1849 / 337 p. 2 (Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

von Hermann: Revolutionen sind theuer, und nach deren Abschluß oder Bestegung kommen erst die Hauptrechnungen, welche zu bezahlen sind. Redner schildert nun die Nachtheile der Revolu⸗

tionen für Produzenten und Konsumenten und für den Staatshaus-

halt selbst in einer ausführlichen national⸗oöͤkonomischen Rede, giebt statistische Nachrichten über die außerordentlichen Staatsausgaben und schildert die Nothwendigkeit einer raschen, sehr raschen Au brin⸗ gung der Mittel, damit Bayern seinen Verpflichtungen nach innen und außen nachkommen könne. Der Weg, den die Regierung be⸗ hufs der Aufbringung eingeschlagen, sei der beste. Durch Steuern diese Summe auzabengen, wäre wegen der enormen Belästigung nicht rathsam, ja sehr gefährlich. Durch Anweisung und Versiche⸗ rung auf die Ablösungsgefälle trete keineswegs eine Verminderung des Staatsvermögens, sondern vielmehr Flüssigmachung desselben ein. Gegen das Fortbestehen des Lotto muüsse er sich im Interesse der Sittlichkeit und der ärmeren Klassen dringend aussprechen. Reinhard erklärt sich gegen das Anlehen. Er fragt die Minister, warum man denn Schulden gemacht habe, ohne die Kammern, ja ohne die ständischen Kommissäre zu fragen? Er eifert für Ersparungen in allen Zweigen der Staatsausgaben, für Beschneidung der Civilliste, der Appanagen, Aufhebung des Staats⸗ raths, Verminderung des Militairs und Einführung einer allge⸗ meinen Volksbewaffnung, für Aufhebung der großen Ministerpen⸗ sionen. Warum denn die Herren Minister nicht auch die anderen Beschlüsse der Nationalversammlung und Centralgewalt so bereit⸗ willig vollzogen hätten, wie den über die Hiervermehrung? Habe man der Kammer am vorigen Landtage die staatsrechtliche Noth⸗ FenJg. Mitglieder auszuschließen, octroyirt, so solle man nun dem Ministerium die völkerrechtliche Nothwendigkeit der Ersparun⸗ gen vorhalten. Er stimme gegen jedes Anlehen und gegen jede neue Steuer.

„Wallerstein: Die Fraction der Linken habe über die Po⸗ litik des Ministeriums gesprochen, als es galt, Beschlüsse zu fassen, und würde wieder sprechen, wenn es Zeit wäre. In dieser Frage sehe sie aber in der Abstimmung weder ein Vertrauens⸗ noch ein Mißtrauensvotum, sie betrachte die Sache vom finanziellen Stand⸗ punkte und frage: braucht der Staat Geld und wie ist es beizu⸗ schaffen? Die Beantwortung liege in dem Votum des Abgeuardneten Langguth, welches die Fraction adoptirt habe. Zur Motivirung gibt der Redner eine ausführliche Zahlenaufzählung der Kosten der verschiedenen Eisenbahnen, deren Gesammtsumme er auf 88,200,000 Fl. anschlägt und eine Vermehrnng der Staatsschulten um 55,365,000 Fl. berechnet. Nehme man hierzu den unerläßli⸗ chen Bau der Augsburg⸗Ulmer Eisenbahn im beiläufigen Be⸗ trag von 25 —30 Millionen, das bereits im vorigen Jahre zur Deckung außerordentlicher Bedürfnisse bewilligte Anlehen von 7 Millionen, das nun für das heurige Jahr weiter verlangte An⸗ lehen von 7 Millionen, die Zinsen daraus, das außerordentliche Budget von 15 Millionen für 2 Jahre der sechsten Finanzperiode

erhalten wir zu unserer Staatsschuld von 126 Millionen einen solchen Zuwachs, daß dieselbe auf 210 220 Millionen sich steigere. Solle nun auch noch etwas für die Hebung der Industrie, für die Verbesserung der Lage der Schullehrer, für den Ausbau der Festung Ingolstadt geschehen, so müßte sie (die Linke) vor Allem die Mit⸗ tel hierzu kennen und verlangten einen ausführlichen Schuldentil⸗ gungsplan, wo alle Beträge der Staatsschuld und Voranschläge zur Deckung derselben aufgeführt seien; dann erst könnten sie urtheilen. Ihr heutiges Votum bäten sie jedoch unicht vom Parteistand⸗ punkt aus zu betrachten; wenn sie auch nicht immer mit der ministeriellen Politik einverstanden seien, so seien sie es

och da, wo es dem Lande Noth thue, und gerade des⸗ müßten sio, auf den Autrug Langguth's beharren. Thinnes ist für die Aufhebung des Lottos; jedenfalls könne über dessen Beibehaltung nicht jetzt entschieden werden. Er erklärt sich für das Anlehen, da das Budget doch vor Jahren nicht zur Berathung komme. von Koch vertheidigt sein Votum im Ausschuß, daß nur 3 Millionen bewilligt werden sollen, welche für die Quar⸗ ierlasten ausreichen. Man stehe jetzt im Begriffe, ein neues An⸗ lehen zu bewilligen, ohne zu wissen, was denn mit dem früheren ge⸗ schehen sei. Er richte daher an den Staats⸗Minister der Finanzen olgende Fragen: 1) Ob die von dem letzten Anlehen für Indu⸗ strie und Gewerbe bestimmte Million auch wirklich verwendet wor⸗ en, oder wie viel noch und ob baar in der Kasse sei? wie es mög⸗ lich war, 10 Monate lang den erhöhten Armeebedarf zu bestreiten, welcher diese Zeit hindurch sich über 9 Millionen belaufen mußte? 2) Ob Zahlungen an die Centralgewalt gemacht und welche Posten abbezahlt worden seien, ob die bayerische Regierung gesonnen sei, hre Zahlungen für die deutsche Flotte zu leisten und ihre Gegenfor⸗ erungen geltend zu machen? 3) Wie hoch sich das bei der Hypo⸗ theken⸗ und Wechselbank negozirte Anlehen belaufe und unter wel⸗ schen Bedingnissen es abgeschlossen worden? 4) Ob nach dem 28. September, wo das vorliegende Gesetz eingebracht, die Zahlung von 2 Millionen an die Hauptkriegskasse stattgefunden? Erst wenn diese Fragen beantwortet seien, lasse sich über das neue Anlehen beschließen, und er glaube, daß auch die Fraction der Linken, nach den Acuße⸗ ungen ihres Führers zu schließen, nach Beantwortung dieser Fra⸗ gen der Regierungsvorlage zustimmen werden. Wallerstein be⸗ mert, daß die Linke keinen Führer habe, sondern jedes Mitglied erselben seine freie, selbstständige Ueberzeugung habe. Der Finanz⸗ Minister: Er hätte gewünscht, daß Herr von Koch diese Fragen in einer der drei Sitzungen des Ausschusses gestellt hätte; jetzt könne er sie nicht beantworten, da dieselben meist in Ziffern bestehen, die ihm nicht gegenwärtig seien, und bitte, die Fragen auf den Tisch des Hauses niederzulegen. (Dies geschieht.) Lerchenfeld spricht ge⸗ gen den Antrag des Abgeordneten Koller und gegen das Lotto und sucht einige Fragen des Abgeordneten von Ksch zu beantworten. Uebrigens glaube er, daß sie dadurch kein Geld erlangten, wenn sie jetzt 14 Tage beriethen, welche Maßregeln für die künftige Staatsschuldentilgung festzusetzen seien; warte man die Regierungsvorlagen über deren Normirung ab. Der Redner giebt zu, daß wir noch mehrere Eisenbahnbauten bedürfen, und zwar von ugsburg nach Ulm, München nach Salzburg, von Nürnberg über

Amberg nach Regensburg; wir würden jedoch erst dann bauen,

veün ge dazu haben. Auch der Centralgewalt müsse man

Redn nicht verfallene Zahlungen zurückhalten. Der

edner giebt Aufschlüsse aus der Periode seines Finanzministeriums und bittet, dem Regierungsentwurf beizupflichten. Schmid sprich als Ausschußmätglicden 4 Eiher

1 hußmitglied in Anbetracht, daß unser Staatshaushalt bei weitem nicht so schlimm stehe, als Fürst Wallerstein glaube, für die Zustimmung. Er sucht den guten Zustand unserer Finanzen mit Belegen nachzuweisen und bemerkt, uc wir trotz unserer Eisen⸗

12,ep bis jetzt weniger Schulden haben, als im Jahre 1822.

Pröger:

klärung abgegeben; hiergegen müsse er (Redner⸗ *

gleichfalls das Programm derselben heihe Le1 neesen zanssas.

unterschrieben habe, daß er jedoch seine Stimme blos nach eigener

freier, aus der Debatte gewonnener Ueberzeugung abgebe und dem⸗

gemäß für das Anlehen stimmen werde, welches er für ein noth⸗ wendiges Uebel zur Aufrechthaltung des Staatskredits halte.

Ruland spricht für das Anlehen, verlangt jedoch, daß die

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Ablösungsgelder nicht zur Tilgung desselben verwendet werden.

Diese Gelder müßten dem Staatsvermögen erhalten bleiben, denn sie bildeten den Lebensnerv des Staates. Lerchenfeld be⸗ kämpft diese Ansicht und glaubt, daß der Staat durch Verwendung dieser Gelder nicht ärmer werden würde. Kleindienst spricht gegen das Anlehen und will Ersparungen, Verminderung der großen Heereskörper; er rekurrirt auf die „schlechte Wirthschaft“ der letzten 30 Jahre, wo man alle Schulden hätte decken können, statt dessen aber neue gemacht habe. Das ganze Land harre mit Spannung auf Verminderung der Lasten, und dafür lege lman den Entwurf zu einem neuen Anlehen vor! Der Herr Minister des Aeußern habe neulich von der Tribüne herab geäußert: die Zukunft gehöre der Monarchie; er wünsche es, denn er selbst sei ein eifriger Anhänger der constitutionellen Monarchie; allein mit solchen Manipulationen, wie diese, werde das Gegentheil be⸗ zweckt, zumal, wenn man sich immer auf die Macht der Bajo⸗ nette stütze. Stöcker schließt sich dem Vorredner in seinen Moti⸗ ven an und wünscht statt des Anlehens Papiergeld, da Bayern noch keines gleich anderen Staaten habe. Gegen die ö5prozentige Verzinsung müsse er sich wegen des großen Ruͤckschlages auf das Land und die Geldaufnehmenden aussprechen. Die glänzenden Schilderungen unseres Staatshaushalts und das Bauen auf den guten Stand unserer Staatspapiere müsse er für Leichtfinn erklären: warte man nur einen neuen Sturm ab, dann werde man sehen! Es steht gut, ganz gutz, habe er oft in dieser Kammer in früheren Jahren gehört; er habe gewarnt, auf die Zeiten des Kriegs auf⸗ merksam gemacht, allein immer die nämliche Antwort erhalten, und nun sei es doch so gekommen, wie er vorausgesagt, daß wir vor einem Defizit und an der Schwelle eines Staatsbankorotts stehen. Die Sitzung wird auf morgen vertagt.

München, 4 Dez. Das Anlehen von 7 Mill. Gulden ist mit 91 gegen 33 Stimmen bewilligt.

Das Regierungsblatt enthält Folgendes: „Se. Maj. der Kö⸗ nig hat unterm 27. November I. J. den in einstweiligen Ruhestand versetzt gewesenen Staats⸗Minister außer Dienst Grafen Otto von Bray⸗Steinburg in außerordentlicher Sendung an das Kaiserlich russische Hoflager abgeordnet und denselben wiederholt bei Sr. Ma⸗ jestät dem Kaiser aller Reußen in der Eigenschaft als außerordent⸗ lichen Gesandten und bevollmächtigten Minister beglaubigt.“

Sachsen. Dresden, 5. Dez. (D. J.) In der heutigen Sitzung der ersten Kammer stellte der Abgeordn. von Carlowitz folgende Interpellation:

„Bei Eröffnung des Landtags ist den Kammern eine Vorlage über die Stellung, welche die Regierung in der deutschen Frage eingenommen hat und ferner einzunehmen gedenkt, zugesichert wor⸗ den. Daß dieser Gegenstand nicht nur zu den wichtigsten, sondern auch zu den dringensten gehört, leuchtet gewiß Jedem ein, der sich vergegenwärtigt, daß durch die von Preußen und seinen Verbün⸗ deten beschlossene baldige Einberufung eines Reichstages diese An⸗ gelegenheit in ein Stadium getreten ist, welches eine Entschließung der bisher noch zögernden Staaten dringend erheischt, damit auch sie nach Befinden jenen Reichstag rechtzeitig beschicken können. Gleichwohl hat bis jetzt über die Zeit jener Vorlage noch Nichts verlautet. Wenn nun auch der Landtag erst vor etwa 10

Tagen eröffnet worden ist, so ist diese Verspätung doch nur eine rein zufällige, nicht vorhergesehene; es mußte vielmehr die Regie⸗ rung der Eröffnung schon in den ersten Tagen des Novembers ge⸗ wärtig sein, konnte also auch die an die Kammern zu bringenden Vorlagen dringlicher Natur längst vorbereitet haben. Bei dieser Sachlage fühlt sich der Unterzeichnete durch seine ständische Pflicht gedrungen, zum erstenmale seit seiner langjährigen Wirksamkeit von dem Rechte, zu interpelliren, Gebrauch zu machen, und richtet dem⸗ nach an die Staatsregierung die Frage: wann jene zugesagte Vor⸗ lage an die Kammern gelangen werde? Je nach der Antwort, die auf diese Frage erfolgen wird, behält sich der Unterzeichnete weitere Maßnehmungen vor. von Carlowitz.“

Nachdem auf den Antrag des Bice⸗Präsidenten der Finanz⸗ Ausschuß noch um zwei Mitglieder verstärkt worden war, beant⸗ wortete der Minister von Friesen die gestern von dem Abgeordneten Joseph gestellte Interpellation in Bezug auf die Wahl des Abge⸗ oͤrdneten Lindner dahin, daß er verspricht, die nöthigen Erörterun⸗ gen anstellen zu wollen. Joseph zieht deshalb fur jetzt seinen An⸗ trag zurück, wie er denn auch seine gestern gestellte zweite Inter⸗ pellation durch neuerdings an ihn gelangte Nachrichten für erledigt erklärt.

Dresden, 5. Dez. (Leipz. Ztg.) Nachstehender Entwurf eines Gesetzes, die Abänderung der Verfassungs⸗Urkunde vom 4. September 1831 betreffend, ist bei den Kammern eingegangen:

Wir Friedrich August, von Gottes Gnaden König von Sachsen ꝛc. ꝛc. haben mit Zustimmung der Kammern der Volksvertretung nunmehr die definitive Abänderung der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831 be⸗ schlossen und verordnen demnach wie folgt:

1. Die Gesetze a) vom 19. Juni 1846, das Abtreten der Minister und Königlichen Kommissare bei den Abstimmungen in den ständischen Kammern betreffend; b) vom 15. November 1848, wegen einiger Abände⸗ rungen der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831; c)) vom 31. März 1849, die Abänderung der §§. 85 und 120 der Verfassungsurkunde betref⸗ fend; d) von demselben Tage über das Recht der Kammern zu Gesetzvor⸗ schlägen, werden hierdurch aufgehoben und alle durch diese Gesetze abgeän⸗ derten Bestimmungen der Verfassungsurkunde, so weit nicht nachstehend etwa Anderes bestimmt wird, wiederhergestellt. Dagegen wird die Verfassungs⸗ Urkunde vom 4. September 1831 nunmehr abgeändert, wie folgt:

II. Die §§. 63 bis mit 74 werden aufgehoben und es treten folgende an deren Stelle: §. 63. (Mitglieder der ersten Kammer.) Die erste Kammer besteht außer den volljährigen Prinzen des Königlichen Hauses, deren jedesmaliges Erscheinen von ihrem Willen abhängt, aus 50 Mitglie⸗ dern, welche in den dafür zu bildenden Beaten des Königreichs gewaͤhlt werden. §. 64. (Mitglieder der zweiten Kammer.) Die zweite Kammer besteht aus 75 Abgeordneten, zu deren Wahl das Königreich Sachsen in eben so viele Wahlbezirke getheilt wird, von welchen jeder einen Abgeerd⸗ neten zu ernennen hat. §. 65. (Wahlmodus.) Die Abgeord⸗ neten zur ersten Kammer werden unmittelbar, die zur zweiten Kammer durch Wahlmänner gewählt. §. 66. (Stimmberechtigung bei Urwahlen zur zweiten Kammer.) Stimmberechtigt bei den Ur⸗ wahlen zur zweiten Kammer sind alle diejenigen Gemeindebürger, welche an dem Orte ihres wesentlichen Aufenthaltes nach dem (zu erlassenden) Gesetze, einige Abänderungen in der Verfassung der Gemeinden betreffend, bei den Gemeindewahlen persönlich stimmberechtigt sind, dafern sie seit min⸗ destens 3 Jahren als sächsische Staatsangehörige sich im Königreich Sach⸗

Fürst Wallerstein habe im Namen der Linken eine Er⸗

sen wesentlich aufhalten. §. 67. (Wählbarkeit zur zweiten Kammer.) Wählbar als Wahlmann ist jeder nach §. 66 Stimmberechtigte innerhalb der Wahlabtheilung, in welcher er sich wesentlich aufhält. Wählbar zum Abgeordneten der zweiten Kammer sind alle sächsische Staats⸗ angehörige, welche irgendwo im Königreiche Sachsen nach §. 66 stimmberechtigt sind, dafern sie a) das dreißigste Lebensjahr über⸗ schritten haben und b) nicht in ausländischen akrtiven Diensten stehen. §. 68. (Stimmberechtigung bei den Wahlen für die erste Kammer.) Stimm⸗ berechtigt bei den Wahlen zur ersten Kammer sind alle nach §. 66 Stimmbe⸗

rechtigte ‚welche mindestens 25 Thaler an ordentlichen direkten Staatsabgaben

bezahlen. §. 69. (Wahlbarkeit zur ersten Kammer.) Wählbar als Mit⸗ glied der ersten Kammer ist jeder nach §. 68 Stimmberechtigte, dafern er a) das vierzigste Lebensjahr überschritten hat und b) nicht in aus⸗

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ländischen aktiven Diensten steht. §. 70. (Erneuerung der Wah⸗ len.) Die Wahlen der Abgeordneten sind für jeden ordentlichen Landtag bei der ersten Kammer zu einem Drittheile, welches ein⸗ mal aus 16 und zweimal aus 17 Abgeordneten besteht, bei der zwei⸗ ten Kammer abwechselnd zu je 37 und 38 zu erneuern. §. 71. (Aus⸗ mittelung der Ausscheidenden.) Beim ersten nach dem 9 erlassenden Wahl⸗ gesetze zu berufenden Landtage werden diejenigen 46 Abgeordneten der er⸗ sten Kammer, welche alsbald nach beendigtem Land tage auszuscheiden, die⸗ jenigen 17 derselben Kammer, welche zwei Landta en beizuwohnen und die⸗ jenigen 37 der zweiten Kammer, welche zuerst auszutreten haben, durch das Loos bestimmt. Eben so ist zu verfahren, wenn nach einer Auflösung einer oder beider Kammern die neugewählte Kammer zuerst zusam⸗ Später erfolgt die Erneuerung beider Kammern in der Regel (vergleiche jedoch §. 73) so, daß diejenigen Mitglieder dersel⸗ ausscheiden, welche in der ersten Kammer drei, in der zwei. ten Kammer zwei odentlichen Landtagen hintereinander beigewohnt haben⸗ §. 72. (Sonstiges Erlöschen der Eigenschaft als Abgeordneter.) Die Mit⸗ glieder jeder Kammer hören auch früher auf, es zu sein a) wenn sie die Wählbarkeit für die Kammer, der sie angehören, verlieren; b) wenn sie nach ihrer Erwählung im Staatsdienste angestellt oder befördert werden, oder in ein Hofamt treten; als Beförderung in diesem Sinne ist jedoch ein nach der Anciennetät erfolgendes Aufrücken in eine höher besoldete Stelle dessel⸗ ben Kollegiums nicht anzusehen; c) durch freiwilligen Verzicht mit Geneh⸗ migung der Kammer; d) wenn der König die Kammern auflöst. §. 73. (Ersatzwahl.) In den §. 72 a. b. und c. gedachten Fällen, so wie, wenn ein Abgeordneter mit Tode abgeht, ist, insofern die betreffende Kam⸗ mer nicht etwas Anderes beschließt, sofort zur Veranstaltung einer neuen Wahl zu verschreiten. Die hierbei erwählten Abgeordneten treten auch rücksichtlich der Zeit ihres verfassungsmäßigen Ausscheidens (§. 71) an die Stelle derer, zu deren Ersatz sie gewählt wurden. §. 74. (Präsidenten und deren Stellvertreter.) Jede Kammer wählt aus ihrer Mitte einen Präsidenten und zwei Stellvertreter derselben. Ueber die Wahl, die amtliche Stellung und die Geschäftsführung desselben, so wie über die Protokollführung und Leitung der Kanzleigeschäfte enthält die Landtags⸗ ordnung die näheren Bestimmungen. 6

III. Der §. 76 der Verfassungs⸗Urkunde vom 4. September 1831 wird dahin abgeändert: Die Sitzordnung in beiden Kammern wird durch die Landtagsordnung bestimmt.

IV. Der §. 77 der Verfassungs-Urkunde vom 4. September 1831 er⸗ hält folgende Fassung: Ueber das Wahlverfahren für beide Kammern ent⸗ hält das Wahlgesetz die näheren Bestimmungen. Dasselbe ist zwar kein integrirender Theil der Verfassung, kann aber ohne Zustimmung der Kam⸗ mern nicht verändert werden.

V. In §. 81 der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831 blei⸗ ben die Worte weg: „mit Ausnahme der in §. 64 in Rücksicht der Herr⸗ schaftsbesitzer bemerkten Fälle.“

VI. In §. 82 der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831 wer⸗ den die Worte: „in der Ständeversammlung“ in der Eidesformel mit fol⸗ genden: „bei dem Landtage“ vertauscht.“

VII. Der §. 85 der Verfassungs⸗Urkunde vom 4. September 1831 erhält folgende Fassung: Gesetzentwürfe können von dem Könige an die Kammern und von den Kammern an den König gebracht werden. Die Kammern lönnen auch auf Vorlage neuer Gesetze, so wie auf Abänderung oder Aufhebung bestehender antragen. Jedem Gesetzentwurfe sind Motive beizufügen.

VIII. Der §. 90 der Verfassungs⸗Urkunde vom 4. September 1831

beschränkt sich auf den Satz: Der König kann einen an die Kammern gerichteten Gesetzvorschlag noch während der Diskussion darüber zurück⸗ nehmen. 9 IX. Der §. 95 der Verfassungs⸗Urkunde vom 4. September 1831 er⸗ hält folgenden Zusatz: „Gesetzvorschläge der Kammern, denen die Geneh⸗ migung des Königs versagt worden ist, können während des nämlichen Landtags nicht unverändert wiederholt werden.“ „Will der König einen von den Kammern ausgegangenen Gesetzentwurf nur mit Abänderungen ge⸗ nehmigen, so sind diese Abänderungen von der Regierung den Kammern noch während des nämlichen Landtags mitzutheilen und es steht dann den letzteren frei, den Gesetzentwurf entweder ganz zurückzunehmen, oder die Ab⸗ änderungen zu genehmigen, oder auch den Gesetzentwurf mit Widerlegungs⸗ gründen in dem vorigen Maße, ebenfalls noch während des nämlichen Landtags, dem Könige zu unveränderter Genehmigung oder Ablehnung zu überreichen.“

X. In §. 107 der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831 sind die Worte: „der zweiten Kammer“ mit folgenden: „einer oder beiden Kam⸗ mern“ zu vertauschen.

XI. Der §. 116 der Verfassungs⸗Urkunde vom 4. September 1831 wird dahin abgeändert: Der König ordnet den förmlichen Schluß des Landtags an, kann auch denselben vertagen und die Kammern oder eine derselben auflösen. Durch die Auflösung einer Kammer wird die andere vertagt. Die Vertagung der Kammern darf nicht über sechs Monate dauern. Im Falle der Auflösung soll die Wahl neuer Abgeordneter und die Einberufung des Landtags ebenfalls innerhalb der nächsten sechs Mo⸗ nate erfolgen.

XII. In §. 118 der Verfassungs⸗ Urkunde vom 4. September 1831 ist anstatt: „der zweiten Kammer“ zu setzen: „einer Kammer.“

XIII. Der §. 120 der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831 erhält folgende Fassung: Die Abgeordneten erhalten als Entschädigung für den außerordentlichen Anfwand Reise⸗ und Tagegelder nach den näheren Bestimmungen der Landtagsordnung.

XIV. Der §. 129 der Verfassungsurkunde vom 4. September 1831 wird dahin abgeändert: Ueber die Form der Abstimmung enthält die Land⸗ tagsordnung die näheren Vorschriften.

vI1“ Verfassungsurkunde vom 4. September 1831 lautet: Die Minister und die Königlichen Kommissare ha⸗ ben den Zutritt zu den Sitzungen der Kammern, können au den Diskussionen Antheil nehmen, und haben das Recht, zu verlangen, nach dem Schlusse der Debatte nochmals gehört zu werden. Dieselben haben, sobald sie nicht selbst Mitglieder der betreffenden Kammer sind, bei Abstimmungen, welche durch Namensaufruf in gebeimer Sitzung erfolgen, aus der letzteren sich zu entfernen. Nach ihrer Entfer⸗ nung darf keine Berathung über den Gegenstand, welcher zur Abstimmung gelangen soll, mehr stattfinden.

XVI. In §. 143 der Verfassungs⸗Urkunde vom 4. September 1831 sind die Worte: „der zweiten Kammer“ mit folgenden: „einer Kammer“ zu vertauschen. 8 8

XVII. Im Uebrigen sind unter den Worten: „Ständeversammlung“ und „Stände“, wo solche in der Verfassungs⸗Urkunde vom 4. September 1831 oder sonst in den Gesetzen und Verordnungen vorkommen, die Kam⸗ mern der Volksvertretung beziehendlich deren Mitglieder zu verstehen.

Württemberg. Stuttgart, 1. Dez. (Schwäb. M.) Die erste Sitzung der verfassungberathenden Versammlung wurde heute Nachmittags um 4 Uhr durch den Alters⸗Praäsidenten Römer Den ersten Gegenbang der Berzanglung egete d; neoh des Präsidenten. Zahl der Stimmenden 39. Stimmen 1 58, erhielten Schoder 39, Römer 18, Rödinger 1.

Schoder nahm demnach den Präsidentensitz ein und sprach folgende Worte: „Meine Herren! Indem ich das ehrenvolle Amt übernehme, zu dem Sie mich berufen haben, ist es meine erste Pflicht, Ihnen für das Vertrauen und die Anerkennung meinen aufrichtigen Dank zu sagen, die Sie durch Ihre Wahl gegen mich an den Tag gelegt haben. Wohl fühle ich, vaß meine Kräfte nicht im Verhältniß stehen zu der Größe der Aufgabe, die. mir als Vor⸗ stand dieser Versammlung obliegt. Aber gleichwie ich hiermit als meine heiligste Pflicht es feierlich erkläre, mein Amt mit strenger Unparteilichteit nach allen Seiten hin zu handhaben, so vertraue ich auch auf der anderen Seite, daß alle Richtungen dieses Hau⸗ ses mir mit Nachsicht und Wohlwollen entgegenkommen werden. Nur dann, nur getragen von der Unterstützung dieses ganzen Hau⸗ ses wird es mir möglich sein, die Leitung der Geschäfte mit Erfolg zu übernehmen. Meine Herren! Der Grundsatz, welcher sich in dem unvergeßlichen Jahre 1848 durch alle entgegenstehenden Hindernisse

eröffnet.

hindurch Bahn gebrochen, der Grundsatz, daß das historische Recht, wo es sich überlebt hat, dem vernünftigen Recht weichen muß, der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz, der Gleichberechtigung aller Staatsbürger, der Unterordnung des Interesses einzelner Staatsbürger unter die Forderungen des gemeinen Besten dieser Grundsatz ist es, welchem diese Versammlung, nicht mehr eine Versammlung von Ständen, sondern eine Versamm⸗ lung, gewählt von dem ganzen Volke, aus dem ganzen Volke, ihr Dasein verdankt. Nie ist einer Versammlung von Volksver⸗ tretern eine schwierigere Aufgabe unter schwierigeren Verhältnissen geworden, als dieser hohen Versammlung. Das Werk, welches zur Begründung der Einheit, der Freiheit und der Wohtsahrt des deutschen Volkes die Vertreter desselben zu Frankfurt geschaffen ha⸗ ben, ist von den Regierungen Deutschlands verworfen worden; Württemberg allein ist das Land, in welchem dieses Werk sich lan⸗ desgesetzlicher Anerkennung zu erfreuen hat. Ob es jenen Regie⸗ rungen, welche das Werk der National⸗Versammlung verworfen haben, gelingen wird, dem deutschen Volke den Beweis zu liefern, daß es ihnen möglich ist, zu gewähren, was dem deutschen Volke versprochen wurde und dessen es nicht mehr entbehren kann, das wird die Zukunft lehren. Inzwischen ist es Württembergs Auf⸗ gabe, im Wege friedlicher Verständigung zwischen der Regierung und den Vertretern des Volkes in sicheren Hafen zu bringen alle die Rechte, welche die Vertreter des Volkes von Deutschland jedem deutschen Lande und jedem Deutschen gewährt haben, und zugleich mit dem Gedanken der Einheit Deutschlands treu zu hegen und zupflegen, so weit es einem kleinen Lande möglich ist, auf daß dieser Gedanke, wenn die Zeit sich erfüllt haben wird, unverfälscht zur Geltung kommen kann. Meine Herren! Gehen wir mit Mäßigung in der Form, aber mit Entschiedenheit in der Sache zu Werke! Gehen wir den Weg des unverbrüchlichen Festhaltens an dem Gesetze! Das allein ist der Weg des Rechts und der Treue!“

Hierauf wurde zur Wahl des Vice⸗Präsidenten geschritten. Gewählt ist: Rödinger mit 39 Stimmen. Rödinger sprach: „Meine Herren! Ich fühle ganz die hohe Bedeutung der Auszeich⸗ nung, welche Sie mir durch diese Wahl erwiesen haben. Sollte ich berufen werden was ich nicht hoffe an der Stelle unseres Herrn Präsidenten zeitig den Vorsitz in diesem Hanse zu führen, so wird es mir nach Naturell und Neigung nicht schwer werden, der reine Ausdruck dieses Hauses zu sein. Zwar gehöre ich mein Le⸗ ben lang einer und derselben politischen Richtung an, die man in⸗ nerhalb des parlamentarischen Lebens jetzt eine Parte⸗ nennt; allein a schließt dies nicht aus, innerhalb der Partei unparteiisch zu ein.“

Das Diarium enthält einen Antrag Fetzer's in Betreff einer neuen Geschäfts⸗Ordnung. Er wird denselben in der nächsten Sitzung entwickeln, worauf zu dessen Begutachtung eine Kommission von fünf Mitgliedern gewählt werden wird. Seeger trägt darauf an, alsbald eine staatsrechtliche Kommission, aus sieben Mitgliedern bestehend, zu wählen, um sogleich über die Abänderung der Eides⸗ formel durch die Regierung, welche Frage in den letzten Wochen das ganze Land beschäftigt habe, zu berichten. Beschlossen wurde, diese Kommission in der nächsten Sitzung zu wählen. Endlich wurde auf Schnitzer's Antrag beschlossen, in der nächsten Sitzung auch eine Staatsschulden⸗Verwaltungs⸗Kommission zu wählen.

Baden. Karlsruhe, 3. Dez. (Karlsr. Ztg.) Se. Kö⸗ nigliche Hoheit der Großherzog hat heute Nachmittag 1 ½ Uhr den Königlich preußischen Kammerherrn, wirklichen Legationsrath und vortragenden Rath im Königlichen Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, Herrn von Savigny, in feierlicher Audienz em⸗ pfangen und aus dessen Händen das Schreiben Sr. Majestät des Königs von Preußen entgegengenommen, welches ihn als außer⸗ ordentlichen Gesandten am Großherzoglichen Hofe beglaubigt. Hier⸗ auf wurde dem Gesandten die Ehre zu Theil, zur Großherzoglichen Tafel gezogen zu werden.

Oldenburg. Oldenburg, 4. Dez. (Wes. Ztg.) In der gestrigen Sitzung des Landtags kam die Frage wegen An⸗ schlusses des Großherzogthums an das berliner Bündniß zur Be⸗ rathung. Alle Mitglieder des Ministeriums waren anwesend, der Saal bis Abends 8 Uhr von Zuhörern gefüllt. Eine aus Varel eingegangene Petition für Bestätigung des Anschlusses eröffnete den Akt. Nach Verlesung der drei Berichte des Anschlusses sprachen sodann die Abgeordneten Barnstedt, von Finkh, Reiners, Dannen⸗ berg, Müller und Rüder für den Antrag der Staats⸗Regierung, die Abgeordneten Mölling, Kitz, Bökel, von Lindern und Wibel ü6 egen denselben. Auch alle drei Minister, Schloifer, Mosle und Fcbeltus, nahmen das Wort. Der Abgeordnete Dannenberg nahm den von ihm gestellten Vermittelungs⸗Antrag zurück, nachdem der Minister⸗Präsident erklärt hatte, das Ministerium werde auf den⸗ elben nicht eingehen können. Dasselbe war unter der Hand erklärt in Beziehung auf einen anderen ähnlichen Juhalts, zu welchem mehrere Abgeordnete Tages zuvor sich vereinigt hatten, und welcher deshalb gar nicht eingebracht wurde. So blieb nur die definitive Entscheidung übrig, und das Nein nach dem ersten Gutachten des Ausschusses wurde in namentlicher Abstimmung mit 22 gegen 19 Stimmen angenommen.

Unmittelbar nach dieser Abstimmung verließen die Minister, mit Zurücklassung der Regierungs⸗Kommissäre, den Saal. Der Landkag hatte dann noch zu verhandeln über einen Antrag des Ab⸗ geordneten Dannenberg, welcher eine Verwahrung bezweckte gegen die Ansicht, welche vom Minister⸗Präsidenten über die Bedeutung des ständischen Bestätigungsrechts bei Staatsverträgen und über die verbindliche Kraft der vollzogenen Ratification in Beziehung auf das Land ausgesprochen hatte. Diese Verwahrung wurde mit 39 gegen 2 Stimmen eingelegt.

Heute hatte der Landtag nach der Tagesordnung nur über einen vom Abgeordn. Lindemann gestellten Antrag zu verhandeln, welcher die Staatsregierung aufforderte, das Budget für 1850 durch den Druck zu veröffentlichen. Dieser Antrag wurde einstimmig ange⸗ nommen. Hierauf erschien der Ministerrath Zedelius und eröffnete dem Landtage: Die verantwortlichen Minister hätten ihre Entlassungs⸗ Gesuche eingereicht, der Großherzog habe sie veranlaßt, die laufen⸗ den Geschäfte einstweilig fortzuführen, vertage aber den Landtag bis zum 28sten d. M. JG

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Ausland.

Gesetzgebende Versammlung. Sitzung

Frankreich. vom 4. Dezember. Der Vorschlag des Herrn Huzuenin in Bezug auf die Liquidation der Schuld von 25 Millionen der Civilliste an

den Staat, ist an der Tagesordnung. Die Kommission will nicht, daß der Vorschlag in Berathung ö werde. öi- Huguenin spricht für seinen Vorschlag. Es handele sich um ein großes In⸗ teresse für den Schatz, um eine bedeutende Summe zu erhalten, die der Exkönig unregelmäßig und der Ordnung zuwider erhoben. Herr Passy spricht gegen den Antrag, der mit 370 Stimmen gegen 165 verworfe . D

Gesetz⸗Projekt, dem Fi⸗] Meininge

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nanz⸗Ministerium einige Supplementar⸗Kredite für 1848 und 1849 zu eröffnen, wird von der Kammer angenommen. Der Antrag des Herrn Charras lantet nach der Fassung der Kom⸗ mission: „Jede Ernennung und Promotion der Ehrenlegion ge⸗ schieht individuell und wird mit ihren Gründen im Gesetzbulletin und im Moniteur eingerückt!“ Die Regierung tritt diesem An⸗ trag bei. Herr Rouher erklärt außerdem, die Regierung beschäf⸗ tige sich jetzt mit der Ausarbeitung eines Gesetzes über die Kanzlei der Ehrenlegion. Der Antrag des Herrn Charras wird mit einer roßen Majorität angenommen. Die Diskussion über den Gesetz⸗ Entwurf, 80,000 Mann von der Klasse von 1849 auszuheben, wird auf morgen verschoben und die Sitzung geschlossen.

Paris, 4. Dez. Die Journale verbreiteten in den letzten Tagen, wie auch heute, das Gerücht, das Gesetz über die Getränk⸗ steuer würde zurückgenommen werden; Herr Fould hätte deshalb seine Entlassung eingereicht, das Ministerium überhaupt sei in Un⸗ einigkeit. Der Moniteur aber veröffentlicht heute folgende Note: „Man verbreitete heute das Gerücht, der Präsident und das Ministerium seien wegen der Getränksteuer nicht einig. Das Gerücht ist eben so wenig gegründet, wie die, welche die Böswil⸗ ligkeit über angebliche Spaltungen im Ministerium selbst verbreitet. Es hat sich nie darum gehandelt, das Gesetz über die Getränksteuer zurückzunehmen.“

Persigny soll nach der Estafette den Gesandtenposten in Berlin angenommen haben und gleich dahin abgehen, sobald er von einer Unpäßlichkeit hergestellt ist, woran er seit einigen Tagen lei⸗ det. Für den Posten in St. Petersburg bezeichnet man General Fabvier, und von Thayer heißt es, daß er den ihm angebotenen diplomatischen Posten abgelehnt habe und General⸗Post⸗Direktor zu bleiben wünsche, obgleich er in diesem Amte auf täglich wachsende Hindernisse stoße, da Unterschlagungen und Unordnung angeblich in diesem Verwaltungszweige auffallend zunehmen.

Der Moniteur enthält in seinem amtlichen Theile außer mehreren Gesetzen, die von der Kammer gegeben sind, die Ernen⸗ nung des früheren Präfekten des Rhone⸗Departements, Herrn La⸗ coste, zum außerordentlichen Kommissar der 6ten Militair⸗Division. Derselbe wird provisorisch das Amt eines Präfekten des Rhone⸗ Departements versehen. Er wird die allgemeine Aufsicht über die anderen Departements der 6ten Militair⸗Division führen, und die Präfekten werden ihm Rechnung über das ablegen, was die allge⸗ meine Sicherheit betrifft. Dieser Ernennung geht ein Bericht des Ministers des Innern, Herrn Ferdinand Barrot, voraus, welcher besagt: „Die Juni⸗Ereignisse in der 6ten Militair⸗Division haben die gebieterische Nothwendigkeit dargethan, für diese Departements eine administrative Gewalt zu gründen, die eine größere Kraft als die gewöhnliche hat. Außer ihrer Verbindung mit dem Ministe⸗ rium des Innern, werden die Präfekten dieser Departements in direkter Beziehung zu dem außerordentlichen Kommissar in Lyon stehen. Hierdurch wird es der Regierung möglich sein, eine Ueber⸗ sicht über den Zustand dieser Departements zu haben, die seit lan⸗ ger Zeit in einer großen Aufregung und Unordnung sind. Das Ministerium gedenkt durch die Sendung des Herrn Lacoste als au⸗ ßerordentlichen Kommissars die Ruhe und die Sicherheit wieder herzustellen, die der arbeitenden Klasse sehr nöthig ist.“ Herr Bar⸗ ral, der das Amt eines Präfekten im Isère⸗Departement nicht an⸗ genommen, ist durch Herrn Chapuys⸗Mallaville, früheren Deputir⸗ ten, ersetzt.

Heute sind mehrere Hundert begnadigter Juni⸗Insurgenten in Paris angekommen. Sie wurden Mittags in Freiheit gesetzt.

Die Opinion publicue stellt die Frage an die Regierung, ob es wahr sei, daß der Präsident den abgeschafften politischen Eid faktisch wieder eingeführt habe, indem er krine irgend wichtige Stelle in der Verwaltung, der Magistratur und der Armee vergebe, ohne daß der Kandidat vorher sich zur unbedingten Ergebenheit verpflichte.

Die Verzögerung der Diskussion des Gesetz⸗Entwurfs für Bei⸗ behaltung der Getränksteuer soll darin ihren Grund haben, daß der Präsident neuerdings wieder Bedenken trage, seinen Namen an diese unpopulärste aller Finanz⸗Maßregeln zu knüpfen; wie cs heißt, hat er sich über diese Angelegenheit einigermaßen mit Fould ver⸗ uneinigt.

Wi. bereits für das Genie und die Artillerie, sollen jetzt auch für die Infanterie und Kavallerie besondere Dienst⸗Bürecaus ein⸗ geführt werden, deren Vorsteher, man nennt General Bertrand für die Infanterie und General Pelletier-Descarrieres füͤr die Kavpal⸗ lerie, ihre Befehle direkt vom Kriegs⸗Minister zu empfangen haben.

In der Umgegend von Blois hat die Gendarmerie kürzlich eine Anzahl Personen, welche sozialistische Flugschriften vertheilten, verhaftet und nach Blois ins Gefängniß gebracht. Tages zuvor hielt man in allen Gasthäusern der Stadt Haussuchung und nahm eine Anzahl Propagandisten derselben Klasse fest. Alle Verhafteten trugen lange Bärte und ausländische Hüte; ihr Aeußeres war zu⸗ rückstoßend. Man fand unter ihnen auch einige angeworbene junge Leute vom Lande. Gewaltige Stöße von sozialistischen Journalen und Flugschriften wurden nach dem Stadthause gebracht. Auch bei Issoudun hat die Gendarmerie Propagandisten dieser Klasse zur Haft gebracht.

Dem Constitutionnel wird von einem Franzosen aus Genf geschrieben: „Der Triumph der radikalen Partet in Genf scheint in der Schweiz alle Hoffnungen der Demagogie wieder erweckt zu

aben. Die meisten politischen Flüchtlinge, Franzosen, Deutsche oder

taliener, die James Fazy des Aufstandes halber während der Staatsrath⸗Wahlen entfernt hatte, sind zurück und fangen ihre Um⸗ triebe wieder an. Die Versammlungen vom Quai des Bergues sind häufiger und belebter als je. Der Ex⸗Triumvir von Rom, Mazzini, verläßt trotz der förmlichen Befehle des Bundesraths die Kantone Waadt und Genf keinesweges. Wenn die Geschäfte für sein Blatt Italia del Popolo ihn nicht zu Lausanne zurück⸗ halten, so kommt er hierher, wo er in der Vorstadt Paquis wohnt, und unterhält geheime Verbindungen mit dem genfer Ditktator. Man kündigt ferner das nahe Erscheinen der Alliance des Peu⸗ ples, eines Organs der demokratisch⸗sozialistischen Propaganda, deren Heerd die radikalen Kantone der Schweiz gegenwärtig sind, unter der Redaction des Bürgers Galeer, an. Die französischen Be⸗ hörden üben zwar an der Gränze eine strenge Ueberwachung aus; allein dies reicht nicht hin, und es wäre Zeit, daß die Regierung auf diplomatischem Wege einem Zustande abhülfe, der die Sicher⸗ heit aller benachbarten Staaten gefährdet.“

3 Großbritanien und Irland. London, 4. Dez. Der Tod der verwittweten Königin wurde sogleich auf außerordent⸗ lichem Wege der Königin Victoria und dem Prinzen Albrecht, der Herzogin von Kent und dem Herzoge und der Herzogin von Cam⸗ bridge gemeldet. Auch der Staatssecretair des Innern, Sir George Grey, und der Lord⸗Mayor erhielten die offizielle Anzeige des To⸗ desfalles. Die Leitung der Einrichtungen für das Leichenbegängniß, welches in der Kapelle des heiligen Georg im Schlosse von Wind⸗ sor stattfinden wird, übernimmt der Ober⸗Kammerherr Marquis von Breadalbane. Die Königin Adelheid, eine Prinzessin von Sachsen⸗ eboren am 13. August 1792, erreichte ein Alter

in den Straßen zu bemerken gewesen sei.

Am 18. Juli des Jahres 1818 vermählte sie 85 mit dem Herzoge von Clarence, nachherigem Könige Wilhelm 1 v., welcher zu jener Zeit 53 Jahre alt war. Königin wurde sie rurch die Thronbesteigung ihres Gemahls am 26. Juni 1830, 8. September des folgenden Jahres fand die Krönung statt. Wittme

von 57 Jahren.

wurde sie am 20. Juni 1837. Die letzten Jahre ihres Lebens wa⸗

ren eine lange Krankheit. Der Zustand ihrer Gesundheit, welcher nie fest gewesen war, machte ihr häufige Veränderung der Luft nö⸗ thig, und so kam es, daß sie viele Zeit auf Reisen zubrachte. Auch Malta und Madeira gehören zu den Orten, die sie besuchte.

Schweiz. Neuenburg, 30. Nov. Ueber die neulichen Vorfälle zu La Sagne berichtet der Républ icain Neuchatelois Folgendes: „Wir haben über die Vorfälle zu La Sagne in Folge der Vorfälle vom 13ten einiges Nähere erfahren. Der Gerichtshof von La Chaux de Fonds.⸗ hat sich am Donnerstag an Ort und Stelle begeben und ihm folgte unmittelbar ein Detaschement von 50 Carabiniers, welche Herr Steck, Abgeordneter des Staats⸗Rathes, in das Gemeindehaus und die benachbarten Häuser vertheilte. Alle vor dem Gerichtshofe ver⸗ nommenen Zeugen stimmen darin überein, daß man am 131en vom frühen Morgen bis tief in die Nacht hinein nicht aufgehört hat zu schießen, daß von fünf Uhr Abends an in dem ganzen Thale und auf den Bergen große Feuer angezündet worden sind, und daß auf⸗ rührerisches Geschrei gehört worden ist, aber Alle schweigen über die Urheber und Beförderer dieser Demonstrationen. Dicjenigen, welche das große Feuer über Pouillerel veranlaßt haben, sind be⸗ kannt, eben so drei Bürger von Coffrane, welche Material zu einem Feuer gesammelt haben, das Jedermann auf ver Höhe des Berges zwischen La Sagne und dem Val de Ruz wahrgenommen hat. Da die Bewohner von La Sagne die Schuldigen nicht nennen wollen, so hat der Staatsrath beschlossen, die ganze Gemeinde durch die 1ste und 3te Compagnie des 1sten Bataillons unter dem Befehl des Major Perret aus Locle besetzen zu lassen; die Mannschaft dieser Compognieen soll am Sonnabend unter die Bewohner des Thals von La Sagne vertheilt werden. Wir billigen diese entschiedene Maßregel, die nothwendig geworden war, aber wir können nicht umhin, aufmerksam zu machen, welche Unannehmlichkeiten man den Bürgern bereitet, die man plötzlich ihren Beschäftigungen entreißt, um sie ein Winterlager in den Bergen bezichen zu lassen. Auch verdienen die Bewohner von La Sagne exemplarisch bestraft zu werden, um ihnen die Lust zu benehmen, sich aufrührerischen De⸗ monstrationen hinzugeben; denn um gerecht zu sein, mußte die Ge⸗ meinde nicht nur den Sold der Truppen, welche dieselbe besetzen, sondern auch alle Kosten bezahlen, die den Bürgern erwachsen, welche man zu den Waffen ruft. Wir fragen jetzt den Neuchatelois, welches in einer Republik die Freunde der Ordnung, die Konservativen, die aufrichtigen Anhänger des Bestehenden sind?“

Unter dem 16. November wird von dort berichtet: „Es sind Soldaten hier angekommen. La Sagne wird militairisch besetzt; eine Compagnie Carabiniers kantonnirt bereits und 300 Mann werden no dorthin gehen. Jemand, den am Geburtstaͤge der Königin Ge⸗ schäfte nach La Sagne riefen, erzählt, daß er La Sagne sehr ruhig gesunden, daß daselbst weder Unruhe noch ungewöhnliche Bewegung Nur habe man in der Nacht vom Montag zum Dienstag geschossen, wie dies auch am 15. Oktober und am 3. November geschehen sei.“

Aus Neuenburg wird unter dem 20. November gemeldet: „Die nach La Sagne bestimmten Truppen sind 48 Stunden hier geblieben, weil die Regierung Anstand nahm, die Besetung voll⸗ ziehen zu lassen; sie machte deshalb Steck Vorstellungen uber das Ungelegene dieser Maßregel. Steck antwortete: „„Ihr habt mich mit unbeschränkter Vollmacht nach La Sagne geschickt und ich mache Gebrauch davon; ich verlange die Ankunft der Truppen.““ Die unglücklichen Bewohner von La Sagne haben die Straße bis Mal⸗ villon fur den Marsch der Truppen öffnen müssen.“

Die Proclamation, welche Steck an die Bewohner von La Sagne gerichtet hat, lautet: 3

„Bewohner von La Sagne! Die aufrübrerischen Manifesta⸗ siöonen, welche am 15. Oktober, 3ten und 13. November d. J. in Eurer Gemeinde stattgefunden und durch die ein ziemlich großer Theil der Bevölkerung sich schwer kompromittirte, haben endlich die Behörden gezwungen, mit Strenge aufzutreten und dies Dorf mili⸗ tairisch besetzen zu lassen, um diesen Geist der Empörung, der von einigen Anhängern des Auslandes, welche unsere und Eure Feinde sind, angeregt und genährt wird, im Keime zu ersticken. Bewoh⸗ ner von La Sagne! Dies sind die Folgen davon, daß Ihr den treulosen Feinden aller gesetzlichen Ordnuna, aller Demokratie Ge⸗ hör gegeben habt. Oeffnet endlich die Augen und Ihr werdet erkennen, daß die treulosen Rathschlaͤge dieser angeblichen Freunde, die nur im Dunkeln thätig sind, weil sie ein Werk der Finsterniß bereiten, eben so viele Schlingen sind, die Eurer Loya⸗ lität, Eurer Ehrlichkeit gestellt werden. Beweist Eure friedlichen Gesinnungen, indem Ihr die elenden Anstifter, die Beförderer und Urheber jener strafbaren Kundgebungen anzeigt. Empfanget auf angemessene Weise an Eurem Heerde, an Eurem Tische den Bürger⸗ Soldaten, der, seinen friedlichen Beschäftigungen entrissen, voll Ei⸗ fer herbeigeeilt ist, um der Ordnung und dem Gesetze Achtung zu verschaffen. Nur auf diese Weise kann es Euch gelingen, die Zeit der militairischen Besetzung abzukürzen. La Sagne, den 17. No⸗ vember 1849. .

J. Steck.

Briefe aus La Sagne entwerfen eine traurige Schilderung von der Lage der dortigen Bewohner. „Lasset Euch bedienen“, sagt Steck zu den Soldaten, „macht nur große Forderungen, es handelt sich hier um Bestrafung; fordert guter Betten, für jeden Mann eins.“ Die braven Bewohner müssen bei 15° Kälte in den Küchen auf dem Boden liegen. Sie schreiben: „Wir, unsere Frauen, unsere Kinder sterben vor Hunger und Kälte, aber wir werden nicht zu Meineidigen werden, wir werden unseren König nicht verrathen; Gott wird ihn uns endlich wiedergeben.“

- Ueber einen Aufzug zu Ehren Steck's berichtet ein Augen⸗ zeuge Folgendes: Das Ganze war sehr frostig. Der Zug zählte nicht 100 Theilnehmer. Man rieft „Es lebe die Demokratie!“ Aber Niemand unter den Zuschauern erwiederte diesen Ruf. Steck sprach aus seinem Fenster Folgendes: „Obgleich ihm unbekannt, habe ich mich an den Präsidenten der demokratischen Gesellschaft Würt⸗ tembergs gewendet und mich ihm bekannt gemacht. Ich fragte ihn, ob er kein Mittel in Händen habe, meinen Sohn entkommen zu lassen? Er hat mir geantwortet: Alle Demokratieen sind Schwestern und reichen sich in der ganzen Welt die Hand, um den Triumph ihrer Sache zu bewirken, die doch endlich den Sieg davontragen wird; Vermögen und Leben aller Demokraten stehen der Sache zu Gebote, und wir werden uns unverzüglich mit der Befreiung Ih- res Sohnes beschäftigen, wir werden Hand ans Werk legen.“

Königliche Schauspiele. Sonnabend, 8. Dez. Im Opernhause. Mit aufgehobenem Abon⸗ nement. Zum erstenmale wiederholt: Der Trompeter des Prinzen, ko⸗

mische Oper in 1 Akt, nach dem Französischen des Melesville, von

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