1 entfesselter Leidenschaft und Hasses preiszugeben und hier⸗ e Fr theilweisen Rechtszustandes, der mit so 5 Opfern erstritten worden, dessen Behauptung aber auch in diesem Augen⸗ blicke der ganzen und ungetheilten Kraft der Regierungsgewalt bedarf, durch einen verfrühten Versuch auf das Spiel zu setzen. So bald Ruhe und Eintracht in das Land zurückgekehrt sein werden, das so lange der platz eines allgemeinen Bürgerkrieges war, und der Sinn für Gesetzli bkeit und Ordnung in dem Maße erstarkt sein wird, um den in diesem Angen⸗ blicke sich noch mannichfach regenden anarchischen Bestrebungen nh Erfolg entgegenzutreten, werde ich es als meine Pflicht erkennen, Ew. Majestäͤt die Bedingungen allerunterthänigst vorzuschlagen, unter welchen die Aus⸗ dehnung des Institutes der Geschwornen⸗Gerichte auch auf das Kronland Ungarn sich mit den Anforderungen vereinigen läßt, welche man rücksichtlich einer unbefangenen und wirksamen Rechtspflege im Staate zu stellen berech⸗ igt ist. 8. Rußer den ordentlichen Gerichten, welche ich mir im Vorhergehenden
zu bezeichnen ecrlaubte, sollen gemäß den Ew. Majestät zur Allerhöchsten
Sanction vorliegenden Grundzügen auch außerordentliche Fachgerichte für
den Handel und für Bergrechts⸗Sachen der Ungarn errichtet werden.
Das Bedürfniß nach einem abgesonderten und ausschließlich für Han⸗ delsstreitigkeiten bestimmten Handels⸗Gerichte stellt sich mit Hinblick auf die gleichzeitig stattfindende Errichtung von Landes⸗Gerichten in den meisten der
größeren Handelsorte nur in der Stadt Pesth als ein in höherem Grade begründetes dar, während für die übrigen Orte, in denen gegenwärtig schon zum Theile Wechsel⸗Gerichte mit gleichem Wirkungskreise sich befanden, die Aburtheilung der Handelssachen mit Einschluß der kaufmännischen Konkurse vor den Landes⸗Gerichten, deren Beisitzer aus dem Handelsstande zuzuweisen sein werden, sich als hinreichend darstellen dürfte. Zur Entscheidung von Bergrechtsstreitigkeiten wird in allen jenen Be⸗ zirken, wo die Montan⸗Interessen eine erhöhte Berücksichtigung erheischen, bei den daselbst befindlichen Landes⸗Gerichten ein eigener abgesonderter Senat bestimmt werden, an dessen Berathungen übereinstimmend mit der Einrichtung in den uͤbrigen Kronländern technisch gebildete Stimmführer aus dem Stande der Berg⸗ und Hüttenleute mit entscheidender Stimme Theil zu nehmen haben werden.
Die geistlichen Gerichte der katholischen! Bischöfe hatten bisher in Ungarn einen ausgedehnteren Wirkungskreis, nicht nur in Beziehung auf Fragen, welche dem eigentlichen Gewissensforum angehören, sondern selbst in Gegenständen des bürgerlichen und Strafrechtes, für welche nach geläu⸗ terten Prinzipien des öffentlichen Rechtes nur die richterlichen Organe der weltlichen Gewalt zur Entscheidung berufen sind. Obwohl die Verhältnisse des Staates zur Kirche gemäß §. 36 der Reichs⸗Verfassung erst durch den dereinst zusammentretenden Reichstag ihre definitive Regelung finden können, so muß doch die Beseitigung jener anomalen Stellung der kirchlichen Ge⸗ walt, durch welche die Gleichheit vor dem Gesetze insbesondere im Kron⸗ ande Ungarn, wo nur die katholische Geistlichkeit bisher noch diese Prärogative genoß, empfindlich gestört wird, als eine sofort zu lö⸗ sende Aufgabe der Regierung betrachtet werden. Demgemäß werden auch in Hinkunft alle jene weltlichen Streitigkeiten über die äußerlichen Förm⸗ lichkeiten der Testamente in Meineidsklagen, bei Bestreitung der chelichen Geburt und rücksichtlich aller bei Ehestreitigkeiten vorkommenden Fragen, welche das bürgerliche und das Strafrecht betreffen, aus den Händen der katholischen Konsistorien und deren geistlichen Oberbehörden an die Landes⸗ gerichte übergehen, und nur jener Theil der Ehestreitigkeiten, welcher die Gültigkeit des Ehebandes und die Scheidung von katholischen Ehegatten betrifft, mit Rücksicht darauf, daß die genauere Kenntniß des dermal noch die einzige Quelle der Entscheidung für solche Fragen bildenden kanonischen Nechtes von dem Richterstande nicht im vollen Umfange zu erwarten ist, einstweilen noch den geistlichen Behörden verbleiben.
Eines der größten Gebrechen, an dem bisher die Rechtspflege in Un⸗ garn litt, fand seinen Grund an den mangelhasten und allen For⸗ gen einer vernünstigen Prozeßlehre widersprechenden Formen, in die Geltendmachung der Rechte bisher vor den Gerichten Ohne eine grüudlichezVerbesserung und theilweise ganz neue Um⸗ staltung der Prozeßgebung würden alle Reformen in der Organisation der Gerichte nur einen prekaären Erfolg gewähren So sehr aber auch die Nothwendigkeit einer umfassenden Reform des gesammten ungarischen Civil⸗ und Strafprozesses klar am Tage liegt, so reichten doch die wenigen Mo⸗ nate, während welcher die Regierung Ew. Majestäͤt sich mit der Organisa⸗ tion Ungarns befassen konnte, nicht hin, um die in dieser Richtung hin be⸗ gonnenen Arbeiten zur Reife zu bringen. Hier bleibt es zunächst als die einzig mögliche Aufgabe der Regierung, die vielfachen, auf endliche Verzö⸗ gerung der Prozesse einwirkenden Mißbräuche, namentlich die Vervielfälti⸗ gung der Rechtsmittel und die regelmäßigen Gerichtsstillstände, sofort abzu⸗ stellen, im Uebrigen aber die gesunden Keime fuür einen besseren Zustand, welche die Gesetzgebung der letzten Jahre in Ungarn gepflanzt, sorgfältig als einen Uebergang und als Anknüpfungspunkt für weiteren Fortschritt zu pflegen und auf weitere Kreise auszudehnen. In dieser Beziehung mußte das durch 20: 1836, 11: 1840 und §. 2, 7: 1844 eingeführte summarische Verfahren für jene Fälle, auf welche es durch die Gesetze berecchnet ist, auf⸗ recht erhalten, eben so die auf dem Landtage 1839—1840 für Wechselrechts⸗ Streitigkeiten erlassene Vorschrift über den förmlichen Piozeß, die ungeachtet mancher Verbesserungsfähigkeit dennoch den Grundsätzen einer vernünftigen Prozeßlehre in höherem Grade entspricht, auch für alle anderen Arten von Rechtsstreiten als Norm vorgezeichnet werden.
Am Wenigsten war es thunlich in Beziehung auf das Verfahren in Strafsachen schon jetzt auf bestimmte und durchgreifende Aenderungen hin⸗ zuwirken, so sehr auch gerade hier eine gründliche Reform vor Allem Noth thut.
Die Arbeiten in Beziehung auf die neue Strafprozeß⸗Ordnung, in der die durch die Reichsverfassung verbürgte Oeffentlichkeit und Mündlichkeit der Rechtspflege im vollen Maße durchgefuhrt sein wird, sind indessen bereits so weit vorgeschritten, daß ich mit Zuversicht hoffen darf, bis zu jenem Zeit⸗ punkte, wo die neuen Gerichte ins Leben treten werden, bei Ew. Maäjestät mir auch die Allerhöchste Genehmigung zur Einführung derselben bei allen Gerichten des Kronlandes Ungarn erbitten zu können.
Eine besondere Berücksichtigung erheischte das Schicksal jener zahlrei⸗ chen Prozesse, welche ihren Ursprung in Aviticitäts⸗Verhältnissen haben. Durch den Landtagsbeschluß des 15ten Artikels vom Jahre 1847/48, ist die Abschaffung der Aviticität im Prinzipe ausgesprochen und inzwischen, bis die mit Rücksicht hierauf vorzunehmende Umarbeitung des ungarischen dag egesins haben wird, die Suspendirung sämmtlicher in A äts ⸗ erhältnissen gegründeten und noch nicht durch ein Endurtheil entschiedenen Prozesse verfügt worden. Hierdurch ist ein gro⸗ ßer Theil des bisher adeligen Grundbesitzes in Frage gestellt. So lange über die Grundsätze, nach welchen künftig die Rechtsverhältnisse der Besitzer adeliger Güter zu regeln sein werden, keine definitive Entscheidung erfolgt, kann der Unsicherheit des Rechtes, welche durch obige Rücksicht des im Streite befangenen, avitischen Grundbesitzes staltgehabten Maßregeln ih⸗ ren Gipfelpunkt erreicht hat, nicht abgeholfen werden. Die Loös 3 dieser schwebenden Frage muß daher die llernächste Auf bsung, ve Ew. Masestäs biß d daher die allernächste lufgabe der Regierung
Masestät bilden. Sie wird nicht anders als im Sinne der möglichst ausgedehnten Anerkennung und Beschützung des faktischen Besitzes erfolgen en Fsähe Erneuerung oder Fortsetzung dieser Prozesse in dem Augen⸗
zu geben, wo eine definitive und allen ferneren Anfechtungen begeg⸗ nencGg dieser in alle Privatrechtsverhältnisse tief eingreifenden “ 8 “ “ vehghn Zweck Quelle der verderblichsten tes werden. sen und einer völligen Erschütterung alles Real⸗Kredi⸗
Um diesem Uebel zu begegnen, halte i für mei 1 i E I“ zu begegnen, halte ich es für meine Pflicht, bei Ew. Majestät die fernere Verlängerung des bereits bestehenden Bhrch hescen.
des für alle Prozesse obiger Art bi 1 3 5 b tigst zu beantragen. 8 t bis auf eine weitere Verfügung ehrerbie⸗
Eine gleiche Maßregel wird rücksichtlich jener zu einem Gebote der Nothwendigkeit hcch itst Besitzern eines mit barialrechten versehenen Gutes vor dem Tage der Verküade “ nn 5 agsbeschlüsse 1847 — 1848, nämlich vor dem 11 April 1848, 8 “ worden waren, und rücksichtlich welcher sich schon die hebes Cengegangen der im §. 5, 9: 1848 in Berücksichtigung der solchen Vesitern Sh gp nng bung aller Urbarialpflichten zugegangenen großen Nachtheäle zu ver usgs⸗ ratorium in Beziehung auf die Forderung des fälligen Kapitals bie o⸗ Festsetzung des Urbarial⸗Entschädigung veranlaßt gesunden hat eine Mag⸗ regel, die in Folge der nahr bevorstehenden Entscheidung der letteren Frage wohl nicht von zu langer Dauer sein dürfte. .“ 8
Darlehens⸗Forderungen
2046
Die Ausführung der Grundzüge der Gerichts⸗Organisation und die Einführung der das künftige Verfahren bei den neu zu errichtenden Gerich⸗ ten normirenden Verordnungen im Kronlande Ungarn, so wie die proviso⸗
rische Feststellung der verschiedenen Gerichtsbezirke, bei welcher auf mögliche Uebereinstimmung mit der zu treffenden politischen Eintheilung des Landes hingestrebt werden wird, muß auch hier besonderen hierzu abzuordnenden Kommissionen, welche das Resultat ihrer Vorarbeiten an mich einzusenden haben, übertragen werden. Ihnen wird es auch zunächst obliegen, bei dem unter den bisherigen Jurisdictions⸗Verhältnissen in Ungarn besonders schwie⸗ rigen Uebergange von der alten Art der Rechtspflege zur neuen Ordnung fühlbare Störungen vom Gange des Rechtes fern zu halten.
Bei der Wahl der Orte für den künftigen Sitz der neuen Gerichte wird mein Streben dahin gehen, mit möglichster Rücksicht auf die bisher im Be⸗ sitze einer Jurisdiction gewesenen Orte die Gerichtssitze zu bestim⸗ men und nur da Abweichungen stattfinden zu lassen, wo die geographischen Verhältnisse und die Rücksichten für die mögliche Arrondirung der Gerichts⸗ bezirke solche Beachtung früher bestandener Einrichtungen durchaus unthun⸗ lich machen.
Eine Uebersicht der Kosten, die durch die neue Gerichts⸗Organisation im Kronlande Ungarn und durch die Uebernahme der gesammten Rechts⸗ pflege daselbst von Seiten des Staates für die Staatsfinanzen erwachsen werden, vermag ich Ew. Majestät gegenwärtig auch nicht einmal in Form eines allgemeinen Voranschlages vorzulegen. Dieselben werden jedenfalls den bisher durch die verschiedenen Jurisdictionen ge⸗ tragenen Aufwand nicht unbedeutend übersteigen. Die Lasten, die daraus für die Steuerpflichtigen entstehen werden und die künstig von allen Einwohnern des Landes im Verhältnisse zur Steuer⸗ krast gleichmäßig getragen werden, vergüten sich jedoch gewiß hundertfältig durch den Genuß einer unparteiischen, allen Bewohnern gleich zugänglichen und schleunigen Rechtspflege, bei der die Unterschiede, welche bisher die ein⸗ zelnen Klassen von Staatsangehörigen in eine ungleiche Stellung vor dem Gesetze brachten, hinwegfallen, und der Schutz des Rechtes ein für Alle gleiches Gemeingut wird. Dabei wird übrigens auch mein eifriges Be⸗ streben sein, durch Festsetzung einer provisorischen Taxordnung, bei der die bisherigen Ansätze wenig überschritten sein werden, die Abweichungen und Willkürlichkeiten, die bisher in dieser Beziehung bei den einzelnen Juris⸗ dictionen zum Theile stattfanden, zu beseitigen und gleichzeitig einen be⸗ deutenden Theil des neuen Justizaufwandes auf diejenigen umzulegen, die den unmittelbaren Nutzen aus den neuen Institutionen zu ziehen im Falle sind.
Gestützt auf diese Darstellung erlaube ich mir daher die ehrfurchtsvolle Bitte zu wiederholen, daß Ew. Majestät die vorliegenden Grundzüge für die Resorm der Justiz⸗Organisation und der Rechtspflege im Kronlande Ungarn Allerhöchst genehmigen und mich zu den weiteren zu diesem Behufe nöthigen Vorkehrungen zu ermächtigen geruhen wollen. Wien, 29. Oktober.“
Briestimmungen
zin Betreff der im Kronlande Ungarn provisorisch einzuführenden Gerichts⸗
Verfassung und Prozeß⸗Ordnung. I. Aufstellung der provisorischen Gerichte.
§. 1. Die Gerichte, welche künftighin die Rechtspflege für das Kr land Ungarn besorgen, sind: “
a) Bezirksgerichte,
b) Landesgerichte,
c) Distriktual⸗Obergerichte,
d) der oberste Gerichte.
Provisorische Gerichte erster Instanz.
§. 2. Das Richteramt in erster Instanz üben aus:
A. Die Bezirks⸗Gerichte.
Es wird zu diesem Zwecke das Gebiet des Kronlandes Ungarn in Be⸗ zirke eingetheilt, deren Umfang mit Rücksicht auf die Orts⸗ und Bevölke⸗ rungs⸗Verhältnisse und nach Thunlichkeit mit Beachtung der Standorte der bisherigen Gerichte festgestellt wird.
In jedem Bezirke wird ein Bezirks⸗Richter als Einzelnrichter mit der erforderlichen Zahl von Richter⸗Stellvertretern und mit den nöthigen Hülss⸗ beamten bestellt und demselben ein bestimmter beschränkterer Umfang von bürgerlichen und Steaf⸗Angelegenheiten zur Entscheidung zugewiesen.
B. Zur Ausübung der Strafgerichtsbarkeit über größere Vergehen werden nach dem Bedarf einzelne Bezirks⸗Gerichte durch Zuweisung von F Richtern als Assessoren zu Bezirks⸗Gerichten erster Klasse umge⸗
taltet.
Die Strafgerichtsbarkeit derselben erstreckt sich über mehrere Bezirke.
Sie üben das Strafrichteramt kollegialisch in einer Versammlung von einem Vorsitzenden und mindestens zwei Nichtern.
C. Die Landesgerichte.
Dieselben umfassen den Sprengel mehrerer Bezirksgerichte erster und zweiter Klasse.
Bei Bestimmung ihrer Zahl und der Orte, wo sie errichtet werden, wird der Umfang der zuzuweisenden Bezirke und Geschäfte und die Rücksicht auf den Standpunkt der bisherigen Gerichte maßgebend sein.
Sie bestrhen aus einem Vorsitzenden (Präses) und einer angemessenen Zahl von Richtern und anderen Hülfsbeamten.
Sie fassen ihre Beschlüsse in bürgerlichen Rechtssachen in Verfamm⸗ lungen von einem Vorsitzenden und zwei Richtern, in den ihnen zugewiese⸗ nen Strafsachen in Versammlungen von einem Vorsitzenden und vier Rich⸗ tern.
Provisorische Gerichte zweiter Instanz.
§. 3. In zweiter Instanz entscheiden:
a) die oben (§. 2, Litt. C.) angeführten Landes⸗Gerichte über Berufun⸗ gen gegen Entscheidungen der Bezirks⸗Gerichte erster und zweiter Klasse;
b) die Distriktual⸗Obergerichte über Berufungen gegen die von den Lan⸗ des⸗Gerichten in erster Instanz, dann von den Handels⸗Gerichten (§. 13) ergangenen Entscheidungen.
Die Gerichtsbarkeit der Distriftual⸗Obergerichte erstreckt sich über den
Sprengel mehrerer Landes⸗Gerichte.
Das nach Beachtung aller obwaltenden Verhältnisse ermittelte Bedürf⸗ niß bedingt die Bestimmung ihrer Anzahl, den Ort ihrer Aufstellung und den Umfang ihres Gerichts⸗Sprengels.
Jedes Distriktual⸗Ober⸗Gericht wird mit einem Vorstande (Präsidenten) der erforderlichen Anzahl von Richtern und mit dem nöthigen Hulfspersonale besetzt.
Entscheidungen der Gerichte zweiter Instanz haben in Versammlungen von einem Vorsitzenden und vier Richtern zu geschehen.
Provisorische Gerichte dritter Instanz.
§. 4. Als Gerichte dritter Instanz über das Richteramt aus:
a) die oben (§. 3 b.) bezeichneten Distriktual⸗Obergerichte, und zwar über Beschwerden gegen Entscheidnngen der Landes Gerichte als zweiter Instanzen;
b) der oberste Gerichtshof über Berufungen gegen Entscheidungen der Distriktüal⸗Obergerichte als zweiter Instanzen. Seine Gerichtebarkeit umfaßt das gesammte Kronland Ungarn.
Er wird mit der dem Geschäftsumfange entsprechenden Zahl von Vor⸗ ständen (Präsidenten), Richtern und Hülssbeamten besetzt werden.
In dritter Instanz sind die Beschlüsse in Senaten von einem Voc⸗ sitzenden und sechs Richtern zu fassen.
§. 5. Die geistlichen Gerichtsstühle der ersten und weiteren Instanzen üben einstweilen ihr geistliches Richteramt mit der im §. 11 angeführten Beschränkung aus.
Auch die bisherige Kameral⸗Gerichtsbarkeit in Gefäll⸗ und Zoll⸗Defrauda⸗ b bleibt bis auf weitere Verfügung in ihrer gegenwärtigen Wirk⸗ amkeit. 3
Der durch die Reichs⸗Verfassung gewährleistete persönliche Gerichts⸗ stand der Glieder des Kaiserlichen Hauses und des Heeres wird durch diese
II. Wirkungskreis der aufgestellten provisorischen 8 Gerichtsstände. §. 6. Sämmtliche Einwohner, ohne Unterschied des Standes sind ver⸗ pflichtet, von den durch gegenwärtige Bestimmung aufgestellten Gerichten, sowohl in bürgerlichen Rechtsangelegenheiten, wie in Strafsachen Recht zu suchen und zu nehmen. — §. 7. Ueber die Zuständigkeit der einzelnen Gerichtsbehörden wird eine
provisorische Jurisdictionsnorm die nöthigen Versügungen enthalten. §. 8. Kompetenz⸗Streitigkeiten und Delegationen in Bezug auf die Bezirks⸗ und Landesgerichte, sowohl rücksichtlich der in ihren Geschäftskreis
Gerichts⸗Verfassung nicht geändert. .
jetzt übergehenden Angelegenheiten, als jener, die künftig anhängig gemacht werden, sind, wenn die betheiligten Gerichte dem Sprengel eines und des⸗ selben Distriktual⸗Obergerichtes angehören, von diesen, wenn dies aber nicht der Fall ist, von dem obersten Gerichtshofe zu entscheiden.
Letzterer hat auch alle, zwischen Verwaltungs⸗ und Gerichts⸗Behörden sich ergebende Kompetenz⸗Konflikte nach Einvernehmung der vorgesetzten obe⸗ ren Landesbehörden zu schlichten. —
§. 9. In Bezug auf bürgerliche Streitigkeiten entscheiden die im §. 2A. bezeichneten Bezirks⸗Gerichte:
a) in allen nicht unter das Wechselgesetz oder Bergrecht gehörigen Strei⸗ tigkeiten über bestimmte Geldsummen, welche ohne Zinsen und andere Nebengebühren den Betrag von 500 Fl. C. M. nicht übersteigen, so wie über andere bewegliche oder unbewegliche Gegenstande, wenn der Kläger anstatt derselben eine Geldsumme, welche nach obiger Berech⸗ nung 500 Fl. C. M. nicht übersteigt, anzunehmen sich erbietet; in allen Verhandlungen über die Aufkündigung von Bestandverträgen (Pacht⸗ und Miethsverträgen) und in allen Streitigkeiten über Räu⸗ mung oder Zurückstellung verpachteter oder vermietheter Grundstücke und andere Gebäude und den unbeweglichen Gütern gleichkommenden Sachen; in allen Rechtsstreitigkeiten über Besitzstörungen, inbegriffen die Ur⸗ barial⸗Occupationen, wenn das fragliche Gut innerhalb der Gränzen des Bezirkes gelegen ist; in allen Rechtsstreitigkeiten, welche aus Dienst⸗, Lohn⸗ oder Verwah⸗ rungs⸗Verträgen entstehen; in allen Rechtsstreitigkeiten, welche das Gesetz 18: 1836 den Malkt⸗ gerichten zuweist, insofern an dem Orte des Bezirksgerichtes Markt abgehalten wird; in Konkurs⸗Angelegenheiten, mit Ausnahme der Konkurse von Han⸗ delsleuten, jedoch nur in jenen Fällen, in welchen nach §. 2 des VII. Artikels vom Jahre 1844 die summarische Verhandlung einzutreten hat; in Beziehung auf alle einstweilige Vorkehrungen und Sicherstellungs⸗ mittel, auch in solchen Rechtsangelegenheiten, welche dem Erkenntnisse der Bezirksgerichte nicht vorbehalten sind;
h) in allen Executionsführungen, es mögen selbe sich auf die von ihnen selbst eder von einem anderen Richter ausgefertigten executionsfähigen Entscheidungen oder Vergleiche gründen;
i) in Grundbuchssachen und Intabulations⸗Angelegenheiten, und zwar in Bezug auf das unbewegliche Vermögen und in den Königl. Frei⸗ städten, dann in Jazygien und Kumanien jene Bezirksgerichte, welche an die Stelle der im 2tsten Gesetz⸗Artikel vom Jahre 1840 mit der Führung der Grund⸗ und Intabulationsbücher betrauten Magistrate treten werden.
Eben so in Betreff des unbeweglichen Vermögens in den Hayduken⸗ Städten, die an die Stelle der Distriktual⸗Congregationen tretenden Bezirks⸗ Gerichte, und endlich in Bezug auf die Bauerngüter, die Bezirks⸗Gerichte, in welchen jene gelegen sind.
Ueber die Führung der Grund⸗ und Intabulationsbücher in Bezug auf die Bauerngüter, wird eine be ondere Verordunng das Nähere verfügen;
k) In allen Fällen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, so wie in den im Iiten Artikel vom Jahre 1836 angedeuteten Fällen der einfachen Theilung zwischen Blutsverwandten (de divisione inter sratres in casu
planae successioris suscipienda) insofern das Theilungs ⸗ Objekt im
Gerichts⸗Bezirke gelegen ist. 8
Der betreffende Bezirksrichter hat in letzterem Falle die Stelle der durch das Gesetz angegebenen Theilungs⸗Deputation zu vertreten. b
§. 10. In jedem mit einer Gemeinde⸗Ordnung verschenen Orte ist den Einwohnern desselben gestattet, Klagen, deren Werthbetrag 12 Fl. C. M. nicht übersteigt, vor den Ortsvorstond zu bringen.
Letzterer entscheidet als Friedensrichter die Klagen endgültig, ohne daß von seinem Spruche eine weitere Berufung stattfindet. Doch steht dem Klä⸗ ger in Betreff der angedeuteten Klagen frei, mit Umgehung des Ortsvor⸗ standes sich auch alsogleich an den Bezirksrichter zu wenden. .
§. 11. In Strafsachen üben die Vezirks⸗Gerichte das Richteramt in den durch eine besondere Verordnung zu bezeichnenden geringeren Fäl⸗ len aus.
Die Untersuchung und Aburtheilung der ebendaselbst näher zu bestim⸗ menden schwereren Vergehen kommt den Bezirks⸗Gerichten erster Klasse (§. 2. B.) zu.
§. 12. Die Landesgerichte entscheiden in bürgerlichen Rechtsangelegenheiten alle jene Rechtssachen, welche nicht vermöge §. 9 den Bezirks⸗Gerichten zu⸗ gewiesen sind; insbesondere:
a) alle jene weltlichen Streitigkeiten, welche bisher zur Gerichtsbarkeit der im §. 5 erwähnten geistlichen Behörden gehörten, namentlich Streitigkeiten über die äußeren Förmlichkeiten der Testamente, Mein⸗ eids⸗Klagen, Bestreitungen der ehelichen Geburt und alle jene bei Ehestreitigkeiten vorkommende Fragen, welche das bürgerliche und das Strafrecht betreffen, als: die Bestrafung des schuldig befundenen Theiles, der Unterhalt der streitenden Ehelente und der Kinder, die Mitgist u. dgl.
Nur jener Theil der Ehestreitigkeiten, welcher die Gültigkeit des Ehebandes und die Scheidung betrifft, wird auch fernerhin der Ent⸗ scheidung der geistlichen Behörden überlassen; alle Intabulations⸗Angelegenheiren in Betreff der in ihrem Bezirk gelegenen adeligen unbeweglichen Güter, welche bisher bei den Congre⸗ gationen der Komitate vorgenommen worden sind, ferner da, wo die Berggerichtsbarkeit dem Landes⸗Gerichte zugewiesen ist, auch die Grundbuchs⸗ und Intabnlations⸗Angelegenheiten in Betzeff des Berggutes.
Eben so sind:
c) alle Kaufs⸗ und Verkaufs⸗Erklärungen (sassiones perennales) und sonstigen richterlichen Schritte, Protestationen und Geschäfte, die nach der bisherigen gesetzlichen Uebung vor den sogenannten glaubwürdigen Orten (loca credibilia) oder vor den Landes⸗Richtern unternommen wurden, in Hinkunft und bis zur Einführung allgemeiner Grund⸗ buchs⸗Aemter bei den Landes⸗Gerichten anzubringen.
Dieselben entscheiden ferner:
d) in den Fällen einfacher Theilung zwischen Blatsverwandten (divisio inter fratres in casu planae successionis), wenn das Theilungs⸗ Objekt in mehreren Bezirken doch in demseiben Landes⸗Gerichtsspren⸗ gel gelegen ist. Wäre das Theilungs⸗Objekt in mehreren Landes⸗ gerichtssprengeln befindlich, so tritt im Sinne des §. 8 eine Delega⸗ tion ein; in allen Konkursfällen, ausgenommen jene von Handelsleuten, welche im Sinne des Gesetzes vom Jahre 1844, VII. Art. §. 2, nicht zur summarischen Verhandlung geeignet sind.
Das Nähere in dieser Beziehung enthält eine besondere Ver⸗ ordnung.
§. 13. Die Landes⸗Gerichte entscheiden weiteres in allen Handels⸗ und Wechselstreitigkeiten, einschließlich der Konkurse der Handelsleute, inner⸗ halb ihres eigenen Sprengels; so wie in Bergwerkssachen innerhalb der ihnen durch eine besondere Verordnung zuzuweisenden Bezirke. 1
Zu den Berathungen und Entscheidungen in Wechsel⸗ und Handelsan⸗ gelegenheiten wird das Landesgericht stimmführende Mitglieder aus dem Handelsstande, in Berggerichtssachen technisch gebildete Stimmführer aus dem Stande der Berg⸗ und Hüttenleute beiziehen.
In der Hauptstadt Pesth wird ein vom Landes⸗Gerichte unabhängiges Wechsel⸗ und Handels⸗Gericht bestehen, und demselben ein abgesonderter Sprengel zugewiesen werden.
In Betreff jener Verrichtungen, welche bisher in Gemäßheit des Wech⸗ sel⸗Gesetzes dem Vice⸗Gespan, dem Stuhlrichter, dem Magistrate der Königl. Freistädte oder der Marktflecken, dem Capitaine eines Distriktes und dem Notare einer Königlichen Freistadt oder eines Marktfleckens oblagen, versügt eine besonders zu erlassende Verordnung. 1
§. 14. In Strafsachen erkennen die Landesgerichte in erster Instanz:
a) über jene schwerere Verbrechen, welche ihnen durch das besonders zu erlassende Gesetz zugewiesen werden;
b) in einem besonderen Senate, innerhalb jenes Sprengels, in welchem sie die Stelle eines Bezirks⸗Gerichtes erster Klasse (§. 2. B) vertreten, über die dem letzteren zugewiesenen Vergehen.
§. 15. Die Landes⸗Gerichte erkennen in zweiter Instanz:
a) in bürgerlichen Angelegenheiten über Berufun en gegen Entscheidun⸗
gen der Bezirks⸗Gerichte; 1 8
b) in Strafsachen über Beschwerden gegen die von den Bezirks⸗Gerich⸗
ten erster und zweiter Klasse gefällten Erkenntnisse.
§. 16. Mitglieder der Landesgerichte, die in Strafsachen (§. 14 b) in erster Instanz an der Berathung und Entscheidung Theil genommen, können in hierüber vorkommenden Berufungsfällen in zweiter Instanz nicht
erichte sitzen.
s c8 Berichts 8 ai. Obergerichte entscheiden als zweite Instanz in allen Rechtsstreitigkeiten, welche sowohl in bürgerlichen Angelegenheiten (§. 12), wie in Strassachen (§. 14) vor den Landes⸗Gerichten in erster Instanz ent⸗ schieden worden sind. 1 1
In dritter und letzter Instanz entscheiden sie über alle bürgerlichen Rechksstreitigkeiten, so wie über alle Strafprozesse, in welchen das betreffende Landes⸗Gericht im Berufungswege sein Erkenntniß gefällt hat.
§. 18. Der oberste Gerichtshof entscheidet als dritte Instanz in allen jenen Streitfällen des bürgerlichen und des Strafrechts, über welche die Distriktual⸗Obergerichte in zweiter Instanz geurtheilt haben.
§. 19. Wenn in streitigen Angelegenheiten die Erkenntnisse der ersten und zweiten Instanz übereinstimmend sind, so hat keine weitere Beru⸗ fung statt. 1 1 8
§. 20. Bei nicht streitigen Angelegenheiten geht die Berufung nur bis ge vu“ erfolgen innerhalb des Besitzes (intra do- minium). Bis über die rechtsgültig angebrachte Berufung entschieden worden
ist, findet die Vornahme der Execution nicht statt.
§. 22. Außer der Berufung und der im Wechselgesetze im 12ten Haupt⸗ stücke festgesetzten Prozeß⸗Erneuerung (via novi) findet kein anderes wie immer Namen habendes Rechtsmittel als z. 92½ Widerruf des Anwaltes (revocatio procuratoris) Wide stand (oppositio), Wiederbesitznahme (reoccupatio), Repulsion, Erneuerung auf dem Gnadenwege (novum cum gratia) und feinerlei richterlicher Befehl (mandatum judiciale) statt.
9 III. Verfahren derprovisorischen Gerichte.
§. 23. Die provisorischen Gerichte sind bei der Verhandlung und Ent⸗ scheidung der ihnen zugewiesenen Gegenstände an die Bestimmungen der bestehenden Gesetze gebunden, mit alleiniger Ausnahme jener Abänderungen, welche durch gegenwärtige Verfügung getroffen worden sind. In Bezug auf diese Abänderungen haben die Gerichte auch im Kollisionsfalle gegen⸗ wärtige Verfügung zur Richtschnur ihrer Entscheidungen zu nehmen.
§. 24. In den Rechtsstreiten, wo die bisherigen Gesetze, namentlich der 20ste Artikel von 1836 und der M Artikel von 1840, das summarische Verfahren anordneten, ist dieses und in Konkurs⸗Angelegenheiten das durch das Konkurs⸗Gesetz festgesetzte Verfahren beizubehalten. 1
§. 25. In den sogenannten förmlichen Prozessen findet das für die förmlichen Wechselprozesse durch das Wechselgesetz vorgeschriebene Verfah⸗ . 8 8 26. Ueber Beschwerden wegen Formverletzungen durch die Gerichte entscheidet in allen Fällen der oberste Gerichtshof; jedoch hat der Be⸗ schwerdeführer vorerst mit Darlegung der auf die Nichtigkeit Bezug ha⸗ henden Gründe das Rechtsmittel der Berufung zu ergreifen und die Ent⸗ scheidung der Berufungs⸗Instanz abzuwarten.
§. 27. Die provisorischen Gerichte haben in Bezug auf ihre Gerichts⸗ Manipulation die Vorschriften der an die Wechselgerichte seiner Zeit erlas⸗ senen Amtsinstruction zu befolgen.
§. 28. In Betreff der Gerichts⸗Taxen enthält eine besondere Verord⸗ nung die einzelnen Verfügungen.
IV. Gerichts⸗Stillstand.
§. 29. Alle jene Rechtshändel, welche sich auf die Aviticitäts⸗Verhält⸗ nisse beziehen, so wie alle Rechtsstreitigkeiten aus ursprünglichem Rechts⸗ grunde (ex jure) und alle die Verpfändung adeliger Güter betreffende Pro⸗ zesse werden, insofern dieselben schon im Gange sind, bis auf weitere Ver⸗ fügung einem Gerichts⸗Stillstand unterzogen, auch können auf Grundlage der eben aufgezählten Rechtsansprüche während der Dauer dieses Rechts⸗ stillstandes keine neuen Prozesse anhängig gemacht werden.
Der den Grundbesitzern, an deren Besitzthum Urbarial⸗Giebigkeiten ge⸗ knüpft waren, in Bezug auf das Kapital ihrer vor dem 11. April 1848 eingegangenen Darlehensverpflichtungen bewilligte Zahlungs⸗Aufschub wird einstweilen aufrecht erhalten.
V. Einführungs⸗Bestimmungen.
§. 30. So bald in einem Distriktual⸗Obergerichts⸗Sprengel die Vor⸗ arbeiten beendet sind, werden die neu eingesetzten Gerichte von einem durch den Justiz⸗Minister zu bestimmenden öffentlich kund zu machenden Tage angefangen nach Maßgabe des vorgezeichneten Wirkungskreises die Rechts⸗ pflege ausznüben haben.
§. 31. Nach erfolgter Einführung der oben angeführten provisorischen Gerichte sind sämmtliche anhängige, sowohl summarische als förmliche Rechtssachen, mit Ausnahme derjenigen, die vermöge §. 29. dem zeitweiligen Gerichts⸗Stillstande unterliegen, den betreffenden zuständigen Gerichten zur weiteren Austragung zu überantworten. §. 32. Die Ueberwachuug der Waisenmassen nach vorläufiger sorg⸗ fältiger Prüfung und Rechnungslegung geht ebenfalls an die zuständigen Gerichts⸗Behörden über.
§. 33. Die Einfüͤhrung der provisorischen Gerichtsstellen werden eigens hierzu ernannte Kommissionen in Vollzug setzen.
Diese haben sich hierbei die Berücksichtigung der Gemeinde, Gränzen, die Dichtigkeit der Bevölkerung, die Sprachverhältnisse und die Wichtigkeit einzelner Orte gegenwärtig zu halten, und es sich angelegen sein lassen, die Abgränzung der Gerichtssprengel mit der politischen Eintheilung in mög⸗ lichste Uebereinstimmung zu bringen.
Ferner wird es die Aufgabe dieser Einführungs⸗Kommissionen sein, die zu ernennenden Gerichtsbeamten in das ihnen übertragene Amt einzusetzen, die Uebergabe und Uebernahme der obliegenden Geschäfte einzuleiten und zu überwachen, endlich die den neuen provisorischen Gerichten übertragene Wirk⸗ samkeit in regelmäßigen Gang zu bringen.
§. 34. Die richterlichen Aktenstücke, welche in den Archiven des Pala⸗ tins, des Judex Curiae Regiae, des Tavernikus, des Personales und der Protonotäre erliegen, sind nach vorläufiger Sichtung an die betreffenden provisorischen Gerichte abzuliefern.
§. 35. Die bisher bei den Landesrichtern aufbewahrten Privat⸗Akten, als: Fassionen, Testamente und dergl. sind im Archive des pesther Distrik⸗ nal⸗Obergerichtes zu hinterlegen.
§. 36. Den glaubwürdigen Orten bleibt einstweilen die Verwahrung der bei ihnen hinterlegten Akten selbst überlassen.
Hierüber erfolgte nachstehende Entschließung: „Ich genehmige vie Mir von Meinem Justiz⸗Minister vorgelegten Grundzüge für die Reform der Justiz⸗Organisation und der Rechtspflege in Meinem Kronlande Ungarn und ermächtige ihn, die zur provisorischen Durch⸗ führung derselben nöthigen Vorkehrungen zu treffen. Schönbrunn, 3. November. Franz Joseph.
Bayern. München, 3. Nov. Schluß der im gestrigen Blatte des Pr. Staats⸗Anzeigers abgebrochenen Sitzung der Abgeordneten⸗Kammer. 1u
Sepp: Man habe die heutige Frage eine Frage der Macht genannt, und mit Recht, denn wer 100,000 Mann marschiren lassen könne, habe eine gewichtigere Stimme, als die Kammer. Doch glaube er, daß auf Bayern in der Geschichte noch gerechnet sei. Bapern habe die Wagschale des Gleichgewichtes zu halten zwischen den beiden Großmächten Deutschlands; auch da, wo seine Politik eine verkehrte war, war sie immer entscheidend. Bayern habe die schwarzweiße Politik parirt, und das sei gewiß ein Ver⸗ dienst, wenn auch die Presse Bapern und Oesterreich keine Gerechtigkeit wider⸗ fahren lasse. Die Presse vertrete mehr die öffentliche Albernheit, als die öffentliche Meinung, der größte Theil derselben sei in den Händen einer Gesellschaft von Menschen, in deren Adern kein deutsches Blut fließe, und die es bios auf ihren Profit abgesehen hätten. In den preußischen Kammern habe man darauf hingewiesen, daß Bavern nur eine napoleonische Stiftung sei; erinnere man sich denn nicht, daß Preußen seine Existenz nur der Gnade Oester⸗ reichs verdanke? Es sei ein Beweis dafur, daß das Ministerium seine Schuldigkeit gethan habe, wenn es von der schwarzweißen Presse angegriffen werde. Zum Interim übergehend, fragt der Redner, warum man sich denn damals nicht gewundert habe, als durch einen kühnen Griff das National⸗ Parlament eine Central⸗Gewalt schuf, wobei das Volk auch nicht gefragt wurde. Was aber die neue Central⸗Gewalt betreffe, so sei das Beste an ihr, daß sie am 1. Mai zu Ende gehe. Es sei jetzt noch eine Gnadenfrist,
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Fürsten sich nicht verständigten, so werde das Schwert den Ausschlag geben. Radowitz habe erklärt, daß sein König auf der Einberufung des Reichstages beharre. Man sei gewohnt, von jener Seite große Worte zu hören, aber der Eintritt des preußischen Reichstages sei eine europäische Kriegsfrage. Oesterreich werde auf diese preußischen Sonderbestrebungen nicht eingehen, und Oesterreich habe über die größte Armee zu gebieten, über eine Armee, die von einem ganz anderen Siegesgefühle beseelt sei, als die preußische. Rußland und Frankreich würden sich dazwischen legen, auch Bayern werde mit Oesterreich Hand in Hand gehen, um die preußischen Sonderbestrebungen zu verhin⸗ dern. Bapern dürfe sein Heer nicht reduziren, es habe schon im vorigen Jahre gefehlt, daß es nicht an der Maingränze eine Armre von 30,000 Mann aufgestellt. „Preußen hat in Baden festen Fuß gefaßt und will seine Fangarme in Baden vorschieben, um die zwischenliegenden Länder zu fressen. Ich bitte Sie, meine Herren da drüben, wenden Sie Ihren Ein⸗ fluß an, wirken Sie bei Ihren Freunden in Arbeitsvereinen und Märzvereinen, daß keine neue Erhebung in Baden stattfinde und Preußen noch festeren Fuß fasse. (Gelächter.) Was die preußische Drohung bezüglich des Zollvereines betrifft, so ist es keine Gnade, daß wir im preußischen Zollverein bleiben, aber die Idee, mit Mitteldeutschland zu⸗ sammenzutreten, ist älter und praktischer. Wir dürfen erwarten, es werde bei der Drohung bleiben; allein wenn auch, Oesterreich ist bereit, uns in einen anderen Zollverein aufzunehmen, als der preußische ist. Oesterreich wendet sich jetzt dem übrigen Deutschland zu, und nachdem es das Glück gehabt hat, mit Ungarn in Kampf zu kommen und das Magvarenthum niederzudrücken, welches hoffentlich nie wieder sein freches Haupt erheben wird, ist es jetzt im Stande, die Zollschranken fallen zu lassen. Ich höre den Ruf: eine Einigung mit Oesterreich ist gleich einer Mediatisi⸗ rung. Es liegt gar nicht in der Macht Oesterreichs, uns zu mediatisiren, denn ein Staat von 5 Millionen trägt seine Existenz in sich selber. Bayern ist ein zu großer Brocken, um je verspeist zu werden. Es liegt eben so we⸗ nig im Interesse Oesterreichs, uns zu erobern und zu mediatisiren. Sind die Bayern Bundesgenossen mit Oesterreich, dann wird die blauweiße Fahne noch auf den Zinnen von Belgrad wehen! (Oho! Geläch⸗ fer.) Es liegt in der Providenz, daß Bayern je von Oesterreich mediatisirt werde. Preußen hat immer spekulirt auf den Unter⸗ gang Deutschlands, um sich zu vergrößern. Bayern wird jetzt bei Oesterreich bleiben; es hat auch eine große Verpflichtung hierzu, denn es wäre große Gefahr, wenn Oesterreich nicht Nachbarn an der Seite stünden, die es vom Krebsgang zurückhalten. Oesterreich hat die Vorsehung zur guten Stunde in den Sturm eingeführt, wohl bekomme es ihm, damit die Blut⸗ und Wassertaufe es stärke. (Großes Gelächter.) Man hat von einem europäischen Slaven⸗ reich gesprochen. Ich glaube nie und nimmermehr an ein slavisches Weltreich; denn die Slaven sind nach wie vor Sklaven ihrer Oberherren gewesen. Die Slaven werden trotz der Versicherung des Fragmentisten es nicht einmal zur Erbschaft von Konstantinopel bringen; aber vor dem deut⸗ schen Macedonier hüte sich Bapern. Mein Warnruf ist: nur nicht nach Norden. Preußen hat sich mit seiner Politik im Laufe des Jahres ganz verfehlt; es hätte in Böhmen einrücken müssen, um sich die deutsche Kaiser⸗ würde von Oesterreich zu erzwingen. Eine große Zukunst steht Bavern offen, wenn es seine jetzige Richtung verfolgt. Das ewige Verderben war biz jetzt sein Systemwechsel; einmal liebäugelte es mit Frankreich, dann mit Berlin, und selbst den Liberalen in der Schweiz machte es Verbeu⸗ gungen. (Oh!) Batzern muß Hand in Haud mit Oesterreich gehen, dann wird seine Mission erfüllt sein; ich schließe mich deshalb dem Ausschuß⸗ Antrag an.“
Abgeordneter Steinsdorf (Bürgermeister von München): Erst als Preußen die Centralgewalt nicht mehr anerkannte und durch seine oktropirte Verfassung den Beitritt Oesterreichs unmöglich machte, sei ihm das Gefühl der Unausführbarkeit des Gedankens gekommen, die von der National⸗Ver⸗ sammlung zu Frankfurt beschlossene Verfassung durch Berufung einer neuen National⸗Versammlung zu emendiren. Bei dieser Unmöglichkeit und bei der Gefahr, die von Preußen her drohte, müsse dem Ministerium die Aner⸗ kennung zugestanden werden, daß es durch seine Thätigkeit ein Interim mit schaffen half, welches zwar nicht als das Wünschenswertheste, aber als das allein Erreichbare erscheine. In der Majorität liege die Macht. Wenn insbeson⸗ dere die Jugend Träger anderer Ideen sei, so möge sie warten, bis sie in die Ma⸗ jorität komme, wenn sie nicht etwa bis dahin ihre Gesinnung geändert haben wird. Redner spricht für einen Anschluß an Oesterreich, ohne gerade darüber Schmerz zu empfinden, wenn allenfalls aus dem Bundesstaate ein Staatenbund werden würde. Die Sicherung der materiellen Interessen des Landes, das sei insbesondere die Aufgabe der Regierung; Abgeordneter Moser (Stadtschreiber aus der Au) behandelt dassele Thema, indem er gegen die preußische Hegemonie perorirt, insbesondere den in Holstein erlit⸗ tenen Verrath hervorzieht und das belannte Sprichwort in der Weise ver⸗ sirt, daß er sagt: „Lieber bayerisch sterben, als unter Fremdherrschaft ver⸗ derben!“ (Bekanntlich heißt das Sprichwort eigentlich: „Lieber baverisch sterben, als österreichisch verderben.) Abgeordneter Demel: Die Sym⸗ pathieen des baperischen Volkes seien gegen einen Dualismus, der ohne⸗ dies keine praktische Ausführbarkeit in sich habe, während für dee Prias die einzigen historischen und rechtlichen Gründe sprächen. Das Interim ent⸗ halte zwar diese Grundsätze nicht; er gebe aber dennoch hierfür seine Zu⸗ stimmung, da er das Definitivum mit der angedeutelen Trias vorerst für unmöglich halte, fordere jedoch, daß für den Fall, als nach Ablauf des Interims das Definitivum nicht zu Stande gekommen sein sollte, Bayern in das Interim eintrete. 2
Doͤllinger: Es war eine Art Drama, das uns der Herr Fürst Wallerstein mit meisterhaftem Geschick vorführte. In diesem Drama spie⸗ len zwei Verbrecher. Der erste und größte Verbrecher ist Oesterreich; als zweiter kommt Bapern und die bayerische Regierung zunächst. Sie haben gehört, wie er uns ein Gemälde der deutschen Büreaukratie mit ausgezeich⸗ neter Mischung von Licht und Schatten entwarf, das ich vollkommen aner⸗ kenne und wozu ich nicht noch einen Zug zu machen brauche. Er konnte das, denn ejus pars magna fuit; er konnte dies Alles genau sagen — als Chef und Meister der baperischen Büreaufratie. Dieses Bild sollte dazu dienen, um uns die National⸗Versammlung als eingeschlossen in ein Netz von Intriguen darzustellen. Die deutsche Büreaukratie sei ihr böser Genius gewesen und die Hauptrolle dieses Bösewichts hat er der österreichischen Regierung zugetheilt. Wir, die wir Mitglieder der Versammlung waren, wir wissen recht gut, wie sie aus ihrer eigenen Mitte zu einer verkehrten Stellung hingedrängt wurde. Man wollte sie in die Eigenschaft eines Konvents hineindrängen. Davon ist im Gemälde des Vorredners keine Rede gewesen, daß man Reichs⸗Kommissäre aussen⸗ dete, um sich in die Regierung einzumischen, daß man eine Deputation nach Wien sendete, um Sympathieen zu dem stupidesten aller Aufstände auszusprechen und als Parlaments⸗Abgeordnete auf den Barrikaden Haß zu schüren. Die Einheit Deutschlands war jenen Menschen gewiß nur Nebensache, wenn man sie nach ihren Handlungen betrachtet, Unter der „fremden Hand,“ die das Suspensivveto angerathen habe, um die Ablehnung des Königs von Preußen zu bewirken, kann nur Oesterreich ge⸗ meint sein; allein dies ist unrichtig. Der Fürst Wallerstein bezeichnet die Spaltungen in der „Fortschritts⸗Partei“ als ein neues Unglück der Natio⸗ nal⸗Versammlung. Die Partei theilte sich allerdings in die Partei des Losschlagens und in die des Zuwartens; es fragt sich nur, ob diese Spal⸗ tung nicht auch durch auswärtige Intriguen, vielleicht durch die österreichi⸗ sche Büreaukratie, hervorgerufen wurde. So viel ich weiß, herrscht auf der Seite des Hauses, wo der Herr Fürst sitzt, Solidarität der Meinungen, also auch über die des Pfarrers Tafel. Herr Tafel hat nun die Bewegung in Baden und in der Pfalz in Schutz genommen. Aber anzunehmen, daß diese Bewegung wirklich der Reichsverfassung gegolten habe, heißt der Wahrheit ins Gesicht schlagen. Der Fürst Wallerstein hat uns den Moment bezeichnet, wo Bayern im Interesse von ganz Deutschland die beschlossene Reichsverfassung hätte anerkennen und die Reichsstatthalterschaft annehmen sollen unter dem gedachten Vorbehalt. Dagegen erinnere ich, daß sich Bavern würde schlecht gebettet haben; denn sobald Preußen beigetreten wäre, würde es als der mächtigste Fürst, der die Reichsverfassung anerkannte, wieder Oberhaupt geworden sein; die Statthalterschaft wäre eine Krone von Dornen ohne Rosen gewesen. Der Herr Fürst hat gesagt, daß sich um Bayern dann alle Freisinnigen würden geschaart haben. Wir wissen, daß Adler und Raben sich um gewisse Objekte schagren. Die bayerische Politit habe wenig Lohn und Dank von Oesterreich er⸗ halten; das ist gleichgültig, ob sich Oesterreich einmal undank⸗ bar gezeigt, Bayern muß sich ihm nach dem Gesetze der Naturnothwendig⸗
und wenn die Völker un
keit anschließen. Die Dankbarkeit spielt überhaupt in der Politik eine sehr untergeordnete Rolle. Was nun die preußische Politik betrifft, so strebte F—S schon im Bunde nach Hegemonie; ich verweise auf eine Schrift Nagler's vom Jahre 1822. (Der Redner verliest eine betreffende Stelle.) Wenn die Einheit Deutschlands eine Wahrheit werden soll, so muß eine Dreitheilung eintreten. Der Schwerpunkt muß im Vereine der kleineren und mittleren Staaten liegen. Nicht Oesterreich, sondern Preußen wãäre durch dieses Bündniß und engere Vereinigung bedroht. Die Rheinprovinzen würden unwiderstehlich dahin gezogen. Die baperische Regierung hat ihre so schwierige Aufgabe so geführt, daß wir ihr beistimmen müssen, denn sie hat uns vor einer noch schlimmeren Wendung für Deutschland und Baypern bewahrt. Ich bin nicht Pessimist und kann das Interim nicht als eine unendliche Kala⸗ mität betrachten, und es fragt sich, ob es nicht vortheilhafter ist, bei der interimistischen Centralgewalt nicht dabei zu sein. In dem Paurschen An⸗ trag muß ich die Ausdrücke „partikularistische und dynastische Interessen“ mißbilligen wegen ihrer vielseitigen Deutung. So hat man uns z. B. in Frankfurt dickhäutige Partikularisten genannt, weil wir die Verbrauchssteuern nicht in die Reichskasse fließen lassen wollten. Freiherr von Vincke, ein höchst geachteter Führer in Frankfurt, hat einmal unter dem Beifall seiner Landsleute gesagt: „wir Preußen lieben unsere Fürsten;“ und wir Bayern sollten dies nicht? Wo die künftige Existenz der Dvnastie in Frage gestellt ist, will man uns zumuthen, daß wir alle donastischen Verhältnisse hintansetzen sollen? Es ist dies ein viel⸗ sagender Ausdruck, ein zweischneidiges Schwert, wo maunche Inter⸗ pretation zulässig ist. Es giebt auch einen gesunden Partikularismus, der be⸗ steht in provinziellen Instituten, in der Anhänglichkeit an Sitten und Glau⸗ ben, und damit lassen Sie uns nicht tabula rasa machen. An diesem ge⸗ sunden Partikularismus scheiterte die letzte Revolution. Ich möchte mich zum Lobredner nicht des schlechten, krankhaften, sondern des gesunden Partikula⸗ rismus aufwerfen; er ist das konservative Element, worauf wir bauen müssen, um zur Einheit zu gelangen. Würde eine Revolution in Deutschland da⸗ mit tabula rasa machen, so erhielten wir eine Centralisation, wie in Frank⸗ reich, zum Fluch für Deutschland. Man soll eine neue National⸗ versammlung einberufen, allein dies ist gar nicht rathsam; die Parteien der vorigen Versammlung stehen sich fast ungeschwächt gegenüber, und der Parteienkampf würde mit neuer Wuth entbrennen. Wie die Wahlen ausgehen würden, das hat sich wieder bei den sächsischen Wahlen gezeigt. Es herrscht ein Mangel gesetzlichen Sinnes in den weiten Grän⸗ zen Deutschlands; daran sind die büreaukratische Regierung, die Viel⸗ regiererei, die Verwaltungssucht, die Unzahl von Verfügungen und Gesetzen schuld. Nehmen Sie nun noch die Tribüne hinzu, wo Reden gehalten und Stunden darauf durchs ganze Land verbreitet werden, in welchen dem Ge⸗ setz, der Moralität Hohn gesprochen, wo das Volk zur That aufgerufen, wo die Regierung gegen die Stände und Volk und Regierung gegen ein⸗ ander gehetzt werden, und die Autorität der gesetzgebenden Mächte und des Volkes selbst wird vollends schwinden. “
Wallerstein: Es hat mich beinahe ein Gefühl von Eitelkeit er⸗ griffen, daß die Perle seiner Partei in rhetorischer und dialektischer Bezie⸗ hung, die wir bis jetzt fast nie in diesem Saale sahen, 1 ⅔ Stunden gegen mich gesprochen hat. Herr Döllinger hat mich mich als die Incarnation der Bürcaukratie in Bayern bezeichnet; ich frage ihn, ob er weiß, was gegen dieselbe unter mir geschah und ob er die Verordnung vom 29. Dezember 1846 kennt? Döllinger entgegnet, daß die Bande der Büreankratie unter dem Herrn Fürsten straffer angezogen worden seien. Viel⸗ schreiberei, Vielverwaltung, Bevormundung und Mehrung des Per⸗ sonals seien Zeuge davon. Vielleicht sei eine Milderung, wie so Vie⸗ les, unter dem Herrn Fürsten auf dem Papier vorbereitet gewesen. Das Land habe wenig davon empfunden. Wallerstein fährt hierauf fort: Mir steht die Anerkennung der damaligen Kammer zur Seite. Waren aber die büreaukratischen Bande so straff, warum hat denn die Partei des Herrn Döllinger, die nach mir 9 Jahre am Ruder stand, dieselben nicht gelöst? Heute hat man mein Ministerium in drei getheilt, und drei große Gebäude bedarf man dazu. Es ist unrichtig, wenn der Vorredner behauptet, ich hätte von der Kammer ein Mißtrauens⸗Votum gegen das Ministerium verlangt. Ich verlange den Uebergang zur einfachen Tagesord⸗ nung. Der Redner hat meine Worte verdreht, indem er sagt, ich hätte beklagt, daß nicht die ganze Linke sich bei der Be⸗ wegung für die Neichs⸗Verfassung betheiligte. Ich habe vielmehr gesagt, es sei empörend, daß die Bürraukratie die drei Abtheilun⸗ gen der liberalen Fraction zusammenwerfe. Wenn der Herr Redner zur Eintracht auffordert, so bleibe er bei der Wahrheit; denn Verdrehungen führen nicht zur Eintracht. (Beifalls⸗Gemurmel.) Bei der National⸗ Versammlung hat er blos von der erbkaiserlichen und demokratischen Par⸗ tei gesprochen; die seine hat er vergessen, es ist ja die harmlose. (Gro⸗ ßer Beifall; der Präsident droht, die Gallerieen räumen zu lassen.) Der Vorredner will kein Parlament, ich glaube es, die siegreiche Partei hat bierzu kein Bedürfniß; aber die sächsischen Wahlen beweisen, daß noch ein Gefühl im Volke herrscht, welches gegen diese Partei reagirt. Abgeord⸗ neter Tafel: Der Abgeordnete Döllinger hat von einer Allianz ge⸗ sprochen, der auch ich augehörte und die die Reichs »Verfassung nur zum Aushängeschild brauchte. Das ist eine grobe Unwahrheit. Die Schwarz⸗ Gelben wollten vorher, ehe die Erbkaiserlichen eine Allianz mit uns ein⸗ gingen, eine solche mit uns gegen das Erbkaiserthum suchen. Wir haben nicht angenommen, sondern die andere, um die Reichsverfassung durchzu⸗ führen. Wer war ehrlicher, die linke oder die schwarz⸗gelbe Partei, die sich die großdeutsche nennt?
Hierauf wurde, dem Kammerbeschlusse gemäß, von dem ersten Präsi⸗ denten die Fortsetzung der Debatte auf Montag vertagt und die Sitzung um vier Uhr Nachmittags geschlossen. 8
Musland.
Hesterreich. Pesth, 4. Nov. (Lloyd.) In Bezug auf Ertheilung der Pässe ist hier folgende Kundmachung erschienen:
DVn Erwägung, daß alle Theile des Kronlandes Ungarn nunmehr von den K. K. Truppen besetzt sind und somit in der Ertheilung der Reisepässe einige Erleichterungen eintreten können, wird, mit Rücksicht auf den Wir⸗ kungskreis der Behörden, während der Dauer des gegenwärtigen Ausnahme⸗ zustandes die Verordnung vom 26. März und vom 4. Juli l. J. hinsicht⸗ lich der Ausstellung von Reise⸗Unkunden in solgender Art modifizirt; 1) Pässe zu Reisen innerhalb des Kronlandes Ungarn sind durch die K. K. Regierungs⸗Kommissäre (Komitats⸗Vorstände) und in den mit regulirten Magistraten versehenen K. Freistädten durch die betreffenden Stadtbehör⸗ den auszustellen. In jenen Ortschaften, die von dem Amtssitze des K. K. Regierungs⸗Kommissärs zu weit entsernt liegen, ist die Ausstellung der Pässe den K. K. Bezirks⸗Kommissären (administrirenden Stuhl⸗ richtern) gestattet. 2) Pässe in die übrigen bsterreichischen Kronländer da⸗ gegen sind ausschließlich durch die Stadtbehörde der K. Freistädte und die Kaiserl. Regierungs Kommissäre auszustellen. 3) Die Bewilligung zu Reisen in das Ausland ertheilt der Befehlshaber der Kaiserl. Armee in Ungarn. Die Militair-Distrikts⸗Kommandanten sind jedoch ermächtigt, die mit seiner Unterschrift versehenen und ihnen zur Verfügung gestellten Reise⸗ pässe den darum Ansuchenden zu erfolgen, und zwar auf Grundlage des von den Komitats⸗Vorständen oder den Stadt⸗Behörden einer K. Freistadt ausgefertigten Certifikats, das mit der Visa oder einem Einbegleitungsschreiben des Kaiserlichen Distrikts Ober ⸗Kommissärs versehen sein muß. 4) Während der Dauer des Belagerungszustandes müssen alle Pässe mit der Visa des im Orte der Ausstellung befind⸗ lichen oder des nächstgelegenen K. K. Militair⸗Platz⸗ oder Stations⸗Kom⸗ mando's versehen sein. 5) Ueberhaupt sind Pässe und derlei Certifikate immer mit Berücksichtigung des Zweckes der Reise nur solchen Personen zu ertheilen, gegen welche keine Bedenken obwalten. Deswegen haben die Paßwerber mit den nöthigen Zeugnissen ihrer Ortsbehörden, denen hierin ein angemessen genaues Verfahren anempfohlen wird, sich zu versehen. Die zu ertheilenden Pässe sind nicht nur mit einer genauen Personsbe⸗ schreibung des Paßwerbers und seiner eigenhändigen Unterschrift zu verse⸗ hen, sondern es müssen auch Gattin, Kinder, Dienerschaft, mit einem Worte, Alle, die mit demselben Passe reisen, verzeichnet und ihre Perfae, beschreibung eingeschaltet werden. 6) Pässe zur Reise in Ungarn sind, sör⸗ in der Sprache jener Gemeinde, welcher der Paß⸗ Juhaber e 8 die mit Beifügung einer deutschen Uebersetzung, auszustellen; fand aber übrigen österreichischen Kronländer und in d v1“