verhal⸗ teus die eigene Gesinnung dieser Versammlung und die Hoffnung mit, daß dieselbe mir ihren Beistand gewähren wird. Der Verwaltung einen entschiedenen und kräftigen Impuls zu geben und zu bewirken, daß sie durch ihr Personal und ihr Handeln überall die Republik geachtet und geliebt mache, dies ist das Ziel, dem alle meine An⸗ strengungen sich zuwenden werden. Ich verspreche Ihnen, zur Er⸗ reichung desselben Alles aufzubieten, was an Eifer, an Willens⸗ und Thatkraft in mir ist.“ Der Präsident lud nun Herrn Marie ein, ihn auf dem Präsidentenstuhle zu ersetzen. Herr Marie war abwesend, und Herr Corbon (Vice⸗Präsident) nahm vorläufig seinen Platz ein. Herr Senard schlug dann, als Minister des Innern, ein Dekret vor, welches ihm einen Kredit von 3 Mil⸗ lionen zur Unterstützung verwundeter und den Familien gebliebener National⸗Gardisten und zur Bestreitung der Aufenthaltskosten unbe⸗ mittelter National⸗Gardisten der Departements bewilligt. Als dring⸗ lich wurde das Dekret sofort einmüthig genehmigt. Gleiches geschah mit einem anderen Dekret, welches eine Million für die Mobilgarde
Gabriel Klauzäl. Ludw. Laz. Méßaͤros.
bewilligt. An der Tagesordnung war die Berathung des Gesetz⸗
Entwurfs wegen der National⸗Werkstätten; dieselbe wurde aber au Cavaignac's Antrag bis Montag vertagt, an welchem Tage derselbe Mittheilungen über die Maßregeln versprach, welche seit dem 2 Juni hinsichtlich der National⸗Werkstätten getroffen worden, und die auf eine solche Lösung dieser Frage abzweckten, „wie wir Alle“, sagt General Cavaignac, „sie wünschen.’“ Die Sitzung wurde demnächse aufgehoben.
Paris, 30. Juni. Es herrscht nun wieder vollkommene Ruh in der Hauptstadt. Ungeachtet der außerordentlichen Anstrengungen, welche der Belagerungszustand für die Nationalgarde verursacht, ver⸗ bleibt dieselbe fortwährend vollständig auf ihren Posten und liefert in der Nacht noch die Zahl der Patrouillen und das Netz von Schild⸗ wachen, welche über alle Viertel und Straßen der Stadt verbreitet sind. „Gern“, sagt das heutige Journal des Débats, „loben wir diesen patriotischen Eifer, und wir hoffen, daß er nicht nachlassen wird, ehe die Früchte eines so furchtbar erkauften Sieges dauerhaft der Gesellschaft gesichert sind. Es wäre noch nichts für die Recht⸗ lichen, blos gesiegt zu haben, wenn sie nicht der Regierungsgewalt
durch ihre Ausdauer die Mittel zu gewähren wüßten, die Feinde der
gesellschaftlichen Ordnung zu entwaffnen und die Wiederkehr so schrecklicher Ereignisse, wie die, welche Paris und ganz Frankreich betroffen haben, unmöglich zu machen.“ Von Bordeaur erwartete man gestern Abend tausend Mann Nationalgarde, die sich nach Nantes eingeschifft hatten und gestern früh zu Tours angelangt waren. Die Entwaffnung der Zten, 9ten und 12ten Le⸗ gion der Nationalgarde dauert fort. Es werden auch noch viele Ver⸗ haftungen vorgenommen. Daß Kersausie verhaftet sei, bestätigt sich nicht. Der hier angelangte Befehlshaber der Alpenarmee, General Oudinot, hat in seinem Hotel den Ankauf aller Lebensmittel befohlen, deren man im Viertel habhaft werden kann; alle Nationalgardesten und Soldaten, die vorbeigeben, werden eingeladen, sich an einer Ta⸗ fel niederzulassen, die fortwährend mit Speisen und Wein reichlich besetzt ist. Man berechnet, daß es aom Sonntage 4000 Insurgenten am Pantheon, 6000 am Stadthause, 20,000 in der Vorstadt St. Antoine gab; im Ganzen zählten sie 45 — 50,000 Mann. Fast alle Mode⸗ waaren⸗Magazine und Luzusläden in der eben genannten Vorstadt sind von den Insurgenten verwüstet worden. Bei cinem der gesangenen Iusurgenten hat man folgenden geschriebenen Dekret⸗Entwurfgefunden: „Art. 1. Alle
Bürger, die über 200 Fr. Steuern zahlen, sind ihrer bürgerlichen und
politischen Rechte auf 10 Jahre beraubt. Art. 2. Alles Mobiliar⸗ und Immobiliar-Vermögen sämmtlicher Bürger, die seit 1845 öffent⸗ liche Aemter, gleichviel welche, bekleidet haben, ist konsiszirt. . Die Verfassung Frankreichs ist die von 1793. Art. 4. Die Armee ist aufgelöst.“ i
9 slant. Da die Magdalenen⸗Kirche viel zu klein ist, so, wird auf dem Eintrachtsplatze ein provisorischer Altar errichtet. Die Reprä⸗ sentaͤnten, die Behörden und die Nationalgarde werden anwesend sein. Einer der schwer verwundeten Insurgenten weigerte sich lange, seinen Namen anzugeben; dem Tode nahe, schrieb er auf einen Zettel: von Polignac. Auf Lamoriciere's Befehl ist der L berst⸗Lieukenant der öten Legion verhaftet worden. Man meldet auch die Verhaftung des politischen Schriftstellers Esquiros. Dienstag Nachts wurde eine Schildwache auf⸗ ihrem Posten verwundet, und gestern ward am hellen Tage auf dem Eintrachtplatze ein Jägeroffizier durch einen Pistolenschuß getödtet. Der sofort ergriffene Mörder erklärte, er habe zwei Offiziere zu tödten geschworen. Man schoß ihn nieder. Gestern Vormittag wurden Truppen in die Gegend zwischen Neuilly und St. Cloud entsandt, wohin sich eine Bande Insurgenten geflüch⸗ tet hat. Um Mittag hörte man auf dieser Seite Gewehrfeuer. Auch um Versailles soll sich eine Insurgenten⸗Bande gezeigt haben und zum Generalmarsch geschlagen worden sein. In einer Vorstadt von St. Versailles hat man angeblich Barrikaden zu errichten versucht. Schon sind 300 der 1500 in den Tuilerieen eingesperrten Gefange⸗ nen verhört worden. Sie sind in drei Kategorieen getheilt: in die, welche ihre Betheiligung an dem Kampfe eingestehen, und gegen welche schwere Anklagen vorliegen, in die, welche nur gezwungen auf Seite der Insurgenten gekämpft zu haben vorgeben, und endlich in die, welche aus Versehen festgenommen wurden und durch Volksver⸗ treter, Maire's oder seitens ihrer Familien reklamirt wer⸗ den; 43 der letzteren Klasse hat man schon in Freiheit ge⸗ setzt. Gleich nach beendigtem Verhöre bringt man die Ge⸗ fangenen unter starker Bedeckung in die verschiedenen Gefängnisse der Hauptstadt und in die Forts. Fast alle Gefangene hatten Gold bei sich, und viele trugen unter ihren Blousen bedeutende Summen. Bei den Verwundeten im Spital de la Pitié fand man allein 159,000 Frs. in Gold und Silber. Mehrere antworteten im Verhör auf die an sie gerichteten Fragen: „Wir mußten für das Geld, das man uns gegeben, doch etwas thun.“ Noch hat keiner der Verhörten die Na⸗ men der Anstifter des Aufstandes angeben wollen. Einige, die ge⸗ fragt wurden, wofür sie denn gekämpft hätten, antworteten: „Für die demokratische und soziale Republik!“ Weiter befragt, was sie darunter verständen, entgegneten sie: „Die Regierung der Arbeiter.“ Mehrere Gefangene sollen geäußert haben, daß sie der Justiz wichtige Aufschlüsse zu geben bereit seien. Aufgefallen ist es, daß man bei den Insurgenten eine Masse von Zwanzigfranken⸗Stücken der Republik fand, obgleich davon nur eine verhältnißmäßig kleine Zahl ins Pu blikum gelangt ist. Unter den verwundeten Insurgenten im Spital St. Louis ist ein Capitain der Nationalgarde, der kämpfend ge⸗ fangen genemmen wurde. An dem Kampfe gegen die Insurgenten haben 50,000 Mann Nationalgarden von Paris und den Departe⸗ ments, so wie 30,000 Mann Linien⸗Truppen, Theil gesgunnsfen. Außerdem handhabten 50,000 bewaffnete Bürger die 8 Polizei in den ruhig gebliebenen Stadttheilen, um die dort — nahme am Ausstande geneigten Arbeiter ꝛc. in L onung 8g; 198 Fast die Hälfte von Paris war der Schauplatz des We Ste, 9te und 12te Legion der National⸗Garde .FI9s Vrblht ver wesentlichen Vorschub geleistet. L“ hielt die2 89 88 12ten Legion zu den Insurgenten. Die Minorität, welche, 8* ap⸗ pel geschlagen ward, zu den Sammelplätzen eilte, um dfe r zu vertheidigen, wurde schnell umriugt, bedroht und geswungen, sr fort nach Hause zu gehen. Der Oberst⸗Lieutenant, we cher 68 Barbéès' Verhaftung die Legion befehligte, mußte zusehen, wis seine Leute Barrikaden errichteten, die sodann von Offizieren und 1— offizieren der Legion befehligt wurden. Zwei dieser 2 einen Unterofsizier nahm die Mobil⸗Garde gefangen. hef 1 rikade zu la Chapell fochten ein Capitain und ein Lieutenant. . ü Garde. Als General Lebreton dieselbe nahm, zogen sie sich Larch dn suchten ihn zu überreden, daß sie nicht für die Insurgenten ge vwpes hätten. Der Bataillons⸗Chef der Gemeinde sagte jegoch gegen sie dusc sie sind jetzt unter den Gefangenen. Um die Entwaffnung der a⸗ tionalgarde von Montmartre zu bewerkstelligen, berief hs sie zur Revue, und beim Defiliren wurde sie aufgefordert, ihe Fünesn ab⸗ zugeben. Auf den Höhen waren mehrere Kanonen aufgepft anzt, un nöthigenfalls dieser Forderung Nachdruck zu geben. Schon hat man viele Wagen mit etwa dreißigtausend Riinten als Ergehniß der Entwaffnung nach Vincennes gesandt. Gestern früh 7275 man längs der ganzen Straße Neuve⸗des⸗Petits⸗ Champs Zündkugeln, die unter den Füßen der Vorübergehenden zer⸗
Heute findet der Trauergottesdienst für die Gefalle⸗
sachen, muß diese so
sprangen. Das Haus Victor Hugo's war eine Zeit lang im Be⸗ sitze der Insurgenten; sie waren durch die Hinterthür, wo sie Feuer anlegten, eingedrungen und schossen aus den Fenstern auf die Trup⸗ pen. Madame Hugo, die allein zu Hause war und die sie als Geisel festnehmen wollten, entkam mit Mühe. Die beiden Söhne V. Hugo's hatten sich aus freien Stücken bewaffnet und zu den Truppen begeben; Beide sollen sich lobenswerth benommen haben. Herr Ledru⸗Rollin, den man seit vorigem Freitag nicht gesehen hatte, erschien vorgestern wieder in der National⸗Versammlung. Viele Frauen haben sich zur Hülfeleistung in den Spitälern angeboten. Als die Truppen in der Vorstadt Saint⸗Antoine eindrangen, fanden sie rothe Plakate angeschlagen, worauf zu lesen war: „Der Sieg wird den echten Demokraten Reichthümer bringen; die Niederlage wird die Niederbrennung und Zerstörung der Vorstadt St. Antoine zur Folge haben.“ In dem Keller eines Hauses dieser Vorstadt fand die Nationalgarde 37 bewaffnete Männer mit 167 ge⸗ ladenen Flinten und Werkzeugen zum Kugelgießen. Sie ergaben sich ohne Widerstand. Eines der verhafteten Weiber gestand freimüthig, daß sie drei Mobilgardisten die Köpfe abgeschnitten habe. Auf mehreren Barrikaden waren Köpfe aufgesteckt. Einem hatte man den Mund mit Theer gefüllt, einen angezündeten Docht hineingeschoben und den Kopf auf eine Pike gespießt, welche von den Insurgenten unter dem Rufe: Lampen! umtanzt wurde. Mehreren Gefangenen stachen die Insurgenten neben anderen Martern die Augen aus. Der Schuß, welcher den Erzbischof Affre tödtete, fiel aus einem Hause, wo die Insurgenten einen Posten aufgestellt hatten. Sämmtliche Arbeiter der Vorstadt St. Antoine haben beschlossen, dem Leichenbegängnisse des Prälaten beizuwohnen. Eine Kanonenkugel hat den einzigen Freiheitsbaum zerschmettert, der noch von 1791 her in Paris stand. Bei einer Haussu⸗ chung in der Vorstadt St. Antsine wurden vier Soldaten mit Dol⸗ chen und Messern ermordet. Die Thäter entkamen über die Dächer. Das Journal des Debats berichtet: „Die Zahl der Opfer ist auf beiden Seiten ungeheuer groß. Einige schätzen dieselbe auf 10,000 Mann, sowohl Todte als Verwundete. Die meisten Wunden sind gräßlich. Zur Würdigung der Verluste im Allgemeinen genügt es, die getroffenenen Generale aufzuzählen. Von zehn Kommandiren⸗ den sind fünf verwundet worden: Bedeau, Duvivier, Damesme, Korte, Lafontaine, Fouché, und zwei getödtet: Negrier und Brea. Die Generale Lebreton, Perrot und Lamoricière sind verschont ge⸗ blieben; Letzterem sind zwei Pferde unter dem Leibe getödtet worden. Die ältesten Soldaten versichern, daß niemals in den Schlachten des Kaiserreiches das Verhältniß der getödteten und verwundeten Generale so beträchtlich gewesen war, und daß man bei keiner Erstürmung von Festungen oder Redouten so viele Leute verloren hatte, als bei den pariser Barrikaden in den furcht⸗ baren Juni⸗Ereignissen. Die Zeitungen der Departements, welche uns von allen Punkten Frankreichs zukommen, können ein Bild von den Gefühlen geben, welche das ganze Land beseelen. Mit Schmerz und Besorgniß wuͤrden die ersten telegraphischen Depeschen in den Provinzen aufgenommen; dann folgte auf diese erste Bewegung des Schreckens, wohl gerechtfertigt durch den unsicheren Ton derselben, eine begeisterte Regung, welche die National⸗Garden von ganz Frank⸗ ch zur Hülfe des mit Verbrechen und Barbarei bedrohten Paris treibt, nach Paris, welches einen Kampf bestand, dessen Resultate er⸗ schrecklich werden konnten. Inmitten des Schmerzes, welchen uns die gräßlichen Ereignisse der verflossenen Tage verur⸗ 1 energische, so freiwillige Einstünmigkeit Frankreichs die Bitterkeit der Gegenwart versüßen und Hoffnung für die Zukunft des Vaterlandes geben. Em Land, welches sich so lebendig vom wahren Instinkt der Ordnung beseelt zeigt, welches so energisch entschlossen ist, sich selbst zu retten, muß wohl gerettet wer⸗ den!“ Dasselbe Blatt berichtet, daß die Regierung vorgestern 40 bis 50,000 Nationalgardisten, welche aus den Departements herbeigeeilt waren, nach ihrer Heimat entlassen habe. Bei der über die Natio⸗ nalgarden der Provinzen abgehaltenen Heerschau waren nicht weniger als 41 Städte durch bedeutende Kontingente vertreten.
Der Mo niteur theilt mit, daß bis jetzt in Folge des Dekrets vom 28. März 2500 Personen naturalisirt seien; der Justiz⸗Minister habe aber nun beschlossen, kein Gesuch um Naturalisirung zu gewäh⸗ ren, so lange die Gesetzgebung über diesen wichtigen Punkt nicht de⸗ sinitiv festgestellt sei. —
Dasselbe Blatt enthält heute folgende Widerlegung eines Gerüchts: „Die Verleumdungen, welche mehrere Organe der Presse täglich vorbringen, sind gar nicht zu zählen. So haben einige Blät⸗ ter gemeldet, Herr Lalanne sei verhaftet. Die Hingebung dieses ehrenwerthen Bürgers hatte ihn vermocht, seine wissenschaftlichen Arbeiten zu unterbrechen, um die Leitung der Nationalwerkstätten zu übernehmen, und es ist unbegreiflich, woher jenes falsche Gerücht hat geschöpft werden können.“
Straßburg, 28. Juni. (Köln. Z.) Seit gestern sind wir wieder in unmittelbarer telegraphischer Verbindung mit Paris, und alle Depeschen lauten beruhigend. Die Bestürzung war hier während der letzten Tage gränzenlos. Sechs Compagnieen der National⸗ Garde wollten diesen Morgen nach Paris aufbrechen, allein ihr Ab— marsch ist glücklicherweise unnöthig geworden. Folgende Bekanntma chung war bereits von dem Kommissar der Regierung gestern erlassen: „Die Bürger, welche unseren Brüdern von Paris zur Vertheidigung der Republik zu Hülfe eilen wollen, werden morgen den 28. Juni abreisen. Da Jedermann an der Aufrechthaltung der Freiheit und der Gesetze betheiligt ist, so werden auch alle Bewohner so viel als möglich zu den Kosten beitragen, welche die Reise unserer National⸗Gardisten verursacht. Subscriptions⸗Listen sind auf der Präfektur und der Mairie, so wie in den Zeitungs⸗Büreaus, er⸗ öffnet.“ Kaum war dieses bekannt, als man sich von allen Seiten anschickte, reiche Gaben darzubringen. Dank der Vorsehung, der Zug ist un⸗ nöthig geworden. Es werden bereits Trauer⸗Feierlichkeiten für die bei dem Aufstande in Paris Gebliebenen veranstaltet. Fräu⸗ lein Rachel wollte gestern Abend im Theater als „Phädra“ auftre⸗ ten. Die Munizipal-Behörde hat die Vorstellung untersagt. In dem Augenblicke, wo noch Trauer in allen Herzen ist, das Blut in Paris noch raucht und so viele Familien noch in banger Unge⸗ wißheit über das Loos der Ihrigen sind, soll das Theater nicht geöffnet werden. Fräulein Rachel wird heute auftreten, nachdem die Trauer⸗Feierlichkeiten vorüber sind. Paris wird in den nächsten Tagen noch größere Truppenverstärkungen erhalten. Bei uns, wie im ganzen Elsaß, herrscht die erwünschteste Ordnung. Alles ist für die Republik mit Liebe beseelt, und man hofft, daß die letzten anarchischen Versuche mächtig zur Befestigung der Ruhe beigetragen haben. Die östlichen Militair⸗Divisionen haben Befehl erhalten, 10 Bataillone Infanterie nach Paris zu schicken.
Lyon, 26. Juni. (Köln. Z.) Die Aufregung, welche die Ereignisse in Paris und in Marseille bei uns hervorgebracht, läßt ernste Unruhen befürchten. Die Verkäufer von Zeitungen lassen sich sogar so weit aus, daß sie ausrufen: „Achelez ce journal, vous y vns les troubles graves qui doivent arriver cette nuit à Lyon!e Dazu kam noch der verhängnißvolle Umstand, daß es dem General⸗Einnehmer an den nöthigen Weisungen fehlte, den Fabrikan⸗ ten Vorschüsse zu leisten. Der Kommissar ließ schon gestern in
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Seiden⸗Fabriken! Eine bedauernswerthe Verzögerung für die Kredit⸗ Eröffnung in der General⸗Einnehmerei macht es den Fabrikanten, welche mit Anfertigung der Fahnen und Schärpen beauftragt sind, unmög⸗ lich, Euch Eure Löhne unmittelbar zu entrichten. Ich hoffe, noch heute Abend durch den Telegraphen aus Paris Anzeige für die nö⸗ thigen Kredit⸗Ermächtigungen zu erhalten. Habet Vertrauen in mein Wort, und seid ruhig!“ Es war eine verzweiflungsvolle Lage; die Arbeiter fügten sich indessen und hörten nicht auf die von mehreren Seiten in Gang gebrachten Aufreizungen. Abends kam die Weisung wirklich aus Paris an, und der Schatz ist heute in den Stand ge⸗ setzt, die Zahlungen zu leisten. Militair und Nationalgarde sind be⸗ ständig im Dienste. Das erstere wird schon seit einigen Tagen in seinen Kasernen zurückgehalten. Die heute von Paris eingetroffenen beruhigenden Nachrichten erfullen die Aufstandsüchtigen, die bereits auf Umsturz der bestehenden Ordnung gezählt hatten, mit einem pa⸗ nischen Schrecken. Eine telegraphische Meldung aus Marseille be⸗ richtet, daß auch dort die Ruhe wieder zurückgekehrt sei. Man hofft, daß hier kein Ausbruch stattfinde, obwohl Hunger und Elend größer sind, als in den bedrängtesten Tagen der letzten Zeit. Fabrikanten und Arbeiter sind gleichmäßig zu bedauern.
Großbritanien und Irland. London, 29. Juni. Ihre Majestät die Königin gab gestern an ihrem Krönungstage ein gro⸗ ßes Konzert, welchem auch die verwittwete Königin beiwohnte.
Das Unterhaus hielt gestern, wie gewöhnlich, nur eine kurze Mittags⸗Sitzung und verhandelte im Comité die Bill, welche die Beschränkungen und Strafen aufhebt, die gesetzlich noch gegen Ka⸗ tholiken bestehen. Die hochkirchliche Partei erneuerte ihren Wider⸗ stand gegen die Bill, unter Leitung des Mitgliedes für Orford, Sir R. Inglis, mit solchem Nachdruck, daß bei der Abstimmung die Stim⸗ men gleich getheilt waren. Als der Vorsitzende des Comité's seine Stimme zur Entscheidung für die Bill abgab, protestirte Sir R. Inglis dagegen, weil der Vorsitzende eines Comité's nicht die Rechte des Sprechers des Unterhauses habe, welcher allein bei Stim⸗ mengleichheit die Frage entscheide. Gegen Sir R. Inglis, Mei⸗ nung wurde nichts vorgebracht, und der Vorsitzende selbst erklärte ihm sei kein Präcedenzfall bekannt, der hierin zur Norm dienen könnte. Unter diesen Debatten wurde die Sitzung um 6 Uhr aufgehoben ohne daß man ein bestimmtes Resultat erreicht hatte. —
Am nächsten Dienstag wird die aus freien Beiträgen im Stadt⸗ theile Lambeth am rechten Themse⸗Ufer erbaute katholische Kirche eingeweiht und dem Gottesdienste übergeben werden. Das Schiff der Kirche ist größer als das der Westminster Abbey und steht die⸗ ser an Pracht nicht nach. Nur der Thurm fehlt der Kirche. Von allen Theilen des Königreichs und auch vom Festlande werden zur Einweihungs⸗Feier Prälaten und Geistliche erwartet. 1
Der Globe bemerkt in seinem Börsen⸗Berichte: „Die Divi⸗ denden der französischen Staats⸗Papiere wurden vorige Woche, trotz aller Unruhen, richtig ausbezahlt, — ein Umstand, welcher der Re⸗ gierung zu großer Ehre gereicht. — Allerdings sind die französischen Finanzen in sehr bedrängter Lage, aber es ist wahrscheinlich, daß die neue Regierung unter der kräftigen Leitung des Generals Cavaignac Vertrauen einflößen und nicht bloß den Handel beleben, sondern auch ein regelmäßigeres Eingehen der Steuern herbeiführen wird. Die Hau⸗ dels⸗Briefe aus Paris sind in der That schon etwas muthiger. Die Dinge lassen sich auf dem Festlande überhaupt besser an, und man hofft, daß Vermittelung in Italien und Deutschland Alles zuwege bringen wird, was durch Kriege erreicht werden könnte.“
MNußland und Poleu. St. Petersburg, 25. Juni. Die St. Petersburgische Zeitung meldet: „Se. Majestät der Kaiser hat mit Vergnügen das an den rigaschen General⸗Kriegs⸗Gouverneur von Lif⸗, Kur⸗ und Esthland gerichtete Schreiben des oeselschen Adels⸗ Marschalls, General⸗Major Dittmar, worin der dortige Adel die Gefühle aufrichtiger Ergebenheit ausspricht, von denen er beseelt ist, gelesen und Allerhöchst geruht, dem General⸗Major Dittmar erwie⸗ dern zu lassen: daß Se. Kaiserliche Majestät dem oeselschen Adel von Herzen dankt und nie an der Ergebenheit desselben gezweifelt
der Frühe folgende Bekanntmachung ergehen: „Arbeiter in den
hat, allergnädigst hinzufügend: der Adel könne wie bisher dadurch ein Zeugniß seines Eifers ablegen, daß er seine Kinder anleitet, eben so treu und eifrig zu dienen, wie ihre Väter und Großoäter gedient haben und noch dienen.“
Die Polizei⸗Zeitung enthält Folgendes: „Seit dem 15ten d. M. sind in Neu⸗Ladoga und in Schlüsselburg mehrere Personen mit Symptomen der sporadischen Cholera erkrankt. Dergleichen Fälle sind bald darauf auch hier in der Hauptstadt bemerkt worden.“ Zwischen dem 20. und 24. Juni sind hierselbst 100 Per⸗ sonen mit der Cholera ähnlichen Symptomen erkrankt; davon sind 33 gestorben und demnach bis zum 24. Juni 67 Kranke verblieben.
(Gouv. Ztg.) Am 7. Juni, um 3 Uhr Nachmittags, ist die Stadt Wladimir von einem schrecklichen Unglück heimgesucht worden. Der bevölkertste, gewerbthätigste und beste Theil derselben ist ein Ranb der Flammen geworden. Ungeachtet der Anstrengungen des Militairs und der Lösch⸗Anstalten, und trotz der kräftigen Anordnun⸗ gen des Gouvernements⸗Chefs, verbreitete sich das Feuer mit großer Schnelligkeit von einem Dach zum anderen und bildete endlich ein einziges Flammenmeer. Die ganze furchtbare Gewalt des Feuers war gegen den Kaufhof gerichtet, wodurch auch dem Kreml Gefahr drohte. Aber die auf diesen gefährlichen Punkt konzentrirten An⸗ strengungen des Militairs und der Lösch⸗Anstalten retteten den Kauf hof und bewahrten so den ohnehin von bedeutenden Verlusten heim⸗ gesuchten Handel vor gänzlicher Vernichtung. Die Feuersbrunst dauerte bis 7 Uhr Abends. Es sind 32 Häuser niedergebrannt, darunter 18 steinerne und 14 hölzerne, in denen sich Herbergen, Buden, Bäckerläden, Schänken und dergleichen befanden. Bei der raschen Ausbreitung des Feuers verbrannten in den Herbergen große Vorräthe von Korn, Hafer, Heu u. s. w. In der großen Haupt⸗ straße, wo sonst die schönen Gebäude standen, und auf der einen Seite der Nikolskischen Straße sieht man jetzt nur von Rauch ge⸗ färbte Mauern und Ruinen. Auch die Nikolskische Kirche war in Gefahr, wurde jedoch durch die vereinten Anstrengungen der Löschen⸗ den gerettet. Ueber die Entstehungsart des Brandes ist die Unter⸗ suchung eingeleitet.
Belgien. Brüssel, 30. Juni. Der Senat hat Herrn Du⸗ mon⸗Dumortier zu seinem Präsidenten und die Herren von Baillet und Dindal zu Vice⸗Präsidenten, die Repräsentanten⸗Kammer Herrn Verhaegen zu ihrem Präsidenten und die Herren Delfosse und von Brouckere zu Vice⸗Präsidenten gewählt. Beide Kammern haben auch sofort ihre Adreß-Kommissionen ernannt, und im Senat wurde ge⸗ stern bereits der Adreß-Entwurf vorgelegt und die Eröffnung der Diskussion desselben auf heute festgesetzt. In der Repräsentanten⸗ Kammer ist die Vorlegung des Entwurfs zu heute angekündigt. Un⸗ ter den Mitgliedern des jetzigen Senats befinden sich nur noch drei, die im Jahre 1831, bei Bildung dieses gesetzgebenden Körpers, dem⸗ selben angehörten, nämlich Graf Vilain XIIII., Marquis von Rodes und Baron vo Pelichy van Huerne; diese drei waren auch Mitglie⸗ der des Kongresses, der die Unabhängigkeit Belgiens proklamirte. Bei der Präsidentenwahl in der Repräsentanten⸗Kammer hatte Herr Verhaegen 73 Stimmen unter 90. Bevor der Alters⸗Präsident dem neuen das Präsidium überließ, sprach er unter Anderem folgende
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Worte: „Wir leben in schwierigen Zeiten, allein die Schwierigkeiten sind in unserer Mitte geringer, als bei den Völkfern, die uns um⸗ geben. Wenn die Stürme uns nicht treffen, so geben sie uns doch Erfahrung. Die Abgründe, welche offen sind, zeigen uns die Noth⸗ wendigkeit des Strebens, zu erkennen, wohin wir schreiten. Wir werden Alle unsere Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse der Nation, auf ihre moralischen, materiellen und finanziellen Bedürfnisse richten. Wir werden Alle die Hülfsmittel, die sie uns zur Verfügung stellt, gebrauchen, aber nie mißbrauchen! Also fühlen wir, wie Eintracht Kraft giebt. In demselben Interesse vereint, Alle in derselben Liebe zum Vaterlande verbunden, Alle in demselben festen Willen verbun⸗ den, die Freiheiten, die wir erobert, unveränderlich zu erhalten, und dieser Moment ist dafür Bürge. Wenn in Umständen, die man nicht voraussehen kann und in einer ohne Zweifel sehr fern liegenden Zeit man dieselben angreifen müßte, so müßte dies nur mit Zittern ge⸗ schehen, wie man die heilige Arche berührt, weil man es als die hei⸗ lige Arche unserer politischen Existenz, unserer Freiheiten und des Glücks unseres Vaterlandes betrachten müßte. (Beifall.) Der neue Präsident nahm darauf den Präsidentenstuhl ein, sprach seinen Dank für das ihm gewordene Vertrauen aus und legte die Grundsätze dar, nach welchen er sein Amt mit Unparteilichkeit und Festigkeit verwal⸗ ten würde. Schließlich wurde noch die Adreß⸗Kommission erwählt. Wie verlautet, wird die jetzige Session nicht von langer Dauer sein.
Herr Dumon⸗Dumortier hat seine Entlassung als Gouverneur des Hennegau angeboten; dieselbe ist angenommen und einstweilen Herr Demoriamé, Mitglied der permanenten Deputation, mit den Functionen dieses Postens beauftragt worden. „MNittelst Königlicher Verordnung vom 28sten d. wird der Termin für die freie Einfuhr von Vieh, Mehl und Gries bis zum 1. Okto⸗ ber d. J. verlängert; ausgenommen sind bei der Vieh⸗Einfuhr die Gränzen der Provinz Luxemburg.
Vorgestern fand hier die Vermählung des sardinischen Botschaf⸗ ters am hiesigen Hofe, Grafen von Montalto, mit der Marquise
Dlle. de Trazegnies, Grundbesitzerin in Brüssel, statt.
Brüssel, 1. Juli. Gestern hat der Senat die von der Kom⸗ mission vorgelegte Antworts⸗Adresse auf die Thronrede mit unbedeu⸗ tenden Modificationen einstimmig angenommen, es waren 39 Senato⸗ ren bei der Abstimmung anwesend. In der Repräsentanten⸗Kammer wurde der Adreß⸗Entwurf der Kommission verlesen.
Spanien. Madrid, 25. Juni. Das hier seit der Abreise des Sir Henry zurückgebliebene Personal der englischen Gesandtschaft hat vorgestern aus London Befehl erhalten, gleichfalls nach England zurückzukehren. Nur ein mit Unterzeichnung der Pässe beauftragter Kanzlist wird hier verbleiben. Die diesseitige Regierung legt keine besondere Bedeutung auf diese formelle Erweiterung der eingetretenen 8 Unterbrechung der diplomatischen Beziehungen mit England und stützt sich dabei nicht weniger auf die ihr beiwohnende Ueberzeugung von ihrem guten Recht, als auf den Nachdruck, mit welchem die engli schen Minister die kriegerischen Gerüchte, welche in Folge der Ab⸗ reise des Herrn Isturitz an der londoner Börse in Umlauf waren, ein Ziel zu setzen. Der Heraldo sagt: „Indessen scheint Lord Palmerston, während er den kriegerischen Gerüchten in London wi⸗ derspricht, diesen in Madrid Glauben verschaffen zu wollen. Keine andere Bedeutung können wir der Abreise beilegen, welche, wie man uns versichert, alle Mitglieder der hiesigen englischen Gesandtschaft bewerkstelligen sollen. Wenn man uns dadurch Angst einflößen will, so schlägt man nicht den rechten Weg ein, denn wir haben hinläng⸗ liche Erfahrung, um fest überzeugt zu sein, daß dadurch die Frage unverändert bleibt, und bei der Höhe, auf welcher diese schwebt, ha⸗ ben wir zu vielen Patriotismus, um uns einschüchtern zu lassen, er⸗ folge, was da wolie.“ Deer französische Geschäftsträger, Herr Lesseps, hat häusige Zu- sammenkünfte mit dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten. Der Heraldo theilt einen Brief aus Melilla (Afrika) vom
löten mit, demzufolge die dortige spanische Besatzung einen Ausfall machte und den den Platz bedrängenden marokkanischen Horden ein blutiges Gefecht lieferte. „Am meisten“, so heißt es in dem Be⸗ richte, „zeichneten unsere Truppen sich auf dem Rückzuge aus, denn sie wichen keinen Schritt, ohne den Feind, der ihnen folgte, zu ver⸗ nichten. Da die 125 gefangenen Mauren erklärten, den Tod der Gefangenschaft vorzuziehen, so ließ unser General sie mit Lanzen niederstoßen.“ 3 Die barcelonger Blätter geben ausführliche Berichte über ein 8 Vilada vorgefallenes Treffen, in welchem 1600 (nach Anderen 900) Karlisten ein 500 Mann starkes Truppen⸗ Corps vollstän⸗ dig aufrieben. Hundert Soldaten blieben todt auf dem Platze die übrigen geriethen in Gefangenschaft. Von Barcelona rückten am 17ten in aller Eil zwei Bataillone nach Berga aus, um ein ande res Detaschement, das von Karlisten eingeschlossen war, zu retten.
In Manresa wurde eine Verschwörung in republikanischem Sinne entdeckt. Elf Personen, der Klasse der Proletarier angehörig, wur⸗ den verhaftet. (Heraldo.) hct.
Der 70jährige Schriftsteller Seijas Prado, der nach dem Auf⸗ stande vom 26. März hier verhaftet wurde, ist im Gefängnisse am Fieber gestorben. G
Am 2lsten wurde in Saragossa der Hauptmann Guilluma, welcher seine Compagnie zum Aufstande zu verleiten gesucht hatte, nach erfolgtem Ausspruche des Kriegsgerichts erschossen. (Popular.)
8 1 2. 2 8 “ Gesellschaft naturforschender Freunde.
In der Versammlung der Gesellschaft naturforschender Freunde am
20. Juni theilte Herr Ant. Troschel seine Beobachtungen über die Fort⸗ sätze der konkaven Seite der Kiemenbogen bei den Knochenfischen mit, die dazu bestimmt scheinen, das Vordrängen verschluckter Gegenstände zu den Kiemen zu verhindern. Es scheint, als ob die verschiedene Bildung dieser Bewaffnung als Charakter für die Systematik brauchbar werden könnte. Herr Link redete über die Warzen, womit die Flachsseide (Cuscuta) in andere nahestehende Pflanzen eindringt, um sich von ihnen zu nähren, auch legte er Zeichnungen von dem inneren Bau derselben vor. Sobald Cus⸗ cuta eine andere Pflanze berührt, wenden sich die äußeren Zellenreihen der Rinde nach außen und bilden eine kegelförmige stumpfe Warze. Die Höh⸗ lung, welche dadurch im Innern derselben entsteht, wird durch Querzellen ausgefüllt, welche senkrecht auf der Are stehen; Gefäße sieht man noch unicht in ihnen. Lockere Zellen, wie Papillen, bedecken die äußere Oberfläche. Diese Warzen senken sich nun in die Rinde der Nährpflanze und dringen bis auf das Holz derselben ein, so daß man die Querzellen der Warzen mit den nachgewachsenen Spiralgefäßen in ihrer Mitte von der Rinde der Nähr⸗ pflanze ganz umgeben sieht. Es gleichen also diese Warzen völlig den Wurzelspitzen, womit die Pflanzen die Erde durchdringen, um daraus die Nahrung zu ziehen. Herr Münter zeigte daumstarke Wurzeln aus Ueber⸗ wallungsmassen hohler Linden, Weiden und Pappeln, die im Innern des hohlen Stammes von oben herab in die auf dem Boden liegende Holzerde herabgetrieben waren und bei einer Linde die Dicke von 3—4 Zoll Quer⸗ durchmesser erlangt hatten. Desgleichen zeigte derselbe freie, unter der Rinde von Sabuus aucuparia liegende runde und ovale Holzmassen, die nicht so⸗ wohl als Concretionen, sondern als unausgebildet gebliebene Zweige zu be⸗
trachten sein dürften. 89 4 1874 u:18 18 1 ] 1,e 58 1.88. r kta9 818818