1849 / 333 p. 2 (Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

1 dement Heine’s. (Beifall auf den Galerien.) L Mayer verwahrt sich als ee der früheren Kammermajorität vor einem Beschlusse, der über die E1.

rung gefaßt worden wäre, was zu einer Replik Morgenstern Peranlassung giebt. Fürst Wallerstein: Herr Döllinger hat uns neulich eine 2 Stunden lange Anklageakte verlesen. Thatsachen, Indizien, Vermuthungen, Tendenzen waren mit seltener dia ek⸗ tischer Kunst zu einem großen Gewebe verbunden; die Fragee erschien als Gerichtshof und Hern Döllinger als General⸗Pro⸗ kuralor von Augsburg. Die Bewegung in Deutschland vom Jahre 1848 ist nicht solirt, sie ist ein Glied eines L0jährigen Kam⸗ pfes, um Selbstständigkeit nach außen mit innerer Stammesgliede⸗ rung zu erlangen. Hätte ein Fürst diese Bewegung verstanden, so wäre Deutschland jetzt frei und glücklich; das war nicht der Fall,

und nun enttanden Ereignisse, welche eine Amnestie nöthig mach⸗ ten. Die Amnestie ist ein Akt des Friedens, der Versöhnung; im vorliegenden Falle ein Akt der Versöhnung zwischen den nun sieg⸗ reich gewordenen Elementen gegenüber der Volksbewegung, der die Regierung in ihrem Ursprung den Stempel der Legalität aufge⸗ drückt hat. Indizirt ist in einem solchen Falle die ausgedehnteste Amnestie, denn der Ursprung der Anschuldigungen ist kein verbre⸗ cherischer. Staatsweisheit wie Billigkeit verlangen eine solche umfas⸗ sende Amnestie; nur diese kann uns vor neuen Wechselfällen wah⸗ ren. Lassen wir die Männer, die vielleicht in ihrem Enthusiasmus zu weit gingen, wieder in den Schoß der Gesellschaft zurückkehren, denn der Augenblick ist vielleicht nicht mehr ferne, wo man dieser begeisterungsfähigen Männer bedarf und wo man, wenn man sie im Kerker zu Grunde gehen läßt, vergebens diese Mächte rufen wird. Der Redner weist die Kammer darauf hin, daß sie schon aus Kon⸗ sequenz eine möglichst ausgedehnte Amnestie annehmen müsse, denn sie habe dieses Verlangen in der Adresse auf die Thronrede ausgespro⸗ chen, damals als die Abgeordneten, ohne erbittert durch Parteigegensätze zu sein, die frischen Eindrücke von der Heimath und ihren Wählern hier⸗ her brachten. Der Redner betrachtet Bayern in seiner geographischen Lage und findet die auflodernde Bewegung in der Pfalz in der Lage der Provinz sowohl, als in der schnellen Auffassung und Erregbarkeit der

Bewohner begründet. Der Herr Minister des Krieges habe gesagt, daß die Pfalz 8000 Mann Militair, meistens Rekruten, gehabt habe; das sei viel zu wenig für ein Land mit zwei Gränzfestungen; auch seien früher in der That mehr Truppen in der Pfalz gewesen, aber man habe sie weggezogen, ohne sie durch neue zu ersetzen. Wenn die Regierung den Entschluß gefaßt hatte, die Reichsverfassung nicht anzuerkennen, so mußte sie sofort und noch vor der Bekanntwer⸗ dung dieser Nichtanerkennung die Pfalz nicht bles der inneren Ele⸗ mente, sondern auch der aufgeregten Nebenländer willen mit einer bedeutenden Truppenmacht besetzen. Er wolle zwar der Regierung keine Vorwürfe machen, sie möge ihre Gründe gehabt haben, allein erklären mußte sie sich und dieser Erklärung vorher den nöthigen Stutzpunkt sichern. Nachdem die Regierung fortwährend die Cen⸗ tralgewalt und die National⸗Versammlung anerkannt und dies wie⸗ derholt ausgesprochen hatte, mußte in Vielen der Glaube erwachen, die Regierung erkenne die Reichsverfassung an. Die verlassene Pfalz hatte doppelten Anspruch auf Hülfe, schon wegen ihrer Abgelegenheit. Der Redner kommt nun auf die Bewegung in Schweinfurt zu sprechen und bedauert, daß die Freischaaren allda nicht fortgezogen, dann wäre es Niemandem eingefallen, eine Kri⸗ minal⸗Untersuchung einzuleiten. Lerchenfeld unterbricht den Redner mit der Bemerkung, daß sie wohl ausgezogen, aber zerstreut worden seien. Wallerstein fährt fort: Ich bin weit entfernt, Alles, was in der Bewegung geschehen, zu billi⸗ gen, Alle, die unter der schwarzrothgoldenen Fahne standen, als wirkliche Volksfreunde zu betrachten; Viele schaarten sich heute um dieselbe, um sie morgen zu verrathen; allein in ihrem Prinzip war die Bewegung rein, der Wille des Volkes war edel, einheitsstrebend, und diesem muß Rechnung getragen werden. Gegen die Aeußerung des Justizministers, daß eine allgemeine Amnestie ein wohlfeiles Mittel zur Erlangung von Popularität wäre, bemerkt der Redner, daß jetzt eine Zeit sei, wo Popularität den Ministern eines jeden Landes Noth thue. Der Redner spielt auf ein Veto auswärtiger Mächte an, spricht von österreichischem Dunstkreis, in welchen der nordöstliche Wind blase, meint, daß die Bajonette von Böhmen bis zum Bodensee wohl eine magnetische Kraft auf 60 Stunden auszu⸗ ühen im Stande seien, wie sie denn bereits das Ministerium Römer weggezogen habe; diese Repulsivkraft möchte nicht günstig für eine allge⸗ meine Amnestie sein. Auch glaube er, daß in Hinsicht auf Rastatt, den Prozeß Waldecks u. s. w. ein entgegengesetzter Rath von Berlin wohl nicht kommen werde; obwohl er nicht annehme, daß sich un⸗ sere Regierung etwas werde einreden lassen. Es gebe nebst diesen aikswärtigen auch innere Berbündete, als welche er die Büreaukratie und eine gewisse Partei, die neun Jahre lang in Bayern geherrscht, bezeichnet. Ein Mund habe deshalb bereits sich in diesem Sinne ausgesprochen, ein anderer werde ihm (dem Redner) nachfolgen. (Lassaulx nickt und winkt dem Redner freundlich zu. Heiterkeit.) Döllingers Gedanke sei ein wirklich großartiger, vernichtungsath⸗ mender: Gebt sie nicht frei, denn sie werden uns vernichten; laßt sie nicht nach Amerika, denn sie werden wiederkehren. Man heile den politischen Körper, und man brauche die Amnestirten nie zu fürchten. Das Volk gebe hier den Weg an, es verlange aus edlem Gemüthe Versöhnung, Verbesserung der sozialen Zustände, nicht Rache. Der Redner entwirft nun ein Bild unserer traurigen Staals⸗ und Gemeindeverhältnisse mit Ausfällen auf die Büreau⸗ kratie; er verlangt wahren statt des Scheinconstitutionalismus, dann werde der gesetzliche Sinn im Volke erstarken. Von den Männern, velche ihren Irrwahn, daß das deutsche Volk die Republik wolle, mit dem Exile büßen, glaubt er, daß sie bei ihrer Rückkehr dem bersten Grundsatz der Demokratie, Achtung der Majorität, huldigen würden. Was nun die Verführer und Verführten, die Schuldigen und Schuldlosen betreffe, so seien die Schuldigen Jene, welche unter em Vorwand der Durchführung der Reichsverfassung andere Pläne hegten; für diese sei die Amnestie ein Akt der Gnade. Für die aber, welche sich für die Durchführung der Reichsverfassung in irgend einer Form betheiligten, für diese Schuldlosen sei die Amnestie ein Recht. Der Redner rügt die Verdächtigungen und Verdrehungen Döllinger's, der die Linke kurzweg republikanisch nannte, wobei er auf dem von ihm und seinen Freunden geleisteten Eid und auf ihr Programm verweist. Er stellt hierauf mehrere Anfragen ans Mi⸗ nisterium, ob das Personal der Staatsprokuratur zu Neuburg in Folge des neulich mitgetheilten Schreibens nicht vermehrt worden sei? wie „es mit der Inamovibilität der Richter stehe? wird aber vom Präsidenten mit der Mahnung unterbrochen, bei der Sache zu bleiben. Fürst Wallerstein erklärt, daß er 39 Jahre lang im purlamentarischen Leben verkehre und parlamentarische Sitte kenne weshalb er sich nicht unterbreche lasse. b Minister von Kleinschrot erklärt, daß die Staats⸗Anwalt⸗ schaft in Neuburg hinlänglich besetzt sei, und verwahrt sich gegen die Verdächtigung, als ob er den Artikel des vorjährigen Gesetzes (über die Grundlagen der Gesetzgebung) in Betreff der Inamo⸗ vibilität der Richter nicht ins Leben gerufen habe. Döͤllinger giebt eine halbstündige faktische Berichtigung; desgleichen Heine gegen Döllinger. Mayr bemerkt, daß verschiedene Appellationsge⸗

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richte des Landes gleichfalls der Ansicht seien, daß der Artikel über die Inamovihilität der Richter der wichtigste sei und der Einfüh⸗ rung bedürfe. Morgenstern verzichtet der Amnestirten willen aufs Wort, obwohl Döllinger Stoff zu faktischen Berichtigungen genug gegeben habe.

Nachdem Heine den bitteren, anklagenden Ton, den Mangel an großmüthiger Auffassung der Sache von Seite Döllinger's geta⸗ delt, bemerkt er, daß ihn, obgleich er kein gelehrter Theologe sei, doch das Christenthum Verzeihung lehre; er hätte auch anklagen können, und nicht Muthlosigkeit oder der Mangel an Material haben ihn davon abgehalten; letzteres hätte er nicht erst aus den schmutzigsten Winkelblättern zusammensuchen müssen, die frankfur⸗ ter Chronik selbst hätte ihm authentische Aktenstücke dazu gelie⸗ fert. Gerade in denselben finde man aber auch, daß die jetzt so beredt anklagende Partei des Herrn Döllinger dort sehr stumm gewesen sei. Er erinnere Herrn Döllinger, ob er ihm nicht vor seiner gestrigen Rede seinen Schmerz darüber ausgedrückt habe, daß katholische Geistliche (Ruland und Westermaier) eine solche Gereiztheit in die Debatte brachten. Ehe Döllinger gesprochen, habe er es ihm geklagt, und doch sei eine solche bittere Anklage gefolgt, die ihn (den Redner) als Menschen wie als Katholiken tief kränkte. von Lassaulx bemerkt nach kurzen Ausfällen auf Tafel, Crämer und Prell: Die sogenannten Märtyrer der Frei⸗ heit seien Mörder der Volksfreiheit, die Freiheitshelden Freiheits⸗ schwätzer; er bedaure nur, daß nicht mehr die schöne alte Sitte bestehe, wonach man solche Menschen in Mistpfützen getaucht (Zischen) und eine Dornenkrone darüber gewölbt habe. (Unruhe). Diese so⸗ genannten Volksmänner seien keine Märtyrer, sondern feige und wüste Banditen, (Allgemeines Zischen) Tellhäusler, die den schönen Namen der Republik schänden, denn diese Staatsform achte er hoch und glaube, daß republikanische Tugenden auch der Monarchie nicht schaden dürften. Wenn sie nur einen einzigen Mann hätten, so würde er sich vor ihm beugen, denn es könne immerhin Hoheit des Gemüthes bei relativer Verkehrtheit des Verstandes existiren. Im Vaterlande werde es erst dann wieder besser werden, wenn einige unserer Märzerrungenschaften wieder ausgemerzt seien. (Lautes Murren.) Nur den Heloten sei es erlaubt gewesen, ihre Väter zu schmähen, wie wir dies thun. Aristoteles habe 3 Grundformen fur jede Staͤatsverfassung aufgestellt; in Wien habe man eine neue hinzugefügt: „Lausbubokratie.“ (Furchtbares Zischen.) Man spreche immer von der öffentlichen Meinung, die Meinung sei aber überhaupt das Dümmste, was man haben könne, die Meinung ver⸗ halte sich zur Wahrheit, wie eine öffentliche Dirne zu einer sittli⸗ chen Frau. (Unruhe.) Eben so verhalte es sich mit den öffent⸗ lichen Blättern, welche sich als Organe der öffentlichen Meinung gerirten, deren volkssouverainem Gebahren er nur seine souveraine Verachtung entgegensetze. (Pfui!) Nachdem der Redner den Ab⸗ geordneten Morgenstern zu widerlegen versucht, bemerkt er gegen den Fürsten Wallerstein, daß er es ihm nicht verarge, wenn er jetzt durch Versöhnung Manches gut zu machen suche, was er im An⸗ fange der 30er Jahre verbrochen, und schließt unter allgemeinem Gemurmel der Versammlung.

Minister von der Pfordten: Ein geehrter Vorredner hat von einem gewissen Dunstkreis und einem Wind, der darin und auch zu uns herüberwehe, gesprochen. Dies veranlaßt mich, den Standpunkt der Regierung in der Amnestiefrage zu bezeichnen. Das Ministerium hat eine allgemeine Amnestie nicht proponirt und wird nicht darauf eingehen, auch wenn die Kammer eine solche beschlösse. Er könnte im Bewußtsein seiner Pflichten gegen das Land der Krone nicht zu einer solchen rathen. Der Entwurf wurde wohl üͤberlegt, er ging aus der Ueberzeugung der Kronräthe hervor und erleidet keine Aenderung. Ich kann übrigens die Befürchtungen mehrerer Vorredner, der Staat konne durch eine solche allgemeine Am⸗

nestie geführdet werden und vielleicht gar zu Grunde gehen, nicht theilen; so stark ist denn doch unser Staatsorganismus, daß er dies nicht zu fürchten hat. Nicht der Fürsten willen und nicht für unsere Staats⸗ form verlangen wir die Ausschließung gewisser Personen, unser Standpunkt ist ein sittlicher. Wir verlangen sie deshalb, weil sonst die sittliche Idee des Rechts, worauf alle Ordnung, das Be⸗ stehen der Staatsordnung basirt ist, preisgegeben würde. Dieje⸗ nigen Herren, welche eine allgemeine Amnestie verlangen, gehen von der irrigen Ansicht aus, das Volk stehe hinter ihnen; die Re⸗ gierung hat die gegentheilige Ansicht; allein die Frage, welche Par⸗ tei das Rechtsgefühl und den sittlichen Aufschwung des Volkes hin⸗ ter sich habe, wird sich sicher zu Gunsten der Regierung entscheiden. Man hat in der Debatte bemerkt, daß das Volk im März 1848 allmächtig gewesen sei, daß es großmüthig gehandelt habe und daß jetzt Haft und Strafe sein Lohn sei. Man hat uns gedroht, daß auf diesem Wege die Verfassung nicht zu halten sei, man hat die Bewegung in Baden und der Pfalz als einen Kampf des Volkes gegen die Fursten bezeichnet, während in Wirklichkeit doch nur eine kleine Partei des Volkes sich erhoben hat. Im Frühjahr 1848 entstand eine neue Bahn politischen Lebens, die Völker wollten auf dieser erkannten und angedeuteten Bahn fortwandeln, darum waren sie beruhigt, und Ruhe kehrte zurück; nicht um der Fürsten willen blieb das Volk vor den Thronen stehen, sondern um seinetwillen. Einen traurigen Beleg liefert uns das Nachbarvolk, welches nicht vor dem Throne stehen blicb, sondern ihn uͤber den Haufen stieß Mir ist kein Zweifel, wer mehr darunter leidet, der greise Furst, welcher Tag und Nacht sich absorgte, und dem nun das großherzige Inselvolk ein Asyl gewährt, oder das raschblüͤtige Volk, das in seiuem Unmuth den Thron mit den Resultaten der rastlosen Be⸗ mühungen seines Inhabers umstieß. Mir ist aber auch nicht zwei felhaft, was geschehen wird, wenn dem unglücklichen Volke die Vor⸗ sehung einen zweiten vierundzwanzigsten Februar zuschickt. In Deutschland war es nicht das Volk, welches aufstand, sondern eine Partei, die von der Mehrheit des deutschen Volkes unterdrückt wurde. Oder gehören die Soldaten nicht zum Volke, welche in allen deutschen Heeren aus allen Schichten des Volkes entnommen sind? Gehören die Männer, welche der preußische Adler nach Baden führte, und die, Weib und Kind verlassend, dem Tode entgegenzogen, nicht zum deutschen Volke? Meine Herren! Das hohe sittliche Gefühl, das diese Kämpfer führte, und die Sittlichkeit, wie sie im Volke lebt und sich in der Ueberwindung ihrer Gegner kundgegeben, sie verbietet eine allgemeine Amnestie. Das kann ich Sie aben versichern, daß der Gesetz⸗ entwurf, wie er Ihnen vorliegt, weder durch den Ausfluß eines Dunstkreises, noch eines gewissen Windes bestimmt wurde. Belege dafür habe ich nun freilich nicht in Händen, doch möchte eine einfache Versicherung genügen. Mögen Sie ein politisches Ur⸗ theil wie immer über mich fällen, auf Glaubwürdigkeit hoffe ich doch rechnen zu durfen, Sie werden mich keiner Lüge zeihen. Und so versichere ich Sie denn, daß weder deulsche noch auswärtige 1 Mächte, weder schriftlich noch mundlich, uns ein Motiv an die Hand gegeben, daß auch die feindlichen Bureaukraten im Innern, wie ein Redner sich ausdrückte, keinerlei Einflüsse geubt habven. Gönnen Sie uns vielangegriffenen Männern doch auch eine Ueberzeugung, wir bewiesen, glaube ich, daß wir sie haben. Wir beharren aber auch einstimmig und gemeinschaftlich auf unserer Ueberzeugung und wer⸗ den dieser gemäß handeln. Erlauben Sie mir zum Schlusse noch

einige Worte über die zweckmäßigste Art der Verhandlung. Wie die Debatte zeigte, will man wohl einstimmig eine Amnestie und zwar eine schnelle; nur über den Umfang derselben ist man uneins. Nehmen Sie nun den Gesetzentwurf, wie er vorgelegt wurde, au, so wird die Sache rasch entschieden sein; bezwecken Sie jedoch An⸗ träge, die weiter gehen, wie z. B. der Ausschuß, so behandeln Sie es auf gleiche Weise wie dieser; haben beide Kammern darüber einen bestimmten Beschluß gefaßt, so werden die Räthe der Krone gewissenhaft erwägen, ob sie ein Eingehen darauf derselben anrathen können. Ich sage nicht, daß es möglich sein wird, darauf einzu gehen, sondern daß wir die gewissenhafteste Ueberlegung vornehmen und darnach der Krone Rath ertheilen wollen. (Kleindienst: Ruf cpvu Schluß.) Die Kammer belibt den Schluß der Debatte. Die Sitzung endet um 3 Uhr und wird eine neue auf morgen 9 Uhr an⸗ beraumt, in welcher nach den Schlußänßerungen des Referenten zur speziellen Debatte übergegangen wird.

In der heutigen Sitzung der Kammer der Reichsräthe wurde die Antwort der Kammer der Abgeordneten, den Gesetzentwurf we⸗ gen der Ergänzung des revidirten Gesetzes über die Ansässigmachung und Verehelichung der Schullehrer betreffend, in Berathung gezo⸗ gen und der von der Abgeordnetenkammer beschlossene vierte Zusatz⸗ artikel mit einigen Modificationen angenommen. Bei Beginn der Sitzung brachte der Justizminister einen Gesetzentwurf, den Schutz der Telegraphen betreffend, in Vorlage, welcher sofort dem ersten Ausschusse zur schleuuigen Vortragerstattung zugetheilt wurde.

Minister von der Pfordten hat am gestrigen Geburtstage Sr. Majestät des Königs das Großkreuz des bayerischen Civil⸗Ver⸗ dienstordens erhalten.

Graf Bray begiebt sich als bayerischer Gesandter, jedoch nur in außerordentlicher Mission, nach St. Petersburg. Erst nach Fest⸗ stellung des Budgets soll er bleibend am russischen Hofe akkreditirt werden.

Württemberg. Stuttgart, 1. Dezbr. (Schwäb. Merk.) Auf die Eingabe des ständischen Ausschusses, die Eidesformel für die Mitglieder der verfassungsberathenden Versammlung betreffend, ist folgende Königl. Verordnung ergangen:

„Wilhelm, König von Württemberg. Liebe Getreue! Auf die Eingabe, welche ihr aus Anlaß Unserer Verordnung vom 12ten d. M. in Vetreff der von den Mitgliedern der verfassungsberathen⸗ den Versammlung zu beschwörenden Eidesformel unter dem 17ten d. M. an Uns gerichtet habt, geben Wir euch Folgendes zu erkennen: Wie der Wortlaut ergiebt, und wie ihr selbst ohne Zweifel bei der Fassung des Uns in eurer Eingabe angezeigten Beschlusses voraus⸗ gesetzt habt, bezeichnet das Motiv zu Ziff. 2. Unserer Ver⸗ ordnung vom 12ten d. M. nicht die von der württembergischen Regierung in Beziehung auf die deutsche Nationalversammlung und das Verfassungswerk derselben eingenommene Stellung, sondern den Stand der deutschen Verfassungsangelegenheit im Allgemeinen, wonach eine dentsche Reichsverfassung zur Zeit weder auf dem Wege der Vereinbarung zwischen den deutschen Regierungen und den Vertretern des deutschen Volkes, wie ihn der in der, Verordnung angeführte Bundesbeschluß angebahnt hat, noch auf Fslpheten Wege, namentlich auch nicht auf dem Wege des Einverständnisses Regierungen über eine der Nationalversammlung üezerkennende ausschließliche Befugniß zu Gründung der deutschen Verfassung ver⸗ wirklicht worden ist. In dieser Thatsache und in der hiernach über den Inhalt der für Deutschland zu Stande kommenden Verfassung herrschenden Ungewißheit liegt das Motiv einer Verfügung, die zu⸗- gleich ganz folgerecht aus den Erklärungen sich ergiebt, welche bei der dem Gesetz vom 1. Juli d. J. nachgefolgten Verabschiedung des Gesetzes vom 3. Oktober in Betreff der Bildung der Bürger⸗ wehr über die Bedeutung der in Art. 1 dieses Gesetzes ausge⸗ sprochenen Verpflichtung der Bürgerwehr zum Schutze der Reichs⸗ verfassung zwischen Regierung und Ständen gewechselt wurden. Wir verbleiben euch mit Unserer Königlichen Huld stets wohl bei⸗ gethan. Stuttgart, im K. Geheimenrathe, den 28. November 1819. Auf Seiner Königlichen Majestät besonderen Befehl.

Hänlein.“

Mecklenburg⸗Schwerin. Schwerin, 1. Dez. (Meckl. Ztg.) Hier ist die Großherzogliche Verordnung in Bezug auf die bevorstehenden Wahlen für die nächste Kammer⸗Periode erschienen. Das Land wird danach in zwanzig Wahlkreise getheilt; die beson⸗ deren Wahlen der Gewerbtreibenden und der Kaufleute finden in je sechs Wahlkreisen, die der ländlichen Gutsbesitzer in acht Wahlkrei⸗

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sen statt. 8

AUAusland.

Gesetzgebende Versammlung. In der heutigen (schon erwähnten) Sitzung ist zuerst die Diskussion üͤber die Frage an der Tagesordnung, ob ein Vorschlag von Fouquier d'Herouel, welcher die Vermeh⸗ rung der Zahl der Wahlbezirke, d. h. die Einführung des Wahl⸗ systems nach Gemeinden, bezweckt, zur ersten Berathung zugelassen

Frankreich. Sitzung

vom 29. November.

werden soll. Gavini hebt die Nachtheile des Vorschlages hervor der überdies dem Geiste der Verfassung zuwiderlaufe. Laroche⸗ jacquelin behauptet, durch die jetzigen Wahlbezirke sei ein Systen der Ungleichheit zwischen den Wählern vom Lande und den städti schen Wählern eingeführt; denn die Ersteren seien oft genöthigt, einen Weg von acht oder zehn Stunden zu machen, um stimmen zu können, was ein Hinderniß der Ausübung des allgemeinen Stimmrechts sei. Savoye bekämpft den Vorschlag und sucht darzuthun, daß es unmöglich sei, die von Larochejacqueli: geforderte Gleichheit zu erreichen, weil stets die einen Wähler de Mairie näher sein wuͤrden, als die anderen. Cavaignac behaup tet, daß die gegenwärtige Diskussion die Existenz eines Artikels der Verfassung in Zweifel stelle, welcher den Grundsatz der Bezirks wahl gegen den Grundsatz der Gemeindewahl zugelassen habe; e macht die Versammlung darauf aufmerksam, daß es sich hier um einen ernsten Angriff auf den Grundvertrag der Republik handle Der Berichterstatter der Kommission sucht durch Erläuterung de betreffenden Artikels der Verfassung die Bedenklichkeiten Cavaignac zu heben, worauf die erste Berathung mit großer Majorität genehmigt wird. Charras begründet hierauf seinen Antrag auf Verkauf der Kron⸗Diamanten. Er behauptet, daß diese Kleinodien wever sonderli⸗ chen Kunstwerth, noch historischen Werth hätten; denn weder Sapeawert und das Scepter Karl's des Großen, noch der Degen von ö. litz seien als zu den Kron⸗Diamanten gehörig zu betrachten. Auf die Bemerkung der Kommission, daß gegenwärtig die Umstände für den Verkauf der Diamanten zu ungünstig seien, entgegnet er: Wann werden denn die Umstände günstiger sein? Jetzt giebt es noch absolute Monarchieen in Europa! (Eine Stimme links: Man muß die Zeit benutzen, so lange es noch welche giebt!) Diese 888 den sich nicht lange gegen den Strom der Demokratie halten dn nen. Für welche bessere Zeit soll man also die einen Werth von

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20,900,000 Fr. repräsentirenden Diamanten liegen lassen?“ (Eine

Stimme links: Man will sie für Heinrich V. aufheben!) Der

Korporalsrock vorstelle.

sucht ferner nachzuweisen, daß die Kron⸗Diamanten gar keinen wirk⸗ lichen historischen Werth haben, daß viele derselben nur bei den skan⸗ dalösesten Orgien figurirt hätten, und daß die von Napoleon herrüh⸗ renden nur zwei oder dreimal von ihm getragen worden seien, wo⸗ bei er daran erinnert, daß das Volk sich die große Figur des Kai⸗ sers nicht im Hermelin und im Juwelenschmuck, sondern im einfachen Zum Beweise, wie nutzlos die Diamanten, wovon der eine, der Regent genannt, allein 12 Millionen werth, in den Kellern des Finanz⸗Ministeriums dalägen, fragt der Redner den anwesenden Finanz⸗Minister, ob er sie wohl nur ein einziges Mal angesehen habe? Der Berichterstatter erinnert daran, daß die Kron⸗Diamanten allerdings zwei Mal dem Lande von Nutzen gewesen seien: ein Mal habe Heinrich IV. sie verpfändet, um seine Armee bezahlen zu können, und ein anderes Mal habe der Konvent in den Kriegen der Republik den „Regent“ versetzt. Bei der na⸗ mentlichen Abstimmung wurde der Antrag von Charras, wie bereits gemeldet, verworfen.

Sitzung vom 30. Nov. Präsident Dupin. Die Kommission, die das Gesetz uber die Naturalisation der Fremden prüfen soll, hat den vierten Artikel des Gesetzes folgendermaßen umgeändert. Derselbe bestimmt über die Naturalisirung: Kein Fremder, der naturalisirt

worden ist, kann in die Kammer ohne ein besonderes Gesetz treten.

über das Großbürgerrecht entscheiden soll, hierdurch genügen.

Die Kommission wollte den Antrag Mauguin's, daß die Kammer 82 Der

Minister der öffentlichen Arbeiten bringt einen Gesetz-Entwurf ein,

Interesse bildeten.

der auf die Veröffentlichung des Berichts der öffentlichen Arbeiten Bezug hat. Herr Vallette schlägt ein Amendement vor, das fast mit dem des Herrn Mauguin übereinstimmt. Die Kammer nimmt die Redaction der Kommission an: Die 10 Jahre, während deren man in Frankreich gewohnt haben muß, um naturalisirt zu werden, können jedoch auf 1 Zahr reduzirt werden, wenn man einen Verdienst um den Staat hat.“ Die Kammer beschließt, daß die Aufenthalts⸗Erlaubniß, so lange die Naturalisation nicht bewilligt ist, zurückgenommen werden kann. Herr Joly zieht sein Amendement, daß jeder Fremde, der seine Declaration vor der Veröffentlichung dieses Gesetzes gemacht hat, die Naturalisation nach dem Art. 2 erhalten kann. Herr Lefranc nimmt dies Amendement wieder auf, da einige Mitglieder der Rechten diesem Gesetze eine rückwirkende Kraft geben wollen, so daß die naturalisirten Fremden ohne ein besonderes Gesetz nicht in die Kam⸗ mer gewählt werden können. Es lautet: „Die Bestimmungen die⸗ ses Gesetzes haben keinen Einfluß auf die Fremden, die vor Ver⸗ öffentlichung desselben naturalisirt sind.“ Dieses Amendement wird der Kommission überwiesen. Die Artikel 5 und 6, polizeilichen

Inhalts, werden angenommen und die Sitzung um 6 Uhr ge⸗

schlossen.

Paris, 28. Nov. (Köln. Ztg.) Nicht geringes Aufsehen macht die vorgestrige Verhaftung von 46 Personen, die, wie jetzt schon außer Zweifel zu stehen scheint, ein Komplott in legitimistischen b . Schon seit zwei Monaten hatte die Polizei eine legitimistische Gesellschat, die den Namen: „Legion des heiligen

Höubertus“, angenommen hatte, streng überwachen lassen, obgleich sie

bei ihrem Beginne sich mehr mit Werken der Wohlthätigkeit, als mit Politik zu befassen schien. Da in der Folge genauere Nach⸗ richten der Regierung bewiesen, daß die Gesellschaft einen anderen Zweck hatte, als den der Mildthätigkeit, daß ihr wahres Ziel die Herbeiführung eines Regierungswechsels war, so zauderte der Polizei⸗ Präfekt nicht länger, die Mitglieder der Gesellschaft verhaften und den Gerichten zur Verfügung stellen zu lassen. Zur Vollziehung der erhaltenen Befehle begaben sich, wie schon gestern gemeldet, mehrere Polizeibeamten in Begleitung einer großen Abtheilung von Agenten und einer Kompagnie Linientruppen in das Haus Nr. 16 der Rue Rumfort hinter der Magdalenen⸗Kirche, wohin der Präsident der Gesellschaft, P. de Campagnol, gewesener Ka⸗ pitain in den Garde du Corps Karl's X., der daselbst wohnte, eine Versammlung berufen hatte. In dem Augenblick, wo die Agenten der Polizei in den Saal traten, waren außer Hrn. P. de Campagnol, der präsidirte, 45 Personen daselbst versammelt. Man hatte so eben das Verlesen einer Broschüre von Didier über seine Reise nach Frohsdorf, die er im vorigen Februar veröffentlichte, be⸗ endet. Der mit seiner Schärpe bekleidete Polizei⸗Kommissar gab den Zweck seines Erscheinens zu erkennen und erklärte den 46 An⸗ wesenden, daß sie provisorisch verhaftet seien. Diese Erklärung brachte einen ziemlich lebhaften Eindruck unter denselben hervor, allein keiner erhob Widerspruch oder Klage. Es wurde hierauf so⸗ fort ein vorläufiges Verhör vorgenommen. Die meisten behaupte⸗ ten, sich nur versammelt zu haben, um sich mit den bevorstehenden Wahlen zu beschäftigen. Sie gestanden dabei allerdings ein, sich gegen das Gesetz vergangen zu haben, wonach die Wahl⸗ agitation erst nach dem Zusammenberufungs⸗Dekret der Wäh⸗ ler beginnen darf. Einige der Anwesenden gestanden geradezu ein, ihr wahrer Zweck sei, Heinrich V. wieder auf den Thron seiner Vorfahren zu setzen. Die mit Beschlag belegten Papiere, so wie andere, welche zerrissen und dann von den Polizei⸗Agenten sorg⸗ fältig aufgelesen worden waren, scheinen das letztere zu bestätigen. Unter den Papieren befanden sich unter anderen mehrere Offiziers⸗Patente mit einem grünen, einen Eberskopf darstellenden Siegel. Auch hat die Polizei eine Anzahl Büsten, Denkmünzen und sogar Geldstücke mit der Aufschrift: „Heinrich V., König von Frankreich“, entdeckt. Die Mitglie⸗ der der Huberts⸗Legion besaßen alle eine Karte, worauf das Bild⸗ niß Heinrichs V. in Relief mit der Umschrift stand: „Die Weise ist stark in der Hand Gottes.“ Diese Karten trugen ebenfalls das grüne Siegel mit dem Eberskopf. Die Verhafteten wurden nach dem vorläufigen Verhöre unter starker Bedeckung auf die Polizei⸗Prä⸗ fektur gebracht und noch in derselben Nacht einzeln von Polizei⸗ Kommissarien in ihre Wohnungen begleitet, um den Durchsuchungen beizuwohnen. Bei dem Einen wurden Waffen und Munition, bei dem Anderen wichtige Papiere, bei Anderen Embleme u. dgl. ge⸗ funden. Bei einem der Verhafteten hat man 3000 Franken in Gold mit Beschlag belegt, bei einem anderen eine Anzahl Einfran⸗ kenstücke mit dem Bildniß Heinrichs V. und der Jahreszahl 1850, und einige Medaillen mit demselben Bildniß. Außer Herrn von Campagnol befindet sich unter den Verhafteten keine legitimistische Notabilität. Man hat alte Diener des Hofes Karls X., einige Arbeiter und Kaufleute, einen Arzt, einen Geistlichen der Kirche St. und den Thürsteher derselben Kirche u. s. w. unter ihnen unt. 8

Paris, 29. Noo. Der Moniteur du Soir berichtet über 1ö1“; angeblicher legitimistischer Komplottirer: „Da die s sess einiger Zeit Kunde erhalten hatte, daß nichtautorisirte pol ische bersammlungen in dem Hause Nr. 16 der Straße Rum⸗ fort gehalten vüreher, so begaben sich am Montag Abend um 10 Uhr mehrere Polizei⸗Kommissare, von einer Brigade Polizei⸗Ser⸗ und einer Compagnie Linientruppen begleitet, in dieses und verhafteten 46 Personen, worunter man einen Ex⸗Garde

everinskirche angestellten Geistlichen nennt. Die Ver⸗ hafteten wurden nach der Präfektur gebracht, und m hrere Poli

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zei⸗Kommissare waren die ganze Nacht hindurch mit ihrem Verhör beschäftigt. In sämmtlichen Wohnungen der Festgenom⸗ menen hielt man Haussuchungen. Eine Untersuchung ist eingelei⸗ tet, und alle Verhafteten sind dem Prokurator der Republik zur Verfügung gestellt worden. Ein Capitain der Nationalgarde in Civilkleidung, welcher im Interesse der Ordnung eingetreten war, um zu sehen, was vorgehe, wurde nur ein paar Minuten lang fest⸗ gehalten.“ Das Evenement sagt: „Die Entdeckung einer Waf⸗ fen⸗Niederlage zu Versailles soll mit dieser Verschwörung in Ver⸗ bindung stehen. Die legitimistischen Mitglieder der National⸗Ver⸗ sammlung versammelten sich im Konferenzsaale und beriethen sich ziemlich lange über dieses ernste Ereigniß. Larochejacquelin unter Anderen soll sich mit großer Wärme ausgedrückt und gesagt haben: „„Es ist ein Werk der Polizei, ein Handstreich Carlier's!““ Wie man sagt, will er in der Versammlung Fragen an die Regierung richten.“ Die Gazette de France äu⸗ ßert: „Wir erklären, daß die Männer der Rechten nicht konspiriren, und wir werden bald hören, daß diese angeblichen Komplotte die Ueberlieferungen der Polizei des Kaiserreiches sind, falls sie nicht zu dem Zwecke erdacht wurden, harmlose und gesetzliche Versamm⸗ lungen anzugreifen.“ Auch die anderen legitimistischen Journale erklären, daß keiner der parlamentarischen Vertreter ihrer Partei in irgend einer Weise mit diesem vorgeblichen Komplotte in Beziehung stehe, welches mehrere von ihnen geradezu als ein Manöver der Polizei bezeichnen, indem sie beifügen, daß schon seit mehreren Ta⸗ gen aufhetzende Agenten leichtgläubige Leute zu verfuhren gesucht hätten, um eine vorgebliche legitimistische Verschwörung zu orga⸗ nisiren. Die Opinion publiaäue erinnert daran, daß sie schon vor vierzehn Tagen die Leute ihrer Partei vor Verführungen dieser Art gewarnt habe. Nach den Versicherungen ihrer Organe haben die echten Legitimisten den Entschluß gefaßt, sich jeder Gesetzwidrigkeit, jedes Versuches, Aufregung zu verursachen, zu enthalten und davon abzurathen. Mehrere nicht⸗legitimistische Blätter, wie L'Ordre, lassen ebenfalls durchblicken, daß sie in dem angeblichen Komplott nur ein Werk der Polizei sehen. Die Estaffette dagegen meldet, daß von den Ein⸗ gekerkerten die Existenz des Komplottes nicht geleugnet werde. Ueber die Art, wie es entdeckt wurde, giebt sie an, daß ein legitimistischer Repräsen⸗ tant dem Polizei⸗Kommissar seines Viertels auf die nach seiner Mei⸗ nung republikanischen Versammlungen in dem Hause der Straße Rumfort aufmerksam gemacht habe; der Kommissar habe sofort dem Polizei⸗Präfekten berichtet und die Weisung zum Einschreiten em⸗ pfangen. Ein anderes Jeurnal versichert, daß die bei den Ver⸗ hafteten der Straße Rumfort weggenommenen Papiere fast ohne Ausnahme höchst geringfügig seien und Niemand ernstlich kompro⸗ mittiren könnten; es befinde sich auch unter den Festgenommenen kein einziger Legitimist von nur einiger Bedeutung.

Zu Toulon war am 25sten die Nachricht eingetroffen, daß das Mittelmeer⸗Geschwader auf der Rückfahrt sei und nächstens dort eintreffen werde.

Der Minister⸗Rath soll gestern für Lamoricibre und Beaumont die Nachfolger bestimmt haben. Man nennt General Vaillant für Wien und General Randon für St. Petersburg; auch die Gene⸗ rale Magnan und Fabvier werden für beide Posten bezeichnet. Es heißt auch, daß der General⸗Post⸗Direktor Tayer zum Gesandten für Neapel oder Turin ausersehen und Murat den Posten in Wien erhalten werde. Der frühere Vorstand des Sekretariats Louis Bo⸗ naparte's, Herr Briffault, ist mit Privat⸗Aufträgen an General Dufour nach der Schweiz abgeschickt worden. Man erfährt, daß General Baraguay d'Hilliers den Auftrag hat, sich der päpstlichen Regierung völlig zur Verfügung zu stellen und den Zeitpunkt mög⸗ lichst zu beschleunigen, wo die französischen Truppen ganz oder we⸗ nigstens theilweise Rom verlassen können.

Pierre Bonaparte's Sekundanten protestiren in den Journalen gegen die schon mitgetheilte Erklärung der Sekundanten Valette’'s; andererseits zeigen die Sekundanten Rovigo's an, daß Letzterer Herrn Pierre Bonaparte vergeblich habe auffordern lassen, das un⸗ terbrochene Duell in der vorher festgesetzten Weise fortzusetzen.

Vorgestern begann vor dem Assisenhofe der Seine ein Prozeß gegen 23 Mitglieder der geheimen Gesellschaft der „Rächer“ oder „Gleichheitsfreunde“, die sich im vorigen April hier und im Weich⸗ bilde ausbreitete. Man versammelte sich in den Wohnungen der Mitglieder, und die Gesellschaft entging, da das stets wechselnde Lokal der Sitzungen immer nur kurz vorher angezeigt wurde, län⸗ gere Zeit den polizeilichen Nachforschungen. Da ihr Zweck dahin ging, die äußersten Grundsätze des Sozialismus durchzufuhren, so berei⸗ tete sie den Aufstand vor und veranlaßte ihre Mitglieder, sich mit Waffen zu versehen und zum Hinabsteigen in die Straße stets bereit zu halten. Bei⸗ der Aufnahme leisteten die Mitglieder einen feierlichen Eid auf ein Kruzifix, einen Dolch und ein republikanisches Gleichheits⸗Dreieck in die Hände von Vorstehern, deren Gesicht durch eine schwarze Maske verhüllt war. Vorgestern ging das Zeugenverhör vor sich. Der Assisenhof der Rhonemündungen war mehrere Tage mit dem Prozesse gegen einige als Führer bei der letzten revolutionairen Bewegung zu Montpellier angeklagte Personen beschäftigt. Am 23sten wurden vier der Angeschuldigten zu Gefängnißstrafen von 1 bis 3 Jahren verurtheilt und die übrigen freigesprochen.

Großbritanien und Irland. London, 30. Nov. Der Fürst Poniatowski, bevollmächtigter Minister des Großherzogs von Toscana, ist hier angekommen.

Eine londoner Privatgesellschaft, die sich unter dem Namen der Samaritergesellschaft der Erleichterung des Looses der Armen widmet, trifft Vorkehrungen, obdachlosen Armen fuͤr den Winter ein Unterkommen zu sichern. Sie hat zu diesem Zwecke die Bogen mehrerer Eisenbahn⸗Viadukte in der Nähe der meistens von Bedürftigen bewohnten Viertel Lambeth, Southwark, Minories und Bethnalgreen gemiethet. In ihnen sollen Stuben erster, zweiter und dritter Klasse für Männer und Stuben erster und zweiter Klasse für Frauen angelegt werden, alle mit heißem Wasser geheizt, mit Gas erleuchtet und unter die Aufsicht der Polizei gestellt. Die erste Klasse ist mit eisernen Bettstellen, Woll⸗ matratzen, Decken ꝛc. versehen und kostet für eine Nacht 2 Denars Miethe. Die zweite Klasse hat Pritschen mit Kissen und warmen Decken und kostet 1 Denar. Die dritte Klasse hat nur Stroh⸗ schütten, ist aber zu allen Zeiten des Tages unentgeltlich zugäng⸗ lich. Jeder Distrikt hat einen Arzt zur Aufsicht. Einige der Woh⸗ nungen zweiter Klasse sollen während des Tages als Schulen be⸗ nutzt werden. Eine solche Schule besteht schon; sie nimmt drei Bogen der Blackwall⸗Eisenbahn ein und gewährt täglich 600 Kin⸗ dern Unterricht.

Nach der Times ist die Regierung entschlossen, dem afrikani⸗ schen Reisenden Richardson bei dem Verfolge seiner Forschungen in der großen Wuste Sahara, Sudan und in den Gegenden von Bornu und des Tschad⸗Sees zu unterstützen. Herr Richardson wird dafür versuchen, die Häuptlinge und Fuͤrsten des Innern von Afrika in Handelsbeziehungen zu England zu bringen.

Abermals sind zwei Wallfischfahrer aus der Davisstraße zurück⸗ gekehrt, ohne etwas vom Capitain Franklin vernommen zu ha⸗ Dagegen haben sie den „Northstar“

zusuchen bestimmt ist, in der Melvillebucht gesprochen; er saß im Eise fest. 1

h 18 „Hibernia“ überbringt Nachrichten aus New⸗York bis zum l4ten und Halifax bis zum 17ten d. Die Wahlen in den Ver⸗ einigten Staaten sind in der letzten Zeit gunstig für die Regierung ausgefallen. Im Senat kann das Kabinet auf die Mehrheit rech⸗ nen, im Rcpräsentantenhause ist dies weniger sicher. Der ehema⸗ lige französische Gesandte, Poussin, ist nach Frankreich zuruückgekehrt. Der Streit mit der französischen Regierung gilt als erlerigt. Zu Montreal in Kanada war am 8. November eine Volkeversamm⸗ lung wegen des Anschlusses an die Vereinigten Staaten; sie fand aber keinen besonderen Anklang.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 25. Nev. Die transkaukasischen Zeitungen melden, daß der Oberst Shiel, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister Ihrer Majestät der Köniain von England bei dem Schach von Persien, in Tiflis am 22. Oktober eingetroffen war und seine Reise uber Eriwan nach Teheran fortgesetzt hat.

Man schreibt aus Nikolajew, daß daselbst am 23. oder 24. Oktober sieben neue Fahrzeuge vom S apel laufen sollten; und zwar zwei Linienschiffe, „Paris“ von 120 und „Tschesme“ von 84 Ka⸗ nonen; vier Transportschiffe, „Pruth“, „Kilia“ und „Aragla“, je⸗ des 330 Tonnen haltend, und „Rymnik“ von 120 Tonnen und ein Dampfboot, „Ordinarez“, von 60 Pferdekraft.

Dänemark. Kovenhagen, 29. Nov. (Börs. H.) Hiesige Blätter melden, daß Se. Maj stät der König, als Herzog von

Holstein und Lauenburg, dem Vertrage über das Interim beigetre⸗ ten sei. . 1 2

Italien. Von der italienischen Gränze, 25. Nov. (Wanderer.) Der Monitore Toscano vom 22. d. M. ver⸗ öffentlicht eine Amnestie fur alle politischen Verbrecher. Jene Ver⸗ brecher, die sich in Gefangenschaft befanden, werden auf freien Fuß gesetzt. Ausgeschlossen von dieser Amnestie sind jene, welche sa on schuldig erklärt oder in Untersuchung siand wegen eines Verbre⸗ chens gegen die Religion des Staates, auch wenn dieses im Wege der Sühne geschehen wäre, dann die Mirglieder der provisorischen Rr⸗ gierung, weiter der segenannte Repräsentant und das Haupt der vollziehenden Macht, alle Mitglieder des Ministerratbes vom 8. Februar bis 12. April 1849, der Präfekt von Florenz zu jener Zeit zc. .

Aus Spoleto erfahren wir, daß den 13ten l. M. die bischöf⸗ liche Synode eröffnet wurde. Präsident ist der Erzbischof von Spo⸗ leto und Secretair der Bischof von Terni.

Aus dem Römischen geht uns die Nachricht zu, daß alle spa⸗ nischen Truppen bereits eingeschifft und ihre Posten von den Fran⸗ zosen besetzt sind. G

Einen kleinen Beitrag zum Denunziantenwesen gab dieser Tage folgender Vorfall. Ein Spion hatte einen republikanischen Papagei denunzirt, der auch sammt seinem Besitzer, Professor Peretti, ver⸗ haftet wurde. Letzterer wurde zwar bald wieder freigelassen und den Wissenschaften zurückgegeben, der Papagei aber zum Tode ver⸗ urtheilt. So berichten römische Blätter.

Turin, 23. Nov. In einem an die Opinione gerichteten Briefe giebt der ehemalige Deputirte Cabella eine Schilderung des Herganges der Verhandlungen, welche kurz vor der Auflösung der piemontesischen Kammer statrfanden. Dieser Darstellung zufolge schlugen zwei Deputirte, von denen einer zur Rechten, der andere zur Linken gehörte, am 19ten vor, eine aus allen Parteien gebildete Deputation an das Ministerium abzusenden, um demselben zu er⸗ klären, daß die Kammer bereit sei, am 29sten, dem fur den Zusam⸗ mentritt des Parlaments bestimmten Tage, die Erhebung der Steuern fur die beiden folgenden Monate zu bewilligen, um das Ministe⸗ rium nicht in eine Lage zu versetzen, welche eine Verletzung des Statuls herbeifuhren würde. Die Linke verwarf dieses Auskunfts⸗ mittel jedoch. Darauf wurde der Vorschlag gemacht, den Vertrag zu genehmigen, nachdem ein Königliches Dekret den von der öster⸗ reichischen Amnestie ausgeschlossenen Emigranten das Bürgerrecht bewilligt haben würde. Auch hiermit erklärte die Linke sich nicht einverstanden, weil es den Anschein haben würde, als weiche sie durch diesen Plan von ihren Prinzipien ab. An demselben Tage erklärte einer der ausgezeichnetsten Senatoren Herrn Cabella, der Senat wolle, um den Weg der Versöhunng einzuschlagen, mit ei⸗ nem auf das erwähnte Burgerrecht bezüglichen Gesetze die Initia⸗ tive erareifen. Dies Anerbieten wurde von der Linken mit lebhaf⸗ tem Beifall aufgenommen, blieb aber doch, aus welchen Gruünden giebt der Schreiber nicht an, ohne Erfolg.

Das Wahlcomité der Linken der Deputirten⸗Kammer hat ein Manifest an die Wähler erlassen, welches folgendermaßen endigt: „Man klagt uns an, unsere Weigerung, den Friedens⸗Vertrag zu genehmigen, beschönigt zu haben. Unsererseits klagen wir das Mi⸗ nisterium an, die Achtung, welche wir der König und das Ministe⸗ rium dem Statut schulden, an eine Bedinaung geknüpft zu haben. Wenn die jetzige Majorität, sagt das Kabinet deutlich, wieder in die neue Kammer geschickt wird, so ist die Constitution unmöglich. Vir wissen in Wahrheit nicht, was wir auf eine solche Erklärung antworten sollen, dieselbe ist durch sich selbst unconstitutionell; wir wiederholen, die Hand auf dem Herzen und im Angesichte Gottes, dem Könige, so wie dem Lande, daß wir, treu unseren Eiden, als Deputirte oder einfache Burger, die Constitution verlangten und sie, so weit es auf gesetzlichem Wege geschehen kann, vertheidigen werden.“ Herr Lorenzo Valerio, eines der einflußreichsten Mitglie⸗ der der Linken und Haupt⸗Redacteur der Concordia, hat eine Erklärung veröffentlicht, in welcher er, obgleich er dem Programm seiner Genossen Beifall schenkt, ras ihm angebotene Mandat ab⸗ lehnt. Präsident des Wahl⸗Comité's der Linken ist Rottone, Se⸗ cretair Bertolini.

Heute ist das Gerücht von einer ministeriellen Veränderung in Turin verbreitet. Der Graf Fralormo soll das Ministerium der daswärtigen Angelegenheiten üb rneohmen und d'Azeglio das Prä⸗ sidium des Ministerrathes ohne Portefeuille fortfuhren.

Die verschiedenen Ministerien in Turin haben ein Rundschrei⸗ ben an ihre Beamten erlassen, um ihren Eifer fur die Wahlrn an⸗ zuregen. 8

Das Legge widerspricht der Nachricht, die von der Con⸗ cordia gegeben wurde, als hätte der Graf Balbo in einem Schresben an den Conseils⸗Präsidenten die Auflösung der Kammer gemißbilligt.

General Pepe schreibt dem Legge, daß er in Paris zurück⸗ gezogen lebe, keine Einladungen annehme und nie das Theater be⸗ suche. „Sagen Sie meinen Freunden“, sagt derselbe, „daß man Italien in diesem Augenblick dient, wenn man der piemontesischen Regierung zur Hülfe kömmt, indem man die Augen über die be⸗ gangenen Fehler schließ’.“

Der König Vieror Emmanuel hat einen General⸗Inspektor der Gefängnisse mit 5000 Fr. Gehalt ernannt.

Modena, 21. Nov. (Ll.) Erzherzog Ferdinand von Este

2 den Vermißten auf⸗

ist, aus Wien kommend, hier angelangt. 1.““ 1“ 1““