keine bleibende Stätte haben würden. Eine Assimilirung der Juden mit andern Nationen werde nie wirklich stattfinden, denn sie . keine religiose Kaste, sondern eine Nation. Wolle man die Assimi irung bewirken, so müsse man vor Allem die Nation als solche brechen. Ein Mittel hierzu sei die Civilehe, die er jedoch als einen neuen Nagel in den Sarg des constitutionellen Lebens für Bayern bezeichnen müsse, und die das Volk nie und nimmermehr acceptiren werde. Uebrigens dürfe man sich auch von der Civilehe nicht viel versprechen; er ver⸗ weise auf Frankreich, wo trotz derselben die Juden noch als Juden bestünden. Der Redner sucht durch Hinweisung auf die Erfah⸗ rungen verschiedener Länder und durch Citate aus einschlägigen Schriften zu beweisen, daß die Hoffnung auf Assimilirung der Ju⸗ den unbegründet sei. Nichtsdestoweniger sei er für die Emancipa⸗ tion aus Gründen sozialer Nothwendigkeit. Darauf wendet er sich mit entschiedener Mißbilligung gegen die gestrige Rede Sepps. Er bedauere diese Anklagen, dieses duͤstere Bild ohne Lichtseite, um so mehr, als ein historisch⸗gebildeter Mann es entworfen habe, der doch das oberste Gesetz des Geschichtsforschers, die Gerechtigkeit, kennen sollte. Der Redner greift den Abgeordneten Sepp unter Hin⸗ weisung auf ihre frankfurter Erfahrungen, auf die konservativen, edlen jüdischen Mitglieder der National⸗Versammlung, auf die notori⸗ sche Wohlthätigkeit Rothschilds ꝛc. heftig an und bemerkt, daß er noch Vieles an dem Schreckbilde des Herrn Sepp zu berichtigen hätte, wenn er nicht die Versammlung zu ermüden befuͤrchtete. Der Redner wünscht der Kammer Glück zur Acquisition des Dr. Arnheim und dem Lande zur Gewinnung ähnlicher jüdischer Talente und prüft nun den gestrigen talmudischen Streit. Er erkennt an, daß Jeder über den Geist und die Lehre seines Glaubens vie beste und genügendste Interpretation zu geben das Recht habe und daß man ihm unbe⸗ dingt glauben müsse, citirt aber Stellen von Jost, ein Gutachten ei⸗ nes preuß. Oberrabbiners und eines mecklenburger Rabbiners, so wie Beer's Religionsbuch, welche die Behauptungen Allioli’'s be⸗ stätigen sollen. Bei dieser Gelegenheit kommt er auf das Thema vom Wucher, auf die Gemeinden und die Volksstimmung überhaupt zu sprechen. Es handle sich danach um Freiheit der Israeliten und Unterdrückung der Gemeinden. 4 ½ Mill. sollten sich zu Gunsten von 60,000 M. ihres Einspruchs begeben. Er sei hier als Vertre⸗ ter des Volkes, und dessen Stimme spreche er aus; religiöse Abnei⸗ gung bestimme weder ihn noch das Volk, sondern eine bürgerlich⸗ politisch⸗soziale Besorgniß. Man habe am Ministertisch über die Erschwerung der Ansaͤssigmachung und Verehelichung der Juden geklagt, er theile diese Klagen aufrichtig; allein beständen denn diese Verhältnisse blos auf Seite der Juden, oder sei dies nicht vielmehr eine allgemeine Landeskalamität? Sein Vo⸗ tum stimme der beschränkenden Modification Hirschbergers, welche die Gemeinden schütze, bei; falle diese, so stimme er gegen den Regierungs⸗Entwurf, wolle aber sein negirendes Votum dahin gedeutet wissen: Die Regierung wolle den vorliegenden Entwurf zurücknehmen und in kürzester Zeit eine speziell ausgeführte Vor⸗ lage machen. Diese Rede dauerte 2 ½ Stunden. Arnheim giebt faktische Berichtigungen. Die Civil⸗Ehen seien bei den Inden gültig. Die messianischen Hoffnungen, von denen der Vorredner gesprochen, seien eine theolo⸗ gische Frage, so viel müsse er aber bemerken, daß dar⸗ über die meisten Juden einig seien, daß der erwartete Messias kein persönlicher sei, sondern dadurch der Zustand und die Zeit an⸗ gedeutet werde, wo alle Völker Einen Gott verehren. Link über⸗ giebt einen Antrag als Zusatz zu dem Gesetze, welcher eine Garantie bezweckt, daß dem christlichen Staate als solchem kein Nachtheil er⸗ wachse. Paur übergiebt eine Modification, wonach das absolute Veto den bis jetzt noch nicht von Juden bewohnten Gemein⸗ den nur bis zum Erscheinen eines neuen Gemeindegesetzes zustehen soll. Weis (zweiter Präs.) erklärt, daß er gegen alle Modifi⸗ cationen ohne Ausnahme stimmen werde. Er halte sich an den an der Spitze der Verfassung stehenden Grundsatz: Gleichheit vor dem Gesetze. Er vertritt den Gesetzentwurf vom Standpunkte des Rechts und der Gerechtigkeit. In Frankreich seien, als der Grundsatz der Gleichstellung aller Bekenntnisse im Staate zuerst aufgestellt wurde, natürlich auch die Juden mit einbegriffen gewesen. Als Napoleon sich zum Kaiser aufgeschwungen, fing er an, durch einfache Dekrete die Verfassung zu nichte zu machen, und so erließ er auch ein Dekret gegen die Juden. Dieses Dekret war für Frankreich nur ein trans⸗ itorisches. Durch die österreichischen und bayerischen Landesadmi⸗ nistrationen wurde aber im Jahre 1815 ausgesprochen, daß es für die Pfalz in Kraft bleiben solle, ja später hat man sogar alle alten Schuldforderungen der Israeliten annullirt und alle schiedsrichter⸗ lichen Urtheile zu Gunsten der Juden kassirt; die gerechtesten Forde⸗ rungen, Hypotheken wurden vernichtet, und zwar nicht zu Gunsten der Debitoren, sondern zu Gunsten der nachfolgenden christlichen Hypothekengläubiger. Eine Masse jüdischer Familien wurde da⸗ durch an den Bettelstab gebracht. Wie könne man unter solchen Umständen sagen, die Juden seien in jener Gegend schon ein halbes Jahrhundert emanzipirt! Trotzdem fühle sich in der Pfalz der Jude noch weit glücklicher, als diesseits, weil man ihn dort als Menschen achte, weil man keine Beschränkungen bezüglich der Verehelichung kenne, weil er zum Richteramt dort gelan⸗ gen könne. Es vergeht kein Quartal, wo nicht in der Pfalz Juden Geschworne werden; man hört nie darüber eine Klage. Was die Vorurtheile gegen die Juden betrifft, so existiren sie, wie schon bemerkt wurde, am meisten da, wo keine Juden sind. Gegen Döllinger müsse er bemerken, daß er viele französische Departements kenne, wo die Juden sich sehr assimilirt haben. Der Redner hebt nun in seiner höchst klaren Rede, nachdem er der Forderung der Gerechtigkeit das Wort geredet, noch die politische Nothwendigkeit in kurzen und kräftigen Zügen hervor. Er findet es unbegreiflich, daß nach Einräumung der höchsten politischen Rechte den Juden kleinere Rechte vorenthalten bleiben sollen. Wir müssen den Juden auch die kleineren Rechte geben oder ihnen die höheren nehmen. Einen anderen Weg gebe es nicht. Die nackte Frage sei: Wollen wir Fortschritt oder Rückschritt. (Allgemeines Bravo!)
Freiherr von Lerchenfeld: Ihn besttmme zu seinem Vo⸗ tum nicht die öffentliche Meinung, sondern die tiefste Ueberzeugung von der Nothwendigkeit einer unbeschränkten Emancipation. Etwas im Allgemeinen darüber noch zu sprechen, sei überflüssig; nur ein⸗ zelne edenken wolle er in Kurzem entkräften. Herrn Döllinger müsse er wegen seiner Besorgniß um die Kirche bemerken, daß Ju⸗ den das Patronatsrecht bereits besäßen. Was die Anahl der Ju⸗ den betreffe, so betrage sie 3 Theil der bayerischen Bevölkerung, und ein so kleiner Bruchtheil sei gewiß nicht zu fürchten. Man habe von einer Stammes⸗Eigenthümlichkeit der Juden gesprochen und dieselbe in den Koth gezogen; er erinnere, daß unser göttlicher Religionsstifter aus diesem Stamme hervorgegangen sei und daß die Evangelisten dessen Abstammung vom Psalmisten David rüh⸗ men. Diese Tradition sei seiner (des Redners) religiöser Erzie⸗ hung tief eingeprägt und nie und nimmermehr könne er die Juden als Auswurf der Menschheit bezeichnen lassen. (Beifall.) Seien die Juden wirklich dem christlichen Staate gefährlich, so müsse man sie ausstoßen, denn dann dürfe man ihnen nicht einmal die beschränkteste Emancipation gestatten. Man habe auch von
deren Religions⸗Verschiedenheit gesprochen und von den darüber
11.“ * herrschenden Vorurtheilen. Er verkenne nicht, daß solche vielfach vorhanden und daß sie schwer zu bekämpfen seien. Allein durch solche anerkannte Vorurtheile dürfe man sich im besseren Streben nicht beirren lassen. Wurden nicht dieselben Bedenken noch vor einem halben Jahrhundert gegen die Protestanten geltend gemacht und sind sie nicht glänzend beseitigt? Nie könne er sich erkühnen, das Terrain, worauf Christus das Gebäude seiner Lehre aufgeführt, das Judenthum, für verwerflich zu erklären. Und wenn die Juden wirklich so weit in der Kultur zurückständen, als man ihnen vor⸗ werfe, wäre es denn ein Wunder? 1800 Jahre lang habe man nichts für ihre Bildung gethan, nichts für die Reinhaltung ihrer Lehre gewirkt, nein, man habe sie sogar in ihrer Entwickelung ge⸗ hemmt und namenlos verfolgt. Und dies habe man nicht blos in früheren Jahrhunderten gethan, man habe es noch in den 40er Jahren fortgesetzt, wo ein bayerisches Ministerium (Abel) den Ju⸗ den Rabbinen gegen ihren Willen aufgedrungen habe, die ohne Bildung und ohne Wissenschaft waren und blos das Verdienst hatten, fanatische Zeloten zu sein. (Vielfacher Ruf im Saale: Sehr wahr!) Ueber den Talmud, den man vielmals angezogen, könnten wohl die Meisten hier nicht urtheilen; er wolle nur bemerken, daß derselbe aus 36 Büchern in 12 Folianten bestehe, daß hiervon nur ein Buch ins Deutsche übersetzt sei und daß man dazu 10 Jahre gebraucht habe. Verlange der Talmud von den Juden unmoralische, sitten⸗ und staatsgefähr⸗ liche Handlungen und seien diese Grundlehren für die Juden bin⸗ dend, dann würde blos deren Vertreibung helfen. Es sei aber zu bemerken, daß man aus abgerissenen Stellen keine Schlüsse ziehen dürfe, man könnte sonst auch umgekehrt manches dem Christenthum Nachtheilige auffinden. Man habe bestritten, daß der Satz: „hac- reticis non est servanda fides“ in einem Kanon eines Konzils vor⸗ komme; es sei traurig genug, daß derselbe nur überhaupt, wie ja eingeräumt sei, auf einem Konzil ausgesprochen worden. Daß man ihn aber praktisch befolgt habe, davon zeuge die Asche des Huß. (Sepp: Das ist falsch!) Mein Herr, fährt Lerchenfeld fort, ich habe Sie nicht unterbrochen, als Sie sprachen, stören Sie mich auch nicht. Die Ansichten gegen den religiösen Indifferentismus theile er, auch er sei der Ueberzeugung, daß, wer an keinen Gott glaube, auch keine bürgerlichen Rechte erhalten könne, weil ein Got— tesläugner seine Bürgerpflichten nicht erfüllen würde. Aber wer biete uns denn Garantie gegen den christlichen Indifferentismus; und wir sollten den Juden, die an ihrem Gottesglauben treulich hängen, das versagen, was wir ohne Bedenken unchristlichen Christen gewähren?! Ueber die historische Auffassung der Frage erlaube er (Redner) sich auch einige wenige Worte. Aus welchem pharaoni⸗ schen Oppositionsblatte Herr Sepp seine „Ansicht über Joseph als ersten Finanz⸗Minister der Aegypter geschöpft, wisse er freilich nicht; dies liege ihm auch zu fern. Wenn man aber der Austreibung der Juden aus Spanien erwähnt habe, so bemerke er, daß mit dieser die Verarmung und der Ruin Spaniens begann, während es vorher glänzend dagestanden. Er warne vor Geschichtsverfälschung! In Polen tricben und treiben die Juden fast alle Gewerbe, hier spreche er nach authentischen Notizen, und sie bilden dort den Mittelstand; die Landbewohnersseien allerdings da aufleiner sehr niederen Bildungs⸗ stufe. Das sei aber auch in denjenigen Theilen von Rußland der Fall, wo gar keine Juden existiren. Der Redner berührt nun noch die Verhältnisse der deutschen Juden (Kammerknechte) zu den Kaiser zeiten, die man schützte, um sie gelegentlich auszuziehen. Der fort gesetzte Druck bewirkte das innige Zusammenhalten der Juden; das sei eine natürliche Folge und sicher kein Vorwurf für dieselben. Ber Redner behauptet, daß die Mehrzahl der Juden in den Gegenden, wo sie häufig seien, arm sei, und erklärt dies aus ihren kühnen kaufmännischen Speculationen. Dte civilrechtlichen Ausnahmsver⸗ hältnisse seien inhuman, ungerecht und unpraklisch. Wie gewisse Herren zu Regierungsberichten gekommen seien, wisse er nicht, er wolle es auch nicht untersuchen, aber er hätte mit den Ci⸗ taten auch die Angabe der Quellen gewünscht. (Beifall.) Der Redner würdigt nun das veraltete Edikt vom Jahr 1813, schildert den Drang der Juden nach Geltung als ein Naturgebot und weist darauf hin, daß, nicht der
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mit Schamröthe müsse er es sagen, Jude, sondern nur der arme Jude verachtet sei. Man vergleiche nur das Ordens⸗Verzeichniß der Herren von Rothschild und man werde alle europäische Staaten glänzend vertreten finden. (Lebhafter Beifall.) Die Gewerbs⸗Verhältnisse auf dem Lande stien erbärmlich, und al⸗ lenthalben herrsche Klage wegen Mangels an Arbeit; die Juden such⸗ ten deshalb einen anderen Erwerbszweig; in die bäuerlichen Arbeiten seien sie nicht eingeweiht, das müsse die Zeit geben. Bei den be⸗ stehenden Verhältnissen zwischen Lehrlingen und Gesellen sei das Erlernen eines Gewerbes bei einem nichtjüdischen Meister für Juden meistens rein unmöglich. Die Vorurtheile und die böswillige Dumm⸗ heit der Menschen seien hier oft gräßlich. Der Redner erzählt ein erschütterndes Bild davon, dessen Wahrheit er verbürgen könne. Ein jüdischer Lehrling wollte das Zimmermanns⸗Handwerk erlernen, der Meister getraute sich aber nach einigen Tagen nicht mehr, ihn auf den Arbeitsplatz zu lassen, weil die Gesellen sich verschworen hatten, ihm gelegentlich, so aus Zufall, die Hand abzuhauen. Solche Zunftansichten herrschten noch im 19ten Jahrhundett! Daß der Han⸗ del keinen Bestandtheil der nationalen Arbeit bilde, habe er in diesem Saale (Allioli) zum ersten Male gehört; nicht nur alle National⸗ ökonomen rechnen ihn dazu, sogar die Kommunisten, welche ihr ganzes System auf die eigentliche sogenannte Arbeit basiren, schließen ihn nicht von der nationalen Arbeit aus. Das Judenedikt vom Jahre 1813 bezwecke unleugbar Verminderung der Juden, aber nirgends Erleichterung derselben. Alle Lasten müßten sie tragen und noch dazu die ihres Kultus, die oft für eine einzige Familie 100, 120, 150 Fl. betrügen. Und zu diesen außerordentlichen Lasten sollten sie nicht einmal die ordentlichen Rechte haben! Bezüglich der Anstel⸗ lung der Juden im Staatsdienste sei zu berücksichtigen, daß ke Gesetz gegen dieselbe existire; man habe nur eine indirekte Ausschlie⸗ ßung durch den Staatsdiener⸗Eid auf das Evangelium eingeführt. In diesem Ausschluß vom Staatsdienst sei der Grund der Zuneigung der Juden zu den demokratischen Bestrebungen, wie der Herr Minister des Außern richtig bemerkt habe, zu suchen; nur die Außerung desselben, daß die Juden nicht für die Emancipation agitirt hätten, finde er etwas sonderbar. Machen sie Agitation, dann sind sie re⸗ volutionaire Wühler, und machen sie keine, dann verdienen sie wieder Vorwurf. Die verschiedenen eingebrachten Modificationen heben das Uebel nicht, sie verschlimmern es; lassen wir deshalb den Ent⸗ wurf, wie er ist. Denn jede Modification sagt nichts anderes, als: der Jude muß Ausnahmsgesetzen unterliegen, weil er ein gefährliches, verderbliches Mitglied der Gesellschaft ist. Alle Modificationen bestätigen das bisherige Verfahren gegen die Juden und machen nichts besser. In Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, im Jahr 1849 wolle man noch den Grundsatz aufstellen: Ja, der Jude ist ein gefähr⸗ licher Mensch! Wolle man Beschränkungen, so setze man sie hin, wo man will; in ein Verfassungsgesetz dürfen sie nie und nimmermehr aufgenommen werden. Bei den Ansässigmachungen müsse man al⸗ lerdings den Gemeinden so viel als möglich freien Spielraum lassen, allein die Einräumung des absoluten Veto möge man zweimal über⸗
legen, sonst schaffe man, wie in der Schweiz, ein heimatloses Pro⸗ letariat. Wolle man doch Beschränkungen, so seien sie für Alle,
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nie aber für die Juden allein; denn sonst würde das Gesetz lauten: Art. I. Die Emancipation der Juden ist zugestanden. Art. II. Die Emancipation darf nicht stattfinden. Fast alle Staaten Europas und Deutschlands sind uns rühmlich vorangegangen; es ist eine Ehrensache für uns, daß wir nicht nachstehen. Mehr noch: der Beschluß, den wir fassen, ist eine Lebensfrage für die Kammer. Heuß genehmigen wir die Emancipation nicht, so ist der moralische Rückschlag auf die Kammer so groß, daß alle vorgeblichen Nach⸗ theile der Emancipation nichts dagegen sind. Man hat uns von gewisser Seite die Antipathieen gegen dieselbe so schwarz geschildert, daß eine bedenkliche Aufregung bei deren Annahme die unmittelbare Folge sein würde. Die Herren stellen dem Lande, daß sie vertre⸗ ten, ein schlechtes Zeugniß aus. Wahrlich, es wäre traurig, wenn man im Jahre 1849 so wenig Duldung haben sollte. Doch dürfen wir diese Besorgisse nicht theilen: es sind Gebilde einer erhitzten Phantasie. Das ist eine eigene Art von Loyalität, die man uns immer vorhält, die aber bei Allem, was ihr nicht gefällt, mit dem Morgenstern droht. Es giebt bloß zwei Wege: emanzipiren — oder vertilgen und deportiren. Wollt Ihr wirklich die Juden aus dem Lande und aus dem Leben schaffen? (Allgemeines Bravo!) Die Sitzung schließt hierauf nach 3½ Uhr und die Berathung wird auf morgen 9 Uhr vertagt.
München, 14. Dez. (M. Z.) Die Kammer der Reichsräthe berieth heute das Amnestie⸗Gesetz und gelangte damit nach sechs stündiger Debatte zu Ende. Das Resultat war, daß der Gesetz Entwurf der Staats⸗Regierung in unverändeter Fassung ange⸗ nommen, die von der Kammer der Abgeordneten beschlossenen Modificationen und Anträge, so wie auch die von dem Ausschusse der Reichsraths⸗Kammer selbst beantragten Modificationen, verwor fen, dagegen als Anhang zu dem Gesetze folgende Anträge be⸗ schlossen wurden: 1) daß der Absatz 1 des Artikel 1 auch auf Offiziere ausgedehnt werden möge, mit Ausnahme a) der Offiziere der Freischaaren, b) derjenigen Offiziere der Volkswehr, welche besondere selbstständige Corps formirt oder kommandirt haben, c) derjenigen Stabsoffiziere der Volkswehr, welche nicht aus virser selbst durch Wahl hervorgegangen sind, 2) daß Absatz 2 des Ar⸗ likel 5 folgende Erweiterung erhalten möge: „diejenigen, welche mündlich in einer öffentlich versammelten Volksmenge oder durch Verbreitung schriftlicher, gedruckter oder ungedruckter Aufsätze auf⸗ gefordert, die bestehende Staats-Verfassung durch gewaltsame Revolution zu ändern oder durch Aufruhr, Verschwörung oder Verständniß mit Auswärtigen einen Theil des Staates vom Ganzen loszureißen; 3) daß auf Personen, welche nicht Angehörige des des bayerischen Staates sind, die Bestimmungen dieses Gesetzes keine Anwendung finden mögen.
Württemberg. Stuttgart, 14. Dez. (Schwäb. Merk.)
Der heutigen Sitzung der verfassungberathenden Versammlung wohnten sämmtliche Departements⸗Chefs bei. Das Diarium enthält eine Adresse des Volksvereins in Stuttgart, dessen Zustimmung zu dem gestrigen Kammerbeschlusse betreffend. Vor dem Uebergang zur Tagesordnung eröffnet Staatsrath von Hä nlein, daß von der Großherzoglich badischen Regierung ein weiteres Verzeichniß über 36 verhaftete Württemberger mitgetheilt worden sei, welche eben⸗ f hierher abgeliefert werden. G 8 S. Fortsetzung der Berathung der Antworts⸗ Adresse übergegangen. Reyscher: Lassen Sie uns heute im glei chen einigen Sinne bei der Adreß⸗Berathung handeln wie gestern, und beim Festhalten an Gesetz und Verfassung, wenn ich hinzufü gen darf, so schnell als möglich die Adreß⸗-Berathung vollenden. Es sind drei Ansichten über die Reichs⸗Verfassung geltend gemacht worden: 1) Die Kommissions⸗Ansicht über das Festhalten an der⸗ selben. 2) Die Ansicht Kuhn's und Huck's, die entschlossen wären, zum alten Bunde gewissermaßen wieder zurückzukehren. 3) Die Ansicht der Minorität, die eine Einigung aller deutschen Staaten auch jetzt erzielen zu können glaubt, selbst ohne Oesterreich, wenn dieses nicht beitreten wollte. Durch die Mittheilungen der Königl. Regierung ist im Stande der Sache nichts verändert worden; es ist ganz angemessen, daß die Kaiserl. österreichische Regierung eine Anfrage wegen ihres Beitritts erhalten hat. Nur muß die Minorität ihren Antrag aufrecht erhalten, daß, wenn Oesterreich nicht beitritt, alsdann mit allen übrigen deut⸗ schen Staaten verhandelt würde. Huck verwahrt sich dagegen, daß in seinem Antrage die Rückkehr zum alten Bundestag liege. Auch Kuhn verwahrt sich, er verlange einen Bundesstaat, eine Kräfti⸗ gung der Centralgewalt, das sei kein Verlangen nach dem alten Bundestag, er weise also die Unterstellung Reyscher’'s zurück. See ger verzichtet im Interesse der Abkürzung auf das Wort, eben so Wieland, der im Uebrigen dem Minoritäts⸗Entwurf beitritt.
Schweickhardt: Ich könnte auch auf das Wort verzichten, wenn ich nicht Einiges zu sagen hätte, das noch nicht vorgetragen worden ist. Ich glaube nämlich nicht, daß die Demokratie an Macht verloren hat, im Gegentheil, sie hat von Tag zu Tag an Boden gewonnen. Zwei Gründe haben dazu beigetragen, einmal die finan⸗ zielle Lage von Deutschland, welche allenthalben Armuth hervor ruft, dieser Zustand kann nur gebessert werden durch Natio nal⸗Einigung, denn mag man Bajonnette, aufstellen, so viel man will, am Ende müssen die Wünsche des Vol⸗ kes doch befriedigt werden. Hat man auch dem Volke seine edel⸗ sten Führer in die Kerker gesetzt, zum Lande hinausgejagt, so sind doch für jeden Kopf, der gefallen ist, der Schlange der T emolratie tausend neue Köpfe gewachsen. Wenn man in Frankreich sagt: der Kö⸗ nig ist gestorben, es lebe der König, so kann man auch bei uns sagen: die Demokratie ist gestorben, es lebe die Demokratie. Mi nister von Schlayer: Ich halte das demokratische Prinzip für vollkommen berechtigt und glaube, es ist Niemand befugt, unter dem Bilde der Schlange der Demokratie Falschheit, Heuchelei und der gleichen zu unterstellen. Aber freilich braucht man innerhalb der Monarchie Demokratie in einem ganz unbefugten Sinn, und dann ist sie allerdings eine Schlange, der man nicht blos einen Kopf, sondern jeden Kopf abzuschlagen hat, wo er sich zeigt, so, lange noch der Verfassungs⸗Vertrag in dem Lande besteht, der in diesem Saale freilich wohl nicht angegriffen werden wird. Mehrere Redner ver⸗ zichten auf das Wort. Zimmermann: Allerdings giebt es Leute in Deutschland, die demokratisch sind, ohne Rücksicht darauf, ob an der Spitze ein Monarch steht oder ein verantwortlicher Pra sident. Auf die Form kommt es nicht an, sondern I das Wesen der Sache. Minister von Schlayer giebt zu⸗ daß der Vorredner eine republikanische Form für die vollkommnere I1 und daß . glauben wolle, er sei ein guter Anhängen der gegenwärtigen Mo narchie. Nur müsse man mit dem Worte Demokratie nicht ein Shih der Debatte wird verlangt, und angenommen. Der Berichterstatter Mohl faßt die Deba tte über den Artikel von der Reichs Verfassung zusammen. Die erste Partei in diesem Saale über diesen Punkt sei die Vereinbarungspartei, die er zwar nicht ihrer Ansicht, aber ihrer Wirkung nach eine dynastische heißen müsse. Sie glaube, Württemberg sei nun einmal nicht im Stande, die Reichs⸗Verfassung auszuführen, man müsse sich deshalb auf den Boden der Thatsachen stellen. In diesem Sinne habe das Mini⸗
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sterium bereits bethätigt, daß es den Regierungen das Recht vin⸗
dizire, endgültig über die Verfassung zu entscheiden. Dann handle es sich von den Grundrechten, von dem ganzen Rechtsboden Deutsch lands, und das werde bis auf den Taglöhner hinaus Jeder in Württemberg begreifen! Es habe sich diese erste Ansicht dagegen verwahrt, daß sie eine preußische sei, aber im Erfolg werde sie sich gewiß täuschen, denn es folge daraus mit Naturnothwendigkeit der Anschluß an den Dreikönigs⸗Bund. Dann werden die kleineren Staaten dem größeren preußischen in den Mund fallen, wie das Eichhörnchen der Klapperschlange. Es werde ein großer Riß in Deutschland dadurch gemacht und zwar bleibend, Fes werden die Grundrechte dabei aufgegeben. Wenn man den Fall des Nicht⸗ beitritts von Oesterreich annehme und man mit Preußen sich ver⸗ einigte, so werde Preußen nur auf seinen Entwurf eingehen, von Württemberg muͤßten die verstümmelten Grundrechte, die Wieder⸗ herstellung der Rechte der Mediatisirten und die Landstandschaft der Privilegirten wieder angenommen (Zeichen der Zweifels auf der einen Seite, wie der Beistimmung andererseits) werden. Das gäbe Zustände, die vom Bundesstaat nicht entfernt wären. Es handle sich nicht mehr von Theorieen, wo man für Württemberg einen gewonnenen Rechtsboden habe, auf diesem Boden stehend, wäre die Königl. Regierung stark und angesehen in ganz Deutschland.
Staatsrath von Wächter⸗Spittler vill gegen Angriffe des
Berichterstatters kurz erwiedern, der Präsident glaubt aber nach der Geschäfts⸗-Ordnung dem Königlichen Kommissär nicht mehr das Wort geben zu dürfen, nachdem zum Schluß der Berichterstatter gesprochen. Staatsraͤth von Wächter⸗Spittler und Finanz⸗ Minister von Herdegen bestreiten dem Berichterstatter keinesweges das Recht, referirend zum Schluß die Kommissions⸗Ansicht zu ent⸗ wickeln, nur dürfe er nicht neue Angriffe gegen die Regierung ma⸗ chen, worauf die Königlichen Kommissäre nicht mehr sollten ant⸗ worten dürfen, denn dadurch würden diese aufs höchste benachthei⸗ ligt. Minister von Schlayer beruft sich gleichfalls auf seine Worte bei der Berathung der Geschäfts⸗Ordnung, indem er die betreffenden Bestimmungen der Natur der Sache nach nicht anders habe nehmen können, als daß die Königlichen Minister auf jeden Angriff auch erwiedern können, da eine gegentheilige Behauptung eine Rechtsungleichheit wäre, und verwahrt sich gegen die Verküm⸗ merung des Rechts der Regierung, daß die Minister auf jeden An⸗ griff wieder antworten dürfen. Dasselbe thun seine sämmtlichen Kolle⸗ gen am Ministertisch. Fezer verwahrt sich, daß die Minister eine Aus⸗ nahme von der Geschäftsordnung machen dürften. Auf Huck's Antrag wird der Gegenstand verlassen und an die Geschäftsord⸗ nungs⸗Kommission zur Berichterstattung verwiesen. 1 Nun erfolgt die Abstimmung über §. 2 des Adreß⸗Entwurfs. liegen E1“ Kommissions⸗Antrag, 2) der Gegen⸗ Entwurf von Reyscher und Genossen, 3) der Antrag von Huck und Kuhn (der, an den Reyscherschen Entwurf sich anschließend, eine bundesstaatliche Vereinigung von Gesammt⸗Deutsch land verlangt, und im letzten Satz die Beziehung auf Oesterreich wegläßt), 4) zu Zeile 2, 3 u. 4 des Kommissions⸗Antrags Amendements von Pfei⸗ fer. Der §. 1 des Antrags von Reyscher wurde mit 43 gegen 10 Stimmen abgelehnt. Das Amendement von Huck und Kuhn wurde mit 54 gegen 5 Stimmen abgelehnt.
Der Kommissions⸗Antrag lautet vollständig: §. 2. 1) Wir beklagen mit der Regierung Ew. Majestät, daß das deutsche Volk noch nicht im Besitze der nationalen Einheit ist, auf welche seine heißesten Wünsche gerichtet sind. 2) Moöge der Tag nicht fern sein, wo die deutsche Verfassungs⸗Angelegenheit durch eine nach den Normen für die Wahl der National⸗Versammlung oder nach dem rechtsgülti gen Reichs⸗Wahlgesetze berufene Versammlung von Vertretern des ganzen deutschen Volkes ihre endliche Erledigung erhält, und das Werk der National⸗Vertretung, nach Lösung der wiedereröffneten Oberhaupts⸗Frage, in ganz Deutschland zur Ausführung gelangt. 3) Wir sehen hierin nicht allein den einzigen rechtmäßigen, sondern bei dem unversöhnlichen Widerstreite der Sonderbestrebungen, auch den einzig möglichen Weg zur Erreichung der deutschen Einheit und der hierdurch allein verbürgten Freiheit und Wohlfahrt des deutschen Volkes. 4) Die unumwundene Anerkennung, welche Ew. Königl. Majestät der Reichs⸗Verfassung gezollt haben, und das gleichzeitige Einverständniß über die ausschließliche Zulässigkeit jenes Weges zu ihrer Ausführung, bürgen dem Lande dafür, daß die Regierung Ew. Majestät ihre eifrigsten Bemühungen da⸗ hin richten werde, diesen Grundsätzen auch bei den übri⸗ gen deutschen Staaten Geltung zu verschaffen, und daß dieselbe keiner anderen Regelung der deutschen Frage sich anschließe. 5) Nur auf diesem Wege des Rechts, der Einheit und Freiheit glauben wir uns für das engere, wie für das weitere Vaterland befriedi⸗ gendere Zustände versprechen zu dürfen, als diejenigen sind, deren Mängel wir mit der Regierung Ew. Majestät tief und aufrichtig bedauern. Erst wenn die Sehnsucht des deutschen Volkes nach nationaler Einigung und Kräftigung gestillt sein und der zum Be⸗ wußtsein seiner Bedürfnisse, wie seiner Rechte erwachte Volksgeist in einer Neugestaltung des ganzen Vaterlandes und in freien Staats⸗Einrichtungen seine Heimat gefunden haben wird, dürfen wir uns der Hoffnung hingeben, daß die krankhaften Zustände, unter denen wir leiden, geheilt und die Folgen der Aufregung und Parteiung allmälig wieder gehoben werden können. 6) In der Erreichung jenes Zieles erblicken wir zugleich die sicherste Bürgschaft für Erhaltung der Ruhe und Ordnung, die mit Gewalt wohl auf eine Zeit lang erzwungen werden können, aber nur in der Befriedigung begründeter Ansprüche eine dauernde Gewährschaft finden. 7) Die Vorlagen der Regie rung Ew. Majestät über die einstweilige Centralgewalt, welche Oesterreich und Preußen in Deutschland ansprechen, werden wir mit der Sorgfalt, welche der Gegenstand erheischt, prüfen und in reifliche Erwägung ziehen, ob ein solcher Anspruch mit der Selbst⸗ ständigkeit des Staats und den Rechten des Volks vereinbar sei. Zisser 1 des Kommissions⸗Antrages wird einstimmig angenommen. Zu Ziffer 2 wird der Verbesserungs⸗Antrag Pfeiffers mit 46 ge⸗ gen 13 Stimmen verworfen. Endlich wurde der Kommissions⸗ Antrag §. 2 Ziffer 2 mit 40 gegen 19 Stimmen angenommen. Die dritte Ziffer des §. 2 des Entwurfs wurde mit 39 gegen 20. und Ziffer 4 mit 38 gegen 21 unter Verwerfung des Amende⸗ ments von Pfeifer, die Ziffern 5 und 6 ohne namentliche Ab stimmung mit Mehrheit und Ziffer 7 mit 41 gegen 18 Stimmen, also der ganze Paragraph, wie er von der Kommission vorge⸗ schlagen worden, angenommen.
Hierauf wird zum §. 3 des Entwurfs, welcher von der Am⸗ nestie handelt, übergegangen. Reyscher: Die Minorität will bei der Bitte um Amnestie nicht ausschließen, daß die Untersuchung fortgesetzt und zu Ende geführt werde, indem ja Manche der An⸗ geschuldigten nicht begnadigt zu sein wünschen könnten, oder die Unschuld Mancher durch den Urtheilsspruch aufgedeckt werden könnte. Desselberger führt aus, daß kaum in einer anderen Zeit, als der jetzigen, das Vertrauen und die Liebe des Volkes zum Staats Oberhaupte mehr gekräftigt zu werden brauche, als gerade in jetzi⸗ ger Zeit, und empfiehlt zur Versöhnung die Amnestie.
Staatsrath von Hänlein: Meine Herren! Ju die Adreß⸗ Berathung scheinen Gegenstände hineingezogen zu werden, welche!
eigentlich später zur besonderen Verhandlung kommen sollten. Der Adreß⸗Entwurf verlangt eine General⸗Amnestie für die politischen Verbrecher, und wird also das Begnadigungsrecht, welches als die schönste Zierde der Krone bezeichnet wird, in umfassender Weise in Anspruch genommen. Allein dieses Recht muß schon nach der Ver⸗ fassungs⸗-Urkunde weise und mit Mäßigung ausgeübt werden, damit dem Ansehen und der Wirksamkeit der Gesetze nicht zu nahe getreten wird. Diese Vorschrift der Verfassung wird stets die Richtschnur der Re⸗ gierung sein. Ich verkenne nicht, daß das Gefühl für nationale Einheit, welches allen Deutschen inwohnt, Manchen hingerissen hat den Weg des Gesetzes zu verlassen, allein es haben sich auch sehr unreine Elemente der Bewegung beigemischt, für welche eine Amnestie nur ein Freibrief für neue Verbrechen sein würde. Wenn das Wasser eines Stroms vom Sturm aufgeregt wird, so werden alle Tiefen der Finsterniß sichtbar. Solche unreine Elemente haben die Reichsverfassung, die überhaupt nur mit geringer Majorität zu Stande gekommen ist, zum Mittel genommen, um die Landesver⸗ fassung umzustoßen. Die meisten politischen Untersuchungen gehö⸗ ren ohnehin nicht den Aprilbewegungen wegen der Reichsverfassung, sondern einer viel späteren Zeit an. Wir haben gesehen, welche Folgen Amnestieen in anderen Ländern schon gehabt haben, na⸗ mentlich die großartigen Amnestieen in Baden, die in Frank⸗ reich. Ein französisches Conventions⸗Mitglied, Vergniaud, hat die Worte ausgesprochen: wir stürzen von Verbrechen zur Am⸗ nestie und von der Amnestie zu Verbrechen. Es war eine Zeit im vorigen Jahre, wo die Gesetzlosigkeit in Württemberg groß war, doch durch die Gnade Gottes ist das Unglück, in welches das Land gestürzt werden sollte, abgehalten worden. Ich bitte, meine Herren, unterlassen Sie die Bitte um General⸗Amnestie, und vertrauen Sie der Regierung, welche schon bisher dae Begnadigungsrecht umfas⸗ send ausübte. Huck erklärt sich mit Reyscher's Antrag einverstanden. Wir bitten hier für Dritte, denen das, was der Kommissions⸗Entwurf sagt, unangenehm sein könnte, welche sagen könnten, ich will einen Richterspruch, keine Gnade. Der Antrag der Mehrheit will eine allgemeine Amnestie, Reyscher's Antrag weist auf spezielle Richtun⸗ gen hin: auf die Verleiteten, was die Untersuchungen bald ergeben werden. Die verdienen der Gnade empfohlen zu werden, welchen es Ernst war mit der Reichsverfassung, nicht aber diejenigen, welche ganz andere und schlechte Zwecke dahinter versteckten. Ich will mir kein moralisches Urtheil über die Verfolgten anmaßen, aber in der Lage sind wir, zu prüfen, in welche Klasse, wie ich angedeutet, Ein⸗ zelne fallen. Zimmermann vill einige Berichtigungen beibringen in Betreff dessen, was der Departements⸗Chef der Justiz über die Reichsver⸗
fassung und die Männer, die dabei mitgewirkt haben, bemerkt hat. Zur Reichsverfassung, sagt er, haben die Führer aller Parteien zu⸗ sammengewirkt, und die Führer aller haben sie unterschrieben. Fer⸗ ner ist behauptet worden, Männer, die mit allen Waffen des Witzes oder des Spottes gegen die Reichsverfassung gewirkt, haben sie nachher anerkannt. Dagegen protestire ich mit Entschiedenheit und weise diese Behauptung mit Unwillen zurück. Ferner erkläre ich, wenn das Bewußtsein der Völker dahin gelangt ist, daß ihnen die Republik als das Bessere erscheint, dann geht die Monarchie in Republik über, dies ist eine Naturnothwendigkeit und durchaus keine unerlaubte Behauptung. Es ist dies eine Lehre der Geschichte. Jene Regierungsform ist die beste, die das Oberhaupt hindert, dem Volke irgend etwas Böses zu thun, und wo das Volk sich selbst regiert. Ich kann übrigens dem Departements⸗Chef sagen, daß ich die Republik für jetzt für unzeitig halte. Ferner ist gesagt worden, zur Zeit des Fünferregiments sei die Gefahr bei uns am größten gewesen. Ich bin entschieden gegen das, was hier Fünferregiment
genannt wurde, gewesen. Nicht das Königthum und die Republik stehen sich seit zwei Jahren gegenüber, sondern die Partei des Al⸗ ten und die Partei des Neuen; die letztere will die Ideen der Neu⸗ zeit auf verfassungsmäßigem Wege einführen. Wenn aber die Par tei des Alten mit ihrem Absolutismus hervorrückt, so sollten die kleineren Regierungen in ihrem eigenen Interesse Hand in Hand mit der Freiheit und den Wünschen des Volkes gehen. Deshalb habe ich auch für das unzertrennte Wohl von König und Vater⸗ land in §. 1 unserer Adresse gesprochen. Deshalb halte ich die Ertheilung einer Amnestie von der Regierung für geboten.
von Schlayer: Der Abgeordnete von Hall hat sich auf die Geschichte berufen, um die Berechtigung republikanischer Bestrebun⸗ gen darzuthun. Es scheint mir, daß er die letzten 2000 Jahre überspringt und sich blos ins alte Rom und Griechenland versetzt hat. In Europa wurden auch schon solche Ansichten kund, wie wir sie gehört, am 19. März 1648 stellte man auch in England die Volks⸗ Souverainetät auf. Im Januar 1649 aber fiel Karl I. unter dem Beil; es folgte die Republik, der sich England bald entledigte, sie ging damals auch von einem Rumpf⸗Parlament aus, das man ein Denkmal der Schmach nennt. Man kann damit republikanische Be⸗ strebungen in kein günstiges Licht setzen. Unter National⸗Souve rainetät versteht man in England den König und das Parlament. In den Töchterstaaten Englands sind die Verhältnisse anders, dort kann die Republik gedeihen, ob sie aber nicht am Ende zur Mo⸗ narchie wird, wissen wir nicht. In Frankreich sind auch Sätze auf⸗ gestellt worden, welche ich mit Unwillen auch hier hörte. Es ging aber Fluch hervor aus dem Blut. Bei den Franzosen ist die Re.⸗ publik unmöglich. Im Uebrigen sinde ich in Zimmermann's Rede Richtiges, wenn ich die Verhältnisse, welche im Thucydides vorlie⸗ gen, nehme. Es ist heute an Badens Beispiel erinnert worden: es würde bei uns nicht an fremden Bajonetten fehlen, wenn wir Grund zum Einschreiten durch inneren Zwist geben würden. Wollen wir 60,000 fremde Bajonette ins Land kommen sehen? in acht Ta⸗ gen wären sie da; sind unsere Zustände denn so unleidlich, daß wir dies herbeirufen wollten? Dahin könnten wir kommen, wenn die Regie⸗ rung immer in Allem aufgehalten und in ihrer Kraft gelähmt wird. Schnitzer ist gegen die Bitte um eine General⸗Amnestie, da er von einer solchen die erwartete Versöhnung zwischen Volk und Regierung nicht erwarten könne. Zwar habe er früher eine Mo⸗ tion wegen Amnestie eingebracht, allein die Zeit habe sich seither geändert. Damals habe man noch keine Volksgerichte gehabt; die Geschworenen⸗Listen seien wohl bedeutend beschnipfelt worden, allein es seien jedenfalls noch Volksgerichte. Minister von Schlayer und Staatsrath von Hänlein machen Erwiederungen, worauf Fetzer an die Minister die Bitte richtet, es möchten nicht nach jedem Redner ein oder zwei Minister das Wort nehmen. „Ich kenne Ihr Recht wohl, aber ich bitte, daß Sie lieber Ihre Freunde in diesem Saale für Ihre Sache sprechen lassen, statt dies stets selbst zu thun. Prä⸗ sident: Die Minister haben nach der Geschäfts⸗-Ordnung das Recht, jederzeit zu sprechen, es kann sich also blos von einer Bitte handeln. Rödinger will durch Darlegung seiner Motive eine mög⸗ lichst große Zahl von Stimmen für die Bitte um Amnestie vereini⸗ gen, er möchte Alle oder doch möglichst Alle einig haben. Für Fälle einer großen Umänderung der Zeit ist die Begnadigung etwas Noth⸗ wendiges, eine Vollendung unserer staatlichen Institutionen, die ausgleichende Gerechtigkeit. Der Streit über Demokratie und Mo⸗
narchie gehört nicht hierher, ich bedaure diese Erörterungen. Auch
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der Standpunkt, die Persönlichkeit der Angeschuldigten zu nehmen,
ist falsch, wir sind keine Anwälte. Meine Herren! Bis 1848 war
das Bestreben nach Einheit Deutschlands ein Verbrechen. Im Par⸗
lament durfte sie zuerst auftreten. In größeren Schwingungen wirkte die Idee noch außerhalb des Parlaments. henden Strom war es nicht anders möglich, als daß man die alten Gesetze nicht mehr so genau beachtete. setze, aber es ist dies etwas Anderes, als in ruhigen Zeiten. Man
In diesem glü’-
war im Streben einig, die Interessen in einen großen Brennpunkt
zu vereinigen. Auch die Zweckmäßigkeit fordert, was wir begehren. Nehmen Sie alle Beispiele der Geschichte. Wären wir Pessimisten,
was man uns oft nennt, so würden wir die barbarischsten Strafen 2
wünschen. Wir wollen keine Märtyrer, sondern den Weg durch Versöhnung zum Heil. Man hat von demokratischen Hyperbeln ge⸗ sprochen; wenn in der großen nationalen Frage gestraft wird, so muß man von einer absolutistischen Hyperbel sprechen. Staatsrath von Hänlein: Ich bin ganz damit einverstanden, daß Manche be⸗ gnadigt werden möchten, nur bin ich gegen eine General⸗Amnestie.
Von mehreren Seiten wird der Schluß der Debatte begehrt und auch beschlossen, worauf der Berichterstatter Mohl den Ent⸗ wurf nochmals vertheidigt. Er sagt, die Regierung sei stets im Besitze der Macht gewesen, es habe bei uns gar kein Ausbruch stattgesunden; daß die Regierung im vollen Besitze der Macht sei, dafür spreche die Hinweisung des Ministers auf die sechzigtausend Bajonette. Ihm seien die bestimmtesten Nachrichten zugekommen, daß sich Viele der Bewegung angeschlossen haben, in der vollen Ueberzeugung, daß sie nur der gesetzlichen Gewalt gefolgt hätten. Der Redner schloß, er sei vor kurzer Zeit in mehreren Gegenden des Landes gewesen und habe sich überzeugt, daß die weite Ver⸗ breitung der Untersuchungen den ungünstigsten Eindruck im Lande mache.
Präsident: Es liegen zwei Anträge vor, der Kommissions⸗ Antrag und das Amendement von Reyscher und Genossen. Ueber letzteres wird zuerst abgestimmt und dasselbe mit 40 gegen 19 Stim⸗ men verworfen. Sodann wird der Kommissions⸗Antrag §. 3 mit 34 gegen 25 Stimmen angenommen.
Stuttgart, 15. Dez. (Schwäb. Merk.) Die verfassung⸗ berathende Versammlung hat in ihrer heutigen Sitzung die Ant⸗ worts⸗-Adresse mit 40 gegen 20 Stimmen angenommen.
Hessen und bei Rhein. Darmstadt, 16. Dez. (Darm. Z tg.) Ministerial⸗Rath Eigenbrodt ist gestern nach Erfurt abge⸗ reist, wohin er und Sylv. Jordan zur Erledigung der vorliegenden Arbeiten des Bundes Schiedsgerichts einberufen sind.
Anhalt⸗Deßau. Deßau, 17. Dez. Ueber das Befin⸗ den Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Herzogin sind heute fol⸗ gende Berichte veröffentlicht worden:
1) Früh 7 Uhr. „Im Ganzen fand die Nacht hindurch ziem⸗ liche Ruhe statt; nur zeitweise wurde sie durch Kopfweh und Fie⸗ ber, das aber stets mäßig blieb, unterbrochen. Die Lähmung ist noch unverändert, doch schien es, als wenn die wenigen Worte, welche gesprochen wurden, etwas deutlicher waren, als gestern.
2) Der Krankheits⸗Zustand der hohen Patientin hat von Vor⸗ mittag 8 Uhr bis Nachmittag 4 Uhr keine Verändernng erlitten.
Dr. Vehsemeyer. Dr. Kurtz.
Der edizinal⸗Rath Dr. Schönlein war heute hier,
Sicheres über sein Urtheil.
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Frankreich. Gesetzgebende Versammlung. Sitzung vom 15. Dezember. Herr Mauguin spricht gegen die Getränk⸗ steuer. Die Regierung kenne bis jetzt nur ein Prinzip, nämlich ihr Interesse, sie sollte aber die Gerechtigkeit, Gleichheit, das allgemeine Recht zum Prinzipe haben. Die Kammer schenkt Herrn Fortoul, der hierauf das Wort hat, sehr wenig Aufmerksamkeit. Die Un⸗ terhaltungen sind so laut, daß man den Faden, den der Redner verfolgt, unmöglich angeben kann. Der Schluß der Debatte wird nicht angenommen. Jules Favre wird am Montag sprechen. ö 15. Dez. Der heutige Moniteur bringt folgende Erklärung: „Gewisse Schriftsteller, deren Feder in Galle getaucht zu sein scheint, wenden täglich den Eifer einer schmählichen Spür⸗ sucht an, um die Vergangenheit der Männer zu durch⸗ forschen, die von der Regierung zu öffentlichen Aemtern erwählt werden. Sie besprechen dieselbe mit einer leiden⸗ schaftlichen Böswilligkeit und entstellen sie nur zu häufig durch die lügenhaften Erläuterungen eines niedr gen Neides. Offen gesagt, wer ist es, der, nachdem drei Revolutionen in weniger als 40 Jahren stattgefunden haben, in seinem vergangenen Leben der Leidenschaft derer, die herabsetzen wollen, keine Blöße gegeben hätte. Als wäre das Faktum an sich, seinem Lande unter den früheren Regierungen gedient zu haben, ein Verbrechen. Diese abscheuliche Taktik wird nicht den Erfolg haben, den man sich verspricht. Der Neffe des Kaisers wird unerschütterlich bleiben. Er hat als seine Lebensregel die Worte seines unsterblichen Onkels angenommen, der eines Tages im Staats⸗Rath ausrief: „„Durch eine Partei herrschen, heißt, sich früher oder später in Abhängigkeit von ihr bringen. Man wird mich damit nicht fangen, ich bin national. Ich bediene mich aller derer, die fähig sind und die mir folgen wollen. Deshalb habe ich meinen Staats⸗Rath aus Mitgliedern der Constituante zusammengesetzt, die man gemäßigte oder Mitglie⸗ der des Feuillantiner⸗Klubs nannte, so wie aus Jakobinern, wie I und Berlier. Ich liebe die ehrlichen Leute aller Par⸗ eie
Der Moniteur erklärt die Angabe des National, als hätte Duchatel die Ausgabe einer Summe von 1,317,000 Fr., die für Napoleon's Grab bestimmt war, nicht rechtfertigen können, für unrichtig. „Die Kritik des Berichterstatters“, sagt das offizielle Blatt, „konnte nur das Unrecht treffen, das der Minister des Kö⸗ nigs Ludwig Philipp begangen, indem er den bewilligten Kredit überschritt.“ 1b
Der gestrige Moniteur bringt ferner abermals eine Reihe von Ernennungen in die Ehrenlegion und ein Dekret, welches der Tontine, „die europäische“ genannt, die ertheilte Autorisation zu⸗ rücknimmt. In diesem Dekret wird die Ansicht des Staatsraths von 1809 erwähnt und dabei bemerkt, daß der Kaiser sie gebilligt. Auch werden die Verordnungen die unterLudwig Philipp gegeben und die in den letzten zwei Jahren im Moniteur schlechthin ohne weiteres Epitheton angeführt wurden, heutezuerst wieder als König⸗ liche bezeichnet. -
Der heutige Moniteur enthält außer einer Reihe 868 Er⸗ nennungen im Justiz⸗Ministerium, 480 Verleihungen des Ordens
der Ehrenlegion an Militairpersonen.
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