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scheint uns nicht schwer. Fassen wir die wichtigeren von den mit eigentlichen Finanzzöllen belegten Gegenständen der Waaren⸗ Ein⸗ fuhr ins Auge und abstrahiren wir von der für den vorliegenden Zweck irrelevanten Gewichtsdifferenz zwischen dem wiener Centner un Zoll⸗Centner, sind besteuert:
hen 8 g5 in Oesterreich, Rthlr. Sgr. Pf.
822 6
—
im Zollverein, Rthlr. Sgr. Pf. 6 15
15 —
*
Raffinirter Zucker Rohzucker für Sieder 5
½ — 5 6
6 6
Branntwein inkl. Zuschlag.. Rum, Arak degll Rosinen, Korinthen ꝛc. VENIcwrü.. ... Käse ““ 6 Baumöl 2 Saatöl SO .. 8 6 Muskatnüsse 2 88 Pfeffer.. 14 — Zimmt. 2 105 — — Cassia lignaau WV6“
Man sieht, daß bei der Mehrzahl der Gegenstände die Diffe renz schon jetzt nicht allzu groß ist, und man kann wohl erwarten, daß die übertrieben hohe und für die Staatskasse gewiß sehr nach⸗ theilige Besteuerung der Gewürze in Oesterreich einem mäßigen Zolle Platz machen werde. Ein sehr wichtiger Artikel fehlt frei⸗ lich in dem vorstehenden Verzeichniß, weil er kein Gegenstand des freien Handels ist: der Taback. Hoffen wir, daß es der österreichi⸗ schen Regierung gelingen werde, durch Aufhebung des bestehenden Monopols einem gesetzlichen Handel mit dieser Waare Bahn zu brechen.
Dies wären die auf die Handelsverhältnisse im engeren Sinne bezüglichen Fragen. Daß wir gegenseitige Vereinbarungen über Münzen, Maße und Gewichte, über Handels⸗ und Seerecht, über Flußschifffahrts⸗, Post⸗, Eisenbahn⸗ und Telegraphenwesen u. s. w. eben so freudig begrüßen werden, als die Wiener Ztg., versteht sich von selbst; Preußen hat, nachdem es bei Vereinbarung des gemeinsamen deutschen Wechselrechts die Initiative ergriffen hat, und nachdem es mit der Eröffnung der Staats⸗Telegraphen für das Publikum in Deulschland vorangegangen ist, hierbei nur auf einer schon betretenen Bahn fortzuschreiten.
Damit sind wir aber auf dem Punkte angelangt, auf welchem sich, zu unserem Bedauern, unser Weg von demjenigen der Wiener Zeitung trennt; in den materiellen Grundprinzipien waren wir ein⸗ verstanden, in der Frage über die formelle Behandlung gehen wir aus einander.
Der erste Schritt zur Annäherung ist es, worauf es jetzt für Deutschland, wie für Oesterreich allein ankommt. Weiter zu gehen. und das Gesetz zu bestimmen, nach welchem sich das jetzt zu knüpfende Band im Verlauf der Jahre immer enger zusammen ziehen soll, halten wir weder für zulässig, noch für nöthig.
Wir haben es schon oben angedeutet, daß wir es uns nicht zutrauen, zukünftigen Entwickelungen ihre Regel vorzuschreiben. Die Gegenwart gehört uns, wir wissen, wie unsere politische und staatswirthschaftliche Lage heute beschaffen ist, wir können ermessen, welchen Einfluß es auf diesen oder jenen Zweig der Industrie oder des Handels haben wird, wenn wir den Zoll für diese oder jene Waare erhöhen oder ermäßigen. Wir verrechnen uns freilich zu⸗ weilen dabei, aber wir haben doch in dem Vorhandenen, uns Be⸗ kannten eine feste, positive Grundlage. Wie wollen wir aber, wir, die Alle das Jahr 1848 erlebt haben, es unternehmen, zu sagen, welche Gestalt unsere Politik und unser national⸗öͤkonomischer Zu⸗ stand nach Verlauf von fünf Jahren haben werde, geschweige denn nach zehn und funfzehn Jahren, ein Zeitraum, welcher bis zum Eintritt der vierten Periode der Wiener Zeitung doch wohl ver⸗ laufen möchte? Nehmen wir ein dem System der Wiener Zei⸗ tung entsprechendes Beispiel. Die oͤsterreichische Regierung ist heute wohl in der Lage, zu beurtheilen, ob ihre Seiden⸗Fabrication lohnend würde bestehen können, wenn deutsche Seidenwaaren zu ei⸗ nem Zollsatze von z. B. 160 Fl. pr. Centner zugelassen würden, woher will sie aber die Unterlagen nehmen, um zu ermessen, welchen Einfluß es auf jene Fabrication haben werde, wenn dieser Satz nach fünf Jahren auf 120 Fl., nach weiteren fünf Jahren auf 80 Fl. und nach nochmaligen fünf Jahren auf 40 Fl. herab⸗ gesetzt wird? Woher will sie die Ueberzeugung nehmen, daß im Laufe eines funfzehnjährigen Zeitraums die österreichische und die deutsche Industrie ganz gleichmäßig fortschreiten, oder daß die erstere der letzteren den Vorsprung abgewinnen werde? .
Ein solches Vorwärtsgreifen in die Zukunft ist nicht möglich, es ist aber auch nicht nöthig. Entweder finden Oesterreich und Deutschland im Laufe der Zeit, daß eine noch engere Annäherung ihrem Interesse zusage oder nicht. Im ersten Fall, den wir für den wahrscheinlichen halten, wird es ihnen nicht schwer fallen, sich über die Art und Weise dieser engeren Annäterung zu verständigen, und es wird diese Verständigung sehr viel leichter sein, wenn sie von den gemachten Erfahrungen und von dem alszann 2 denen Zustande ausgeht, als wenn sie in eine Jahr⸗ f
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an a. . 8 Sorher entworfene Regel hineingezwängt werden soll. In letzterem Falle ürden beide Kontrahenten oder würde der eine Kontrahent Zeywaagen seir, eimnen ihm positiv nachtheiligen Vertrag auszuführen. Tie Wiener Zei⸗ tung will für diesen Fall Vorsorge getroffen wissen, baß der Ab⸗ lauf ihrer Perioden hinausgeschoben werden könne; sie frage den wiener Handelsstand, was der zu einer auf diese Weise zum Prin⸗ zip erhobenen Unsicherheit der Tarifsätze sagen würde. Und wenn 1b 8 n' der ein oder zwei Respitjahre die Interessen noch 9 Eieeben wie vorher? Wir appelliren an die Geschichtskunde schehen pfl r Zeitung über das, was in solchen Fällen zu ge⸗ — r egt und was sicherlich zur Einigung nicht beiträgt.
Zeitung . Usanen he. deenn 12 “ aber, daß man diesen Zeitpunk 6 8 5 “ glauben fuͤhren “ Zeitpunkt auf keinem Wege sicherer herbei⸗ Mren in, als wenn man sich jetzt über die Gegenwart in einem Sinne verständigt, welcher, in der Annäherung der gegenwärtigen Interessen, den Keim zu einer noch engeren Verschmen b 9
künftigen von selbst in sich trägt. schmeigens ver zn⸗
Oesterreich. Wien, 4. Nov. Der heutige 2
det: „Ihre Majestäten die Kaiserin⸗Mutter Bede. hent von Preußen und Sachsen, so wie auch Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Johann von Sachsen, sind mittelst Separatzuges im eigenen preußischen Hofwagen sammt einem zahlreichen Gesolge hier angelangt. Ihre Majestäten die Königinnen traten vorgestern um sechs Uhr Morgens die Reise von Berlin an, kamen über Breslau um ein halb zwei Uhr Nachmittags nach Oderberg und langten um elf Uhr Nachts in Floris⸗ dorf an. Daselbst mußten von den preußischen Klassenwagen die 18 4 8
1 ZZZ1XAX“ Fußtritte abgeschraubt werden, indem erstere sonst die Brücke ni hätten passiren können. Se. Majestät der Kaiser, in Mar⸗ schalls⸗Uniform und mit dem Königl. preußischen Schwarzen Adler⸗Orden geziert, dann der Kaiserl. General⸗Adjutant Sr. Ma⸗ jestät, Graf Grünne, ferner der preußische und sächsische Herr Ge⸗ sandte sammt ihren Attaché's in Uniform empfingen die allerhöch⸗ sten Gäste im Bahnhofe, woselbst acht sechespännige und bei zehn zweispännige Hofwagen zur Disposition der Angekommenen standen. Nachdem Se. Majestät die hohen Gäste herzlich begrüßt hatte, setz⸗ ten dieselben sofort ihre Fahrt nach Schönbrunn fort. Erzherzog Ludwig wurde gestern auch in Schönbrunn erwartet. Se. Kaiserl. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Franz Karl hat aus Anlaß der Feier seiner silbernen Hochzeit dem Gemeinde⸗Rathe der Stadt Wien einen Betrag von 625 Fl. C. M. aus höchstseiner Privatkasse mit der Widmung übergeben lassen, davon 25 dürftige und würdige Ehepaare, welche Kinder haben und in diesem Jahre dieselbe Feier begehen, nämlich 25 Jahre verheirathet sind, und zwar jedes Paar mit 25 Fl. zu betheiligen.“
Die Presse berichtet: „Se. Majestät der Kaiser besichtigte vorgestern Nachmittag das hier durchmarschirende Landwehr⸗Batail⸗ lon von Großherzog von Baden Infanterie⸗Regiment. In der Suite des Kaisers befanden sich die Erzherzoge Leopold und Wil⸗ helm. Die Truppe fuührte mit groͤßter Präzision vor Sr. Majestät ühs⸗ taktische Bewegungen aus und defilirte mit halben Divi⸗ onen.“
Bayern. München, 2. Nov. (Nürnb. Korr.) Die heutige Sitzung der Kammer der Abgeordneten, in welcher die De⸗ batte über die deutsche Frage beginnen sollte, begann um zehn Uhr. Die Gallerien sind überfüllt, die Logen des Hofes, der Reichsräthe und der Diplomaten sind gleichfalls gedrängt voll. Am Minister⸗ tische befinden sich die Herren von der Pfordten, Dr. Ringelmann, von Zwehl, Dr. Aschenbrenner, von Lüder, die Ministerial⸗Kom⸗ missäre von Kiliani, von Bezold, von Wanner, von Passevant, Burkart, Molitor, von Kleinschrod. Nach Mittheilung zweier li⸗ thographirter Adressen über die neue Centralgewalt, vom constitu⸗ tionell⸗-monarchischen Verein in München und vom vaterländischen Verein in Erlangen, wird zur Tagesordnung: Berathung und Schlußfassung über den Vortrag des Ausschusses für die deutsche Frage, übergegangen:
Nubner ergreift zuerst das Wort, um der Majorität Dank dafür zu sagen, daß sie seinem neulichen An'rage auf Druck der fehlenden Akten⸗ stücke willfahrt habe, trotzdem dieser Antrag von der Linken ausgegangen; er ersucht sie, dies auch heute zu thun, und fragt bei dem Minister des Aeußern an, ob er auch die Antwort des österreichischen Minister⸗Präsiden⸗ ten Fürsten von Schwarzenberg, die er dem Ausschuß mündlich mittheilte, der Kammer eröffnen wolle. Minister von der Pfordten: Die Antwort der österreichischen Regierung war eine dilatorische, sie erklärte, daß sie sich noch nicht bestimmt aussprechen könne. Er müsse übrigens die Veröffent⸗ lichung fraglicher Mittheilung unterlassen, einmal aus diplomatischer Disere⸗ tion und zweitens, um nicht störend und hemmend in die reifenden Ent⸗ schlüsse Oesterreichs einzugreifen, was für das Gesammtvaterland nicht ersprießlich sein dürfte. Rubner: Da der Vorsizzende der deut⸗
schen Kommission neulich erklärte, daß die Ze tungen den Inhalt der Aktenstücke ziemlich richtig veröffentlicht hätten, so haben wir den Auszug aus der schwarzenbergschen Note, wie ihn öffentliche Blätter gaben, drucken lassen, um der Kammer einen Anhaltspunkt zu geben. Thinnes verwahrt sich dagegen, als hätte er die Richtigkeit des Inhalts in den Zeitungen verbürgt. von der Pfordten betrachtet die Ausschuß⸗ mitglieder als Vertrauensmänner der Kammer, und diesen habe er vertrau⸗ liche Mittheilungen gemacht, aber nicht, damit sie dieselben veröffentlichen sollen. Er habe übrigens gewünscht, daß im Ausschusse alle Fractionen vertreten sein möchten und dies vor der Wahl vertraulich geäußert. Schließlich spricht er gegen die Meinung, als sei in dem Aktenstücke wirklich so sehr Relevantes enthalten.
Vor der Debatte hatten sich 11 Redner eingeschrieben. Der Präsident ertheilt dem ersten, Freiherrn von Lerchenfeld, das Wort: Mein Standpunkt, meine Herren, ist die Prüfung der Wirksamkeit unseres Mini⸗ steriums. Hat es die Interessen Bayerns gewahrt und eine Haltung an⸗ genommen, die Deutschland frommt? Das ist die erste Frage. Mit dem Zustandekommen der Reichsverfassung in Frankfurt war die Thätigkeit der National⸗Versammlung geschlossen; von dem Augenblick an, wo der König von Preußen die Annahme der Kaiserkrone ablehnte, war die Verfassung unvollendet, und sollte Bayern dieser unvollendeten Verfassung beitreten? Das durfte Bayern nicht, um nicht die herrschende Verwirrung zu ver⸗ mehren. Eine zweite Frage ist die: sollte Bayern die Durchfuhrung die⸗ ser Verfassung unterstutzen? Gewiß durfte es dies nicht, um keinen Niß in die Karte von Deutschland zu bewirken und außerdem, um Ruhe und Ordnung zu erhalten. Das Ministerium hat auch dadurch für die Einheit Deutschlands gewirkt, indem es gegen die preußischen Vorschläge sich aussprach, die einen Riß in Deutschland auf Jahrhunderte bewirkt und Oesterreich ausgestoßen hätten. Ich komme nun zur neuen provisorischen Centralgewalt. Ich begrüße dieselbe als ein freudiges Ereigniß, wenn auch das constitutionelle Prinzip als gefährdet und bedroht erscheint, indem alle kleineren deuischen Staaten bis zum 1. Mai 1850 von dem Antheil an den Geschicken Deutschlands ausgeschlossen sind, was um so gefährlicher ist und uns zu doppelter Aufmerksamkeit auffordert, da das constitutionelle Prinzip in Deutschland immer mehr gefährdet erscheint. Allein betrachten wir die Verhältnisse. Die Centralgewalt wurde nicht mehr anerkannt, war schwach und hülslos und gab dadurch Veranlassung zu gänzlicher Rechtsverwirrung; so kam es, daß eine neue Gewalt geschaffen werden mußte. Kann ich auch von meinem Standpunkte aus das Faktum des neuen Verhags nicht billigen, so muß ich doch dem sich anschließenden Ministerium beistimmen, da der⸗ selbe eine dringende Lücke ausfüllt und blos provisorisch ist. Er darf auch nur provisorisch sein, um für Deutschland segenbringend und nicht vernich⸗ tend zu werden. Gegen ein projektirtes Klein⸗Deutschland muß sich der Red⸗ ner im Interesse des wahren Constitutionalismus aussprechen, die Theorie sei zwar schön und würde vor 20 Jahren gut gethan haben, allein j tzt sei sie praktisch nnausführbar. Was uübrigens den Anschluß an Großmächte überhaupt betreffe, so führe derselbe immer zur Mediatisirung, und diese werde eintreten, wenn die Idee, ein einiges Deutschland zu erreichen, nicht durchge⸗ füh t werde. Der Redner schildert nun die Vortheile, die aus einem Anschlusse an Oesterreich erwachsen würden für Handel, Colonisation und Fabrication, verhehlt aber anch nicht die Nachtheile, die für das constitutionelle Prinzip Baverns darin lägen. Er geht nun auf die Drobungen der preu⸗ zischen Büreaukratie über, Bayern aus dem Zollverein auszuschließen, wor⸗ auf die Zurückhaltung der „Zollgefälle selbst hindeute, und bemerkt, daß Preußen mehr als Bavyern dabei verlieren würde. Aus einem Anschlusse an Preußen erwachse auch blos Mediatisirung, und zwar unter sehr unbilli⸗ gen Bedingungen. Der Redner geht auf die Gründung des Zollvereins zu⸗ rück und greist weiter bis zum tilsiter Vertrage hinauf und sucht aus der Geschichte nachzuweisen, daß Preußen stets einer Einigung Deutschlands und insbesondere Süddeutschlands entgegengetreten sei und dieselbe gehindert habe. Er weist nun auf Schleswig⸗Holstein hin und fragt, ob es dort an⸗ ders gewesen? Was das Verhältniß Preußens zur Centralgewalt betreffe, so sei kein Staat derselben mehr zum Danke verpflichtet, als gerade Preußen, er erinnere nur an den malmöer Waffenstillstand, und nun war im Mai 1849 dieser Staat der erste, welcher die Centralgewalt in einer Zeit, wo deren Unterstützung im Interesse aller deutschen Länder lag, verließ und nicht mehr anerkannte. Preußen ging nun seinen eigenen Weg, pazifizirte Sachsen und Baden und beschloß die schleswig⸗holsteinische Angelegenheit — erlassen Sie mir das Wie. Der Redner kritisirt nun den preußischen Vorschlag vom 26. Mai ausführlich und macht hierbei die Bemerkung, daß uns unsere Diplomatie in den letzten 30 Jahren wenig genützt habe, wenn sie uns überhaupt ge⸗ nützt; zugleich beanstandet er das preußische Wahlgesetz. Er bestreitet die Ansicht, als sei Preußen eine Großmacht, und vindizirt ihm lediglich den Charakter
einer europäischen Macht, da ihm zu einer Großmacht die Einwohnerzahl und die materiellen Mittel fehlen. Preußen war blos stark, ehe es in die heilige Allianz eintrat, durch die es hinter Oesterreich und Rußland cksank. Preußen
walt gegeben habe.
ei ein Polizeistaat gewesen, darum sei es im Jahre 1848 so schnell zu⸗ sammengebrochen, allein durch sein Octroyiren sei es wieder auf dem Wege dahin; der wahre Constitutionalismus sei durch die preußische Büreaukratie und den Militairdespotismus zur Zeit unmöglich, denn den beiden letzteren stehen geistige wie materielle bedeutende Kräfte zu Gebot, sie haben diesel⸗ ben bereits erprobt, und der Kampf mit dem constitutionellen Prinzip wird ein harter werden. Preußen spricht immer von Opfern, die es gebracht habe; dieselben bestanden jedoch blos in den Kosten für Kokarden und Sie⸗ gel, und dafür verlangt es von uns blos das Opfer — der Media⸗ tisirung. Das werden wir nie thun. Es bleibt deshalb nur ein Mittel: die Gründung eines Bundesstaates; das ist jedoch nur ein Wunsch, Bürgschaften finden wir nirgends. Meine Herren! Es ist eine traurige Zukunft, die uns vorschwebt. Ein Theil des Volkes jauchzte, wenn in Ungarn die deutsch⸗österreichischen Brüder geschlagen wurden, Andere zählen sich die blutigen Hinrichtungen in Rastatt und Pesth wohlgefällig ab. Ueberall begegnen wir einem großen Mangel an Selbstverleugnung, wie z. B. sich dieselbe auf so schmerzliche Weise von Seiten der Regierung in den preußischen Kammern kundgibt. Preußen hat diesen Mangel an Selbst⸗ verleugnung in den Verhandlungen über die provisorische Centralgewalt deutlich zur Schau getragen. Hierzu gesellt sich in ganz Deutschland der traurige überall hervortretende Mangel an Pflichtgefühl. Das Alles zusammen gestaltet die Zukunft Deutschlands trüb und dunkel. Meine Her⸗ ren! Ich war nie ein Schmeichler, darum habe ich auch das Recht, dem Volke die Wahrheit, wenn auch die bittere Wahrheit zu sagen. um Alles in der Welt nur keine Selbsttäuschung, lieber die trau⸗ rigste Wahrheit! Ich sage es unverhohlen, nur ein moralischer Aufschwung kann eine Regeneration Deutschlands erzielen; und ich fürchte, blos ein großes nationales Unglück wird uns dahin führen. Meine Her⸗ ren, wenn ich diese traurige Wahrheit ausspreche, will ich nicht Ihren Muth schwächen, nein, das wird nicht der Fall sein. Festen Muthes und heiteren Sinnes wollen wir der Zukunft entgegengehen, und dies soll uns die Bürgschaft für eine glückliche Gestaltung sein.
Dr. Baier, als nächster Redner, protestirt gegen alle Schritte, die geschehen ohne Zustimmung des Volkes. Große Völker sind und werden blos die, welche ihre Geschichte selbst machen und nicht dieselbe durch Di⸗ plomaten machen lassen. Soll denn das große, denkende, deutsche Volk nicht fähig sein, sich seine Geschichte zu gründen? Das Volk wollte Freiheit und Recht im Namen der Wahrheit, der wahrhaften Politik. Es wollte wieder in Vereini⸗ gung aller deutschen Stämme ein Brudervolk werden. Einheit ist blos, wo Frei⸗ heit ist; denn was soll uns eine Einheit, die nicht aus dem Schooße der Freiheit entsprungen? Man will uns eine Einheit bieten, aber von Frei⸗ heit ist darin keine Spur — keine Achtung des Volkswillens. Den preußi⸗ schen Entwurf müssen wir seines octropirten Wahlgesetzes willen verwerfen; wir können ihn nicht annehmen, weil es nicht wahr ist, daß die Grund⸗ rechte darin enthalten seien. Kein Sonderbund mit Preußen, kein Sonder⸗ bund der bayerischen Regierung mit dem Hause Hohenzollern, aber auch kein Sonderbund mit Oesterreich, d. h. kein Verbündniß der baperischen Re⸗ gierung mit dem Hause der Habsburger, dem Freunde des russischen Cza⸗ ren, sondern eine Vereinigung deutscher Bruderstämme mit deutschgesinnten Fürsten. Bayern muß auf eine Zusammenberufung deutscher Volksvertreter dringen, damit diese die Reichsverfassung revidiren und vollenden. Der Redner schließt mit den Worten Leibnitzens: „Unser Kleinod ist nicht ver⸗ loren, unsere Krone ist Deutschlands Ruhm, unser Kleinod Deutsch⸗ lands Ehre.“ 1
von Hermann: Es fragt sich: 1) hat die baverische Regierung recht gethan, dem Dreikönigsbündniß nicht beizutreten? 2) Läßt sich die Zustimmung Baverns zur neugebildeten provisorischen Centralgewalt rechtfertigen? 3) Welche Hoff⸗ nungen sind zu hegen in Beziehung auf die künftige Gestaltung der Reichs⸗ verfassung? Was den ersten Punkt betrifft, so durfte Bapern nicht in das Dreikönigsbündriß willigen, da es dadurch schwere materielle Verluste erlit⸗ ten haben würde und seine Selbstständigkeit gefährdet gewesen wäre. Bavern war das seinen Staatsbürgern schuldig; es war es auch dem Ge⸗ sammtvaterlande schuldig. Hätte Bapern zugestimmt, so hätte ecs, außer jenen Nachtheilen, auch noch die Freundschaft Oesterreichs, unseres nächsten Gränznachbars, auf einer so langen Strecke verloren. Bavern hat durch die Ablehnung seine politische Aufgabe erfullt, denn den Ausschluß Oesterreichs dürfte es nie zugeben, schon aus materiellen Rücksichten nicht. Der Redner führt nun in langer Rede deesen Gesichtspunkt durch, wo⸗ bei er insbesondere den Handel und Verkehr Oesterreichs mit dem uhrigen Deutschland hervorhebt und dessen Eintritt in den Zollverein als höchst wichtig, von unberechenbarem Vortheile schildert, wodurch uns das schwarze Meer, das Mittelmeer, der Handel nach Italien, nach der Levante und Indien eröffnet werde, Ein solches Gebiet habe nicht nöthig, sich nach fremder Zustimmung umzusehen, wenn es einen neuen Zoll, einen neuen Schutz begründen wolle. Erst dann könne man England, den gefährlichsten Handelskonkurrenten, in seine Gränzen zurückweisen. Bavern habe übrigens ein besonderes Interesse, darauf zu achten, daß es nicht zu einer Gränze gegen Oesterreich werde. Man habe ihm in einer anderen Versammlung vorgeworfen: Bavern stehe sa nicht im Handelsverkehr mit Oesterreich. Es sei dies aber ein sonder⸗ bares Argument; wir wollen ja, daß der Zwang und die Hemmnisse im gegenseitigen Verkehr gänzlich aufhören. In Bezug auf die zweite Frage bemerkt der Redner unter Anderem, daß es besser gewesen wäre, wenn man neben der Reichs⸗Versammlung den Bundestag, der so bereitwillig und zu⸗ vorkommend war, hätte fortbestehen lassen. Hierdurch wäre eine Vereinba⸗ rung zu Stande gekommen. Wie aber die Centralgewalt sich bemüßigt füͤhlte, mit einer Minorität zu regieren, so hörte ihr Einfluß auf. Es sei daher ein Verdienst der bayerischen Regierung, daß sie schon am 3. Mai eine Anregung zur Bildung einer neuen Centralge⸗
Es sei ihm am Beginn seiner Rede ein Antrag von Weiß, Paur u. A. zugekommen, den er nur flüchtig durchgesehen, dem er aber in den beiden ersten Punkten, als unwesentlichen Unterscheidungen und Abänderungen vom Ausschußantrage, beistimmen könne. Was die Zustimmung der Stände zu der Errichtung der provisorischen Centralgewalt betreffe, so könne man, wie er glaube, nicht das alte Bundesrecht festhalten, denn sonst brauche die Regiecrung die ständische Einwilligung nicht einzu⸗ holen; allein auch der politische Weg rechtfertige die Zustimmung der Re⸗ gierung ohne eingeholte Genehmigung der Stände, da ja die bagyeische Note die Rechte des Volkes und der Regierung wahre. Er müsse auch hier dem Ausschußantrage beistimmen. Wir haben uns lange mit Wün⸗ schen nach Verfassungen getragen, stellen wir uns einmal, abge⸗ sehen von allem sonst Wunschenswerthen, auf den Standpunkt des Möglichen. Man habe gesagt, daß durch die neue provisorische Centralgewalt alles dem Volke Gebührende vernichtet würde; dem sei jedoch nicht so, das Mögliche werde erreicht. Vor Allem müssen wir fragen: welcher Verfassung kann Oesterreich beitreten? Der frankfurter und berliner Verfassung gewiß nicht, und Oesterreich muß beitreten können, wenn wir an einem einigen Deutschland festhalten wollen. Der Redner entwickelt dies vom großdeutschen Standpunkt aus und fordert auf, man solle mit dem Möglichen zufrieden sein und sich begnügen, wenn die mate⸗ riellen Vortheile, die in Aussicht gestellt sind, erfüllt werden. Als ein Glück müsse er es bezeichnen, daß Oesterreich den großen Gedanken gefaßt habe, mit allen seinen Staaten beizutreten; er fürchte die vielen Zungen in einem Parlament nicht, wenn sie nur immer das Rechte und Wahre zu reden wüßten. Daß die Verschiedenheit der Zungen nicht genire, davon sei Zeuge Nordamerika und die Schweiz. Oesterreich habe keine Hegemonie angestrebt, aber daran, was es ausgesprochen, festgehalten. Der Redner
geht nun auf die formelle Frage der Neugestaltung Deutschlands über und glaubt, daß die Regierungen vor Allem mit dem Entwurfe fertig sein müßten, und daß dieser dann den einzelnen Provinzial⸗Landtagen vorge⸗ legt werden müsse, üͤm eine Vereinbarung zu erlangen. Der so zum Ge⸗ setz gewordene Entwurf schaffe nun die Gewalt, und diese könne, wann und wie sie es nöthig finde, einen Reichstag zusammenberufen zur Abänderung der Verfassung u. s. w., dies sei der kürzeste und praktischste Weg, bezüglich dessen er Andeutungen geben wollte, ohne jedoch einen eigenen Antrag zu stellen. Nur auf diesem Weg könne Deutschland ein Ganzes werden und die künftige werde nicht abgeschnitten. Rabenack: Der Grundgedanke des Meniste⸗ riums war: kein Deutschland ohne Oesterreich, keine Politik ohne Oester⸗ reich, lieber kein Deutschland. Vor diesem Gedanken sammt seinen Konse⸗ quenzen muß ich mich verwahren. Meiner Ansicht nach kann die Verfassung Deutschlands in Vereinigung mit Oesterreich nur durch eine Volksvertretung, die an die Reichsverfassung, an das deutsche Parlament anknüpft und dar⸗ auf sortbaut, geschaffen werden. Geben wir den Deutschen ein Vaterland, ein gemeinsames, und wir brauchen weder innere, noch äußere Feinde zu
fürchlen. Jedes andere Verfassungswerk wird im nächsten Sturme zu Grunde n. 8 gehe (Schluß folgt.)
(Münch. Ztg.) Die Beschwerden der bayerischen Buchhändler gegen den katholischen Bücher⸗Verein sind nunmehr auf dem Wege friedlicher, seitens des Königlichen Staats⸗Ministeriums des Innern für Kirchen⸗ und Schul⸗Angele⸗ genheiten bereits bestätigter Uebereinkunft gehoben worden. Nach derselben verpflichtet sich der Verein: 1) vom 1. Oktober d. J. an den Sortiments⸗Buchhandlungen von allen Artikeln, die er fuhrt, somit von Büchern des eigenen, wie von den erworbenen Büchern fremden Verlags, einen Rabatt von 20 pCt. des ven ihm festgesetz⸗ ten Verkaufspreises zuzugestehen; 2) an Orten, wo sich berechtigte Buchhändler befinden, keine Depots zu halten, und L“. sionären an anderen Orten, so wie jedem einzelnen ö1 Bücher um die bemerkten Verkaufspreise zu überlassen, also ohne Rabatt, den lediglich die Buchhändler zu beziehen haben. Diese Uebereinkunft ist versuchsweise auf fünf Jahre abgeschlossen worden.
Sachsen. D resden, 4. Nov. (D. A. Z.) Die Eroff⸗ nung des Landtags wird jedenfalls nicht vor Mitte November statt⸗ finden können, denn die Abgeordneten treffen so vereinzelt ein, daß bis heute bei der ersten Kammer noch nicht 30, für die zweite Kam⸗ mer erst 42 beisammen sind. Bringt man nun bei der zweiten Kammer die als Abgeordnete gewählten Suspendirten, die nach den Bestimmungen des Wahlgesetzes nicht zulässig sind, so wie diejenigen in Abzug, die wegen auf sie gefallener Doppelwahlen in einem Be⸗ zirk ablehnen mußten, so werden dieser Kammer, bei welcher 50 Mitglieder zu gültigen Beschlüssen erforderlich sind, überhaupt kaum Gewählte genug bleiben, um sich vor Vo llendung der anzuordnenden Neu wahlen konstituiren zu können. Die erste Kammer wird wahrscheinlich früher die beschlußfähige Anzahl Abgeordneter (34) eintreffen sehen als die zweite, und somit nächstens ihre vorberathenden Sitzungen beginnen können; allein, selbst angenommen, daß dies auch der zweiten Kammer zu gleicher Zeit möglich wäre, so werden doch voraussichtlich diese Präliminar⸗Sitzungen, in denen die Abtheilun⸗ gen zu ordnen und die Wahlen zu prufen sind, die nächste Woche ausschließlich in Auspruch nehmen. Dem Vernehmen nach wird das Ministerium den neuen Kammern wiederum eine neue Landtags⸗ Ordnung vorlegen.
Das Ministerium des Kultus hat neuerlich beschlossen, zu al⸗ len Berathungen über Brsetzungen geistlicher Stellen sämmtliche Mitglieder des Landes Konsistoriums zuzuziehen, um die Personal⸗ Kenntniß, welche dieses Kollegium durch die Prüfungen der Geist⸗ lichen und Kandidaten erlangt, zu benutzen und einerseits die Be⸗ dürfnisse der Kirchengemeinden, andererseits die Ansprüche auf An⸗ stellung und Befoͤrderung recht gründlich zu erwägen.
Sachsen⸗Weimar. Weimar, 3. Nov. (D. A. Z.) Der Landtag hat ein Gesetz über Verlust der staatsbürgerlichen
Augsburg, 31. Okt.
Rechte berathen und nur mit wesentlichen Aenderungen angenom⸗
men. Nach der Regierungs ⸗Vorlage sollten die staatsbürgerlichen Rechte, als welche die aktive und passive Wählbarkeit zu dem Amte von Abgeordneten, Geschworenen, Kreisvertretern, Gemeinde⸗Vorste⸗ hern, so wie üͤberhaupt die Fähigkeit, ein öffentliches oder ein Eh⸗ renamt zu bekleiden, bezeichnet war, bei denen, die mit Zuchthaus⸗ strafe belegt sind, für immer, dagegen bei einer Anzahl gemeine Gesinnung voraussetzender Verbrechen, ohne Rücksicht auf die Straf⸗ gattung, auf gewisse Jahre verloren gehen; der Ausschuß war je⸗ roch der Ansicht, daß auch bei Zuchthausstrafen ein Verlust der staatsbürgerlichen Rechte für immer nicht eintreten dürfe, sondern nur auf unbestimmte Zeit, und daß es dem Bestraften gestattet sein solle, nach sechs Jahren, welche Frist später auf zehn Jahre erhöht wurde, wenn er Beweise der Besserung und eines untadelhaften Lebenswandels bei⸗ bringen könne, bei dem Geschworenengericht um Wiedereinsetzung in seine staatsbürgerlichen Rechte einzukommen; wird dieses Gesuch ab⸗ gelehnt, so kann es erst nach zehn Jahren wiederholt werden. Fer⸗ ner sollte nach dem Antrag des Ausschusses, abgesehen von den mit Zuchthausstrafe bedrohten Verbrechen, welche den Verlust der staats⸗ bürgerlichen Rechte stets von selbst zur Folge haben, bei den übri⸗ gen Verbrechen, wenn sie aus Eigennutz oder anderer verwerflichen Gesinnung begangen sind, em vorübergehender Verlust der staats⸗ bürgerlichen Rechte bis auf drei Jahre, statt deren vom Landtag jedoch fünf Jahre angenommen wurden, eintreten. In den vor die Geschworenengerichte gehörigen Fällen sollen die Geschworenen über die Frage entschriden, ob bei einem Verbrechen Eigennutz oder eine sonst verwerfliche Gesinnung geoffenbart worden sei, worauf dann der Gerichtshof, wenn das Verbrechen wahlweise mit Zucht⸗ haus oder Arbeitshaus, oder wahlweise mit Arbeitshaus oder Gefängniß bedroht ist, im Bejahungsfall auf die erstere und den Verlust der staatsbürgerlichen Rechte erkennt. Nach einem auf Vorschlag des Ausschusses bei dieser Gelegenheit noch be⸗ schlossenen neuen Artikel zum Strafgeset buch soll bei dem Vorhan⸗ densein solcher Umstände, durch welche die Annahme eines verdor⸗ benen Willens beseitigt wird, da, wo das Gesetz Zuchthausstrafe vorschreibt, statt derselben Arbeitshaus in gleicher Dauer erkannt werden. Die Ausschußanträge wurden mit nur wenigen Modifica⸗ tionen angenommen. Eine gemeinschaftlich für die thüringischen Staaten entworfene Gebührentaxe in Strafsachen ist ebenfalls, je⸗ doch mit Herabsetzung einiger Ansätze, angenommen worden. Von Wichtigkeit ist der dem Landtage jetzt vorgelegte Entwurf eines ge⸗ meinschaftlichen thüringischen Forststrafgesetzbuchs, da die bisherige Verschiedenheit in diesem Theile der Gesetzgebung bei der großen Anzahl dieser Art von Vergehen auffallende Ungleichheiten in der Bestrafung zur Folge hatte.
Ausland Frankreich. Paris, 2. Nov. (K. Z.) vollkommen ruhig, und nicht das mindeste Anzeichen läßt auf eine Störung dieser Ruhe schließen. Der Minister⸗Wechsel ist natürlich
Paris ist fortwährend
der allgemeine Gegenstand der Unterhaltung. Es wird versichert, daß Louis Napoleon den General Cavaignac zum Eintritt ins B aufgefordert, dessen Forderung jedoch, Changarnier durch
kulhiéres ersetzt zu sehen, abgelehnt und auf seine Mitwirkung habe. Man schreibt Louis Napoleon folgende bezeichnende Neußerung zu: Endlich wollen wir die Verfassung aufrichtig ins Leben treten lassen. Bis jetzt ist man auf dem alten constitutionellen Klep⸗ per sitzen geblieben. Man wollte nicht begreifen, daß der Präsident verantwortlich ist, und daß er, mit einem großen Theile der Verant⸗ wortlichkeit bedacht, auch seinen Antheil am Handeln haben muß.“ Ferner wird folgende Aeußerung ihm zugeschrieben: „Minister, die gut reden können, sind eine hübsche Sache, die aber dem Lande d. h. dem Volke, wenig nutzt. Wir haben 6 Wochen lang Ferien gehabt; was hat man während dieser Zeit gethan, was entworfen? Welchen Plan hat man gefaßt, um die Versprechungen der Ver⸗ fassung zu verwirklichen?“ Man schreibt Louis Napoleon vielfach die Absicht zu, der National⸗Versammlung mehrere Gesetz⸗Entwürfe im Sinne seiner persönlichen Politik vorzuschlagen und, falls dieselben ver
2023
worfen werden, zu einer Berufung an das Volk zu schreiten. Nach den Aeußerungen, die man heute in der Versammlung hörte, ist die Majorität keinesweges so abgeneigt, das neue Ministerium zu un⸗ terstützen, als es Anfangs schien. Wenn Rayneval das Ministerium des Auswärtigen ablehnt, so soll dasselbe an de la Moskowa über⸗ tragen werden; nimmt Rayneval an, so wird Anton Bonaparte ihn als Gesandter zu Neapel ersetzen; der Ober⸗Befehl über die franzöͤsische Armee im Kirchenstaate ist dem General Magnan be⸗ stimmt. Man erzählt sich Folgendes über die Art und Weise, wie Odilon Barrot seine Absetzung erfuhr und aufnahm: Vorgestern Nachmittags um 4 Uhr wußte er noch gar nichts, da eine Unpäßlichkeit ihn auf seinem Landsitze zu Bougival festhielt, und in seiner Umgebung glaubte Niemand, daß die Ministerkrisis ihn erreichen würde. Man hielt dies so wenig sür möglich, daß man im Hotel des Justiz⸗Ministeriums ganz ruhig mit den Anstalten zu einem großen Mittagessen fortfuhr, das Odi⸗ lon Barrot am nächsten Sonnabend den Haupt⸗Magistrats⸗Perso nen Frankreichs aus Veranlassung der neuen feierlichen Investitur geben sollte. Louis Bonaparte hatte sogar auch versprochen, die⸗ sem Essen beizuwohnen. Erst um 6 Uhr erfuhr Odilon Barrot durch Freunde, die der Verlesung der berühmten Botschaft beige⸗ wohnt hatten, seine Absetzung und die sie begleitenden wenig schmei⸗ chelhaften Seitenhiebe gegen das alte Ministerium. Barrot wollte noch nicht recht an die Nachricht glauben, als er auf einmal einen Brief von bem neuen Justiz⸗Minister Rouher empfing, worin die ser ihm ankündigte, daß er seinen Platz eingenommen habe und ihn außerdem bat, das große Mittagessen fuür Sonnabend nicht abzustellen, mit dem Anerbieten, die Kosten desselben zu bezahlen. Hiermit hörte endlich Barrot's Ungläubigkeit auf. Er machte sich in einigen sehr ener⸗ gischen Ausrufungen Luft und setzte dann, nachdem er sich ein we⸗ nig beruhigt hatte, lächend hinzu: „Das ist doch wirklich zu stark! Der Herr schickt mich fort, und der Diener will mein Mittagessen verzehren! Solche Manieren können nur die Leute vom Esysee ha⸗ ben!“ Gestern hielten die verschiedenen Parteien in der National⸗ Versammlung anßerordentliche Zusammenkünftr. Die Legitimisten und Orleanisten zeigten sich sehr ungehalten über Louis Napoleon, den sie mit den derbsten Namen belegten, und äußerten, nach Ver⸗ sicherung eines radikalen Organs, nicht geringe Lust, ihn wo mög⸗ lich in Anklagestand zu versetzen, wozu bis jetzt aber kein hinrei⸗ chender Grund vorliegt. Die Republikaner thun ziemlich zurückhal⸗ tend und wollen abwarten, sind aber sichtlich erfreut über den Kon⸗ flikt zwischen Louis Napoleon und der Majorität, der ihrer Ansicht nach nicht ausbleiben kann. Als cigentlicher Verfasser der Botschaf des Präsidenten wird F. Barrot genannt.
Paris, 3. Nov. Der Moniteur enthält heute die ein⸗ zelnen Dekrete des Präsidenten, welche die neuen Minister ernen⸗ nen. Bei jedem ist hinzugefügt: „an Stelle (Name des betreffen⸗ den srüheren Ministers), dessen Demission angenommen worden.“ Auch diese einzelnen Dekrete sind nicht kontrasignirt.
Der Präsident der Republik ertheilt auf den Vorschlag des früheren Ministers Lanjuinais mittelst Dekrets vom 29. Oktober mehreren Aerzten, die sich während der Cholerazeit in Paris aus⸗ gezeichnet haben, verschiedene Orden der Ehrenlegion. Außerdem wird einigen hundert Bürgern, die sich bei dieser Gelegenheit durch ihre Aufopferung hervorgethan, eine Ehrenmedaille als Belohnung verliehen.
Der Moniteur du Soir, so wie nach ihm der Moniteur Universel, vertheidigen Herrn Ferdinand Barrot gegen die An griffe des National, als habe der jetzige Minister der Innern Schritte gethan, daß das Ministerium, dem sein Bruder vorstand, verändert würde. Beide Brüder, wird darauf entgegnet, hätten stets dieselbe Politik gehabt, Ferdinand Barrot hätte nur aus Er⸗ gebenheit für das Land und aus Anhänglichkeit an den Präsidenten das Ministerium übernommen. Der National hält sich hierdurch nicht für geschlagen. Ferdinand Barrot, sagt dies Blatt, habe sich während der letzten Zeit der gefallenen Regierung an Guizot ange⸗ schlossen. Ueber die Familien⸗Angelegenheiten und üͤber den Besuch in Bougival will der National Schweigen beobachten.
Der Constitutionnel spricht heute in Bezug auf den Mi⸗ nisterwechsel seine Ansicht dahin aus: „Der Präsident war in sei nem Rechte, handelte verfassungsmäßig, als er sein früheres Kabinet entließ. Die Botschaft des Präsidenten athmet den Wunsch, den Erwartungen, die man von ihm hegt, zu entsprechen; er ist gegen sich streng, er scheint sich den Vorwurf zu machen, nicht genug ge⸗ than zu haben. Einige Worte der Botschaft werfen jedech mit wenig Recht die Verantwortlichkeit für das, was noch nicht gesche hen, auf das Ministerium und die Majorität, welche den Präsidenten unterstützt hat. Diese Worte machten einen unangenehmen Eindruck, der durch die Sprache des Programms gemildert worden ist.“ Die Presse, welche bis hente ein völliges Schweigen beobachtet hatte, erklärt sich nun mit der Botschaft des Präsidenten sehr unzufrieden. Die französische Nation, meint sie, habe die nordamerikanische Verfassung nachahmen wollen, man hätte jedoch eine Sache vergessen, daß der Präsident in Nord⸗ Amerika eigentlich ein Geschäftsführer des Kongresses sei, und daß seine Minister in keiner Verbindung mit dem Kongresse ständen und die von ihnen vorgeschlagenen Gesetze daselbst nicht vertreten könnten. Das Ministerium in Nord⸗Anerika kann also in keinen Konflikt mit der Majorität kommen, und die Kammer könne dem Präsidenten kein Kabinet aufdrängen, das ihm zuwider waͤre. Solche Konflikte könnten jedoch leicht in Frankreich entstehen, und der Präsident habe durch seine Botschaft einen gefährlichen Weg betre⸗ ten. Das Journal L'Ordre tritt heute sehr feindlich gegen den Präsidenten auf. Hätte dieselbe, bemerkt es, wirklich etwas Großes schaffen wollen, so würde dies nicht von seinen früͤheren Ministern zurückgewiesen worden sein; die Botfchaft zeuge mehr von einer abentenerlichen Grille und Ungeduld, als daß eine wirkliche Erhabenheit der Ideen darin vorwaltete. Wenn der Präsident etwas Neues ausführen wollte, so haäͤtte er nicht Männer wählen müssen, die mit ihren Vorgängern dieselben Ansichten theilten. Das Programm des Ministeriums drücke auch keine neue Idee aus, sondern unterwerfe sich der Ma⸗ jorität; was werde also aus der Botschaft? Der Ministerverän⸗ derung liege also nicht die Politik zu Grunde, oder dies Ministe rium bilde nur den Uebergang zu einem anderen. Die Majorität habe nichts zu fürchten, doch liege es im Interesse des Landes, daß sie selbst auf die Gefahr hin, einige Mitglieder zu verlieren, sich eine bestimmte Richtung gebe. Das Journal des Débats sagt, die früheren Minister hätten ihre Entlassung gegeben. Das Journal L'Ordre widerspricht dem aufs bestimmteste. „Odi lon Barrot“, sagt es, „diktirte Dienstags gerade einem sei⸗ ner Secretaire seine Rede für die heutige Feier der Ver⸗ eidigung der Magistratur, als ein Freund ihm die Nach richt seiner Entlassung überbrachte. Kommenden Tages schickte ihm der Präsident durch einen seiner Flügel⸗-Adjutanten das Großband der Ehren⸗Legion zu. Der frühere Justiz⸗Minister lehnte diese Ehre ab, er bedürse keiner Tröstung. Das gestrige Manifest des Ministeriums ward von den meisten Journalen noch sehr kalt aufgenommen. Das Sidele, welches gestern nicht ge⸗
nug Worte des Lobes für die neu eingeschlagene Richtung finden
konnte, ist heute etwas weniger zufrieden. Die Versprechungen der Minister, sagt es, seien Gemeinplätze und ständen durchaus in kei⸗ ner Verbindung mit der Botschaft, die Frankreich von leeren Re⸗ den zu befreien versprochen habe. Die Republique meint, Louis Bonaparte sei vielleicht abermals von seinem Ministerium getäuscht worden, das sich der Majorität angeschlossen. Die Assemblee Nationale stimmt heute gegen früher einen sehr gelinden Ton an; das Ministerium werde die Beamten dem Wunsche des Landes gemäß ernennen, und der Präsident werde eine dauernde Gewalt, die vermißt werde, schaffen. Das Sidele meint, der von Herrn Thomas ersonnene Plan ginge dahin, das Ministerium nicht auf der Rednerbühne anzugreifen; man werde sich darauf beschränken, es in den Journalen zu be⸗ wachen, man werde es nicht unterstützen. „Der Berg“, so schließe Herr Thiers, „wird sich unvermeidlich auf dasselbe stürzen, und es wird fallen. Dann werden wir Herren der Stellung sein. Wir dringen uns auf, und wir werden unsere persönliche Regierung ein⸗ setzen.“ In gewissen Kreisen, fügt genanntes Journal hinzu, wollte man den Akt des Präsidenten auf ein Mißverständniß zurückführen. Das Sisdele schildert das Volk in seiner Haltung als würdig und ruhig; es warte ab. Die Arbeiter in den Vorstädten faßten die ministerielle Krisis, die stattgefunden, so auf: „Der Präsident wollte sich dem Volke mehr nähern und würde sich, im Fall ein Konflikt zwischen seiner persönlichen Politik und der Majorität ent⸗ stände, direkt ans Volk wenden.“ Folgende Zeilen der heutigen Presse erregen bedeutendes Aufsehen und geben zu den verschie deusten Kommentaren Veranlassung: „Wenn die Kammer gegen die Wahl der neuen Minister protestirt, so verläßt die gesetzgebende Versammlung ihre ihr vorgezeichnete Bahn, so wie der Präsident der Republik sich von der seinigen durch den Ausdruck seiner Botschaft ent⸗ fernte. Dieses Abweichen wird unvermeidlich einen Zusammenstoß zur Folge haben. Wird dies ein 18. Brümaire von 1799 sein, dem ein 18. Fruktidor vorausging? Oder wird es ein 27. Juli von 1830 sein, und eine vierte Revolution ihm folgen?“ Die erste dieser Fragen wird verschieden gedeutet und mit umlaufenden Ge⸗ rüchten in Verbindung gebracht. Herr Sabatier wollte gestern eine Interpellation an die Minister über die Entlassung der früheren und über die Politik des jetzigen Kabinets richten. Der Präsident Dupin meinte, die Anfrage sei nach dem verlescnen Programm über⸗ flüssig. Das Journal des Débats findet das mini⸗ sterielle Programm aber nicht ganz klar. Inmitten einer so tiefen Dunkelheit, meint das genannte Journal, scheine die Majo⸗ rität den Entschluß der Vertagung gefaßt zu haben, ehe sie sich aussprechen wolle; dies dürfe sie jedoch nicht zu einer Zerstückelung führen, und sie dürfe nicht vergessen, daß in den jetzigen Umstän⸗ den einer Nothwendigkeit vor Allem genügt werden musse, der Re⸗ gierung nämlich. Die Voix du Peuple faßt ihre Erklärung in Folgendem kurz zusammen: „Wenn der Präsident der Republik die National⸗Versammlung bedroht, werden wir auf ihrer Seite sein; wenn die National⸗Versammlung den Präsidenten bedroht, so halten wir es mit dem Präsidenten. Wenn beide Gewalten sich zur Ausführung eines Staatsstreiches einen, so richten wir gegen sie einen Aufruf an den gesetzlichen Widerstand. Die Constitution, die ganze Constitution, nichts als die Constitution! Das ist unsere Regel, unser Gesetz, unser Recht.“
Der Temps meldet: „Die letzte Soiree beim Präsidenten war sehr besucht. Keiner der früheren Minister war anwesend, und von den neuen nur Herr Rouher, der vom Präsidenten den Anwesenden vorgestellt wurde. Der Präsident sprach sich offen über den Minister-Wechsel aus und schloß damit: „„Uebrigens wird das Land sein Urtheil fällen.““ Einige Reactionairs sprachen sich nicht ganz zustimmend über die Botschaft aus und machten kein Hehl aus ihrer Absicht. Die Legitimisten, die sich sonst zahlreich einfanden, fehlten ganz.“ Die Opinion pu blic sagt, es hätten sich nur 8 Deputirle unter den Anwesenden befunden. Die frem den Gesandten sollen zahlreich versammelt gewesen sein.
Die Ceremonie der Installation der Magistratur hat heute, in Gegenwart eines großen Zulaufs der Massen stattgefunden. Mehr als 3000 Personen waren im Saale der Pas perdus, wo die Cere⸗ monie abgehalten wurde. Um 10 ½ Uhr kam der Präsident der Re⸗ publik als General der Nationalgarde gekleidet in Begleitung des Vice-Präsidenten, des Ministers der Justiz, einer Deputation der Kammer und der hohen Würdenträger der Magistratur in die Ka⸗ pelle, um die Messe zu hören. Der Erzbischof von Paris las die Messe. Die Ceremonie drr Einführungbegann um 11 ½ Uhr und dauerte bis 1 Uhr. Der Justiz⸗Minister, der erste Präsident Portalis und der General⸗Anwalt Dupin nahmen einer nach dem anderen das Wort. Herr Rouher, Justizminister lobte in seiner Rede Herrn Odilon Barrot. Herr Dupin entwarf in einem großen Umriß die Geschichte der französischen Magistratur. Hierauf wurde das Ge⸗ setz, das die Vereidigung vorschreibt, verlesen. Alle anwesenden Mitglieder der Magistratur wiederholten auf Verlesung der Eides⸗ formel: „Ja, ich schwöre es.“ Der Präsident der Republik schloß die Sitzung mit einer Anrede, die mit Beifall aufgenommen wurde. Der Zug begab sich hierauf in den Audienzsaal, und eine Deputa- tion geleitete ihn bis zum Eingang des Justizpalastes zurück.
In einer Versammlung von Deputirten sagte Herr Monta⸗ lembert, wie berichtet wird, Herr Parieu würde das Unterrichts⸗ Gesetz, das vorgeschlagen worden, zurücknehmen. Herr Beugnot behauptete, Herr Parieu wollte dasselbe nur erst dem Staatsrath zur Beurtheilung zuweisen. Herr Thiers fand diese verschiedenen Nachrichten verdächtig und bestand darauf, das Gesetz müsse unmit⸗ telbar berathen werden. Herr Thiers wurde etwas heftig und er⸗ klärte, man würde die Majorität nie dahin bringen, etwas zu thun, was ihrem Willen entgegen wäre; wenns man Gewalt gegen sie anwenden wolle, so würde ihr das Gefühl ihrer Würde und der nöthige Muth nicht fehlen, um die Rechte der Volksvertretung zu schützen. . 8 Die Minister haben gestern von ihren Hotels Besitz genom⸗ men. General von Hautpoul empfing die Beamten seines Mini⸗ steriums; er äußerte sich dahin, daß er so wenig an seine Ernen⸗ nung gedacht, daß sein Gepäck sich auf dem Wege nach Marseille befinde. Einige Journale melden, Herr Rouher würde die Gäste empfangen, die Herr Odilon Barrot für heute eingeladen hatte, andere lassen diese vom Präsidenten der Republik zu Tische gela⸗ den sein.
Wenn Herr von Rayneval das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten nicht übernehmen sollte, denkt man, der⸗ Union zufolge, an Herrn von Flahault. Ein anderes Journal läßt diesen sedoch als Kandidaten für den Botschaftsposten in London auf⸗ treten. 8 8
Herr Baroche und Rebillot wollen, wie es heißt, ihre Entlas⸗ sung geben. Ersterer soll unter Anderem zu diesem Schritte durch eine Veröffentlichung oder vielmehr durcheinen Wiederabdruck seines Manifestes als Kandidat für die Constituante veranlaßt wor⸗ den sein. S
Herr Fallour ist in Anjou angekommen. e 8e2 Neapel hat ihm eines seiner Schlösser für seine Wieberge
bieten lassen. soll Herr Dufaure sich sehr
Einem Abend⸗Journal zufolge,