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Damit standen die ve. in Verbindung, welche das beste⸗ echt des Bundes zuließ. ae-eee⸗ der Bünbnisse aller Art, welches der Artikel 14 der Bundesakte den Bundesgliedern vorbehält, legte einem Bünd⸗ nisse für die Sicherheit des Bundes oder einzelner Vundesstaaten kein Hinderniß in den Weg.
Eine mit diesem Bündnisse cinzugehende Verpflichtung zur Umge⸗ staltung der Verfassung Deutschlands bedurfte, wenn denen, die dem Bündniß etwa nicht beitraten, die Rechte und Pflichten, die das bestehende Bundesrecht gewährt und auferlegt, erhalten werden sollten, der Sanction allseitiger Zustimmung, welche der Artikel 6 der Bundesakte für die Abänderung von Grundgesetzen des Bundes verlangt.
Durchdrungen von der Nothwendigkeit, daß die Regierungen der deutschen Staaten auch diesen Erfordernissen gegenüber den Versuch einer Befriedigung des deutschen Verfassungs⸗Bedürfnisses nicht aufzugeben hatten, und geleitet von der oben erwähnten Auf⸗ fassung der letzten hierzu ergangenen Einladung Preußens, beschloß die Königliche Regierung eine Folgeleistung der letzteren, schon be⸗ vor die Eirkular⸗Depesche vom 28. April amtlich zu ihrer Kenntniß gebracht war.
Dieser Beschluß und die Abordnung der diesseitigen Bevoll⸗ mächtigten ward der Königlichen Gesandtschaft in Berlin mittelst Verfügung vom 3. Mai (Anlage Ziffer 6), die gleichzeitig zur Kennt⸗ niß der preußischen Regierung gelangte, eröffnet.
Die darin erwähnte Aussicht auf eine Theilnahme Oesterreichs an den Unterhandlungen trug wesentlich zu der Förderung des Be⸗ schlusses bei und ließ die Regierung Hoffnung schöpfen, daß eine allseitige Einigung über die Verfassung etwa auf die Grundlagen hin möglich sein werde,
daß für Oesterreich Ausnahmen von der Kompetenz der Bundes⸗ gewalt zugestanden würden; daß ihm nur in denjenigen Sachen, an denen es vollen Antheil nehme, die Leitung zuzugestehen sei; daß dagegen Preußen die Leitung in allen anderen Dingen er⸗ alte.
Sinne traten die Königlichen Bevollmächtigten, als bei ihrer Ankunft in Berlin die durch die Cirkular⸗Depesche vom 28. April in Aussicht gestellte umfassende Darlegung der Ansichten und bestimmte Vorschläge der Königlich preußischen Regierung nicht vorlagen, auf desfallsige Wünsche ihrerseits mit Vorschlägen hervor, welche in ein vom 5. Mai datirtes Promemoria (Anlage Ziffer 7) niedergelegt und denen am 12. Mai Entwurfs⸗Bestimmun⸗ gen über eine entsprechende Regierung der Oberhauptsfrage beige⸗ fügt wurden, die in der unten zu erwähnenden Denkschrift vom 1. Junius (Anlage Ziffer 16) näher begründet sind.
Eine Eröffnung förmlicher Berathungen, zu denen die Vor⸗ bereitungen hiesigerseits so ernstlich beeilt waren, mit den Bevoll⸗ mächtigten von Oesterreich, Preußen, Bayern und Sachsen fand nicht vor dem 17. Mai statt.
Die Zwischenzeit ward hannoverscherscits in zweifacher Rich⸗ tung für eine Beförderung des Geschäfts zu benutzen versucht.
Einestheils bemühte sich die Regierung, bei dem Kaiserlich österreichischen Kabinet auf Entfernung der Bedenken hinzuwirken, welche von diesem rücksichtlich des Verfassungswerks wieder die Ge⸗ währung einer Volksvertretung für Deutschland in der Form eines aus allen Theilen desselben gewählten Volkshauses gehegt wurden.
Anderentheils traten die Königlichen Bevollmächtigten zu Berlin mit dem inzwischen ernannten Königlich preußischen Bevoll⸗ mächtigten zu vertraulichen Besprechungen über die Behandlung des Geschäfts zusammen, bei denen das Promemoria vom 5. Mai zum Grunde gelegt wurde.
Ueber diese Besprechungen erhellt das Naͤhere aus der anlie⸗ genden Denkschrift (Anlage Ziffer 8), welche zugleich erläuternde Mittheilungen über die späteren förmlichen Konferenz⸗Verhandlungen enthält, deren Inhalt aus den ferner beigefügten Konferenz⸗Pro⸗ tokollen vom 17. bis 25. Mai (Anlage Ziffer 9) zu ent⸗ nehmen ist.
Die Resultate der Konferenz⸗Verhandlungen sind in dem Schluß⸗Protokolle vom 25. Mai (10 Uhr Abends) (An⸗ lage Ziffer 10) zusammengestellt. Als Theile desselben sind die darin erwähnten Erklärungen Sachsens und Hannovers vom gleichen Datum, nebst den darin gleichfalls erwähnten Ent⸗ würfen der Verfassung, des Wahlgesetzes, der gemeinschaftlichen Beitritts⸗Einladung und der nachherigen Vertrags⸗Urkunde, dem Schlußprotokolle angereiht.
Den Verfassungs⸗Entwurf und das Wahlgesetz erläutert die Denkschrift vom 11. Juni (Anlage Ziffer 11).
Zu besserem Verständniß aller dieser Aktenstücke werden fol⸗ gende Bemerkungen nicht überflüssig sein.
Bei der Veranlassung der Konferenzen war Preußen, gleich allen übrigen Theilnehmern derselben, davon durchdrungen gewesen, daß die Verhältnisse Deutschlands nicht zu ordnen seien, ohne zu⸗
leich das Verhältniß Oesterreichs zu Deutschland zu ordnen. Es hatme zu diesem Ende den Plan der sogenannten Union entworfen, welche in einem eigenthümlichen Defensiv⸗Bündniß zwischen dem österreichischen Kaiser⸗Staate einer⸗ und dem übrigen mit Preu⸗ ßen zu einem Bundes⸗Staate verbundenen Deutschland anderer⸗ seits bestehen und zugleich die gesammte Vertretung Deutschlands dem Amslande gegenuber übernehmen sollte.
Dieser Plan und dessen Begründung ergeben sich aus den (unter den Ziffern 12, 13, 14) beigefügten ö
Grundlinien zu einer Unionsakte, einer 2.aephe der Königlich preußischen Regierung vom 9. Mai un einer Instruction für den Königlich preußischen General⸗Lieute⸗ nant von Canitz vom 10. Mai. Diese Aktenstücke sind der Königlichen Regierung amtlich zwar erst durch die von der Königlich preußischen Regierung ihr mitge⸗ theilten Vorlagen an die preußischen Kammern vom 23. August 8 J. bekannt geworden. Der Plan selbst aber wurde den König⸗ veee aes dtaüchtigfen bereits bei den vorläufigen Besprechungen Fegternas und von diesen, so wie von der Königlichen u g, als unmöglich von Anfang an erkannt. jrn L der offensten Mittheilung dieser Ansicht war indes ed in 8en eine getrennte Unterhandlung über diesen Gegen⸗ ien eingeleitet, welche denn auch nur die Ablehnung dhgestesea dena0sc g9 vreusssche Plau in beeah 8g 882 der zur Berathung gekommen war, bestand dar⸗ ehe derselbe noch reichische Bevollmächtigte sich d;e 15 ü Fdir zurückzog. 3 onferenzen am 18. Mai Die Königliche Regierung, welche di hatte, zugleich aber auch bemei zu Fiecsen Erfolg 8ge; 1b glaubte, daß bei Oester⸗ reich auch keine Neigung sei, auf die von ihr für möglich ehalte nen Grundlagen der demnächstigen Verfassung Deutschlande ein 5 gehen vvaüfate nun ihre Fnsas dahin: Ss aß es genüge, eine vorläufige Einigung ohne Oesterrei — zuschließen, diesem aber unter Festhalten 18 der Srsaneene n.
V V I1
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Bundesrechts einen ehrenvollen Eintritt für jeden Augenblick offen zu halten.
Sie hoffte die Zustimmung Bayerns und Sachsens für dieselbe Ansicht zu erlangen. Nachdem nämlich der Plan Preußens, durch die Union eine Basis für seine Verfassungsbestrebungen zu gewinnen, gescheitert war, suchte dasselbe eine neue Grundlage in dem am 26. Mai zum Abschluß gediehenen Bündnisse. Die Königliche Re⸗ gierung verkannte nicht, daß dieses Bündniß einen doppelten Zweck hatte, Herstellung der damals im Süden ernstlich gestörten und bedrohten Ordnung und Begründung der Verfassung. Beide durch die Begründung der provisorischen Centralgewalt unglück⸗ lich auseinandergerissene Zwecke mußten wieder einer Leitung über⸗ geben werden, und dies schien ihr möglich, wenn die auf dem Grunde des Bundesrechts noch bestehende provisorische Eentral⸗ gewalt durch eine Verbindung der mächtigeren Regierungen Deutsch⸗ lands, welche sich die Herstellung einer einheitlichen Verfassung zum Ziele setzte, gekräftigt wurde. Sie wollte deshalb dieses Bündniß nur auf eine Anerkennung der fortdauernden Geltung der Bundes⸗ rechte und Pflichten bauen, und wenn Preußen dies zugestand, mußte dasselbe sich zugleich für verpflichtet achten,
1) die Hülfe nicht blos den Theilnehmern dieses Bündnisses, sondern allen Mitgliedern des deutschen Bundes zu leisten,
2) die vom Bunde eingesetzte provisorische Centralgewalt nicht unbeachtet zu lassen,
3) Veränderungen der Bundesverfassung nicht vorzunehmen, ohne Zustimmung der Bundesglieder, namentlich Oesterreichs.
Um aber auch das Mittel in Händen zu behalten, Deutschland in seiner Totalität zu erhalten und zu verhindern, daß, wenn man einen Theil von Deutschland für seine Pläne gewonnen haben möchte, etwa der Versuch gemacht werde, eine Verfassung für diesen Theil allein zu begründen und damit Deutschland zu zerreißen, wurde
1) nicht allein der Verfassungs⸗Entwurf so abgefaßt, daß der⸗ selbe ohne vorgängige Abänderung nur unter Beitritt von ganz Deutschland ins Leben treten konnte, sondern es wurde auch ferner durch den sächsisch⸗hannoverschen Vorbehalt erklärt,
daß die Unterhandlungen erneuert werden müßten, wenn Bayern nicht beitreten und nur etwa ein nord⸗ und mitteldeutscher Bund zu Stande kommen sollte.
Sodann wurde
2) bestimmt, daß die Verfassung nur durch Zustimmung eines Reichstags Geltung erhalten könne, wobei die Regierung sich aus⸗ drücklich offenhielt, auf diesem Reichstage andere Propositionen für die Gestaltung der Oberhaupts⸗Frage einzubringen. Es wurde
3) stipulirt, daß Zeit, Ort und Berufungsform dieses Reichs⸗ tags weiterer Festsetzung vorbehalten sei. Endlich wurde der Ver⸗ such gemacht,
4) durch das Bundes⸗Schiedsgericht eine Garantie zu gewin⸗ nen und eine lang erkannte Lücke in der Verfassung Deutschlands auszufüllen.
Die Königl. sächsische Regierung war in allen diesen Zwecken einverstanden. Die Stellung der Königl. bayerischen Regierung blieb zwar einstweilen ungewiß, und dies führte zu besonderen Schwierigkeiten. Der ganze Vertrag, so wie der den Zweck dessel⸗ ben bezeichnende Verfassungs⸗Entwurf, beruhte aber auf der be⸗ stimmten Voraussetzung, daß Bayern beitreten werde. Den Bei⸗ tritt des übrigen Süddeutschlands konnte man als nothwendige Folge dieses Beitritts betrachten. Hätte man voraussetzen müssen, daß Bayern nicht beitreten würde, so würde nicht dieser, sondern ein ganz anderer Verfassungs⸗Entwurf dem Vertrage unterzulegen gewesen sein. Als nun aber der Abschluß fur nothwendig gehalten wurde und Bayern dennoch in einer ungewissen Stellung verharrte, fanden Sachsen und Hannover es rathsam, jene dem ganzen Vertrage zum Grunde liegende Voraussetzung, daß Bayern beitrete, auch noch be⸗ stimmt auszusprechen. Sie machten daher ihre Zustimmung zu dem Verfassungs⸗Entwurfe, dem Wahlgesetze und der Note, mittelst wel⸗ cher die übrigen deutschen Staaten zum Beitritte eingeladen werden sollten, ausdrücklich davon abhängig, daß Preußen eine Erklärung entgegennehme, wonach eine Verbindlichkeit aus diesen Aktenstücken nur dann vorhanden sein sollte,
wenn sämmtliche deutsche Staaten, mit Ausnahme von Oesterreich, namentlich Bayern, dem Bündnisse ebenfalls beitreten,
und wenn Oesterreich seine Rechte aus der Verfassung des deutschen Bundes, also auch sein Zustimmungsrecht zum Verfassungsver⸗ trage befriedigt sehe.
Die Königlich hannoversche Regierung aber fügte diesem Vor⸗ behalte unter kurzer Entwickelung der Motive ihres Handelns noch den besonderen hinzu, daß sie nur verpflichtet sei, wenn der nach Eintritt jener Voraussetzung zu berufende Reschstag keine abän⸗ dernde Beschlüsse über den Entwurf, namentlich die Gestaltung des Oberhaupts, fasse.
Um die Ansicht über diese Punkte noch mehr ins Licht zu setzen, hielten die hannoverschen Bevollmächtigten es erforderlich, in einer am 1. Juni abgeschlossenen und am 7ten nach erhaltener Geneh⸗ migung ihrer Regierung zur Kenntniß der Königlich preußischen Regierung gebrachten Denkschrift ihre Bedenken ausfuhrlich zu erörtern.
In dieser Denkschrift war zugleich Gelegenheit genommen, einer Rechtsansicht entgegen zu treten, von welcher nach dem Ab⸗ schlusse des Bündniß⸗Vertrages wahrscheinlich geworden war, daß sie von der Königlich preußischen Regierung gehegt werde; der An⸗ sicht nämlich,
daß in Gemäßheit des Artikel 11 der Bundesakte unter einem Theil der Bundesglieder ein Bundesstaat nach den Bestimmun gen des Entwurfs vom 26. Mai sgebildet werden könne, ohne daß den nicht beitretenden Staaten ein Widerspruchsrecht zustehe, im Falle ein solcher Bundesstaat die Pflichten der sämmtlichen in ihm vereinigten Bundesglieder übernehme und deren sämmtliche Stimmen am Bundestage führen wolle. B
So durfte die Königl. Regierung annehmen, daß sie der Kö⸗ nigl. preußischen Regierung gegenüber ein nach allen Seiten be⸗ stimmtes Rechtsverhältniß begründet habe, und selbst die letztgedachte verschiedene Rechtsansicht schien keine Gefahr zu bringen, wenn nur die Sachen wirklich im Geiste der Eintracht und zur Förderung der Einheit gehandhabt würden. 8
Vorbedingung für die Verwirklichung der Verf Grund des Bündnisses war hiernach 1
1) die Zustimmung Oesterreichs und 8 2) der Beitritt Bayerns. 8 v1““
Die Königliche Regierung hat mit Ernst gestrebt, die Erfüllung beider Bedingungen zu fördern, wie solches die (unter den Ziffern 17 und 18 anliegende) Instruction für die Königlichen Geschäfts⸗ träger zu Wien und München ergeben. Der Ausgang ist leider bekannt. Noch einmal versuchte der Königlich sächsische Bevollmäch⸗ ligte im Verwaltungsrathe unter Zustimmung seiner Regierung und unter ausdrücklichem Beitritt Hannovers, die Einigung mit Oester⸗ reich auf Grund der preußischen Unions⸗Idee selbst anzubahnen. Die Aktenstücke finden sich im Protokolle des Verwaltungsrathes vom 24. Juli. Die Proposition Sachsens und die Erklärung Han⸗
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assung auf den
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oder geschwächt sehen.
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novers liegen unter Ziffer 19 und 20 an. Allein Preußen wollte entschieden auf keine Weise seinen Einfluß auf Deutschland getheilt Es bestritt mit Baden sogar die Kompetenz des Verwaltungsraths, und machte dadurch fernere Verhandlung unmöglich. Die Aktenstücke bilden jetzt nur ein Zeugniß, wie un⸗ verhohlen auch damals Hannover und Sachsen die obige Ansicht ausgesprochen haben.
Auch die nothwendige Einigung mit der provisorischen Central⸗ gewalt wurde nicht erreicht.
Die Beitritts⸗Verhandlungen mit den übrigen deutschen Staa⸗ ten lagen nach dem Vertrage nicht der Königlichen Regierung, son⸗ dern unter der Leitung Preußens dem gemeinschaftlichen Verwal⸗ tungs⸗Rathe ob. Die Königliche Regierung mußte es dabei der Einsicht und Loyalität Preußens überlassen: ob das durch den Vor⸗ behalt und die Verträge vom 26. Mai zwischen Hannover und Preu⸗ ßen begründete Rechtsverhältniß (welches übrigens keineswegs ein Geheimniß blieb) den beitretenden Regierungen von Anfang an oder serst später vorgelegt werden sollte. Sie mußte sich jedes Vorgreifens enthalten. Allein von der Ansicht ausgehend, daß Al⸗ les zu vermeiden sei, was irgend den Schein einer Nöthigung oder Verleitung in sich trage, hat sie sich verpflichtet gehalten, den Re⸗ gierungen von Oldenburg, Hamburg, Lübeck, Bremen und Schaum⸗ burg⸗Lippe, welche durch geographische Lage und gleiche Interessen und Bundeseinrichtungen ihr näher stehen, durch das (unter An⸗ lage 21) beigefügte Cirkularschreiben vollständige Kenntniß der Sache zu geben. In Hamburg war die Besorgniß rege gewor⸗ den, daß diese Stadt durch den Beitritt zu dem Vertrage der drei Königreiche in die Lage gebracht werden könnte, ihre kommer⸗ zielle Unabhängigkeit aufzugeben, ohne daß die Bedingung, unter welcher Hamburg allein dies große Opfer zu bringen sich bereit er⸗ kläre, daß nämlich fur danz Deutschland ein einheitliches Zollsystem zu Stande komme, erfüllt werde. Die Regierung, hiervon durch die Königliche Gesandtschaft zu Hamburg in Kenntniß gesetzt, nahm daraus eine Veranlassung, durch den unter Ziffer 22 anliegenden Erlaß, auf das in materieller Beziehung einstweilen völlige Offen⸗ bleiben der Verfassungsfrage, so wie darauf hinzuweisen, daß auch in formeller Beziehung eine Zolleinigung mit den übrigen deutschen Staaten nur in Folge der, durch die Verfassung zu begründenden politischen Einigung, mithin, da letztere ganz Deutschland umfassen sollte, nur eintreten werde, wenn alle deutschen Staaten sich über die Annahme des Entwurfes mit den etwa ferner zu beschließenden Abänderungen desselben ver⸗ ständigen würden. Ueberdies empfahl sie ihrem Bevollmächtigten im Verwaltungsrathe, in nähere Erwägung zu ziehen und mit dem Königlich sächsischen Bevollmächtigten zu berathen, ob eine vollstän⸗ dige Mittheilung der beiderseitigen Vorbehalte an den Verwal⸗ tungsrath und an die Bevollmächtigten der beitretenden Regierun⸗ gen nicht erforderlich und dem offenen und rückhaltslosen Verhalten beider Regierungen entsprechend sei. Die Rücksichten, welche das bezügliche Verhalten des Königlichen Bevollmächtigten hierbei gelei⸗ tet haben, sind in einer Anlage der beigefügten Denkschrift beson⸗ ders dargelegt. 8
Wie wenig dabei, den preußischen Staatsmännern gegenüber, von einer Verheimlichung des hannoverisch⸗sächsischen Vorbehalts die Rede gewesen ist, ergeben die unter Ziffer 24 und 25 beigefüg⸗ ten vertraulichen Berichte des Königlichen Bevollmächtigten vom 15. und 19. August d. J., während die an denselben ergan⸗ gene Verfügung vom 20. August (Anlage Ziffer 26) dar⸗ thut, daß die Regierung, geleitet von der Rücksicht auf eine voll⸗ ständige Entwickelung des Bündnisses, die Geltendmachung des Vorbehalts bis zu dem Zeitpunkte, wo die Wahrung der Rechte und Pflichten Hannovers dies unvermeidlich machen würde, auch dann noch hinausgeschoben wissen wollte, als bereits die Absicht Preußens sich kund gegeben hatte, die Einberufung des vereinba⸗ renden Reichstags mit einer Beschleunigung herbeizuführen, in der von der Königlichen Regierung nur die höchste Gefährdung der Vertragszwecke erblickt werden konnte.
Weiter reichten die Befugniß und die Mittel der Regierung nicht, und wenn die Verhältnisse sich auf eine ihren Ansichten zu⸗ widerlaufende Weise entwickelt haben, so darf sie dabei alle Schuld von sich ablehnen.
Die Umstände, welche die Verhandlungen mit Bayern fehl⸗ schlagen ließen und eine unfreundliche Stimmung der beiden deut⸗ schen Großmächte gegen einander erzeugt zu haben scheinen, sind in der Denkschrift (Anlage Ziffer 8) angedeutet.
Auf den für die Entwickelung der Verfassung bestimmten Theil der Thätigkeit des Verwaltungsraths wirkten diese Umstände nach⸗ theilig ein; von den Unterhandlungen mit Bayern und Oesterreich wurde derselbe nur spät und unvollständig unterrichtet.
Dann ließ sich in Folge jener Mißverhältnisse ein Theil des Verwaltungsraths fortreißen, die Berufung eines Reichstages zu beschließen, ehe die übrigen Vorbedingungen dazu erfüllt waren, hierdurch das von Hannover und Sachsen von Anfang an erstrebte Ziel deutscher Einigung und die von denselben eingehaltene Bahn dazu gänzlich zu verlassen und vielleicht unmöglich zu machen. Der Gegenstand wird unten näher zu berühren sein.
Außerdem hat der Verwaltungsrath sich nur mit dem Ab⸗ schlusse der Accessionsverträge und der Organisation des Bundes⸗ Schiedsgerichts zu beschäftigen gehabt. Auch darüber wird unten zu reden sein.
Das Nähere über alles dieses enthalten die (unter Ziffer 27) angefügten Protokolle.
So hat denn der Verwaltungsrath in Bezug auf die Ent⸗ wickelung der Verfassung den Hauptzweck verfehlen müssen.
Dagegen ist ein Ereigniß eingetreten, welches diese Thätigkeit gänzlich zu absorbiren scheint.
Es ist eine nicht zu übersehende Erscheinung in der deutschen Verfassungsbewegung der letzten Jahre, daß immer dahin gestrebt ist, die nothwendig zusammengehörenden Functionen, die Verfas⸗ sungsbildung oder Gesetzgebung und die Erhaltung des Friedens und der Ordnung auseinander zu reißen. Schon durch den Be⸗ schluß vom 28. Juni 1848 war die in der Bundes⸗Verfassung lie⸗ gende Verbindung beider getrennt. Daß der provisorischen Central⸗ gewalt aller Einfluß auf die Verfassungs⸗Angelegenheit entzogen wurde, ist aber nicht ohne schwere Bedeutung für die ganze Ent⸗ wickelung der Sache geblieben.
Auch das Bündniß vom 26. Mai hat nicht vermocht, jene Ver⸗ bindung aufrecht zu erhalten. Möglich wäre dieses gewesen, wenn die von der Königlichen Regierung angestrebte Einigung mit dem Reichsverweser oder auch — was sehr nahe zusammenhängt- mit den Regierungen von Süddentschland zu Stande gekommen wäre. Das war aber nicht der Fall.
Dagegen war bereits im Anfange des Maimonats von Bayern, später (durch die an Preußen gerichtete Denkschrift vom 16. Mai) von Oesterreich und wiederum zu Ende des Monats Juni von Bayern der Plan befördert, eine neue provisorische Centralgewalt zu errichten, und die Unentbehrlichkeit eines Mittelpunkts für die Lei⸗ tung der gemeinsamen Augelegenheiten des gesammten Deutschlands hat endlich den Erfolg gehabt, daß der Interimsvertrag vom 30. September d. J. zur Vollendung gebracht wurde, nach⸗
dem die probisorische Centralgewalt in Frankfurt diesen Plan in die Hand genommen und beharrlich durchgeführt hatte.
Durch den Artikel 3 dieses (unter Ziffer 28) in Abschrift an⸗ liegenden Vertrags ist inzwischen abermals die Verfassungs⸗Ange⸗ legenheit den Händen dieser interimistischen Bundesregierung gäuzlich entzogen.
Daß Friede und Sicherheit in Deutschland auf einer von Allen lands beruhen, wird von Niemand bezweifelt werden.
Eine solche Leitung war nicht mehr vorhanden. Die proviso⸗ rische Centralgewalt in Frankfurt ward von Preußen nicht mehr an⸗ erkannt.
Die Königliche Regierung hat die desfallsige Erklärung Preu⸗ ßens nicht ohne die lebhaftesten Besorgnisse betrachtet.
Die unter Ziffer 29 a— f angeschlossenen Aktenstücke lassen er⸗ sehen, in welcher Weise sie bemüht gewesen ist, eine andere Ent⸗ schließung der Königlich preußischen Regierung hervorzurufen.
Eben so wenig war es gelungen, dem Bündnisse vom 26. Mai eine Ausdehnung über ganz Deutschland zu sichern.
Aus dem Mangel einer einheitlichen Leitung waren zwei of⸗ fenkundige Uebelstände hervorgegangen: die ungünstige Lage der nothwendigen Friedensverhandlung mit Dänemark und die Span⸗ nung, welche das, an und für sich nothwendige Einschreiten Preu⸗ ßens in den suͤdlichen Wirren in Deutschland erzeugt hatte.
Beides durfte nicht fortdauern. Namentlich hat Hannover als Seestaat, dessen Wohl mit einem allgemeinen Friedenszustande un⸗ gleich enger zusammenhängt, als dies in einem Binnenlande ge⸗ fühlt wird, das entschiedenste Interesse an der Erhaltung völker⸗ rechtlicher Ordnung. 1
Preußen selbst deutete schon am 25. Juni im Verwallungs⸗
rathe auf ein entsprechendes Provisorium hin. Eine von Allen anerkannte Leitung der Geschäfte konnte nur herbeigeführt werden, wenn die beiden großen Staaten, Oesterreich und Preußen, darüber einig waren. Daß diese Staaten durch den Vertrag vom 30. September jene Leitung allein in die Hand nahmen, konnte unerwünscht schei⸗ nen, allein bei der Unmöglichkeit, den bisherigen unklaren Zustand fortdauern zu lassen und nachdem die Entwickelung des Bündnisses vom 26. Mai durch das eingetretene Verhältniß zu Süddeutschland für den Augenblick gestört worden war, mußte die Regierung sich gedrungen fühlen, einer Maßregel beizustimmen, welche mit gutem Grunde auf Abhülfe hoffen ließ. 1
Die Regierung hat dem Vertrage vom 30. September ihre Zustimmung mit desto ruhigerer Ueberzeugung gegeben, als sie darin allein
1) die gegründete Aussicht auf Erhaltung der inneren Ein⸗ tracht in Deutschland, 1 „2) die Möglichkeit der Beendigung ves Kriegszustandes mit Dänemark erblickte und als 8
3) Der Vertrag selbst Limitationen jener Leitung enthielt, welche einerseits die Gefahr von Uebergrissen entfernen, anderer⸗ seits aber den großen Vortheil gewähren, daß das fortwährend be⸗ stehende, aber seit dem verwichenen Jahre mehr und mehr verdun⸗ kelte Rechtsverhältniß der Bundesstaaten zu einander wieder zur größeren Klarhrit gebracht wird. Dieser Vortheil darf um so höher angeschlagen werden, je entschiedener das Verhältniß der beiden großen Staaten selbst darauf hinführen muß, in dem bestehenden Rechte die Vermi telung ihrer Ansichten zu suchen. Die Regierung hat deshalb ihre Beistimmung durch die (unter Ziffer 30) anliegende Erklärung ausgesprochen.
Es liegt hier am Tage, daß dem Bündnisse vom 25. Mai durch den Interimsvertrag die ursprünglich beabsichtigte Einwirkung auf die Erhaltung von Frieden und Recht entzogen ist. Dasselbe ist gegenwärtig in der That reduzirt auf die Erhaltung des Bun⸗ desschiedsgerichts und auf die Förderung der Verfassungsangele⸗ genheit.
Ueber den ersten dieser Gegenstände merken:
Ueberzeugt, daß der Mangel eines Bundesgerichts einen über⸗ wiegenden Theil der Schuld trage, Deutschland nach mehr als 30. Friedensjahren in die traurige Lage gebracht zu haben, in welcher es sich befindet, hat die Regierung geglaubt, keinen Augenblick ver⸗ säumen zu dürfen, um diese Institution ins Leben zu rufen. Al⸗ lerdings ist auch sie durch die Wendung, welche die Entwickelung des Bündnisses genommen hat, wesentlich geschwächt, ist auf ein Rechtsgebiet, wie es der geringere Umfang des Vertrags öffnet, beschränkt geblieben und durch den Interims⸗Vertrag, welcher dem Bündniß die Sorge für Frieden und Recht entzieht, in die bloße Stellung eines Spruch⸗Kollegiums zurückgeführt. Allein selbst in dieser abgeschwächten Gestalt scheint die Institution doch stets noch bedeutend genug, um sie mit Ernst aufrecht zu erhalten.
Die Königl. Regierung hat dieselbe daher zu dem Gegen⸗ stande einer besonderen Mittheilung an die Stände machen zu sol⸗ len geglaubt.
Was die Verfassungsangelegenheit, als die zweite Hauptrich⸗ tung, in welcher die Thätigkeit des Bündnisses sich noch entwickeln kann, betrifft, so ist die hier eingetretene Verschiedenheit der Ansich⸗ ten in folgenden Bemerkungen zusammenzufassen:
Anträge im Verwaltungsrathe auf Berufung eines Reichstages, auch ohne vorherigen Beitritt des übrigen außer⸗österreichischen Deutschlands, zur Berathung einer Bundesstaats⸗Verfassung nach einer vorgeschlagenen Modisication des für das gesammte Deutschland außer Oesterreich vereinbarten Entwurfs haben, in Verbindung mit der Art, wie sie geltend zu machen versucht worden, der Königl. Regierung die Pflicht auferlegt, im Verein mit Sachsen dawider auf die vorbehaltenen Erklärungen vom 26. Mai zuruckzukommen. Die hierauf gestuͤtzten dringenden Vorstellungen haben eine Berück⸗ sichtigung nicht gefunden und die Bevollmächtigten beider Regie⸗ rungen sind dadurch verhindert worden, sich bei den Berathungen des Verwaltungsraths über eine Maßregel zu betheiligen, in wel cher von ihren Regierungen die größte Gefahr einer Spaltung Deutschlands und ein Schritt erkannt ward, welche mit dem Eini⸗ gungszwecke des Vertrags vom 26. Mai im entschiedenen Wider⸗ spruche stehe.
Man hat aus diesem Entschlusse Anlaß genommen, der König⸗ lichen Regierung einen Rücktritt vom Bündnißvertrage vorzuwerfen.
Der völlige Ungrund eines derartigen Vorwurfs erhellt aus dem oben Gesagten. Eine weitere Ausführung desselben ist in der bereits angeführten Denkschrift (Anlage Ziffer 8) enthalten.
Hieraus hat sich folgendes Verhaͤltniß entwickelt:
Hannover und Sachsen sind von Anfang an von der Ausicht ausgegangen, daß Einigung von ganz Deutschland der Zweck des Bündnisses sei. Sie halten es deshalb für wesentlich, die Einigkeit mit Süddeutschland herzustellen, und finden dazu das einzige Mittel in einer neuen Unterhandlung. Wenn diese Unterhandlung zu einer vollständigen Einigung über die dem Reichstage vorzulegende Verfassung geführt hätte, würde dieser sofort zu berufen sein.
Einigung von ganz Deutschland herbeizuführen und zu erhal⸗ ten, müssen die äußersten Mittel angewandt werden.
8 Gelänge aber dieselbe nicht, müßte man sich vielmehr überzeu⸗
anerkannten Leitung der gemeinschaftlichen Angelegenheiten Deutsch⸗
ist Folgendes zu be⸗
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1 2
ruhigen müsse, dann würde eine solche Wendung der Dinge zwar als ein großes Unglück zu betrachten sein, es würde aber eine zweite Unterhandlung unter den Theilnehmern des Bündnisses selbst und den nicht beitretenden Bundesregierungen die Bedingun⸗ gen in der Art feststellen müssen, daß auch die nicht beitreten⸗ den deutschen Bundesregierungen diese Einigung als eine be⸗ rechtigte und mit den Bundesgesetzen übereinstimmende anzuerken⸗ nen haben werden. Auf diese Weise allein wäre das Ganze im Geiste des Friedens und der Eintracht zu leiten und ein bestimmt ausführbarer Entwurf mit Sicherheit des Erfolgs aufzustellen.
Dagegen ist vornehmlich in den preußischen Kammern eine ganz entgegengesetzte Ansicht aufgetreten. “ „Niach dieser soll sofort und ohne weitere Rücksicht auf das übrige Deutschland ein engerer Bundesstaat auf den Grund des oberflächlich zu diesem Zwecke abgekürzten Verfassungs⸗Entwurfs, welcher nur für ganz Deutschland bestimmt war, begründet und mit einem schleunigst zu berufenden Reichstage festgestellt werden.
„Wenn dies geschehen ist, und auf diese Weise den theilnehmenden Regierungen selbst die Hände gebunden sind, sollen mit Süddeutschland Unterhandlungen zugelegt, und es soll diesen Unterhandlungen überlassen werden, ob die auf solche Weise angebahnte Spaltung D eutschlands und die davon unzertrennliche Abhängigkeit von fremder Einmischung noch verhindert werden kann. “
Die Regierung hat es für ihre unerläßliche Pflicht gehalten, diesem Plane mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln sich zu widersetzen. Ihr schien derselbe die naturliche Ordnung des Ge⸗ schäftes geradezu umzukehren und sie glaubte für diese Ansicht eine besondere Stütze unter Anderem auch in der früheren Erklärung der Königl. preußischen Regierung zu finden,
daß die Erklärung über den Punkt, welche Staaten bereit seien,
in einen Bundesstaat mit Preußen einzutreten, die nothwendige
Vorfrage für jede weitere Verhandlung über den Inhalt der
Verfassung des Bundesstaats bilde. 8
Ihr schien jener Plan nothwendig demjenigen Theile, dem so die Bestimmung über Deutschlands Verhältnisse vorweggenommen werden sollte, ein Gefühl der Känkung einzuflößen, welches jeden günstigen Er⸗ folg und spätere Verhandlung erschweren würde, während anderentheils die verbündeten Regierungen selbst durch die Beschlüsse eines nach diesem Plane zu berufenden Reichstags sich den Weg zur Nachgie⸗ bigkeit versperrt haben würden. Die Meinung, vaß die vollendete Thatsache des engeren Bundesstaates eine unwiderstehliche Anzie⸗ hungskraft auf die außer demselben bleibenden üͤben werde, hat die Königliche Regierung niemals, weder nach ihren thatsächlichen Voraussetzungen theilen, noch, schon um des indirekten Zwanges willen, billigen können, welcher damit im Gegensatze zu der Erklä⸗ rung der Denkschrift vom 11. Juni, an die Stelle der feierlich angerufenen völlig freien Würdigung, nach Einsicht, Gerechtigkeit und Patriotismus, gesetzt werden würde.
Diesem zufolge hat die Königliche Regierung in Gemeinschaft mit der Königl. sächsischen Regierung auf den Grund des bestehen⸗ den Rechts und des abgeschlossenen Vertrags sich der Theilnahme an einem solchen Verfahren enthalten. 1 b Beide sagen sich damit von dem Bündniß keineswegs los. Sie sind vielmehr jeden Augenblick bereit, demselben nachzukommen, sobald die Sachen im richtigen Geiste, zum Zwecke wahrer Eini⸗ gung gehandhabt werden. 3
Welche Bedeutung der Bündnißvertrag vom 26. Mai aber auch behalten möge, die Königl. Regierung erkennt es als ihre Pflicht, sich von der Erstrebung des Ziels einer solchen Einigung für das gesammte Deutschland auf keine Weise abwenden zu lassen, und sie zweifelt nicht, daß die Erreichung desselben dem ernsten Streben gelingen werde, wenn auch in diesem Augenblicke der Weg dazu noch wenig gebahnt und selbst wenig bestimmt bezeichnet zu sein scheint. ““ 8
Hannover, 10. Dezember 1849.
Königl. hannoversches Gesammt⸗Ministerium. Benn s Z Z1 Düring.
Anhalt⸗Deßau. Deßau, 18. Dez. (Z. f. N. D.) Die provisorische Verordnung für, die Herzogthümer Anhalt- Deßau und Anhalt⸗Cöthen über die Auflösung des Gesammt⸗Ober⸗ Appellationsgerichts in Zerbst lautet:
„Wir Leopold Friedrich, ältestregierender Herzog zu Anhalt ꝛc. 2c., verordnen hiermit, sowohl für Unser Herzogthum, als auch für Uns und Unseres Herrn Vettern, des regierenden Herzogs zu Anhalt⸗Bernburg, Herrn Alexander Karl, Liebden, für das Herzogthum Anhalt⸗Köthen auf Antrag Unseres Gesammt⸗Staats⸗Ministeriums und unter Vorbehalt der Zustimmung des Vereinigten Landtags, was folgt:
„Nachdem die bisher zu dem gemeinschaftlichen Ober⸗Appellations⸗Ge⸗ richte zu Zerbst vereinigt gewesenen fünf Staats⸗Regierungen sich über dessen Aufhebung vereinigt haben, und die Auflösung dieses Gerichts mit dem 31. Dezember d. J. erfolgen wird, die Verhandlungen aber, welche mit anderen Staats⸗Regierungen wegen Anschlusses der beiden Herzogthümer Anhalt⸗Deßau und Anhalt⸗Köthen an ein anderes deutsches Ober⸗Appella⸗ tions⸗Gericht eingeleitet worden sind, nicht zu einem so raschen Abschluß geführt werden können, daß vor Ablauf einiger Monate ein Resultat zu erwarten steht, so haben Wir, in Betracht der Nothwendigkeit, fuͤr die Zwi⸗ schenzeit ein Ersatzmittel für die Kompetenz des Ober⸗Appellations⸗Gerichts herzustellen, folgende Maßregeln getroffen.
§. 1. In allen, sowohl civilistischen, als kriminalistischen Spruch⸗ sachen, in welchen nach Inhalt der Oberappellations⸗Gerichtsordnung de publ. Deßau, den 22. September 1817 und Ballensted, den 17. September 1817 bisher das Gesammt⸗Oberappellationsgericht zu Zerbst befugt und verpflichtet war, selbst zu erkennen, sind für diese Instanz vom 1. Januar 1850 ab bis zur Aufhebung des gegenwärtigen Interimistikums von den betreffenden Oberlandesgerichten zu Deßau und Köthen Urtheile von deut⸗ schen Juristenfakultäten und Schöppenstühlen einzuholen und ist nach deren Eingang mit Publication und Vollstreckung derselben eben so zu verfahren wie solches bisher mit den vom Oberappellationsgericht verfaßten oder durch dessen Vermittelung eingeholten Urtheilen geschehen ist.
§. 2. Beschwerden über verweigerte oder verzögerte Justizpflege oder auf rejektorische Resolutionen der Oberlandesgerichte in der Ober⸗Appella⸗ tionsgerichts⸗Ordnung §§. 23, 35, 39, 40 und 55 erwähnten Fällen sind bei dem Herzogl. Staats⸗Ministerium anzubringen, welches die Alten einzufor⸗ dern und sodann für jeden einzelnen Fall von einer deutschen Juristenfakul⸗ tät oder einem Schöppenstuhle Entscheidung einzuholen hat.
„§. 3. In derselben Weise wird auf die nach §. 57 der Ober⸗Appel⸗ lationsgerichts⸗Ordnung eingehenden unzukässigen Appellationen verfahren. §. 4. In den Fällen, wo laut der §§. 41, 42, 47 und 49 der Ober⸗Appellationsgerichts⸗Ordnung Wechselschriften einzureichen sind, soll das bisher bei dem Ober⸗Appellationsgerichte selbst stattgehabte schriftliche Verfahren, so wie die Publication der demnächst eingeholten Urtheile bei den betreffenden Oberlandesgerichten stattfinden. 1
§. 5. Um Gestattung des Rechtsmittels der Revision und Nichtigkeits⸗ beschwerde gegen ein in der Ober⸗Appellations⸗-Instanz ergangenes Urtheil in dem in §§. 48 bis 52 der Ober⸗Appellationsgerichts⸗Ordnung gedachten Falle st bei dem betreffenden Herzoglichen Staats⸗Ministerium in gesetzlicher Frist nachzusuchen, das Herzogliche Staats⸗Ministerium hat hierauf den er forderlichen Schriftenwechsel (zu welchem es jedoch nicht nöthig ist, einen der bisherigen Ober⸗Appellationsgerichts⸗Advokaten zu bestellen), von den betreffenden Oberlandesgerichten leiten zu lassen, das Erkenntniß demnächst selbst von einer deutschen Juristenfakultät oder einem Schöppenstuhle einzu⸗ holen und dasselbe durch die betreffenden Oberlandesgerichte den Parteien eröffnen zu lassen.
gen, daß man bei einem nord⸗ und mitteldeutschen Bunde sich be⸗
Da übrigens dem Staat Ministerium ver assungsmäßig eine rechtliche Beurtheilung der Frage: ob das Rechtsmittel der Revision nach §. 51 der Oberappellations⸗Gerichtsordnung zu gestatten sei, nicht zusteht, so ist hier⸗ über von den auswärtigen Spruchkollegien zugleich mit zu erkennen.
§. 6. Die Gerichts⸗ und Advolaten⸗Gebühren werden in der Ober⸗ appellations⸗ und Revisionsinstanz nach der der Oberappellations⸗Gerichts⸗ ordnung angehängten Sporteltare berechnet. Die Feststellung der Advoka⸗- ten⸗Kostenrechnungen geschieht durch die betreffenden Oberlandesgerichte, 5689 auch die verwirkten Geldstrafen zu ihren Sportelkassen einzuziehen haben. 3 S§. 17. In den Fällen, wo die Versendung in Civil⸗ und Kriminal⸗ sachen in Folge der obigen Anordnungen erfolgt, werden diejenigen Kosten⸗ massen, welche durch die Einholung des auswärtigen Urtheils, resp. Gut⸗ achtens, und der Verfügung über den Betrag, welcher zu bezahlen gewesen sein würde, wenn das vormalige Ober⸗Appellationsgericht selbst erkannt oder beschieden hätte, verursacht sind, aus der Sportelkasse des betreffenden Ober⸗ landesgerichts getragen.
In allen denjenigen Fällen, wo überhaupt Kosten von den Parteien
oder Augeschuldigten nicht beizubringen sind, werden die Gerichtsgebühren niedergeschlagen, die baaren Auslagen aber, wozu auch die Gebühren der Juristen⸗Fakultäten und Schöppenstuͤhle für die Urtheile, Gutachten u. s. w. “ ebenfalls aus den Sportelkassen der betreffenden Oberlandesgerichte estritten. S§. 8. Die Bestimmungen der Oberlandesgerichtsordnung und die übrigen darauf bezüglichen Gesetze, insoweit sie nicht durch die jetzt noth⸗ wendig gewordene Auflösung des Oberappellationsgerichts schon von selbst ihre Geltung verlieren oder insoweit dieselben nicht im Vorstehenden ab⸗ geändert find, betalten ferner ihre gültige Kraft
Dessen zu Urkund haben Wir diese Verordnung eigenhändig vollzogen und mit Unserem Herzoglichen Insiegel bedrucken lassen. Deßan, 10. De⸗ zember 1849. Leopold Friedrich, Herzog zu Anhalt. Goßler. Plötz. Vierthaler.
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Ausland. 11“ E11“ “ Griechenland. Lloyd. Der Courier d'Athenes vom 8. Dez. veröffentlicht zwei Königliche Dekrete, betreffend das Ein⸗ nahmen⸗ und Ausgaben⸗Budget des nächsten Verwaltungsjahres bis zum 12. November 1850.
Obwohl die mobile Gendarmerie mehrerer Räuberbanden hab⸗ haft geworden, herrscht doch noch immer Unsicherheit auf den Stra⸗ ßen Griechenlands. Die Verwegenheit der Räuber geht so weit, daß letzthin selbst in der Umgebung von Korinth mehrere Reisende und selbst der Post⸗Courier angehalten und ausgeplündert wurde. Die schleunigst an Ort und Stelle abgehende Gendarmerie fand wohl noch die Opfer, aber keinesweges die Urheber der Gewaltthat.
Einem Berichte aus Syra zufolge sieht man in Lamia der Ankunft von 800 politischen Flüchtlingen entgegen, welche die Pforte um die ihnen von der griechischen Regierung verweigerte Unter⸗ stützung angehen wollen.
Jonische Inseln. (Lloyd.) Die G azzetta di Corfu vom 12. November veröffentlicht eine von Lord Ward an die jonische National⸗Versammlung gerichtete Botschaft, in Folge deren verschiedene Modificationen in den Verfassungs⸗Modalitäten der Jonischen Inseln stattfinden sollen. So soll die Ernennung von fünf Senatoren zwar, wie früher, von der National⸗Versammlung ausgehen, aber auch einem Doppel⸗Veto und einer unbeschränkten doppelten eventuellen Ernennung von Seiten des Lord⸗Ober⸗Kom
missärs unterworfen sein. Hierdurch wird der Antrag der National
Versammlung, daß die Senatoren nur aus der Mitte der gesetzge⸗ benden Körper gewählt werden sollen, beseitigt, zu welchem Be⸗ schlusse sich die britische Regierung durch den Umstand veranlaßt sah, daß eine Körperschaft, der außer der legislativen auch die exekutive Gewalt anheimfallen könne, einen zu sehr beeng
ten Wahlraum darböte. Ferner hat die englische Regierung den an sie gestellten Antrag, daß der Repräsentant Englands in Abwesenheit der jonischen National⸗Versammlung die Verantwort⸗ lichkeit seiner Handlungen zu übernehmen hätte, als unzulässig ver⸗ worfen. Dagegen erklärt sich die englische Regierung bereit, die Zahl der jonischen Volksvertreter zu erhöhen, sich in die Wahlvor⸗
gänge nicht wie bisher einzumischen, und die geheime Abstimmung unter dem Vorbehalte zu gestatten, daß dieselbe so wie in Malta vorgenommen würde, wo die Insel in Wahldistrikte getheilt, an deren Hauptorten die Wahlen vorzunehmen seien. Noch wird eine Verfügung der jonischen National⸗Versammlung annullirt, durch welche die militairischen, von den jonischen Inseln zu leistenden Contributionen ein Fünftel des gesammten staatlichen Einkommens nicht übersteigen sollten. Die britische Regierung hat vielmehr für gut gefunden, diese Contribution auf einen Jahresbetrag von
25,000 Pfd. St., und die Civilliste des Lord⸗Oberkommissärs auf ein Minimum von wenigstens 13,000 Pfd. St. festzusetzen. b
Türkei. (Lloyd.) Berichten aus Salonich zufolge hat das Piraten⸗Unwesen in den dortigen Gewässern seit einiger Zeit auf⸗
In Smyrna sieht man der Errichtung einer Dampfmühle ent⸗ gegen. Unter den Actionairen figuriren der Sultan und die vor⸗ züglichsten Würdenträger des Reiches, worauf die Smyrniater nicht wenig Gewicht legen.
Aegypten. (Lloyd.) Aus Alexandrien erfährt man vom 26. Noven ber, daß Abbas Pascha in Kahiro einen großen Rath mit sämmtl chen Gouverneuren und Scheiks abgehalten habe, wie das traurige Loos der Fellahs zu verbessern sei; wichtige Beschlüsse wurden in dieser Berathung gefaßt, unter welchen vor allem die Verfügung hervorgehoben werden muß, daß den großen Erblehn⸗ besitzern, die größtentheils Verschwender und dem Staate verschul⸗
et sind, ihre Besitzthümer genommen werden sollen, um sie den Dorfbewohnern zur Benutzung zu geben. Abbas Pascha soll bei dieser Gelegenheit eben so sehr richtiges Urtheil, als Gerechtigkeits⸗ sinn an den Tag gelegt haben.
Persien. (Lloyd.) Die letzten Briefe aus Persien vom 23sten v. M. versichern, daß die Ruhe in Chorasan bald völlig her⸗ gestellt sein wird, da Salar Chan, der eigentliche Anstifter des Aufstandes, von seinen Anhängern verlassen wird. Er befindet sich gegenwärtig in der Stadt Mesched, welche von den Truppen bela⸗ gert ist, und sich wohl bald ergeben dürfte. Mirza⸗Achmed, Sohn des verstorbenen Oberhauptes des persischen Klerus, hatte einen Aufstand versucht, wurde aber an seinem Vorhaben verhindert, und gefesselt nach Teheran abgeführt. Der britische Gesandte, Oberst 8 Shiel, ist an seinen Posten in Teheran wieder zurückgekehrt.