“
Die Einrichtung des Stadt⸗, Vormundschafts⸗ und Kriminal⸗ verunhe seimgihin 8 so wie die Kompetenz der Schöffengerichte und
Landschreibereien im Bezirke des Justiz⸗Senats zu Ehrenbreitstein
wird durch besondere WvEe
1 m Sprengel eines Kreisgerichts außer der Stadt, in — sich deefelbe tefücbet, andere Orte, die bisher Sitz größe⸗ rer Gerichts⸗Behorden waren, vorhanden sind, oder sonst an Orten in einer Entfernung von ungefähr drei Meilen oder weiter von dem Gerichtssite sich ein erhebliches Bedürfniß dazu ergiebt, so können in denselben einzeln stehende Richter (Bezirksrichter oder Gerichts⸗ Kommissarien) angestellt werden, deren Bezirke sich auf den Ort und seine Umgegend zu erstrecken haben. Sie sind Mitglieder des betref⸗ isgerichts, stehen auf dessen Etat und unter der Aufsicht
enden Krei . . 8 8. Hircktors desselben, welcher sie erforderlichensalls als Ergänzungs⸗
inberuft. ee aber auch an solchen Orten bestehende Gerichts⸗ Kollegien als Deputationen und besondere Abtheilungen der Kreis⸗ gerichte für die kollegialisch zu behandelnden Civil⸗ und Strafsachen eines gewissen Bezirks beibehalten werden. Ihre Kompetenz wird in diesem Falle durch das Geschäfts⸗Regulativ (§. 20) näher be⸗
stimmt.
Jedem Kreis⸗ und jedem Stadtgerichte wird die unbeschränkte Zuständigkeit in allen Civil⸗ und Strafsachen beigelegt. Für die Ab⸗ altung der Schwurgerichte bei schweren Verbrechen nach der diesen betreffenden besonderen Verordnung sind jedoch die dazu geeigneten Gerichts⸗Behörden und die ihnen anzuweisenden Bezirke durch den Justiz⸗Minister auf den Vorschlag des Appellationsgerichts besonders zu bestmmen.. 1
Zur Kompetenz der Einzelrichter gehören nur folgende Gegen⸗ aände: 8 1) Die Bagatell⸗ und Injurien⸗Sachen, und zwar die letzteren
mit der im §. 20 dieses Gesetzes bemerkten Einschränkung;
2) in anderen Civil⸗Prozeßsachen ihres Bezirks diejenigen Angele⸗ genheiten, bei welchen es nicht auf mündliche Verhandlung und fontradiktorische Entscheidung vor dem Kollegium ankommt, als: An⸗ und Aufnahme der Klagen und deren Beantwortung, Ab⸗ fassung von Agnitions⸗Resoluten und Kontumazial⸗Bescheiden und deren Vollstreckung, vorläufige Anlegung von Arresten u. s. w. nach näherer Bestimmung des Geschäfts⸗Regulativs §. 20.); “
8. Forst⸗Rügesachen; . die nach den Gesetzen von Einzelrichtern zu entscheidenden poli⸗ zei⸗ und peinlichen Vergehen; 8
die Erlassung aller den Civilgerichten in Strafsachen nach §. 20 der Kriminal⸗Ordnung obliegenden vorläufigen Verfügungen, desgleichen die Function eines auf Antrag des Staats⸗Anwalts zu bestellenden Untersuchungs⸗Richters; “
die Aufnahme von Gesuchen jeder Art, welche Eingesessene des Bezirks in ihren Rechts⸗Angelegenheiten zum Protokoll geben wollen, desgleichen die Weiterbeförderung derselben an die kom⸗ petente Gerichtsbehörde;
die Aufnahme der Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, ein⸗ schließlich letztwilliger Dispositionen; alle Nachlaß⸗, Kuratel⸗, Vormundschafts⸗ und Hypotheken⸗ Sachen ihres Bezirks, welche das Kreisgericht nicht nach Maß⸗
abe des Geschäfts⸗Regulativs (§. 20) als zur kollegialischen Hearbeitung geeignet vor sich zu ziehen beschließt; die Erledigung von Aufträgen jeder Art, welche das Kreis⸗ gericht oder das Appellationsgericht des Departements ertheilt.
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8
Das Institut der Kreis⸗Justiz⸗Räthe wird aufgehoben. Ein Anspruch auf Entschädigung steht den betheiligten Beamten nicht zu. 2) Appellationsgerichte. §. 24. Von den gegenwärtig in der Mouarchie, ausschließlich des Ap⸗ pellationsgerichtshofes zu Köln, vorhandenen 24 Königlichen Ober⸗ gerichten werden 1) das Ober⸗Appellationsgericht zu Posen, 2) das Tribunal zu Königsberg, 3) das Hofgericht nebst dem Konsistorium zu Greifswald aufgehoben. Die übrigen 21 Obergerichts⸗Behörden, nämlich: das Kammergericht und die Oberlandesgerichte zu Inster⸗ burg, Königsberg, Marienwerder, Bromberg, Poßen, Stettin, Kös⸗ lin, das Ober⸗Appellationsgericht zu Greifewald und die Oberlandes⸗ erichte zu Frantfurt, Breslau, Glogau, Ratibor, Naumburg, Hal⸗ berstadt, Magdeburg, Münster, Hamm, Paderborn und Arnsberg, so wie der Justiz⸗Senat zu Ehrenbreitstein, bleiben, unter Vorbehalt wei⸗ terer Bestimmungen über dieselben durch eine besond ere Verordnung
bestehen. en §. 25.
Diese Obergerichts⸗Behörden erhalten, mit Ausnahme des Justiz⸗ enats zu Ehrenbreitstein, die Bezeichnung „Appellationegerichte“. ge theilen sich nach Bedürfniß in Senate und sollen aus einem (Ersten) Präsidenten, einem oder mehreren Senats⸗Präsidenten oder Abiheilungs⸗Dirigenten und der erforderlichen Anzahl von Räthen bestehen. Assessoren können bei denselben nur vorübergehend zu einer nach den Geschäfts⸗Verhältnissen nothwendigen Aushülfe oder zur Stellvertretung beschäftigt werden.
Die Avppellationsgerichte nebst dem Justiz⸗Senate zu Ehrenbreit⸗ stein geben die Rechts⸗Angelegenheiten der Eximirten, welche zufolge ber Bestimmungen dieser Verordnung vor die ordentlichen Gerichte gehören, nach einer vom Justiz⸗Minister darüber zu erlassenden In⸗ struction an jene Gerichte ab. Künftig bilden sie in Civil⸗ und Strassachen
1) h exenistone⸗Josteng für alle Appellationssachen ihres Be⸗ dirks, 8
2) die Rekurs⸗Instanz für alle Rekurssachen desselben,
3) die Aufsichts⸗ und . ah⸗Hessam fun alle Kreis⸗ und Stadtgerichte ihres Sprengels. Außerdem verbleiben ihnen:
4) die bisher zu ihrer Kompetenz gehörigen Lehns⸗, Familien⸗
eehee he. und Familienstiftungs⸗Sachen, so lange über
ehne und Fideikommisse von der Gesetzgebung nicht anderweit
bestimmt worden, und die Stiftungssachen, sofern die Verwal⸗
1
tung in der Stiftungs⸗Urkunde ausdrückli h be besege 78 g rücklich dem Obergerichte 5) die Erkheilung von Beglaubigungen und ini 1 8* vögeüg 8 g gung Bescheinigungen in 5) alle übrigen Angelegenheiten, welche zeither den Ob 8 oder deren Ersten Präsidenten beigelegt 1gen sind Ferhisn v streitigen, noch freiwilligen Gerichtsbarkeit gehören, als: 8 Justiz⸗Visitationen, Disziplinar⸗ und Anstellungs⸗Sachen. Kommt es bei diesen Gegenständen auf eine Deposital⸗Verwal⸗ tung an, so bedienen sich die Appellationsgerichte des Depositoriums des am Orte befindlichen Gerichts erster Instanz. Ihre eigenen De⸗ pösikorien werden aufgelöst. 8 6
Die bei den Föriglichen Gerichten in Folge dieser Verordnung disponi⸗ ble werdenden richterlichen Beamten sind mit Beibehaltung ihres Ranges
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und etatsmäßigen Einkommens anderweit bei Gerichts⸗Behörden erster oder zweiter Instanz, oder mit ihrem Einverständnisse als Staats⸗Anwalte, Justiz⸗Kommissarien und Notarien anzustellen.
3. Ober⸗Tribunal.
6. W.
Die nach Artikel 91 der Verfassungs⸗Urkunde zu bewirkende Vereinigung des rheinischen Revisions⸗ und Cassations⸗Hofes mit dem Geheimen Ober⸗Tribunal zu Berlin, welches künftig den Na⸗ men Ober⸗Tribunal führt, wird einem besonderen Gesetze vorbe⸗
halten. §. 28.
Das Ober⸗Tribunal bildet fortan in den Rechtssachen aus dem Bezirke des Appellations⸗Gerichts zu Greifswald die dritte und höchste Instanz
4. Gebühren⸗Taxe. 8 §. 29.
Die bestehenden Gebühren⸗Taxen sollen einer Revision unterwor⸗ fen werden. Bis dahin werden in Civil⸗Prozessen die Gebühren nach der Gebühren⸗Taxre vom 9. Oktober 1833 und vom 26. Juli 1847 angesetzt. Soweit die Gebühren⸗Taxe vom 23. August 1815 noch zur Anwendung kommt, ist bis zur Revision der Sportel⸗Gesetz⸗ gebung bei den Appellations⸗Gerichten nach der Gebühren⸗Taxe für Ober⸗Gerichte, bei den Kreis⸗ und Stadt⸗Gerichten nach der Ge⸗ bühren⸗Taxe für Unter⸗Gerichte in großen Städten, bei den Einzel⸗ richtern nach der Taxe für sämmtliche Unter⸗Gerichte zu liquidiren.
In Injuriensachen, welche im Civil⸗Prozesse verhandelt sind, hat der Richter die Kolonne der Gebühren⸗Taxe, nach welcher die Kosten liquidirt werden sollen, ohne Rücksicht auf den Stand der Parteien nach seinem durch die Beschaffenheit der Sache geleiteten Ermessen zu bestimmen.
Parteien, welche sich eines Anwalts bedient haben, sollen fortan in allen Prozessen, mit Ausnahme der Bagatell⸗Prozesse, in Betreff deren es bei den bestehenden Vorschriften bewendet, die Erstattung der für den Anwalt aufgewendeten Ausgaben von dem zu den Pro⸗ zeßkosten verurtheilten Gegner zu verlangen berechtigt sein.
5. Justiz⸗Kommissarien, Advokaten und Notarien.
Die Justiz⸗Kommissarien und Advokaten, hinsichtlich deren An⸗ stellung für bestimmte Gerichts⸗Bezirke es bei den bestehenden Be⸗ stimmungen verbleibt, nehmen den Amtscharakter „Rechtsanwalt“ an.
Den bei dem Ober⸗Tribunal und den Appellations⸗Gerichten künftig anzustellenden Rechtsanwalten soll in der Regel die gleichzei⸗ tige Function eines Notars nicht beigelegt werden.
In den Städten von 50,000 und mehr Einwohnern können be⸗ sondere Notarien angestellt werden.
§. 21.
Vorträge über Zertheilung von Grundstücken, über Abzweigung einzelner Theile derselben und über Abtrennung von zugehörigen Grundstücken (§. 2 des Gesetzes vom 3. Januar 1845, Gesetzsamm⸗ lung S. 25) können fortan auch von Notarien rechtsgültig aufge⸗ nommen werden; dieselben sind jedoch verpflichtet, solche Verträge dem Gerichte, welches das Hypothekenbuch des betreffenden Grund⸗ stücks zu führen hat, sofort nach der Aufnahme einzusenden.
IV. Allgemeine Bestimmungen.
1 In Betreff des Verfahrens überhaupt.
Die Verhandlungen vor dem erkennenden Gerichte, wobei der Vortrag des Referenten, auch wenn gesetzlich vorher eine schriftliche Darstellung des Sachverhältnisses abzufassen ist, mündlich gehalten werden kann, und die Verkündigung der Urtheile sind ohne Beschrän⸗ kung öffentlich. Ausnahmen für gewisse Sachen werden durch die Gesetze bestimmt.
In allen Sachen kann das Gericht durch einen öffentlich zu ver⸗ kündenden Beschluß die Ausschließung der Oeffentlichkeit verordnen, wenn dies von ihm aus Gründen des öffentlichen Wohls oder der Sittlichkeit für angemessen erachtet wird.
Für Neu⸗Vorpommern und den Ostrhein soll über die weitere Ausführung der vorstehenden Bestimmung eine besondere Verordnung
ergehen. 688
§.
Die Urtheile sind in der Art auszufertigen, daß sie in der Ue⸗ berschrift die Worte: „Im Namen des Königs“, sodann die Auffüh⸗ rung der Parteien und die Bezeichnung des erkennenden Gerichts enthalten. Ist das erkennende Gericht ein kollegialisches, so müssen aus den Ausfertigungen der Erkenntnisse auch die Namen der Richter
ersichtlich sein. §. 34.
Die Vorschrift des §. 32 findet auch auf die nach der Kabi⸗ nets⸗Ordre vom 8. August 1832 (Gesetz⸗Sa mmlung S. 199) zu behandelnden Rekurssachen in der Art Anwendung, daß die im Falle des §. 3 Litt. d. jenes Erlasses ergehenden definitiven Entscheidun⸗ gen auf mündlichen Vortrag des Referenten in öffentlicher Sitzung verkündet werden.
Bei Mittheilung des Rekursgesuches oder der Rekurs⸗Anmel⸗ dung an den Gegentheil zur Gegenaussührung ist zu jenem Zwecke außer der Frist für die letztere auch der Sitzungstag für die Ver⸗ kündigung des Rekurs⸗Bescheides zu bestimmen und hiervon dem Re⸗ kurrenten Nachricht zu geben. Einer weiteren besonderen Vorladung beider Theile bedarf es nicht. .
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Beschwerden über gerichtiiche Verfügungen in allen prozessuali⸗ schen Angelegenheiten folgen sowohl in Civil⸗ als in Strafsachen dem Instanzenzuge der gegen Erkenntnisse in diesen Angelegenheiten zulässigen Rechtsmittel.
In nicht prozessualischen Angelegenheiten ist künftig das Appel⸗ lationsgericht für die Kreis⸗ und Stadtgerichte seines Sprengels die alleinige Beschwerde⸗Instanz, so daß es bei dessen Entscheidung bewendet.
Nur solche Beschwerden, welche die Disziplin, den Geschäftebe⸗ trieb oder Verzögerungen betreffen (§. 37 der Verordnung vom 21. Juli 1846, Gesetz⸗Sammlung S. 301), sind hinsichtlich aller Rechts⸗Angelegenheiten im Aufsichtswege, demnach schließlich durch den Justiz⸗Minister zu erledigen.
In Bezug auf die § 25 Nr. 4, 5, 6 erwähnten Rechts⸗Ange⸗ legenheiten der Appellationsgerichte verbleibt es bei den bisherigen Bestimmungen.
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2. Ernennung und Qualification der Justiz⸗Beamten.
§. 36. “
Die Präsidenten und Räthe des Ober⸗ Tribunals und der Ap⸗ pellationsgerichte, so wie die Direktoren und Räthe der Kreis⸗ und Ftss gercie, werden durch Uns selbst, dagegen Assessoren, Rechts⸗ Anwalte, Notarien und Referendarien in Unserem Namen durch den Justiz⸗Minister ernannt.
„Ueber die Ernennung der Staats⸗Anwalte und deren Gehülfen bestimmt die Verordnung über Einführung des mündlichen und öffent⸗ lichen Verfahrens in Untersuchungs⸗Sachen.
Referendarien, welche die große Staatsprüfung zurückgelegt ha-⸗ ben, werden bis zu ihrer anderweitigen Anstellung zu Gerichts⸗Asses⸗
soren bestellt und gleich den bereits vorhandenen unbesoldeten Ober⸗
gerichts⸗Assessoren, wenn sie nicht bei einem Appellationsgerichte nach
§. 25 vorübergehend oder; bei der Staats⸗Anwaltschaft zu beschäf⸗
tigen sind, einem Kreis⸗ oder Stadtgerichte als unbesoldete Mitglieder
überwiesen. Die Verleihung des vollen Stimmrechts an solche Ge⸗
richts⸗Assessoren hängt von der Bestimmung des Justiz⸗Ministers ab,
jedoch darf die Zahl der unbesoldeten Mitglieder mit vollem Stimm⸗ recht bei einem Gerichte niemals die Hälfte der etatsmäß'gen Rich- ter erreichen.
In Betreff der zur Verwaltung der Richterstellen nothwendigen Qualification und der juristischen Prüfungen bleibt eine Revision der darüber bestehenden Vorschriften vorbehalten. Zur Verwaltung des Amtes eines Direktors bei allen Kreisgerichten ist die Ablegung de großen Staatsprüfung erforderlich.
Niemand kann eine etatsmäßige Richterstelle bei dem Ober⸗Tri bunal bekleiden, welcher nicht mindestens vier Jahre als Richter oder Ober⸗Staatsanwalt bei einem Appellat ons⸗Gerichte fungirt hat, und Niemand kann etatsmäßiges Mitglied eines Appellations⸗Gerichtes werden, welcher nicht mindestens vier Jahre bisher bei einem Ober gerichte und künftig bei einem Kreis⸗ oder Stadtgerichte als Richter oder definitiv als Staatsanwalt angestellt gewesen ist. Rechtsanwält müssen die Qualification der Mitglieder des Gerichtes, bei welchem sie angestellt sein wollen, besitzen.
Auf die schon angestellten Beamten finden diese Vorschriften nur insoweit Anwendung, als ihnen eine Beförderung in eine höhere Stelle zu Theil werden soll.
3. Verhältniß zu den Verwaltungs⸗Behörden.
In dem Verhältnisse der Gerichte zu den Verwaltungs⸗Behör⸗ den wird durch das gegenwärtige Gesetz nichts geändert. Sie sollen sich gegenseitig bei Erledigung der ihnen obliegenden Geschäfte inner halb ihres Ressorts Unterstützung leisten; die Verwaltungs⸗Behörde sind jedoch nicht ferner befugt, in Angelegenheiten ihres Ressorts den Justiz⸗Unterbehörden Anweisungen zu ertheilen und sie zu deren Be folgung anzuhalten. Die entgegenstehende Bestimmung der Ord vom 31. Dezember 1825 unter D. Nr. XII. (Gesetz⸗Sammlung von 1826. Seite 11) wird aufgehoben.
4. Schlußvorschriften. §. 80.
Die Gerichtsbehörden sollen neue Etats erhalten, in welchen ihr Bezirk, der Wohnsitz und die Anzahl ihrer Beamten, so wie deren Besoldungen, festzusetzen sind. Bis dahin werden die vorhandenen Fonds zur Besoldung der erforderlichen Beamten nech der Bestim⸗- mung des Justiz⸗Ministers verwendet.
§. 40.
Alle dieser Verordnung entgegenstehenden Vorschriften werden
aufgehoben. “ 1
Die gegenwärtige Verordnung tritt mit dem 1. April d. J. in Kraft. lanfe⸗ Justiz⸗Minister ist mit Ausführung derselben beauftragt und hat die Gerichtsbehörden mit der erforderlichen weiteren Anwei⸗ sung zu versehen.
Wo die Ausführung wegen besonderer Bedenken und örtlicher Hindernisse bis zum 1. April d. J. nicht möglich sein sollte, ist von ihm der hierdurch nothwendig werdende spätere Zeitpunkt zu bestim⸗ men und öffentlich bekannt zu machen.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel. “
Gegeben Potsdam, den 2. Januar 1849.
(S (gez.) Friedrich
Graf von Brandenburg. Manteuffel. von Strotha. von der Heydt. Für den Finanz⸗Minister. Kühne. Graf von Bülow.
Vilhelm.
von Ladenberg
(kontras.) Rintelen.
Verordnung über die Aufhebung der P Gerichtsbarkeit und des cri⸗ mirten Gerichtsstandes, so wie über die anderweitige Organi⸗ sation der Gerichte.
An
des Königs Majestät. 1
Ew. Königliche Majestät haben durch das Allerhöchste Patent vom 5teu d. M. unter Anderem auch die baldige Publication einer Verordnung über die Aufhebung der Privat⸗Gerichtsbarleit und des eximirten Gerichtsstandes, so wie über die anderwestige Organisation der Gerichte in den altländischen Provinzen, buldreichst verheißen. Durch eine solche Verordnung wird einem dringenden Zeitbedürfnisse en sprochen werden. — Im Artikel 40 der Verfassungs⸗Uvkunde ist die Aufhebung der Gerichtsherrlichkeit ohne Entschädigung bereits aus⸗ gesprochen, es müssen daher die Privatgerichte baldmögl chst vom Staate übernommen und den Königlichen Gerichtsbehörden einverleibt werden; nicht minder sind durch Artikel 4 der Verfassungs⸗Urfunde alle Standesvorrechte abgeschafft, die Aufhebung des zeitherigen pri⸗ vilegirten Gerichtsstandes, welcher auf der Anerkennung solcher Stan⸗ desvorrechte beruht, ist demnach eine nothwend ge Folge jener Be⸗ stimmung. An diese beiden Maßregeln muß sich nothwendig eine anderweitige Organisation der Gerichts⸗Behörden anschließen, denn der Uebergang eines großen Theils der zeitherigen Geschäfte der Obergerichte auf die ordentlichen Gerichte erster Instanz bedingt in leicher Weise, wie die verheißene Mündlichkeit und Oeffentlichkeit der Rechtspflege, einerseits eine kollegialische Verfassung aller Unterge⸗ richte, andererseits eine Neugestaltung der Verhältnisse der Oberge⸗ richte. Die ersteren müssen in den Stand gesetzt werden, auch die in der Regel wichtigeren Rechts⸗Angelegenheiten der zeitherigen Exi⸗ mirten zur Befriedigung der Parteien zu erledigen und den Vor⸗ schriften über die mündliche kollegialische Verhandlung der Civil⸗ und Strafsachen zu genügen, die letzteren treten, nachdem die zeither bei ihnen in erster Instanz verhandelten Rechtssachen der Eximirten auf die Gerichte erster Instanz übergegangen sind, in das Verhältniß von Appellationsgerichten und haben außerdem nur beizubehalten, welche Ausflüsse des ihnen beigelegten Rechts der Auf⸗ sicht über die Untergerichte ihres Sprengels sind. nothwendigen neuen Gestaltung der Gerichte hat davon abgesehen werden müssen, die rheinische Justiz⸗Einrichtung in die östlichen Pro⸗ vinzen des Staats zu verpflanzen.
der in diesen Provinzen geltenden gesetzlichen Vorschriften über die
I
diejenigen Geschäfte Bei der hiernach
Die wesentliche Verschiedenheit Behandlung der Nachlaß⸗, Vormundschafts⸗ und Hypotheken⸗Sachen, 1 . 8 8½ 8
1“
so wie der Civil⸗Prozesse, macht eine solche Verpflanzung so lange unmöglich, bis durch die Revision der Gesetzgebung die Hin⸗ dernisse beseitigt sein werden, welche der an sich sehr wün⸗ schenswerthen Herbeisührung einer übereinstimmenden Gerichts⸗ Verfassung im ganzen Staate entgegenstehen. Aeußerst zahl⸗ reiche Petitionen aus den östlichen Provinzen haben sich überdies entschieden gegen eine Einrichtung erklärt, durch welche in Folge der nicht zu vermeidenden Aufhebung einer großen Anzahl jetzt be⸗ stehender Gerichte den mittleren Städten, deren Nahrungs⸗Verhält⸗ nisse ohnehin so sehr gelitten haben, die empfindlichsten Nachtheile zugefügt werden würden. Die von uns ehrfurchtsvoll vorgeschlagene neue Brganisation der Gerichte soll sich daher möglichst an die schon bestehenden Gerichts⸗Cinrichtungen anschließen und nur diejenigen nothwendigen Veränderungen herbeiführen, welche Lurch die verän⸗ derten Verhältnisse geboten sind. Aus gleichen Rücksichten ist von der ursprünglich beabsichtigten Vereinigung des rheinischen Revisions⸗ und Cassationshofes mit dem geheimen Ober⸗Tribunal, so wie von der Aufhebung des Ober⸗Appellationsgerichts zu Greifswald und des Justiz⸗Senats zu Ehrenbreitstein, für jetzt abgesehen worden. So wenig die zuerst gedachte Vereinigung, welche bereits durch Arttkel 91 der Verfassungs⸗Urkunde angeordnet ist, künftig wird unterbleiben dürfen, und so sehr es nothwendig werden wird, die unbedeutenden Bezirke der Obergerichte Bu Greifswäald und Ehrenbreitstein anderen benachbarten Obergerichts⸗Sprengeln einzuverleiben, so erscheint ses doch nach unserem ehrfurchtsvollen Erachten zweckmäßig, diese Maß⸗ regeln, gegen welche aus den betreffenden Landestheilen mehrfach Wi⸗ derspruch erhoben worden ist, den versammelten Kammern und bis dahin vorzubehalten, daß in Neu⸗Vorpommern, so wie am Ostrhein, wenigstens die dort nech geltende abweichende Prozeß⸗Gesetzgebung beseitigt sein wird. (§. 32 des Entwurfs.) 8
Bezug auf den näheren Inhalt des hier allerunterthänigst beigefügten Verordnungs⸗Entwurfs erlauben wir uns, Folgendes ehr⸗ urchtsvoll zu bemerken: G
Der erste Abschnitt desselben betrifft die Aufhebung der Privat⸗ Gerichtsbarkeit und die Auseinandersetzung wegen der Nutzungen und Lasten bei Uebernahme der Privatgerichte. Die hierauf bezüglichen, in den 83. 1— 3 enthaltenen Bestimmungen beruhen auf den Grund⸗ sitzen, welche schon früher bei Aufhebung der städtischen Gerichte Anwendung gesunden haben und in neuerer Zeit, bei der Vereini⸗ gung von Patrimonia'gerichten mit Königlichen Gerichten, festgehal⸗ ten worden sind. Was die bei soichen Privatgerichten gegenwärtig⸗ angestellten richterlichen Beamten betrifft, so ist zur Uebernahme der⸗ selben in den Staatsdienst eine rechtliche Verbindlichkeit für den Staat nur rücksichtlich derjenigen dieser Beamten vorhanden, welche ebenslänglich angestellt sind und deren Anstellungs⸗Urkunden die un⸗ bedingte Bestätigung der vorgesetzten Dienstbehörde erhalten haben. In Bezug auf einen großen Theil derselben hat nämlich schon seit den Jahren 1821 und 1837, weil schon damals die Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit beabsichtigt wurde, die Maßregel Anwendung ge⸗ funden, daß Anstellungs⸗ oder Vertrags⸗Urkunden der Patrimonialrichter nur mit einem Vorbehalte bestätigt worden sind, nach welchem sie sich deren Aufhebung gefallen lassen müssen, wenn eine Vereinigung des Ge⸗ richts mit einem Königlichen oder K.eisgerichte erfolgen oder die Gerichts⸗ barkeit an den Staat abgetreten werden sollte. Ein Anspruch auf unbedingte Uebernahme in den Staatsdienst steht daher solchen Pri⸗ vatrichtern nicht zu, die Blligkeit aber erfordert um so mehr eine Berücksichtigung derselben bei der Besetznng geeigneter Stellen, wenn sie sich durch praktische Erfahrung und Brauchbarkeit empfehlen. An Gelegenheit zu dieser Berücksichtigung wird es bei der Besetzung von Richter⸗, Staatsanwalt⸗ und Justizkommissarien⸗Stellen nicht fehlen.
Im zweiten Abschnitt sind die Bestimmungen über die Aufhe⸗ bung des privilegirten und eximirten Gerichtsstandes enthalten.
Der dritte Abschnitt bestimmt die Einrichtung der Gerichtsbehör⸗ den, wonach die Justiz⸗Verwaltung in erster Instanz durch kollegia⸗ lisch eingerichtete Kreis⸗ und Stadtgerichte in Verbindung mit Ein⸗ zel⸗Richtern, in zweiter Instanz durch Appellations⸗Gerichte, in letz⸗ ter Instanz durch das Ober⸗Tribunal ausgeübt werden soll. Unter⸗ gerichte für eine Seelenzahl von durchschnittlich 50,000, deren Be⸗ zirke sich möglichst an die Kreis⸗Eintheilung anschließen, werden nach unserem ehrfurchtsvollen Dafürhalten den Verhältnissen am meisten entsprechen. Ihre Einführung ist schon durch das Edikt vom 30. Juli 1812 (Gesetzsammlung Seite 141 ff.) beabsichtigt worden.
Die Gewährung von Einzelrichtern für solche Theile des Juris⸗ dictions⸗Bezirks, welche von dem Sitze des Gerichts entfernt liegen, wird den Bedürfnissen der Einsassen solcher entfernter Orte, wenn sie durch Abhaltung von Lokal⸗Gerichtstagen nicht befriedigt werden kön⸗ nen, Genüge leisten. Diese Einzelrichter sollen als Mitglieder des Gerichts, welches für den ganzen Bezirk bestellt ist, angesehen wer⸗ den, jedoch einen selbseständigen Wirkungskreis erhalten und diesem Wirkungskreise bleibend angebhören; denn sie werden in ihrem Ein⸗ kommen mit den übrigen Mitgliecdern des Gerichts nach den Bestim⸗ mungen des Etats vorrücken, daher keine Veranlassung haben, behufs der Verbesserung in ihrem Gehalte eine Veränderung ihrer Stellung zu wünschen. Es darf erwartet werden, daß es pflichtgetreuen Ein⸗ zelrichtern gelingen werde, sich das Vertrauen ihrer Gerichtseingeses⸗ seuen zu erwerben und auf ihre Verhältnisse cinen wohlthätigen Ein⸗ fluß auszuüben.
An Orten, an welchen jetzt größere Gerichte bestehen, deren Ver⸗ einigung mit dem Hauptgerichte am Sitze des letzteren nach dem Grund⸗ satze des §. 19 des Entwurfe erfolgen müßte, soll es nach §. 21 zulässig sein, solche Gerichtskollegien als Deputationen und Abtheilungen der Kreisgerichte beizubehalten. Hiernach wird den Wünschen derjenigen Städte entsprochen werden köonnen, welche durh die Organisation in die Lage versetzt werden würden, die ihnen zeither gewährten größe⸗ ren Gerichte ganz zu verlieren. Es hat von uns für billig erachtet werden müssen, diesen Wünschen entgegenzukommen, so weit durch deren Gewäheung die Errichtung eines mit der erforderlichen Anzahl von Richtern besetzten Kreisgerichts nicht gefährdet wird. Von den im §. 24 des Entwurfs beibehaltenen Obergerichten werden ohne Zweifel mehrere künstig aufgehoben werden müssen, da es angemessen erscheint, daß für Appellationsgerichte größere Bezirke gebildet wer⸗ den, hierdurch auch eine Verminderung der Kosten erreicht werden wird. Wir haben jedoch nicht geglaubt, eine solche Aufhebung zu einer Zeit in Vorschlag bringen zu dürfen, in welcher durch die Um⸗ gestaltung der Untergerichte ohneyin sehr eingreifende Veränderungen der Verhältnisse eintreten werden.
In Bezug auf die übrigen Bestimmungen des Entwurfs, wel⸗ cher bereits früher die Allerhöchste Billigung Ew. Königlichen Maje⸗ stät erhalten hat, finden wir nichts weiter zu bemerken, indem wir uns erlauben, auf die Motive des früheren, zur Vorlegung bei der National⸗Versammlung bestimmten Entwurfs unterthänigst Bezug zu nehmen. 1
Eine Revision der Gebühren⸗Taxen ist eingeleitet und die Vor⸗ lage eines hierauf, so wie auf die Sportelkassen⸗Verwaltung der Ge⸗ richte bezüglichen Gesetzentwurfs an die zunächst zusammentretenden Kammern vorbereitet. Es soll hierbei besonders auf Herabsetzung der Sportelsätze in denjenigen Rechtsangelegenheiten Rücksicht genommen werden, in welchen sie nach der zeitherigen Erfahrung drückend er⸗
chienen sind. 2— 88 111“
Wir stellen auf Grund des Artikels 105 der Verfassungs⸗ Ur⸗ kunde ehrfurchtsvoll anheim: die unterthänigst überreichte Verordnung Allergnädigst genehmigen und vollziehen zu wollen. 8 Berlin, den 30. Dezember 1848.
Das Staats⸗Ministerium.
Graf von Brandenburg. von Ladenberg. von Manteuffel. von Strotha. Rintelen. von der Heydt. Für den Finanz⸗ Minister: Kühne. von Bülow.
Verordnung 8
über die Einführung des mündlichen und öffentlichen
Verfahrens mit Geschworenen in Untersuchungs⸗ sachen.
Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen ꝛc. ꝛc. verordnen in Ausführung der Artikel 92 und 93 und auf Grund des Artikels 105 der Verfassungs⸗Urkunde für den ganzen Umfang Unserer Monarchie, mit Ausschluß des Bezirks des Appellationsge⸗ richtehofes zu Köln, auf den Antrag Unseres Staats⸗Ministeriums,
was folgt:
A11
Allgemeine Vorschriften über das Verf Untersuchungen.
Anklage⸗ Prozeß. Die Gerichte sollen bei Einleitung und Führung der Untersu⸗
chungen wegen einer Gesetzes⸗Uebertretung nicht ferner von Amts wegen, sondern nur auf erhobene Anklage einschreiten. . 2. Staatsanwaltschaft. ei iebe Appellationsgericht soll ein Ober⸗Staatsanwalt und für jedes Kreis⸗ oder Stadtgericht ein Staatzanwalt aus der Zahl der zum höheren Rschteramte befähigten Beamten bestellt werden dessen amtlicher Beruf es ist, bei Verbrechen die Ermittelung der Thäter herbeizuführen und dieselben vor Gericht zu verfolgen.“ Jedem Staatsanwalte sind, so weit das Bedürfniß es erfordert vom Zustiz⸗Minister Gehürfen beizuordnen, welche unter seiner Auf⸗ sicht stehen und seinen Anweisungen Folge leisten müssen, überall aber, wo sie für ihn auftreten, zu allen Verrichtungen desselben be⸗ rechtigt sind. 8
De Ober⸗Staats⸗Anwalte, Staats⸗Anwalte und deren Gehül⸗ fen gebören nicht zu den richterlichen Beamten. Sie sind in ihrer Amtssührung nicht der Aufsicht der Gerichte, sondern die Staats⸗ Anwalte der Aufsicht des Ober⸗Staats⸗Anwalts und dieser mit ihnen der des Justiz⸗Ministers unterworfen, dessen Anweisungen sie nach⸗ zukommen haben. Die definitive Ernennung der Ober⸗Staats Anwalte und Staats⸗Anwalte erfolgt durch Uns auf den Antrag des Instiz⸗ Ministers.
Verhältniß der Staats⸗Anwaltschaft zu anderen Behörden.
Den Polizei⸗Behörden und anderen Sicherheits⸗Beamten ver⸗ bleibt die ihnen gesetzlich obliegende Verpflichtung, Verbrechen nach⸗ zuforschen und alle keinen Aufschub gestattenden vorbereitenden An⸗ ordnungen zur Aufklärung der Sache und vorläufigen Hastnahme des Thäters mit Beobachtung der Vorschriften des Gesetzes vem 21. Septemb. 1848 (Gesetzsamml. S. 257—259), zu treffen. Sie ha⸗ ben jedoch die von ihnen aufgenommenen Verhandlungen dem be⸗ treffenden Staats⸗Anwalte zur weiteren Veranlassung zu übersenden, auch den Requisitionen desselben wegen Eirleitung oder Vervollstän⸗ digung solcher polizeilicher ö“” Folge zu leisten.
„Die Gerichte sind verpflichtet, von Verbrechen, welche amtlich zu ihrer Kenntniß kommen, dem Staats⸗Anwalte sogleich Mitthei⸗ lung zu machen, auch den von demselben an sie gerichteten Anträgen wegen Feststellung des Thatbestandes und wegen sonst erforderlicher Ermittelungen zu genügen und, wenn es nöthig ist, einen Unter⸗ suchungsrichter zu ernennen. Waͤltet Gefahr im Verzuge ob, so hat das Gericht auch ohne Antrag des Staateanwalts alle dieje⸗ nigen Ermittelungen, Verhaftungen oder sonst gen Anordnungen vor⸗ zunehmen, welche nothwendig sind, um die Verdunkelung der Sache
Niemand schulrlos verfolgt werde.
zu verhüten. Die Verhandlungen hierüber sind demnächst dem Staats⸗ anwalt mitzutheilen.
Iö Dem Staatsanwalt legt sein Amt die Pflicht auf, darüber zu wachen, daß bei dem Strafverfahren den gesetzlichen Vorschriften überall genügt werde. Er hat daher nicht blos darauf zu achten, daß kein Schuldiger der Strafe entgehe, sondern auch darauf, daß
S. 7. — Untersuchungs⸗Verhandlungen, Verhaftungen oder Beschlagnah⸗ men hat der Staatsanwalt, wenn nicht Gefahr im Verzuge obwaltet und der Fall der Ergreifung auf frischer That vorliegt, nicht selbst vorzunehmen, sondern solche nach den Umständen entweder bei der Polizei⸗Behörde oder bei dem betreffenden Gerichte zu beantragen. Er ist jedoch befugt, allen polizeilichen und gerichtlichen Verhaudlungen, welche Gegenstände seines Geschäftskreises betreffen, beizuwohnen, mit dem Beamten, welcher die Verhandlung zu führen hat, in un⸗ mittelbare Verbindung zu treten und seine Anträge und Mittheilun⸗ gen zur Förderung des Zweckes der Untersuchung an diesen Bramten zu richten. Dem Staatsanwalt steht die Einsicht aller polizeilichen und ge⸗ richtlichen Akten, welche sich auf einen zu seinem Geschäftskreise ge⸗ hörenden Gegenstand beziehen, jederzeit frei. Auch gehört es zum Berufe desselben, den Unvollständigkriten, Verzögerungen oder son⸗ stigen Unregelmäßigkeiten, welche er in den Untersuchungen wahr⸗ nimmt, durch Anträge bei der vorgesetzten Behörde des die Unter⸗ suchung führenden Bramten Abhülfe zu schaffen. ““ §. 9. ““
Verbrechen, deren Bestrafung die Gesetze von dem Nnerdee Privatperson abhängig machen, darf der Staatsanwalt nur dann vor Gericht verfolgen, wenn hierauf von jener Person angetragen wor⸗ den ist. Doch ist er sowohl in diesen Fällen, als auch dann, wenn bei Verbrechen anderer Art die Betheiligten sich an ihn wenden, befugt, die gerichtliche Versolgung zu verweigern, sofern er dieselbe für gesetzlich begründet nicht erachtet.
Ueber Beschwerden wegen solcher Weigerungen hat der Ober⸗ Stoatsanwalt zu entscheiden. “
Dem Ober⸗Staatsanwalte steht die Befugniß zu , die Functio⸗ nen der Staatsanwaltschaft auch bei den Gerichten erster Instanz FirFrits süis Mah Ieh8 Hur887 h 16
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16“];
feines Amtsbezirks selbst oder durch einen seiner Gehülfen zu über⸗ nehmen, wenn er dies für zweckmäßig erachtet.
Die Eröffnung einer Untersuchung muß durch förmlichen Beschl
5. 12.
Gegen den Beschluß eines Gerichts, durch welchen der Antrag auf Eröffnung einer Untersuchung zurückgewiesen wird, steht dem Staatsanwalte innerhalb einer zehntägigen praͤklusivischen Frist, welche mit dem Ablaufe des Tages beginnt, an dem die Mittheilung des Bescheides erfolgt ist, die Beschwerte an das Appellationsgericht offen. Bri 8 der Entscheidung dieses Gerichts g es verbleiben. 1
§. 13.
Sowohl während der Voruntersuchung, als während des ganzen 8 Laufes der gerichtlichen Untersuchung, steht dem Gerichte die Be⸗ dehe ehs über die Verhaftung oder Freilassung des Angeklag⸗ en zu.
Beschwerden üiber den Beschluß des Gerichts gehören, vor das zuständige Appellstionsgericht, bei dessen Entscheidung es bewendet. 79n
Mündlichkeit und Oeffentlichkeit des Verfahrens. 8 Der Fällung des Urtheils soll bei Strafe der Nichtigkeit ein mündliches öffentliches Verfahren vor dem erkennenden Gericht vor⸗ hergehen, bei welchem der Staatsanwalt und der Angeklagte zu hören, die Beweisaufnahme vorzunehmen und die Vertheidigung des Angeklagten mündlich zu führen ist. 8
§. 4 Die Oeffentlichkeit der Verhandlungen kann von dem Gericht durch einen öffentlich zu verkündenden Beschluß ausgeschlossen werden, wenn es dies aus Gründen des öffentlichen Wohls oder der Sitt⸗ lichkeit für angemessen erachtet. 8 §. 16. Vertheidigung.
Der Angeklagte kann in allen Fällen, jedoch wenn eine Vorun⸗ tersuchung stattfindet (§. 42 ff., 75 ff.), erst nach Abschluß derselben sich des Beistandes eines Vertheidigers bedienen.
Bei schweren Verbrechen (§. 60) muß dem Angeklazten ein Vertheidiger, falls er einen solchen nicht erwählt hat, von Amt wegen bestellt werden. ““
Den der nicht, müssen die Untersuchungs⸗Akten auf Verlangen in der Gerichts⸗Re⸗
I. 11 2 5 “ 1 Dem Vertheidiget, der Angeklagte möge verhaftet sein o gistratur zur Einsicht vorgelegt werden. Eine Verabfolgung derselbe
an den Vertheisiger ist nicht gestattet. §. —2 8 Zwangsmittel jeder Art, durch welche der Angeklagte zu irgend einer Erklärung genöthigt werden soll, siad unzulässig. Hat eine Beweisaufnahme durch Einnehmung des Augenscheins an Ort und Stelle statgefunden, so muß das darüber aufgenom⸗ mene Protokoll bei dem mündlichen Verfahren vorgelesen werden. Zeugtn, welche nicht vorgeladen worden, jedoch in der Nähe be⸗ findlich sind, kann der Richter sogleich durch den Gerichtsdiener ge⸗ stellen lassen, im altiven Dienste stehende Militairpersonen jedoch nur mit Genehmigung ihrer Vorgesetzten. — Dasselbe gist von gehörig vorgeladenen, aber ausgebliebenen Zeugen. Hat ein solcher Zeuge sein Ausbleiben nicht im voraus entschuldigt, so kann gegen ihn von dem Gericht ohne weiteres Ver⸗ fahren eine Geldbuße bis zu 20 Rehlr. oder eine Gefängnißstrafe bis zu acht Tagen, und die Verpflichtung zur Tragung aller Kosten festgesetzt werden, welche durch die von ihm verursachte Ansetzung eines neuen Termins entstehen. Die Niederschlagung dieser Strafe und die Entbindung von der Kostentragung ist von dem Gericht nur
dann zu bewilligen, wenn der Zeuge binnen 14 Tagen nach Zustel⸗ lung der Strafverfügung sein Ausbleiben genügend eutschuldigt.
§. 21. 1
Kann bei dem mündlichen Verfahren die Vernehmung ei nes Zeugen wegen Krankheit, Alterschwäche, großer Entfernung, oder wegen anderer unabwendbarer Hindernisse nicht erfolgen, so ist solche anderweit zu bewirken, und in diesen Fällen, so wie alsdann, wenn ein schon zuvor gerichtlich vernommener Zeuge inzwischen verstorben ist, das Vernehmungs⸗ rotokoll bei dem mündlichen Verfahren vor⸗
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zulesen. 1 8 8 22 8
Beweis und Urtel. X“ Die bestehenden gesetzlichen Vorschriften über das Verfahren bei Aufnahme der Beweise, insbesondere auch darüber, welche Personen als Zeugen vernommen und vereidet werden dürfen, bleiben ferner maßgebend. — Dagegen treten die bisherigen pesitiven Regeln über die Wir⸗ kungen der Beweise außer Anwendung. Der erkennende Richter hat fortäan unter genauer Prüfung aller Beweise für die Anflage und Vertheidigung nach seiner freien, aus dem Jubegriffe der vor ihm erfolgten Verhandlungen geschöpften Ueberzeugung zu entscheiden, ob der Angeklagte schuldig oder nicht schuldig sei. Er ist aber verpflichtet, die Gründe, welche ihn dabei geleitet haben, in dem Ur⸗ theile e Auf vorläufige Lwosprechung (Fre sprechung von de soll nicht mehr erkannt werden. .“ §. 23. Der für schuldig Erklärte ist zur vollen gesetzlichen Strafe zu verurtheilen. b Einer Belehrung des Verurtheilten über die ihm zustehenden Rechts⸗ mittel bedarf es nicht. 1 Abwesende und flüchtige Verbrecher sind auf den Antrag des Staats⸗Anwalts mittelst Ediktalien vorzuladen. Die §§. 577, 578 580, 581, 585 und 587 der Kriminal⸗Ordnung treten außer Kraft, wogegen es bei den Vorschriften der 88. 579, 582, 583, 584 und 586 daselbst verbleibt. Die Beschlüsse des Gerichts und seiner Abtheilungen werden, auch wenn es auf Fällung des Urtheils ankommt, durch Stimmen⸗ mehrheit gefaßt. Eine Bestätigung des richterlichen Urtheils durch den Justizmini⸗ 1 erner statt.
Abschnitt II.
Besondere Vorschriften über das Untersuchunge⸗ Verfahren.
8 1. Bei Vergehen.
“ 0 hung derjenigen Vergehen, welche in den Gesetzen mit r ee.
Die Untersuchung und die Entscheidung erster Instanz in imse⸗
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