übrigen mit diesem durch gemeinschaftliche Gesetzgebung Uüxgees nen Kronländern und in Siebenbürgen, sondern auch auf die viel⸗ fältigen, einer noch sehr beträchtlichen Steigerung fähigen Handele Verbindungen zwischen Oesterreich und den deutschen Bundesstaaten Rücksicht genommen werden. Eine Gemeinschaftlichkeit in Bezug auf die gesammte Handels⸗ und Schifffahrts Gesetzgebung stellte sich als nothwendige Bedingung für die beiderseitigen Länder, als folgenreich und für beide Theile als höchst ersprießlich dar. Der Justiz⸗Minister meint, daß es Sr. Majestät dem Kaiser bei der Stellung, welche Oesterreich auch dermalen noch im Bunde mit den übri⸗ gen deutschen Staaten einnimmt, und bei den ungeheuren Ressour⸗ cen, welche es in dieser Beziehung zu bieten vermag, vor Allem zukomme, mit den hierzu nöthigen Schritten die Initiative zu er⸗ greifen, und empfiehlt demnächst die Einführung der auf dem leip⸗ ziger Kongresse im Jahre 1847 — 48 ausgearbeiteten und von der provisorischen Centralgewalt am 27. November 1848 publizirten allgemeinen deutschen Wechselordnung sur⸗ alle Kronländer der öster⸗ reichischen Monarchie, wodurch die Einheit in Bezug auf den Wech⸗ selverkehr für alle Länder, vom Rhein bis zur unteren Donau, von der Nord⸗ und Ostsee bis zum Po und zu den Küsten des Adriatischen Meeres ins Leben gerufen würde. —. Der Minister beantragt fer⸗ ner ein ähnliches Verfahren auch rücksichtlich der übrigen Theile der Handelsgesetzgebung, in welcher Oesterreich so wie die deutschen Staaten das Bedurfniß einer Einigung lebhaft empfinden. Hierher gehört vor Allem das See⸗ und Handelsrecht. In Beziehung auf ersteres liegt bereits ein ausführlicher, im österreichischen Küsten⸗ gebiete wiederholt geprüfter Gesetz⸗Entwurf vor. Um jedoch eine übereinstimmende Gesetzgebung in den österreichischen und übrigen Seestaaten des deutschen Bundes zu erzielen, em⸗ pfiehlt der Minister die Beschickung eines gemeinschaftlichen Kongresses von allen jenen deutschen Staaten, welche durch ihre naritimen Interessen zunächst bei der Regelung dieses Theiles der Gesetzgebung betheiligt sind. Ein ähnlicher Vorgang stellt sich auch bezüglich des eigentlichen Handelsrechts als wünschenswerth dar. Das tiefbegründete Bedürfniß einer Einigung über ein gemeinsa⸗ nes Handelsrecht, wenigstens über die wesentlichen Grundsätze desselben, im Interesse des Handelsverkehrs zwischen den österreichi⸗ schen und deutschen Bundesstaaten wird sich in verstärktem Maße geltend machen, je mehr der Zug des Handels die durch die Na⸗ tur der Verhältnisse ihm angewiesene Richtung gewinnt, und nach und nach die künstlichen Schranken fallen, welche bisher den Verkehr dieser Länder hemmten. Das seiner Vollendung rasch ent gegengehende Eisenbahnen⸗System, die bevorstehende Eröffnung der großen Wasserstraßen nach dem Osten, Gemeinschaftlichkeit in Be ziehung auf das Wechselrecht in Verbindung mit der vorbereiteten Verständigung über Postverkehr, Maß, Gewicht und Zölle werden nothwendig die Handelsthätigkeit in deutschen und österreichischen Staaten einer schwunghaften Entwickelung schon in der nächsten Zukunft entgegenführen. Den Zustand der Handels Gesetzgebung in allen Theilen auf die gleichen Prinzipien zu basiren, wird da her zu einer Frage nicht nur der beiderseitigen Konvenienz, sondern selbst einer unleugbaren Nothwendigkeit. Die bisherigen Schwie⸗ rigkeiten einer solchen Verständigung dürsten durch den zwischen der österreichischen und preußischen Regierung zu Stande gekommenen Vertrag über die Umbildung der provisorischen deutschen Central
gewalt wesentlich beseitigt sein, und es läßt sich erwarten, daß die entgegenkommenden Schritte der österreichischen Regierung zu einer Verstandigung über eine übereinstimmende Gesetzgebung für alle Zweige des Handelsrechts, und zunächst über den Entwurf des Privat⸗See⸗ rechtes, von den gleich lebhaft betheiligten deutschen Staaten unter⸗ stützt werden und bald zu dem verwünschten Ziele führen; und daß der Einladung zu Berathungen einer durch die einzelnen Re⸗ gierungen mit rechtskundigen und kaufmännischen Mitgliedern zu beschickenden Kommission entsprochen werden wird.
Ihre Kaiserl. Hoheit, die Frau Erzherzogin Sophie besuchte gestern Nachmittags um 3 Uhr mit Ihren Majestäten den Königin⸗ nen von Preußen und Sachsen die Metropolitan⸗Domkirche zum heiligen Stephan. Die Abreise Ihrer Majestäten der Königinnen von Preußen und Sachsen wird vor morgen nicht erfolgen. Prinz Leopold von Koburg ist gestern früh nach Ebenthal abgereist. Se. Majestät der Kaiser wohnte vorgestern früh mit dem Erz⸗ herzog Ludwig einer in dem hetzendorfer Revier veranstal⸗ teten Jagd bei, von welcher Höchstdieselben um 3 Uhr Nachmittags zurückkehrten. Gestern Vormittag besuchte Se. Majestät der Kaiser das allgemeine Krankenhaus in der Alservorstadt, nahm sämmtliche Krankensäle, Apotheken, Küchen und Vorrathskammern in Augen⸗ schein, tröstete die Kranken und befragte einige derselben über die hnen zu Theil werdende Behandlung und sonstige Verhältnisse.
Sachsen. Dresden, 7. Nov. (Dresd. Z.) Heute um 11 Uhr begann die erste vorbereitende Sitzung der ersten Kammer. Schon ein oberflächlicher Blick in den Saal lehrte, daß die dies⸗ malige Zusammensetzung der Kammer wesentlich von der vorigen verschieden sei. Ddie Sitzung eröffnete der Vorstand der Einweisungs⸗Kommis⸗ sion, Geheimer Rath Weinlig, mit der Nachricht, daß sich bis jetzt 29 Mitglieder angemeldet hätten. Sodann bezeichnete er den Abgeordneten Seidewitz als Alters⸗Präsidenten und die Abgeordne ten Jungnickel und Buhk als Jugend⸗Secretaire und knüpfte daran die Bitte, daß diese Herren ihre Functionen beginnen möchten, in⸗ dem er zugleich hiermit die Geschäfte der Einweisungs⸗Kommission für beendet erklärte. Der Alters⸗Präsident Seidewitz aus Deuben begann hierauf mit dem Zugeständnisse, daß er zwar die Jahre, nicht aber die Fähigkeit zu einem so wichtigen Amte habe, und daß er daher die Ab⸗ sicht gehabt, dasselbe auf den Dr. Joseph zu übertragen; dieser habe jedoch seine Bitte abgelehnt und er bitte daher um die Erlaubniß, das Amt auf den nächstältesten Abgeordneten, Amtshauptmann von Biedermann, übertragen zu dürfen. Die Kammer solle sich darüber vurch Handaufheben entscheiden. Diese war jedoch mit diesem Schulmodus nicht einverstanden und verlangte Abstimmung durch Sitzenbleiben. Der Präsident ersuchte daher die Mitglierer, sich durch Sitzenbleiben zu entscheiden, worauf denn auch der Vorschlag emftreensg angenommen wurde. von Biedermann bestieg daher der Präsidentenstuhl und machte, da man doch einer Norm zu den ““ den Vorschlag, den 1., 2., 7. und 8. Ab⸗ schnitt der vorliegenden Geschäfts⸗Ordnung auf 8 Tage provisorisch anzunehmen. Hiergegen erhob sich Dr. Joseph mit dem Bemerke “ mit der auf vorigem Landtage geltend geat⸗ senen Geschäftsordnung völlig übereinstimmten, und daß er daher nicht einsehe, warum man nicht eben so gut die Bestimmungen dieser pro⸗ visorisch annehmen wolle. Er wuünsche nicht, daß sich die 6 6 präjudizire und indirekt ein Anerkenntniß der Geschäftsordn 8 39 spreche, welche die Regierung — er wisse nicht, aus welchen Frün⸗ den — vorzulegen sich veranlaßt gesehen habe. Küttner Wein⸗ lig und Schenck machten darauf aufmerksam, daß purch die dür Präsidenten vorgeschlagene provisorische Annahme irgend ein Präjudiz nicht erwachse, da eine noch nicht konstituirte Kammer nichts Prä⸗ judizirliches thun könne, aber man müsse doch eine Norm haben mit welcher man zu einer konstituirten Kammer gelangen könne, id daher empfehle sich der Antrag des Vorsitzenden. Küttner
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spielte dabei auf den beim letzten Landtage empfohlenen „parlamen⸗ tarischen Brauch“ an und erinnerte sich daher nicht, daß dieser blos in der zweiten Kammer eine Rolle spielte, während gerade in der ersten Kammer und zwar auf Antrag desselben Joseph die einschla⸗ genden Bestimmungen der damals von der Regierung vorgelegten Geschäftsordnung provisorisch angenommen wurden. Heute aber nahm Joseph den „parlamentarischen Brauch“ in Schutz und er⸗ klärte schließlich, daß, wenn man zu einer Prinzipfrage hindränge, es doch immer besser sei, das, was bereits bestanden, provisorisch anzunehmen, als blos deshalb davon abzugehen, „weil es Jeman⸗ den eingefallen sei, der Kammer einen neuen Entwurf zu einer Landtags⸗Ordnung anzubieten.“ Schenck will durchaus nicht zur Prinzipfrage drängen, macht aber darauf aufmerksam, daß kein Landtag die Fortsetzung des früheren sei und hält dem Abg. Mam⸗- men, der nun auf provisorische Annahme der auf letztem Land⸗ tage in Geltung gewesenen Geschäfts⸗Ordnung einen hinreichend unterstützten Antrag stellt, mit vollkommenem Rechte ein, daß man sich nicht über etwas entscheiden könne, was nicht vorliege; man werde also dann die Abstimmung aussetzen müssen, bis man die frühere Geschäftsordnung eingesehen. Denn so wenig er auch der Versicherung des Abgeordn. Joseph, daß die fraglichen Ab⸗ schnitte ganz üͤbereinstimmten, mißtraue, so wolle er es doch schwarz auf weiß sehen. Mammen macht daher den vermittelnden Vor⸗ schlag, daß man die für jetzt nothwendigen Bestimmungen ohne Rücksicht darauf, ob sie aus dieser oder jener Geschäftsordnung seien, annehmen und daher die einschlagenden Paragraphen verlesen möge. Dieser Antrag fand rechts und links Anklang, und es wur⸗ den daher die vom Geh. Rath Weinlig als hier einschlagend be⸗ zeichneten §§. 8— 18 u. 41—59 und auf ven Carlowitz's Antrag auch noch §§. 21 u. 22 verlesen. Hierbei ersah denn nun sogleich Jeder, der mit der alten Geschäftsordnung bekannt war, wie wesentlich in sehr wichtigen Punkten die neue abwich, und Dr. Joseph, der dies natürlich auch merkte, stellte daher nunmehr den ausdrücklichen An⸗ trag: „die einschlagenden Bestimmungen der am letzten Landtage befolgten Geschäftsordnung bis zur Konstituirung der Kammer pro⸗ visorisch zur Richtschnur zu nehmen“, während Mammen, um aus dem Formenwesen herauszukommen, seinen Antrag: die verlesenen Paragraphen (aus der neuen Geschäftsordnung) provisorisch auf 8 Tage anzunehmen, wiederholt empfahl. Die Kammer nahm auch diesen Antrag fast einstimmig an, indem außer Joseph sich nur noch zwei bäuerliche Abgeordnete und auch diese nur halb zögernd dage⸗ gen erhoben. Die Kammer schritt hierauf zur Ausloosung der Ab⸗ lheilungen, welche die Wahlen zu prufen haben.
Hessen und bei Nhein. Mainz, 6. (8ö A. Z.) Heute um 12 ½ Uhr Mittags traf Se. Königl. Hoheit der Prinz von Preußen in Begleitung seines ältesten Sohnes, des Prinzen Friedrich Wilhelm, hier ein, inspizirte die in Parade auf⸗ gestellte Besatzung der hiesigen Reichsfestung, welche ihm sodann von Sr. Kaiserlichen Hoheit dem Erzherzog Albrecht vorgeführt wurde und unter dessen Kommando vor Sr. Königlichen Hoheit de⸗
filirte. An der Tafel des Gouverneurs erblickte man den Prinzen von Preußen, Höchstdessen Sohn und Se. Hoheit den Herzog von
Nassau.
Mecklenburg⸗Schwerin. Ludwigslust, 6. Nov. (Meckl. Ztg.) Ihre Hoheit die Herzogin Louise und Se. Durch⸗ laucht der Prinz Hugo Windischgrätz sind heute über Leipzig und Dresden nach Troja bei Prag in Böhmen, der Herrschaft des Prin zen, abgereist.
Oldenburg. Oldenburg, 6. Nov. (Wes. Ztg.) Die feierliche Eröffnung des zweiten allgemeinen Landtags hat heute um elf Uhr durch das gesammte Staats⸗Ministerlum stattgefunden. Die Eröffnungsrede des Herrn Schloifer, als Präsidenten des Staats⸗Ministeriums, lautete folgendergestalt:
„Se. Königl. Hoheit der Großherzog haben mir den ehrenvollen Auf⸗ trag ertheilt, den allgemeinen Landtag mit freundlicher Begrüßung desselben in Höchstihrem Namen zu eröffnen.
„Durch die Proclamation vom 10. September d. J. ist Ihnen, meine Herren, bekannt geworden, daß Se. Königl. Hoheit der Großherzog, dem Gewicht neuer dringender Umstände nachgebend und in gewissenhafter Er⸗ wägung der zu wahrenden Interessen des Landes, dem im Juli d. J. vor⸗ läufig abgeschlossenen Vertrage über den Beitritt Oldenburgs zu dem Bünd⸗ niß vom 26. Mai Ihre Ratification ertheilt haben. Die Beweggründe, welche diesen wichtigen Schritt veranlassen mußten, werden Ihnen, meine Herren, mit dem auf Bestätigung des Vertrags durch den allgemeinen Land⸗ tag bezüglichen Antrage vom Staats⸗Ministerium in ausführlicherer Mitthei lung sosort dargelegt werden.
„Se. Königl. Hoheit der Großherzog haben, begünstigt durch die ein⸗ getretene Waffenruhe, zur wünschenswerthen Erleichterung des Landes seit länger als zwei Monaten bei allen Waffengattungen des oldenburgischen Truppen⸗Kontingents nur den damaligen Bestand der Streitkräfte, der die Anforderungen der ehemaligen Bundesgewalt nicht wesentlich übersteigt, aufrecht erhalten und jede thunliche Ersparung in den ordentlichen und außerordentlichen Ausgaben eintreten lassen. Sie werden über jene Anfor⸗ derungen nicht hinausgehen, sofern nicht etwa über die militairischen Ver⸗ pflichtungen der Einzelstaaten durch allgemeine Vorschriften einer deutschen Reichs⸗ oder Bundesgewalt andere Bestimmungen getroffen werden. Den noch sind die nothwendigen Kosten der kriegerischen Ausrüstung in neuer Formation des Kontingents und des mit Dänemark geführten Krieges zu einer bedeutenden Höhe erwachsen. Dadurch und durch sonstige, von den Zeitumständen herbeigesührte, früher nicht vorgekommene allge⸗ meine Beduürfnisse haben sich die außerordentlichen Ausgaben des Staats zwar sehr vermehrt, indeß giebt die Staats⸗Regierung sich der begründe⸗ ten Hoffnung hin, daß bei den möglich gewordenen Ersparungen im ordent⸗ lichen Staatshaushalt, außer der bereits bewilligten und realisirten An⸗ leihe, für das Jahr noch ferner außerordentliche Deckungsmittel werden ent⸗ behrt werden können. Der dem allgemeinen Landtage vorzulegende Central⸗ vorschlag für das Jahr 1849 wird in dieser Beziehung das Nähere ergeben.
„Außerdem werden dem allgemeinen Landtage die Berechnungen zur Ausscheidung des Kronguts und der Voranschlag für die Centralausgaben des Großherzogthums im Jahre 1850, sodann Gesetzentwürfe über die Ab⸗ lösung von Grundlasten, über die Pensionirung der Beamten des Civil⸗ und des Mililairstandes, über die Einsetzung eines Dienstgerichts und über Abänderung der bestehenden Rekrutirungsgesetze zur verfassungsmäßigen Mitwirkung und Zustimmung vorgelegt werden.
„Es wird daher an bedeutenden und umfangreichen Aufgaben für Ihre Thätigkeit nicht fehlen, meine Herren! Mögen sie zum Heile des Landes gelöst werden! 8
„Im Namen Sr. Königl. Hoheit des Großherzogs erkläre ich den all⸗ gemeinen Landtag des Großherzogthums hiermit für eröffnet.“
Nachdem die Eröffnungsrede verlesen war, erfolgte die Prä⸗ sidentenwahl, welche mit 34 Stimmen auf den Obergerichlsrath Kitz aus Birkenfeld fiel, denselben, welcher dieses Amt auch im auf⸗ gelösten Landtage bekleidete. Der Alters⸗Präsident räumte demsel⸗ ben mit freudiger Begrüßung den Sitz ein, auf welchem er die Ver⸗ sammlung erhalten werde in Eintracht und Festigkeit wie früher. Der neue Präsident dankte der Versammlung für das aufs neue in ihn gesetzte Vertrauen und sprach die Hoffnung aus: daß, wie ver⸗
schiedene Ansichten auch sich geltend machen möchten, dieselben doch stets nur in ihrem rein sachlichen Inhalte einander gegenüber ge⸗ stellt werden würden, in Einigung und Festhalten am großen und engeren Vaterlande, vor Allem aber im Festhalten an dem Eini⸗ gungspunkte, den Alle haben müßten, im Staats⸗Grundgesetze, zu
dessen unverbrüchlicher Wahrung jetzt der Augenblick sei, durch feier⸗ 8 EEE
liches Gelöbniß sich zu verbinden. Dies Gelöbniß wurde dann von 13 neu eingetretenen Abgeordneten geleistet, von den übrigen durch Handschlag wiederholt. Nachdem hierauf die Minister mit Zurück⸗
lassung der Landtags⸗Kommissare den Saal verlassen hatten, wur-⸗
den zum Vice⸗Präsidenten der Abgeordnete Pancratz, zu Secretairen die Abgeordneten Strackerjan, Claußen und Tappenbeck und zum Kassenfuhrer der Abgeordnete Sprenger erwählt und die Dauer der Präsidentur auf vier Wochen festgesetzt.
Der Präsident verlas dann die Regierungs⸗Vorlagen, unter denen die über die deutsche Frage mit großer Spannung angehört wurde. Ihr Inhalt war im Wesentlichen: Bundesstaatliche Eini⸗ gung sei unverrückt das Ziel der Staats⸗Regierung gewesen; dar⸗ um habe sie ihren Beitritt zum berliner Vertrage beschlossen, weil sie darin das letzte übrigbleibende Mittel dazu erblickt. Der vorige Landtag habe nur mit einer Stimme Mehrheit erklärt, auf diesem Wege ihr nicht folgen zu können. Eine Auflösung des Landtages und Anordnung von Neuwahlen sei demnach unerläßlichg gewesen. Aber schon vor dem Zusammentritt des neuen Landtages hätten neue dringende Umstände die Ratisication nothwendig gemacht. Diese Umstände seien:
1) die eingelaufene Nachricht von dem erfolgten Beitritt mehre⸗
rer anderer deutschen Staaten, als Hessen, Altenburg, den reußischen Landen, Anhalt, Waldeck und Lübeck, so daß Ol⸗ denburg in Norddeutschland der einzige Staat außer dem Bündnisse gewesen sein würde;
dringende Mahnungen aus Berlin zur Entschließung vor dem 15. September, damit die Vorbereitungen zur Einberufung
des Reichstages beschafft werden könnten, und weil über das
Verhältniß zu Oesterreich, so wie über die „Flotte u. s. w., dringliche Verhandlungen bevorständen; 1 3) die Abstimmungen der preußischen Kammern über die deutsche
Frage, welche mit 300 gegen 2 Stimmen der deutschen Po⸗
litik der dortigen Regierung beigetreten sind. 1
Daher habe die Staatsregierung nicht länger anstehen dürfen, auf die Seite sich zu stellen, wo fuͤr jetzt allein Rettung aus den Wirren, in welche Deutschland gerathen, zu erblicken gewesen. Das Wahlgesetz für die Abgeordneten zum Reichtstage sei, nach den Ver⸗ hälinissen des Großherzogthums abgeändert, genehmigt, welche Ab⸗ änderungen darin Steuerbeitrag angenommen, zwei Klassen anstatt dreier und e jähriger Wohnsitz anstatt des dreijährigen bestimmt ist. Zur Aus füͤhrung dieses Wahlgesetzes sei mit vorbereitenden Arbeiten unver⸗ züglich zu beginnen, und es geht daher der Antrag dahin: Der Landtag möge zunächst und vor allem Anderen die Zustimmung zu der geschehenen Ratification erklären, womit dann auch die Aner⸗ kennung des Schiedsgerichts, so wie des Wahlgesetzes, ausgesprochen sein werde. 88
Nach diesen Verlesungen hatte der Landtag sür heute nur noch Beschluß zu fassen über stenographische Protokollführung, welche ge⸗ nehmigt wurde, und in Abtheilungen sich zu verlosen, deren Aus⸗ schuß morgen über den Angriff der Geschäfte Bericht zu erstatten haben wird.
Hamburg. Hamburg, 7. Nov. I1n Bericht, der durch den Rath⸗ und Bürgerschluß vom 27. September 1844 in Betreff der Verfassungs⸗Angelegenheit eingesetzten Kommisston (übergeben am 3. November d. J.) ist nunmehr im Druck erschie⸗ nen. Der Bericht selbst (S. 3 — 44) ist überaus umständlich. Die Kommission bedauert, daß
mit der konstituirenden Versammlung geschwunden sei. Die Frage,
ob die von der konstituirenden Versammlung beschlossene Verfassung
unverändert ins Leben eingeführt werden könne, ohne die wesent⸗ lichen und höchsten Interessen unserer Stadt zu gefährden, wird verneinend beantwortet. Nach einer kurzen Uebersicht der Verhand⸗ lungen mit der konstituirenden Versammlung wird die rechtliche Lage der Sache erörtert und nachgewiesen, daß aus dem Rath⸗ und Bürgerschluß vom 7. September vorigen Jahres staatsrechtlich keine Verpflichtung zur Annahme der Verfassung hervorgehe, daß Rath und Bürgerschaft noch jetzt rechtlich und fak⸗ tisch im vollen und unbeschränkten Besitze der Staatsgewalt seien; ohne jedoch in diesen dem rein juristischen Standpunkte ent⸗ nommenen Argumenten allein die Entscheidung der Frage zu suchen, vielmehr anerkennend, daß es noch ein Höheres gebe, als bios das formelle Recht. Von diesem Gesichtspunkte aus habe das Mandat kein unbedingtes sein können, weil es rechtlich und moralisch un⸗ möglich sei, daß die Staatsgewalt einer außer ihr stehenden Ver⸗ sammlung Vollmacht ertheile, den Staat zu Grunde zu richten. Habe sie den Vorbehalt zu machen versäumt, so möge sie darüber Tadel verdienen, der Staat aber dürfe nicht zu Grunde gehen und der Vorbehalt verstehe sich von selbst. Die Schuld, daß eine Ver⸗ einbarung mit der Constituante nicht zu Stande gekommen, liege lediglich an dem starren Festhalten der konstituirenden Versamm⸗ lung. Wenn aber auch eine juristische Verpflichtung zur Einfüh⸗ rung der von der konstituirenden Versammlung festgestellten Ver fassung nicht bestehe, so bestehe doch den bisher nicht vertretenen Theilen der Bevölkerung gegenüber die moralische Verpflichtung, das Werk der konstituirenden Versammlung so weit unverändert anzunehmen, wie es nach der gewissenhaften lUleberzeugung der Trãä⸗ ger der Staatsgewalt mit den unabweislichen Rücksichten des Staats⸗ wohls vereinbar sei. Es folgt hicrauf die nachstehende umständliche Notivirung des Verfassungs⸗Entwurfs der Kommission:
Erster Abschnitt.
Allgemeine Bestimmungen.
Art. 1. Die freie und Hansestadt Hamburg und das damit verbundene Gebiet bilden einen selbstständigen Einzelstaat Deutsch⸗ lands. Eine Feststellung der Verhältnisse des Amtes Bergedorf bleibt vorbehalten. Art. 2. Jede Gebiets⸗Veräußerung gilt als eine Veränderung der Verfassung. Art. 3. Angehöriger des ham⸗ burgischen Staates ist Jeder, welchem nach gesetzlicher Bestimmung das Heimatsrecht in demselben zusteht. Art. 4. Das Staatsbür⸗ gerrecht wird durch eidliche Verpflichtung auf die Verfassung erwor⸗ ben. Nur Volljährige werden zu dieser Verpflichtung zugelassen. Die Form derselben bestimmt das Gesetz. Art. 5. ¹iejenigen, welche das Staatsbürgerrecht erwerben wollen, haben vorher nach⸗ zuweisen, daß ihrer Aufnahme als Gemeinde⸗Bürger in die städtische oder eine der übrigen Gemeinden nichts entgegensteht. Sie können auch nach Erlangung des Staatsbürgerrechts die in demselben ent⸗ haltenen Befugnisse erst, nachdem sie das Bürgerrecht in einer Ge⸗ meinde erworben haben, ausüben. Art. 6. Die Staatsgewalt wird durch die verfassungsmäßig gewählten Behörden und Vertreter der Staatsbürger ausgeübt, und zwar ist: die gesetzgebende Gewalt dem Senate uud der Bürgerschaft gemeinschaftlich, die vollziehende dem Senate, die richterliche den Gerichten übertragen. Art. 7. Die Grundrechte des deutschen Volkes, wie sie jetzt festgesetzt sind oder künftig festgesetzt werden, gelten für den hamburgischen Staat als Theil dieser Verfassung.
Zweiter Abschmitte Der Senat. Art. 8. Der Senat besteht aus funfzehn Mitgliedern, näm⸗ lich aus sieben juristischen oder kameralistischen und aus acht sonsti⸗
ten gleich nach ihrer Erwählung zusammen und
bestehen, daß der Beitrag zur Armenkasse als
jede Hoffnung auf eine Vereinbarung
gen Mitgliedern, von welchen Letzteren wenigstens sechs dem Kauf⸗ mannsstande angehören müssen. Diese Zahl von funfzehn Mitglie⸗ dern kann, wenn sich ein Bedürfniß dazu ergiebt, durch die Gesetz⸗ gebung um drei Mitglieder vermehrt werden. (Das Syndikat ist aufgehoben). Art. 9. Wählbar zum Senats⸗Mitgliede ist, jedoch unter Berücksichtigung des Art. 8, jeder zur Bürgerschaft wählbare Staatsbürger. Ausgeschlossen von der Wahl ist derjenige, welcher mit einem Mitgliede des Senats in auf⸗ und absteigender Linie oder als Bruder, Oheim oder Neffe verwandt, oder als Stiefvater, Stiefsohn, Schwiegervater, Schwiegersohn, Frauenbruder oder Schwestermann verschwägert ist. Es macht in den Fällen der Schwägerschaft keinen Unterschied, ob die sie begründende Ehe noch fortdauert oder nicht. Art. 10. Die Wahl der Senats⸗ Mitglieder geschieht durch die Bürgerschaft aus einem Wahl⸗ Aufsatz von drei Personen in folgender Weise: Zur Ent⸗ werfung des Aufsatzes werden vom Senate drei seiner Mit⸗ glieder und von der Bürgerschaft sechs ihrer Mitglieder durch Stimmenmehrheit erwählt. Diese neun Vertrauens⸗Männer tre⸗
entwerfen, nach sorgfältiger Beredung über die zum Vorschlag zu bringenden, einen Aufsatz von sechs Personen, welcher dem Senate von seinen Kom⸗ missarten sofort übergeben wird. Der Senat präsentirt von den sechs in Vorschlag gebrachten drei der Bürgerschaft, welche von die⸗ sen dreien einen zu erwählen hat. Die Wahl, welche von der Bürgerschaft gleich nach Ueberreichung des Wahlaufsatzes vorzuneh⸗ men ist, geschieht mittelst Stimmzettel. Der zu Erwählende muß die absolute Mehrheit der Stimmen der anwesenden Bürgerschafts⸗ Mitglieder erhalten. Hat eine zweimalige Abstimmung keine absolute Mehrheit ergeben, so wird unter den Beiden gewählt, auf welche bei der zweiten Abstimmung die meisten Stimmen gefallen sind. Die Wahl zum Senats⸗Mitgliede muß von dem Erwählten bei Verlust des Staats⸗ und Gemeinde⸗Bürgerrechts angenommen werden. Art. 11. Die Mitglieder des Senates bekleiden ihr Amt lebenslänglich unter folgenden Beschränkungen: Nach mindestens sechsjähriger Amtsdauer ist jedes Senats⸗Mitglied berechtigt, seine Entlassung zu verlangen, ohne jedoch Anspruch auf Pension zu haben. Hat der Abtretende das sechzigste Lebensjahr vollendet und das Amt mindestens zehn Jahre verwaltet, so hat derselbe eine Pension zum Belauf der Hälfte seines Honorars zu genießen. Jedes Senats⸗ Mitglied, welches das siebzigste Lebensjahr überschreitet, ist verpflich⸗ tet, aus dem Senate auszutreten, und erhält dann eine Pension zum Belauf von zwei Drittheilen seines Honorars. Art. 12. Eine erledigte Stelle im Senate ist regelmäßig binnen vierzehn Tagen wieder zu besetzen. Art. 13. Die Fälle, in denen ein Senats⸗ Mitglied, außer dem im Art. 11 erwähnten Falle, austreten muß, bestimmt das Gesetz. Art. 14. Mit dem Amte eines Senats⸗ Mitgliedes ist jedes andere öffentliche Amt unvereinbar. Eine son⸗ stige Berufsthätigkeit, mit Ausnahme der Advokatur und des No⸗ tariats, dürfen Senats⸗Mitglieder fortsetzen, insoweit dieselbe der Erfüllung ihrer Amtspflichten keinen Abbruch thut. Art. 15. Je⸗ des Senats-Mitglied muß in der Stadt oder in deren näch⸗ ster Umgebung auf hamburgischem Gebiete seinen regelmäßigen Wohnsitz haben oder sofort nach seiner Erwählung nehmen. Art. 16. Jedes Mitglied des Senates hat sich vor Antritt seines Am⸗
tes zur getreuen Fuhrung desselben in einer gemeinschaftlichen Ver⸗
sammlung des Senates und der Bürgerschaft eidlich zu verpflichten. Die Form dieser eidlichen Verpflichtung bestimmt das Gesetz. Art. 17. Die Mitglieder des Senates erhalten ein gesetzlich zu bestim⸗ mendes Honorar. Art. 18. Der Senat wählt aus seiner Mitte einen ersten und einen zweiten Bürgermeister zu Vorsitzenden. Je⸗ der derselben bleibt zwei Jahre im Amte, so daß alljährlich der frü⸗ her Erwählte zurücktritt und alljährlich eine Neuwahl stattfindet. Der Neuerwählte fungirt für das erste Jahr als zweiter und für das folgende Jahr als erster Bürgermeister. Die Wiederwahl ist erst nach Verlauf eines Zwischenjahres zulässig! Art. 191 Der Senat schreibt die Wahlen zur Bürgerschaft aus und ruft dieselbe zusammen (Art. 46). Er hat das Recht, den Bürger⸗Ausschuß zu berufen und die Zusammenberufung der Bürgerschaft zu verlangen (Art. 50). Art. 20. Der Senat, als Inhaber der vollzie⸗ henden Gewalt, ist die oberste Verwaltungs⸗ Behörde; er übt die Aufsicht aus über sämmtliche Zweige der Verwal⸗ tung. Art. 21. Der Senat hat die gesetzliche Ordnung aufrecht zu erhalten und die Sicherheit des Staates im Innern wie nach außen zu wahren. Art. 22. Der Senat verfügt innerhalb der ge⸗ setzlichen Schranken über die bewafsfnete Macht. Art. 23. Der Senat vertritt den Staat dem übrigen Deutschland und dem Aus⸗ lande gegenüber. Er leitet die auswärtigen Angelegenheiten, führt die auf dieselben bezüglichen Verhandlungen, ernennt die Bevoll⸗ mächtigten bei anderen Staaten und schließt Staatsverträge ab. Vor Ratifizirung der letzteren hat er die Zustimmung der Bürger⸗ schaft einzuholen. Art. 24. Die dem Staate zustehende Ober⸗ Aufsicht über die Gemeinden wird vom Senate ausgeübt. Art. 25. Das Recht, eine von den Gerichten erkannte Strafe durch Begna⸗ digung zu mildern oder zu erlassen, steht dem Senate zu. Bei Strafen, welche nach Maßgabe des Art. Sl an eine von der Bürgerschaft veranlaßte Anklage erkannt worden sind, kann der Senat das Begnadigungsrecht nur auf Antrag oder mit Zustim⸗ mung der Bürgerschaft ausüben. Eine Amnestie kann nur durch die Gesetzgebung ertheilt werden. Art. 26. Die Gesetzgebung wird bestimmen, welche höhere Beamte vom Senate zu ernennen oder zu bestätigen oder aus einem ihm von der betreffenden Deputa⸗ tion vorzulegenden Wahlaufsatze zu wählen sind. Ist durch die Verfassung oder Gesetzgebung nichts darüber verfügt, so steht die Ernennung dem Senate zu. Art. 27. Die dem Staate zu leistenden Eide und die an deren Stelle tretenden Verpflichtun⸗ gen werden, so weit die Verfassung oder die Gesetze nicht ander⸗ EC““ bestimmen, vor dem Senate abgelegt. Art. 28. Die Mitglieder des Senats sind dafür verautwortlich, daß weder durch Amtsführung, noch durch Gesammtbeschlüͤsse des Senats die Verfassung oder die Gesetze verletzt werden. Die Bestimmungen über die Geltendmachung dieser Verantwortlichkeit sollen durch ein Gesetz festgestellt werden. (Schluß folgt.)
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Musland.
Fraukreich. Gesetzgebende Versammlung. Sitzung vom 5. November. Sie beginnt erst um 3 Uhr mit der Ernen⸗ nung eines Ausschusses zur Untersuchnng des Zustandes der Marine durch namentliche Abstimmung. Die neuen Minister sind schon zei⸗ 1 ügr sie empfangen die Begrüßungen mehrerer Mitglieder der Majorität und auch einzelner von den früheren Mi⸗ nistern. Nach beendigter Abstimmung wird zur dritten Berathung des Gesetz⸗Entwurfes über verlängerte Auflösung der National⸗ Garde von Lyon und den Vorstädten geschritten. Chanet be kämpft den Gesetz⸗Entwurf und doückt dabei seine Verwunderung aus, daß der neue Minister des Innern denselben nicht zurück⸗ ziehe, da doch mit der Botschaft des Präsidenten der Repu blik eine neue Politik des Vertrauens angekündigt-worden sei.
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Bloße Verdrängung der alten Minister durch Personen, die bis heute ganz Frankreich noch unbekannt seien, habe doch nicht in der Absicht des Präsidenten gelegen. Wenn man die alten Minister gestürzt habe, so sei dies doch gewiß nicht in der Absicht geschehen, es ganz wie sie zu machen. Ferdinand Barrot, der neue Minister des Innern, besteigt unter großer Aufmerksamkeit der Versammlung die Tribüne. Er erwiedert, daß ein neues Ministerium keinesweges das gerade Gegentheil von dem vorhergehenden zu thun berufen sei. Er für seinen Theil finde im Gegentheil viele nachahmungswerthe Beispiele in dem abgetretenen Ministerium. Im vorliegenden Falle glaube er dem Programme des Präsidenten der Republit treu zu sein, wenn er zur Beschützung der Arbeit die fernere Auflösung der National⸗Garde von Lyon verlange, die auch von achtbaren Vertretern der Arbeit in Lyon gefordert werde. Der Minister äußert sodann, daß der gegen⸗ wärtige Augenblick voll Gefahren sei, wegen der vielen Fahnen von verschiedenen Farben, die man entfalte. (Murren auf der Rechten.) Er glaube nicht, daß in der Versammlung eine an⸗ dere Fahne existire, als die Fahne der von der Nation erwählten Gewalt. Dieser Ausdruck erregt die lebhafte Kritik der Linkeu, worauf der Redner zu antworten sucht, jedoch mit sorgfältiger Ver⸗ meidung des Wortes Republik. Eine Stimme links: „Sagen Sie doch, die Fahne des Kaiserthums!“ Eine andere Stimme: „Sagen Sie doch, die Fahne der Republik! Das wird Ihnen sehr schwer!“ F. Barrot schließt mit dem entschiedenen Antrage auf Genehmigung des Gesetz⸗Entwurfs. Mathieu de la Drome bemüht sich, die verlangte Maßregel, so wie überhaupt das Programm des neuen Ministeriums, mit der Botschaft des Präsidenten in Widerspruch zu setzen. „Wenn Ihr die Arbeit beschuͤtzen wollt“, sagt er, „so legt Entwürfe zar Organisation des Kredits und gegen die Bankiers und Wucherer vor! Wenn Ihr die Würde Frankreichs aufrecht erhalten wollt, so gebt der ersten Gränzstadt Frankreichs die Waffen wieder! Eine neue Politik beginnt. (Zu den Mini⸗ stern gewendet:) Sie sind nicht hier, um Ihre eigenen Gedanken zu verfolgen; Sie sollen die Absichten und Befehle des Präsidenten ausführen. Machen Sie nicht, daß man wieder, wie vom Briefe vom 18. August, sagt, und wie ich eben vor der Thuüͤr der Natio
nal⸗Versammlung gehört habe: „Diese Manifeste sind Kanonen⸗
schüsse, allein sie sind nur blind geladen!“ Der Gesetz-Entwurf wird angenommen. Hierauf wird zur Diskussion der Berücksichti⸗ gung eines Vorschlages des Generals Baraguay d'Hilliers geschritten, der das Dekret der konstituirenden Versammlung, wo⸗ nach die Zulassung zu der polytechnischen und den Offizier⸗Schulen unentgeltlich sein soll, modifizirt wissen will. Tamisier bekämpft den Vorschlag als ungerecht gegen die Armen, die an den Lasten jener Anstalten mittragen müssen, als undemokratisch und als nachtheilig für den Staat, insofern dadurch der Kreis, in dem derselbe die ausgezeichnetsten Talente suchen müsse, verengt werde. Baraguay d'Hilliers vertheidigt seinen Vorschlag. Oberst Charras fordert den Kriegs⸗Minister d'Hautpoul auf, als Organ der persönlichen Politik des Präsidenten der Republik sich zu erklären, ob er im Budget seines Ministeriums die zur un⸗ entgeltlichen Ertheilung des Unterrichtes in der polptechnischen und Offizier⸗Schule von Saint⸗Cyr nöthigen Fonds verlangen werde. Der Kriegs⸗Minister läßt diese Frage unbeantwortet. Ueber die Prüfung des Vorschlags wird auf Verlangen der Linken zur namentlichen Abstimmung geschritten. Es ergeben sich 377 Stim⸗ men dafür, 201 dagegen. Schluß der Sitzung.
Sitzung vom 6. November. Vice ⸗Präsident B enoist d' Azy. Nach mehreren uninteressanten Debatten über Handels⸗ Interessen bringt General d'Hautpoul einen Vorschlag wegen eines Handels⸗Vertrages mit Chili ein. Der Präsident proklamirt als Mitglieder zur Untersuchungs⸗Kommission Collas, Daru, Ernon, Charner, Lasteyrie, Benoist d'Azy und Dufaure. Herr Cordier nimmt seinen Antrag wegen Bewilligung von 6 Millionen zur Verbesserung der Nebenstraßen der Departements, die keine Eisen⸗ bahnen haben, zurück. Die Versammlung beschließt, den Antrag des Herrn Charras in Bezug auf die Veröffentlichung der Er⸗ nennungen und Provotionen zur Ehren⸗Legion in Berathung zie⸗ hen zu wollen. Der Antrag in Bezug auf die fremden Flüchtlinge ward zum zweitenmal berathen. Die Sitzung wird geschlossen.
Paris, 5. Nov. Der Präsident der Republik war bei der gestrigen Revue in Versailles über sechs Kavallerie⸗Regimenter von Changarnier, dem belgischen Kriegsminister, dem englischen General Fox und dem englischen Husaren⸗Oberst Lord Cardigan begleitet. Er wurde von den Truppen mit begeisterten Vivats empfangen und theilte nach der Musterung mehrere Docorationen an Offiziere und Soldaten aus.
Wie es heißt, soll der Präsident willens sein, die Botschaft vom 31. Oktober in allen Gemeinden des Landes anschlagen zu lassen. Die neuen Minister kündigen in ihrer Umgebung laut ihre Absicht an, die in der Botschaft gegebenen Versprechungen baldigst zu Handlungen werden zu lassen. Sie verheißen zahlreiche und wichtige Gesetz⸗Entwürfe; mehrere von ihnen halten sich fast völlig zurückgezogen und nehmen gar keine Besuche an, weil sie zu ernste und dringliche Arbeiten hätten. Ein demokratisches Organ sagt: „die Majorität der National⸗Versamm⸗ lung erwartet das Ministerium bei seinen mit so viel Geräusch an⸗ gekündigten Handlungen und beobachtet vor der Hand eine berech⸗ nete Zurückhaltung. Gleichwohl läßt sich aus der kalten und oft iro⸗ nischen Sprache ihrer Organe schließen, daß das neue Kabinet, dessen plötzliches Dasein gar zu vielen persönlichen Absichten und zugleich der parlamentarischen Würde der Versammlung vor den Kopf gestoßen hat, der Majorität gegenüber keine sonderlich gute Stellung haben wird. Na⸗ mentlich sind die Legitimisten seit der Botschaft aufgebracht und wegen der Zukunft mißtrauisch. Einem Journale zufolge organisiren sie bereits un⸗ ter der Hand die Steuerverweigerung. Die Opposition ist nicht minder auf ihrer Hut, und auch von ihrer Seite wird für den Fall eines Staats⸗ streiches die Steuerverweigerung in Aussicht gestellt. Bemerkens⸗ werth ist es jedenfalls, daß seit dem Erscheinen der Botschaft, ob⸗ gleich Louis Napoleon darin ausdrücklich die Aufrechthaltung der von ihm beschworenen Verfassung angelobt, alle Parteien, mit Aus⸗ nahme der Bonapartisten, die Verfassung als bedroht darstellen und, während sie dieselbe sonst von so verschiedenen Gesichtspunkten aus angriffen, einmüthig zu ihrer Vertheidigung auffordern. Was die angeblich beabsichtigte Amnestie betrifft, so glaubt man, daß dieselbe blos bestimmt ist, den üblen Eindruck des ebenfalls beabsich⸗ tigten Antrages auf Gehalts⸗Erhöhung für Louis Napoleon von 600,000 Fr. (außer 600,000 Fr. Repräsentationskosten) auf 3 Mil lionen möglichst zu verwischen und die Annahme des letzteren zu er leichtern.“ Das Journal des Débats, welches, außer einem kurzen Artikel über die Botschaft des Präsidenten, gleich nach deren Erscheinen über die neuesten Vorgänge gänzliches Schweigen beobachtete, enthält vheute ausführlichere Betrachtungen, in denen es unter Anderem sügt: „Wir wollen den Ursachen dieser Krisis nicht nachforschen; wir warten auf die Ergebnisse des neuen Systems. Wir bemerken blos, daß viele Mitglieder der Majorität sich getäuscht haben, als sie glaubten, mit Muße ergrübeln zu können, ob das Ministerium in Allem den
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38 vnn 1.B. mM, Ideen der Majorität entsprechend sei oder nicht, und als sie die Anwesenheit dieses oder jenes Ministers im Kabinet bekämpften. Diese Debatten und Bemühungen waren unter der constitutionel⸗ len Monarchie am Platze. Damals mußte das Ministerium die Ansichten der Majorität ausdrücken oder umgestaltet werden. Da⸗ her die Wichtigkeit der kleinen persönlichen Feindseligkeiten. Heute aber haben wir nicht mehr die Zeit, unseren Gebrechen von sonst ihren Lauf zu lassen, und die Majorität wird nicht vergessen, daß nicht sie das Ministerium gestürzt hat, das sie zu erschüttern einige Male in Versuchung war. Sie kann sich ihrer Weisheit rühmen, weil sie der Versuchung widerstand; sie kann sich ihre Zweifel und ihre Ungeduld vorwerfen, weil sie dieselben bisweilen sichtbar werden ließ; aber sie muß vor Allem sich diese Lection merken, daß sie nicht mehr unbedingt über das Ministerium verfügt, wie unter der constutitio⸗ nellen Monarchie. Ein neues System beginnt, ein dunkles und mit Schwierigkeiten besäetes System: das System der Verfassung von 1848, das System der verantwortlichen Präsidentschaft und der un⸗ auflösbaren Versammlung. Wir lebten bisher in den Gewohn⸗ heiten der constutitionellen Monarchie; wir müssen deshalb hervor⸗ heben, daß die, welche am meisten auf diese Gewohnheiten und welche im gegenwärtigen Falle am lebhaftigsten dem Präsidenten das Recht bestreiten, eine persönliche Politik zu haben und sie bei der Wahl seiner Minister zur Richtschnur zu nehmen, gerade die alten Republikaner und sogar die Urheber der Verfassung von 1848 sind. Sie schreien, es sei unerhört, daß der Präsident mäch⸗ tiger sein solle, als der König war, ohne daß er nöthigenfalls so weit solle gehen können, auf die Zustimmung der Majorität zu verzichten, so daß die Republik darauf hinauslaufe, daß man für drei Jahre einen Quasi⸗Diktator habe. Ja, alles dies ist sonderbar, alles dies ist der parlamentarischen Regierung, ja sogar der repu⸗ blikanischen Regierung zuwider, wenn republikanisch so viel heißen soll als liberal; aber alles dies ist unserer Verfassung von 1848 durchaus gemäß. Unter der Juli⸗Monarchie beschuldigte man Ludwig Philipp, daß er persönlich regiere. Als wir damals sagten, man könne dem unverantwortlichen Könige nicht zumuthen, daß er völlig machtlos sein solle, sagten unsere Gegner: Gut denn; wenn Ihr wollt, daß der König regiere, so macht ihn verantwortlich.“ Die Ereignisse haben bewiesen, daß der König faktisch, wenn auch nicht gesetzlich, verantwortlich war, und daß an ihn, nicht an seine Minister, die Volksungerechtigkeit sich hielt. Sobald man aber eine republikanische Verfassung schuf, beeilte man sich, einen verant⸗ wortlichen Präsidenten zu schaffen. Man glaubte, Gott verzeihe uns, daß man an ihn sich immer werde halten können, und daß der Präsident um so mehr unterwürfig gemacht sein werde, als er verantwortlich sei. Das Gegentheil war der Fall und mußte es sein. Eben durch seine Verantwortlichkeit hat der Präsident Macht über das Parlament, eben durch sie ist er unabhängig und macht seine Politik obherrschen über die der Versamm⸗ lung; eben rurch sie ernennt er die ihm zusagenden Minister, ohne sich viel um den Geschmack der Majorität zu kümmern. Die vom Präsidenten vorgenommene Veränderung des Ministeriums ist also durchaus gesetzlich, und nur darum konnte sie Ver⸗ wunderung erregen, weil sie der Verfassung von 1848 gemäß ist, an welche man im Allgemeinen sich noch wenig gewöhnt hat. Was wird das Ergebniß dieser Veränderungen sein? Welches ist die neue Politik, die der Präsident inauguriren will? Wir werden es in die⸗ ser Hinsicht machen, wie die Majorität; wir wollen die Wirkungen des neuen Systems abwarten, bevor wir dasselbe beurtheilen.“ Das Journal des Debats erklärt sodann, daß es dem neuen Kabi⸗ net keine Hindernisse bereiten werde, und spricht bezüglich der Ma⸗ jorität, obgleich jetzt zunächst nur eine einzige Schattirung derselben unter der verantwortlichen Leitung des Präsidenten unmittelbar am Ruder sein werde, die nämliche Erwartung mit Zuversicht aus. Es meint, in dem Umstande, daß fortan die große Masse der Majorität mindere Verantwortlichkeit tragen werde, könne keine UÜrsache zur Spaltung liegen. „Wir würden“, sagt es zum Schlusse, „hierüber in Verzweiflung sein. Denn diese Spal⸗ tung wäre eine große Schwächung für die gemäßigte Partei, ein großer Stoß für die Sache der Ordnung, ein bedeutender Anlaß zum Triumph für die radikale sozialistische Partei. Laßt uns Alle, gleichviel ob wir regieren oder regieren sehen, nicht vergessen, daß die sozialistische Partei uns überwacht. Bei der ersten Zerstücke⸗ lung, welche in den Reihen der gemäßigten Partei eintritt, wird sie von neuem über die Gesellschaft herfallen, und Gott weiß, was es sür Anstrengungen bedürfen wird, um sie ihr zu entreißen. Wir schreiten Alle am Rande eines Abgrundes; stoßen und ver⸗ drängen wir uns daher nicht selbst, denn wir wurden sämmtlich hineinrollen.“
Großbritanien und Irland. London, 6. Nov. Heute früh begaben sich die Minister nach Schloß Windsor, wo Ihre Majestät die Königin eine Geheimerathsversammlung halten wird. In dem Befinden der verwittweten Königin ist in den drei letzten Tagen wenig Aenderung eingetreten; es schwankt zwischen Erleichterung und Verschlimmerung hin und her.
Capitain Sir James Roß ist mit seinen beiden Schiffen „En⸗ treprise“ und „Investigator“ so eben unverrichteter Sache von sei⸗ ner Polar⸗Expedition zur Nachforschung nach Capitain Franklin wieder nach England zurückgekehrt; er hat nirgends eine Spur von dem Vermißten gefunden. Gleichzeitig aber werden durch die neuesten aus den Vereinigten Staaten von Nord⸗Amerika hier eingehenden Nachrichten die Hoffnungen von neuem belebt, indem ein in New⸗London angelangter Wallfischfahrer die Kunde dorthin gebracht hatte, daß Capitain Franklin mit seinen Schiffen im Polar⸗ Eis eingeschlossen von den Eingebornen jener Gegend, wie schon neulich das Gerücht ging, wirklich noch im Sommer dieses Jahres gesehen worden sei.
Italien. Florenz, 31. Okt. (Ll.) Das heutige offizielle Jour⸗ nal bringt ein sehr ausgedehntes Polizeigesetz. In dem Rapporte des Ministers wird die Nothwendigkeit eines strengen Gesetzes, so wie die Reform der gegenwärtig nicht mehr statthaften Polizeige⸗ setze, hervorgehoben. Es wird den künftigen Kammern das Recht vorbehalten, die gegenwärtige Bestimmung zu modisiziren. Der vorliegende Gesetz⸗Entwurf enthält Anordnungen gegen jede Ueber⸗ tretung der öffentlichen Ordnung, der Religion und Sittlichkeit, der persönlichen Sicherheit und endlich Verordnungen gegen jeden Eingriff in das öffentliche und Privatrecht. Das Strafmaß wird nach Maßgabe des Vergehens in Arrest und Verweisung aus einem Orte bestehen. Diese Bestimmungen gelten blos für den admini⸗
strativen Theil der Polizei; wogegen die Aufsichts⸗ und Präventiv⸗ 8
Polizei weit strenge Strafen anordnen kann und auch die im Lande befindlichen Fremden ihren Entscheidungen unterwirft. Das toskanische Anlehen ist nicht nur nicht abgeschlossen, sondern die diesfälligen Unterhandlungen sollen sogar abgebrochen worden sein. Dem Nationale zufolge, soll die Regierung die Hoffnung aufgegeben haben, ein Anleihen im Auslande zu Stande zu brin⸗ en, und daher gesonnen sein, einen Konkurs zu einem National⸗ Anlehen zu eröffnen.
In Livorno befinden sich jetzt einige hundert für Neapel an 8 9
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