nachdem endlich das Wort gesprochen ist, sich durch dieses Wort verführen läßt. Die Lage war für uns, die wir den deutschen Bundesstaat wollen, viel ungünstiger, so lange wir nicht wußten, was die Gegner wollen, so lange dies gleichsam ein vergrabener Schatz war. Jetzt sind wir in einer glücklicheren Lage. Wir wis⸗ sen, was sie wollen, und nach demjenigen, was wir wissen, kann die Wahl nicht zweifelhaft sein.
Wohl weiß ich, daß der Bundesstaat nach dem Ste Faf. vom 28. Mai in der Form, wie es vor uns liegt, aus kleinen An äingen besteht, daß er noch keinesweges fertig ist, sondern nur die Bedin⸗ gungen in sich enthält, unter denen er gebildet und 8 eu kann. Aber ich finde eben in diesem Projekt vom 28. 8 f ht nur die kostbare Erbschaft, das Vermächtniß, welches die Nation durch ihre Vertreter hinterlassen hat, sondern auch das lebensfähige Element zu einer wirklichen staatlichen Bildung. Hieraus kann sich Fetwas entwickeln, aus der münchener Aufstellung nichts. Um 8 können sich die Staaten wie um einen Krystall herumlegen, es kann allmälig durch seine Attractionskraft zur staatlichen Einheit führen und am Ende, ja, es wird diese Zeit nicht mehr fern sein, alles Andere, was wir noch wünschen und bis jetzt vermissen, hereingezo⸗ gen werden, weil nichts Anderes da ist, was als Anziehungspunkt dienen könnte, und in jenem Projekt alles das, was die Nation will, in seinen Grundlinien festgestellt ist, es also auch allein sich auf geschichtlichen und natürlichen Grundlagen bewegt. 8
Wohl weiß ich, daß auch dieses Projekt nicht mehr ist, als der Anfang des Zollvereins; allein auch dieser hat in einer kurzen Reihe von Jahren gezeigt, was aus einem kleinen Bunde werden kann, wenn eine Lebenskraft darin liegt, wenn große Interessen und Bedürfnisse dadurch genährt sind, und nicht partikuläre oder individuelle Interessen dahinter liegen. Als der Zollverein im Jahre 1835 hier zur Diskussion kam, wurde auch von Männern, die ich hoch verehre, gesagt, wenn dieser Zollverein ein ganz deut⸗ scher wäre, wenn ganz Deutschland ihm angehörte, so würden wir mit Freuden ihm zustimmen; so sind wir aber nichts, als ein Va⸗ sall der preußischen Politik. Dasselbe können wir jetzt über den Bundesstaat und seinen Anfang hören.
Ich zweifle nicht, daß der Gang der Dinge, wenn man bei diesem Projekt stehen bleibt, derselbe sein wird, wie bei dem Zoll⸗ verein, und daß sich aus dieser fruchtbaren und lebenskräftigen Grundlage etwas Aehnliches im Laufe weniger Jahre entwickeln wird, wie es sich dort aus der Grundlage des Handelsbundes ent⸗ wickelt hat. Die Früchte fallen nicht reif von dem Baum, sondern verlangen Zeit. Wollen wir warten, bis ganz Deutschland in dem Bunde ist, so machen wir es wie jenes Baͤuerlein, das warten wollte, bis der Fluß abgelaufen ist, um dann trockenen Fußes hin⸗ übergehen zu können.
Wenn ich ein kleines Haus vor mir sehe und unter freiem Himmel den Stürmen preisgegeben bin, und die Wahl habe, in dieses kleine Haus, das aber zum Haus der deutschen Nation er⸗ weitert werden kann, einzuziehen, so wähle ich unbedingt das Letz⸗ tere. Alsdann erst wird alles das möglich sein, was als Ziel der großen Einigung aller deutschen Kräfte bevorsteht. Die Union mit Oesterreich, die engere Handelsverbindung mit demselben, kann nicht erfolgen, ehe ein Deutschland da ist und ein Bundesstaat, mit dem ein diesfallsiger Vertrag geschlossen werden kann. Eher kann nicht ein Großdeutschland geschaffen werden, bis ein Kleindeutschland geschaffen ist. Im Uebrigen wird die öster⸗ reichische Politik und ihr Verhältniß zu den deutschen Staa⸗ ten und Interessen immer das bleiben, was ein viel genann⸗ ter Staatsmann so scharf und klar, wie es nicht besser ge⸗ sagt werden könnte, in einer Schrift auseinandergesetzt hat. „Erwäge ich der Gang“, sagt dieser Mann, der früher an der Spitze unseres Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten stand, „den das österreichische Kabinet seit 25 Jahren in allen Bundes⸗ Angelegenheiten konsequent eingehalten hat, so ist es mir nicht zweifelhaft, daß dasselbe kein in sich geschlossenes Deutschland mit nationalen Tendenzen und gemeinschaftlicher centraler Action will und wollen kann. Ein solches Deutschland könnte sich nur auf Kosten des Partikularismus der einzelnen Bundesstaaten bilden, und da Oesterreich seinen Partikularismus nicht mit dem Deutsch lands verschmelzen und in demselben aufgehen lassen kans, eben so wenig aber auch von Deutschland wird ausscheiden wollen, so ist es selbst verstanden, daß der K. K. Hof der Bildung eines solchen neuen Deutschlands entgegen sein muß ꝛc.“
In diesen Worten, die ein Kenner und Freund der österrei⸗ chischen Politik gesprochen hat, in diesen Worten Blittersdorff's ist schärfer und bestimmter, als wir es sagen könnten, der Geist der Politik niedergelegt, der wir die Hemmungen und Störungen ge⸗ genüber von dem Verfassungswerke, der wir schließlich den Ent⸗ wurf von München verdanken. Die gefährliche Lage, worin wir uns befinden, werden wir uns nicht klarer machen können, als wenn wir uns den Fall vor Augen stellen, das Dreikönigs⸗Bünd niß werde verlassen oder es existire nicht. Was dann aus Deutschland werden würde, dies, meine Herren! hat uns warnend und füuͤr die Zukunft mit bestimmten Andeutungen die Erfahrung der letzten Jahre gezeigt, wenn wir nicht wenigstens diesen einen Punkt hätten, um den sich ein Deutschland in seinen Hoffnungen und seinen Bedürfnissen anlegen könnte. Soll etwa von neuem eine Partei über Deutschland kommen zu einer Zeit, wo alle gro⸗ ßen Kräfte der Nation schlummern, wo jede große Action aufhört, wo sich die verwitterte Kraft in das Innere der Nation zurück⸗ zieht, und wie ein Gift dieselbe durchschleicht, wie wir dies neulich gesehen haben? Wählen Sie zwischen diesem Projekt von München und dem Vermächtniß der Nationalversammlung, welches die Krone Preußen angenommen hat, zwischen jenem Projekt, das uns in die alte, unbestimmte Lage, die zweifelhaften Zustände, revolutionaire Hoffnungen und Gelüste zurückruft, und jenem Vermächtniß der Nationalversammlung. Wenn Sie eingedenk sind der Zeit, die wir erlebt haben, eingedenk der Folgen jener verwilderten und verwit⸗ terten alten Politik, der Thatsachen der letzten Jahre, der oft und viel gegebenen Verheißungen von oben, und der, wenn auch jetzt durch Mißstimmung zurückgehaltenen oder im Volk noch lebhaft vor⸗ handenen Erinnerungen und Erwartungen, so werden Sie nicht zweifelhaft sein. Sie werden das Werk der Nation wählen und nicht das Werk der österreichischen Diplomatie. Ich unterstütze den Kommissionsantrag.
BünBit el: Der Eindruck, welchen das eben besprochene 8 zierkönigs punkten Büden machte, mag nach den verschiedenen Stand⸗ fein. Ich NI n Erinnerungen des Einzelnen ein verschiedener die Voriebe ine aus der alten Markgrafschaft Hochberg und habe rliebe für Baden mit der Muttermilch ein esogen, und darum
hat mich dieses siebenköpfige Ungethum mde vine: ghren Absche erfüllt. Wem kande . ge Ungethüm mit einem wahren Abscheu vorhat? Es hat mich noch zweifelhaft sein, was man mit Baden r. n ich aber auch in der Ueberzeugung befestigt, daß
es eine Rettung und eine Sschevlzeit sin. eld g. öfine Sicherheit für Baden nur in dem Fest⸗
halten an das Bündniß vom 26. Maj n Anschluß an Preu . ai und in dem inni
g. ßen giebt. Ich hab b
sehen, welche Elemente in Baden 2 E 117 gegenstehen, und ich glaube „es müssen dieselben C digt werden, um ungünstige Vorurtheile wo möglich zu
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berichtigen. Man sagt, daß dem Anschlusse an Preußen ein großer Theil der Aristokratie des Landes abgeneigt sei. Vielleicht sind es alte reichszeitliche Reminiscenzen, welche dem Emporstreben eines jüngeren Königshauses abhold sind. Als ein napoleonischer König die Worte sprach: „Ich unterwerfe mich keinem Hohenzollern“, so haben dieselben durch die ganze Aristokratie bis auf die letzten Glieder derselben durchgekkungen. Welche Rücksicht diese aristokra⸗ tische Antipathie gegen Preußen verdient, wird dadurch bedingt sein, welche Bedeutung wir der Aristokratie in Baden überhaupt beilegen. Ich bin grundsätzlich kein Gegner einer tüchtigen politischen Aristo kratie, wo eine solche vorhanden ist, wie in England, welche aber nicht etwa blos die Vertreterin ihrer Standesinteressen, sondern ge⸗ stützt durch wirkliche Macht und Einfluß die Trägerin des National⸗ gefühls ist. Eine solche Aristokratie halte ich für einen konstitutio⸗ nellen Staat wünschenswerth. Aber derjenige Theil der Aristokratie in Baden, welcher diesen Anforderungen entspricht, dem die Chre und das Wohl der Nation über Alles geht, ist gewiß nicht der, welcher dem Anschlusse an Preußen entgegen ist; der andere aber wird in diesem Hause keine Beachtung finden. — Vielfach steht auch dem An schlusse an dieses Bündniß eine gewisse großdeutsche Sentimentalität entgegen. Wer wünscht nicht ganz Deutschland vereint? Wenn aber das jetzt nicht möglich ist, ist es dann vernünftig, wenn man den einzigen Weg versperrt, der dahin führen kann? Man wirft den Demokra⸗ ten vor, daß sie sich in den Grundsatz verrannt haben: Alles oder nichts. Aber was thun die empfindsamen Großdeutschen anders, wenn sie eine völlige Zerrissenheit Deutschlands (das Vierkönigs⸗ Bündniß ist nichts Anderes) den Anfängen einer wahrhaften Eini⸗ gung vorziehen? — Der demokratische Widerwille gegen Preußen und das Dreikönigs⸗Bündniß ist erklärlich. Nichts kann ihr unge⸗ legener kommen, als ein starkes Preußen und ein starker Bund. Daß nichts zu Stande komme, ist ihre einzige und letzte Hoffnung. Die Zerrissenheit des monarchischen Deutschlands ist ihr Wunsch und ihre Sehnsucht, die Kleinstaaterei auf das höchste getrieben ihr Paradies. Die gegenwärtige Niedergedrücktheit und Hoffnungslosig⸗ keit des Volkes wird von den Demokraten nicht ungern gesehen; denn es ist nichts bedenklicher für die bestehenden Zustände, als wenn die Masse des Volks an ihrer Verbesserung verzweifelt. Wer alsdann bei einer eintretenden Gelegenheit es aus seiner Apathie zu wecken vermag, der kann über dasselbe gebieten. Nichts wird darum die demokratische Gesinnung nachdrück⸗ licher verdrängen können, als wenn dem Volke etwas ge⸗ boten wird, was seine Hoffnungen wiedererweckt und sein patriotisches Interesse in Anspruch zu nehmen vermag. Ich berück⸗ sichtige noch die konfessionelle Antipathie, welche man in einem Theile unseres Landes gegen Preußen zu erwecken sucht. Die Wühlerei in dieser Beziehung bleibt hinter der demokratischen nicht zurück. Wie diese den deutschen Nationalsinn, den Enthusiasmus des Volkes für eine deutsche Einheit mißbrauchte, so wird von je⸗ ner das religiöse Vorurtheil mißbraucht. Die katholische Kärche in Baden hat in der That keine Ursache, Mißtrauen gegen eine Re⸗ gierung zu äußern, an deren Spitze ein protestantisches Regenten⸗ haus steht. Seitdem die vorderösterreichischen Lande badisch gewor⸗ den sind, hat sich jene Kirche gewiß nicht darüber zu beklagen ge⸗ habt, daß sie zurückgesetzt worden sei. Eben so wenig hat sie Ur⸗ sache, mit Besorgniß auf das Dreikönigs⸗Bündniß zu blicken. Wenn eine Regenten⸗Familie, wie dies in Preußen der Fall ist, aufrichtig reli⸗ giös ist, so wird sie nie und nimmermehr der selbstständigen Entwicke⸗ lung einer konfessionellen Corporation willkürlich entgegentreten. Dafür hat man, wenn irgendwo, in Preußen eine sichere Bürg⸗ schaft. Blicken Sie in die preußische Verfassung; wo ist, wie hier, die kirchliche Freiheit mehr garantirt? Sehen Sie auf die neuesten geschichtlichen Vorgänge in Preußen; wo steht denn die katholische Kirche selbstständiger und freier, in den Rheinlanden und Schlesien, oder in Oesterreich? Dadurch wird eine Kirche nicht frei, daß sich der Regent zu ihr bekennt; vielmehr steht sie gerade dadurch oft mehr in Gefahr, zu politischen Zwecken dienen zu müssen, und in der That ist dies in der Richtung, in welche Oesterreich gedrängt ist, in seinem innigen Anschlusse an die russische Politik mehr als irgendwo zu besorgen, denn das wissen wir Alle, daß in Rußland die Kirche ein rein politisches Institut ist.
Für die deutsche Politik scheint es mir von der größten Wich⸗ tigkeit zu sein, daß Baden treu an das abgeschlossene Bündniß hält, denn dadurch werden alle Rheinbundsgelüste am sichersten vereitelt. Ich sehe es als eine glückliche Fügung für das Schicksal Deutsch⸗ lands an, daß Preußen veranlaßt worden ist, Baden zu besetzen, und dadurch die Wiederherstellung jenes schmachvollen Verhältnisses zu verhindern. Zwei Erwägungen könnten es sein, welche unsere Regierung in ihrer Entschließung möglicher Weise wankend machen könnten. Zunächst ist es die Besorgniß, daß überhaupt Nichts zu Stande komme. Leider hat diese Besorgniß unter dem Volke sich nur allzusehr verbreitet, und eine Hoffnungslosigkeit in Beziehung auf eine Besserung unserer Zustände erzeugt, an der die besten Be⸗ strebungen scheitern. Wir müssen dieser Besorgniß mit Enschiedenheit entgegentreten und mit Festigkeit den eingeschlagenen Weg verfolgen. Ich habe die feste Ueberzeugung, daß das, was in der Brust der Besten des deutschen Volkes lebt, auch gewiß zur Ausführung kommt, wie manche Hindernisse auch entgegentreten mögen. Die Geschichte wird nicht von Menschen gemacht; sie geht unter einer höheren Führung ihrem Ziele entgegen. Die Entwickelung eines Volkes geht ihren Gang fort, und entfernt aus ihrem Wege, war ihr entgegensteht, wenn es auch Throne wären. Ein anderes Be⸗ denken erregt bei Vielen die Frage, ob der Anschluß vortheilhaft für uns sei, ob nicht die Auflösung des Bündnisses uns größere Vortheile biete. Die Beurtheilung, wie für unsere staatswirth⸗ schaftlichen Interessen am besten gesorgt sei, überlasse ich gern An⸗ deren, kann aber doch nicht verschweigen, daß ich beim Hinblick auf die Landkarte den Rhein für die Lebensader unseres Verkehrs hal⸗ ten muß; dieser aber fließt nicht nach Wien und Rußland, sondern nach dem Norden. Was in politischer Beziehung für uns das Rathsamste sei, darüber können wir nach den letzten Vorgängen nicht mehr zweifelhaft sein. Wären wir's, so ist so viel gewiß: Es giebt gegenwärtig nur eine sichere Stütze, die Politik der Wahrheit und der Treue. Nach den Stürmen des letzten Jahres hat man in Baden ganz besonders Ursache, mit der größten Gewissen⸗ haftigkeit daran festzuhalten. Man sagt, wenn nur erst das Volk wieder sittlicher und religiöser sei, so werde es auch wieder treuer sein. Freilich, wenn in einem Volke überhaupt keine Treue ist, so hat es auch keine politische Treue. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß diese nothwendig eine gegenseitige ist. Die deutsche Politik der letzten dreißig Jahre hat in dem Volke den Glauben an die Treue von oben zeistört, und so ist auch in ihm die Treue erstorben. Möge dieser Weg nicht wieder eingeschlagen werden. Möge nicht abermals die schönste und edelste Hoffnung des deutschen Volkes hingehalten und getäuscht werden, nicht abermals der Keim wieder⸗ erwachenden Vertrauens erstickt werden. Das ist unsere rettende Politik: Treue über Alles.
Rettig: Sie werden, wenn ich das Wort nehme, mit einem Rekonvaleszenten wohl einige Nachsicht haben. Es ist auch gar nicht meine Absicht, durch einen glänzenden Vortrag Sie hinzu⸗ reißen, sondern ich will nach meiner Weise nur einige Bemerkun⸗
gen hinwerfen, um wo möglich zu verhüten, daß man bei der
Zusammenkunft in Erfurt nicht wieder in den früheren Fehler ver⸗ falle, daß man nicht aus allzu großem Eifer für das, was man
für gut und recht hält, den Erfolg zweifelhaft macht, oder gar
zerstört. Ich beginne mit einer dankbaren Anerkennung: Ich anerkenne nämlich dankbar und mit voller Ueberzeugung die Schritte, die unsere verehrte Regierung im Mai vorigen Jahres gethan, indem sie sich voll Vertrauen in die starken Arme der preußischen Monarchie geworfen hat. Die Aussichten für unser Land waren damals so trübe, von allen Seiten so trostlos, daß lediglich in diesem Schritt die so sehnlich gewünschte Rettung zu finden war. Ich anerkenne jene Nothwendigkeit um so mehr, als ich, als Augenzeuge der Tagesereignisse in unserem Lande, die feste Ueberzeugung habe, daß wir ganz nahe daran waren, den zweiten Schritt der Revolution zu thun, aus der ersten Revolution
in die Revolution der blutigen und gänzlichen Anarchie zu kommen.
Deswegen knüpft sich an dieses mein Anerkenntniß auch meine An⸗ erkennung und mein Dank für die kräftige und schnelle Hülfe, die uns von der Krone Preußen zu Theil wurde. Ich anerkenne ferner, daß ihr Schutz uns auch jetzt noch, und noch länger, als manche meiner Mitbürger glau⸗ ben, nöthig ist. Eben so dankbar und anerkennend spreche ich mich dafür aus, daß durch die Vorlage, die wir erhalten haben, durch das sogenannte Dreikönigs⸗Bündniß, das ich aber wegen der ver⸗ änderten Verhältnisse lieber, und um richtiger zu sprechen, künftig die deutsche Union nennen will, daß also durch die uns vorgelegte reutsche Union der Weg angebahnt ist, der einzig mir möglich scheinende Weg, daß Deutschland endlich zu einer Gestaltung komme. Daran festzuhalten und diese Union wo möglich auszubreiten, das wird das Hauptziel der Regierung und der Hauptwunsch unserer Mitbürger sein. Wer allenfalls noch diesen Wunsch nicht getheilt hat, wird wohl durch das vorgelegte bayrische Pro⸗ jekt und das, was der Abgeordnete Häusser vorgetragen hat, zu der Ueberzeugung kommen, daß obiger Weg standhaft verfolgt wer⸗ den müsse, wenn wir uns nicht der Gefahr preisgeben wollen, abermals in eine deutsche Anarchie zu verfallen. Aber diese meine Ueberzeugung und diese meine Anerkennung hindert mich nicht, auch die sich daran knüpfende Ueberzeugnng auszusprechen, daß die Ver⸗ häͤltnisse, wie sie im Mai 1849 waren und wie sie im Mat 1850 wirklich sind, sehr von einander verschieden sind. Im Mai 1849, da das Dreikönigs⸗Bündniß zu Stande kam, waren die Ansichten der kontrahirenden Staaten, und namentlich von Preu⸗ ßen, noch ganz so, wie sie in der Unions⸗Urkunde uns vorgelegt sind. Wir aber wissen, daß die Verhandlungen über die preußische Verfassung, besonders jene, die der definitiven Anerkennung jener Verfassung vorangegangen sind, manche Ansichten zu Tage foͤrder⸗ ten, die mit jenen der frankfurter Versammlung und jenen, die von deren Beschlüssen in unseren Entwurf übergegangen sind, nicht übereinstimmen. Eine andere, auch sehr einflußreiche Ver⸗ änderung ist natürlich die, daß Hannover von dem Dreikönigs⸗ Bündniß zurückgetreten, daß Sachsen wenigstens nicht beigetreten ist, und wahrscheinlich nur so lange zögert, bis das Jahr abge⸗ laufen ist, wofür es sich verbindlich machte, und daß es sich ge⸗ genwärtig nicht um den Beitritt zu einem Dreikönigs⸗Bündniß, sondern um einen Beitritt der kleineren deutschen Staaten zu einem Vertrage mit der Krone Preußen handelt. Wir wollen uns dar⸗ über keine Illusionen machen. Schon das Zahlenverhältniß giebt dies, wenn wir in unseren Entwurf blicken. Derselbe enthält ein Fürsten⸗Kollegium, in welchem 4 Könige sitzen. Von diesen eér⸗ blicken wir gegenwärtig keinen in dem Fürsten⸗Kollegium, und die Stellung der kleinen Fürsten der Großmacht gegenüber ist eine ganz veränderte. Das wird Niemand in Abrede stellen, daß das Wort von vier Königen in die Wagschale der kleineren Staa⸗ ten gelegt, der Großmacht gegenüber, ein bedeutendes Gewicht hat, und daß die Rolle, das Gegengewicht der Großmacht ge⸗ genüber zu halten, auf Baden und einige weniger bedeutende Staaten gekommen ist. Eben se sind die Hoffnungen auf einen Beitritt von Bayern und Württemberg durch diesen Rücktritt, vielleicht auch durch die veränderten Verhältnisse der österreichischen Krone sehr zurückgetreten. Dieses Zurücktreten jener Aussicht ist aber für uns als Süddeutsche und als Bewohner einer gewisser⸗ maßen exponirten Provinz von vielfacher Bedeutung. Ich bin kein Kriegsmann, und will mich nicht strategischer Kenntnisse rühmen, aber so viel verstehe ich von dem Kriegshandwerk, daß im Fall wir in einen Krieg mit Frankreich verwickelt werden, die Lage von Ba⸗ den unter allen Theilen des Unionsgebiets bei weitem die gefähr⸗ lichste ist, die Operationsbasis eines deutschen Armee⸗Corps oder ei⸗ ner preußischen Hauptarmee kann unmöglich anderswo als in der Nähe des Kerns der uniirten Staaten, nämlich am Unterrhein, ge⸗ sucht werden. Der Oberrhein ist und bleibt in einem solchen Fall der expo⸗ nirte Theil des Unionsgebiets. Auch bei dem besten Willen könnte es leicht der Fall sein, daß uns die Hülfe der Union zu spät käme, selbst dann, wenn, wie ich gar nicht zweifle, in einem solchen Falle Oe⸗ sterreich, Bayern und Württemberg die deutsche Sache nicht im Stiche ließen. Es wäre schlimm genug für uns, wenn sie auch nur auf ihrer Operationsbasis an der Donau einige Zeit verweilen würden; das hadische Land wäre dann überschwemmt, ausgesogen und niedergetreten, ehe noch wirksame Hülfe herbeikommen könnte. Ein anderes Bedenken bezieht sich auf die jetzige Gestalt des Unions⸗ gebiets. Ich setze voraus, daß Sie, meine Herren, die Karte von Deutschland im Kopfe haben, und wissen, was für eine Gestalt das Unionsgebiet hat. Es dehnt sich hoch oben von der Ostsee anfangend längs der Gränze von Dänemark, Nie⸗ derland, Belgien und Frankreich herab südlich bis an die Alpen: die äußerste Spitze dieses Gebiets ist bekanntlich Baden. Sehr verschieden sind die klimatischen und Productionsverhältnisse dieser Länder. In dieser Union ist bei weitem die Mehrheit der Stimmen natürlich im Interesse der nördlichen Staaten, und Ba den steht in dieser Hinsicht mit seinen Interessen der Production und des Verkehrs isolirt da. Dieses Mißverhältniß kann noch viel auffallender werden, wenn wir die Zollverhältnisse ins Auge fassen. Im Artikel 1 der Verfassung heißt es: das deutsche Reich besteht aus dem Gebiete derjenigen Staaten des bisherigen deutschen Bundes, welche die Reichsverfassung anerkennen, mit anderen Wor⸗ ten, die dem Bund beitreten; und im Artikel 33 heißt es: das deutsche Reich soll ein Zoll⸗ und Handelsgebiet bilden, umgeben Fson geen. schaftlicher Zollgränze. Ich glaube, daß diese Stellen nicht so schlimm gemeint sind und angewendet werden, als sie lauten. Wollte man sie wörtlich nehmen, so wäre damit gesagt: im Falle Württemberg
und Bayern nicht beitreten, so wird die Zolllinie des Vereinsge⸗
biets um Baden herumgezogen. Ich glaube kaum, daß die Abge⸗ ordneten nach Erfurt, welche die Stadt Mannheim “ schickt, einen großen Dank ärndten würden, wenn sie und weißen bayrischen Zollstab für die Rheinbrück⸗ 6 9. hten, und eben so undankbar werden diejenigen I 1nen; * von der schwäbischen Gränze kommen, wenn ste⸗ ie Nac bräch⸗ ten, daß an der württembergischen ö“ für Baden wie⸗ der die Zollgränze sei. Ein anderes, für Baden nicht günsti⸗ ges Verhältniß stellt sich aus der Matrikel hervor. Dadurch,
je arößeren Steuerpflichtigen, die Königreiche, aus der deut⸗ sah an⸗grichf surüsgetreten sind, wird die Steuerlast der kleineren
““
Steuerpflichtigen um Vieles größer. Wir haben künftig zur deut⸗ schen Flotte beizutragen, ein Gegenstand, der überall vielen Enthu⸗ siasmus erregt hat. Aber die Bestimmung der deutschen Flotte kann doch vernünftigerweise vor der Hand keine andere sein, als unsere norddeutschen Häfen in Schutz zu nehmen, als die Küsten⸗ fahrt an der Ost⸗ und Nordsee zu beschirmen. Auf großartige Un⸗ ternehmungen, auf einen Wettkampf mit dem britischen Dreizack, oder auch nur auf Rivalität mit der französischen, russischen oder amerikanischen Flotte wird sich im nächsten Menschenalter die deutsche Flotte nicht einlassen. Wir beisteuern willig zu der deutschen Flotte als Ehrensache und freuen uns, daß auch die deutsche Flagge auf dem Meere sich sehen lasse; in diesem Ge⸗ fühl tragen wir zu der Flotte und ihrer Armirung, zu der Befesti⸗ gung der Seeufer und der Ausrüstung der Seearsenale bei. Wir freuen uns, daß jene Gegenden, die zunächst durch ihre Lage da⸗ hin gewiesen sind, Vortheile genießen. Es wird dies von Interesse sein für die Flußgebiete der Weser, Elbe und Oder; aber bis die deutsche Flotte den Rhein öffnet, uns den freien Durchgang von dem Rhein ins Meer verschafft, wird immer noch längere Zeit hin⸗ ziehen. Ich bemerke dieses lediglich in der Absicht, daß man sich nicht zu viel von einem Verhältniß zum voraus versprechen möge, das nur ein Anfang ist und erst später Erfolge bewirken kann.
Wir lesen in der trefflichen Denkschrift der drei Könige, die unserem Entwurfe beigefügt ist, folgende Stelle: „Der Abschnitt VI. von den Grundrechten des deutschen Volkes leidet in der Verfas⸗ sungsaufstellung der Nationalversammlung sowohl im Grundsatze als in der speziellen Durchführung an vielfälfigen Gebrechen. Da dieser Abschnitt jedoch bereits in mehreren Staaten publizirt wor⸗ den ist, so sind, namentlich mit Rücksicht auf diesen Um⸗ stand, die Aenderungen hier auf das Nothwendigste beschränkt worden.“ Sie sehen, meine Herren, was die Ansichten dieser das Bündniß gründenden Fürsten in Hinsicht auf die frankfurter Be⸗ schlüsse waren. Sie sehen, daß sie nur die nothw endigsten Be⸗ schränkungen in unseren Entwurf niedergelegt haben, ohne Zweifel in der sehr richtigen Voraussicht, daß alsdann die Annahme desselben weniger Schwierigkeiten begegnen wird. Da nun aber die erfurter Versammlung die Aufgabe hat, den Entwurf zu prüfen und zu geneh⸗ migen, so liegt darin auch die Vollmacht, das, was hier angedeutet ist, daß nämlich noch manche andere Aenderungen benfalls erwunscht seien, zur Wirtlichkeit zu bringen. Ich glaube, daß hierin das Hauptmoment des Auftrages unserer Freunde, welche gen Erfurt ziehen, gelegen ist, und wünsche von Herzen, sie möchten dem Fest⸗ halten an den früheren srankfurter Beschlüssen, dem Festhalten an einzelnen weniger wichtigen Bestimmungen der Verfassung, und namentlich dem Festhalten an einzelnen allgemein theoretischen Sätzen nicht das Wohl, nicht die Einigung von Deutschland zum Opfer bringen. So wenig ich mich jemals dem Gedanken hingeben könnte, daß ein Entwurf, wie der heute durch den Herrn Abgeord⸗ neten Häͤusser besprochene, zur Grundlage der künftigen Verfassung Deutschlands dienen soll, und so sehr ich dafür bin, daß die uns gegebene Grundlage der rechte Weg sei, etwas dem Vaterlande Ersprießliches zu erlangen, so sehr möchte ich ermahnen und war⸗ nen, daß unsere Abgeordneten für Erfurt doch ja auf ihre Kolle⸗ gen dahin wirken möͤchten, daß wo möglich das Gute erlangt und nicht aufgegeben wird über dem Haschen nach dem Besseren. Ich
moͤchte ihnen ans Herz legen, vor Allem dahin zu trachten, ein⸗
einiges und starkes Deutschland zu Stande zu bringen. Ich stehe Ihnen gut dafür, ein einiges und starkes Deutschland wird immer auch ein freies Deutschland sein.
Zell: Es giebt sowohl für den einzelnen Menschen, als für einen ganzen Staat Fälle, wo seine Stellung und der Weg, den er zu nehmen hat, unabweisbar durch den Gang der Ereignisse festgesetzt sind. 8 einem solchen Falle, scheint mir, befinden wir uns jetzt, wo die Frage uns vorgelegt wird, ob wir den vollende⸗ ten Beitritt unserer Regierung zu dem Bündnisse vom 26. Mai v. J. nachträglich genehmigen oder unsere Genehmigung versagen sollen. In solchen Fällen ist es eine unfruchtbare Mühe, die Gründe für und gegen dasjenige, was nun einmal durch den Gang der Ereignisse nothwendig geworden ist, umständlich zu er⸗ örtern. Unsere Kommission scheint gleichfalls diese Ansicht gehabt zu haben, sonst müßte man sagen, daß sie sich ihr Geschäft zu leicht gemacht habe. Sie hat fast nur die eine Seite, die Lichtseite der Sache gezeigt; die Schattenseite aber, die Bedenken und Schwie⸗ rigkeiten, so gut wie übergangen. Uebrigens können wir doch in⸗ sofern noch bei dieser einseiligen Darstellung zufrieden sein, daß man uns nicht, wie im vorigen Jahre geschehen ist, so auch jetzt auf den neuen Verfassungs⸗Entwurf einen Eid zumuthet. Indem ich diese Ansichten ausspreche, will ich nicht sagen, daß man uns mit der geforderten Anerkennung des Beitrittes an sich ein Uebel oder etwas Unrechtes auferlege. Wie ich in den Dank einstimme, welcher dem mächtigen Bundesgenossen unseres Großherzogs für die geleistete Hülfe zur Herstellung der Ordnung schon ausge⸗ sprochen worden ist, so erkenne ich gleichfalls die Berechti⸗ gung, ja Verpflichtung der Krone Preußens an, zur Ord⸗ nung der verwirrten deutschen Angelegenheiten thätig einzu⸗ schreiten; auch erkenne ich die im Wesentlichen einer gesunden po⸗ litischen Freiheit günstigen Bestimmungen des neuen Verfassungs⸗ Entwurfes gerne an. Wenn die Voraussetzungen, von welchen man bei der Gründung des Bündnisses vom 26. Mai v. J. ausgegan⸗ gen ist, richtig gewesen wären oder in Erfüllung gegangen wären, so hätte sich die Möglichkeit einer glücklichen weiteren Entwickelung der Sache denken lassen; aber jene Voraussetzungen sind nun ein⸗ mal nicht in Erfüllung gegangen. Einerseits haben sich inzwischen sehr große Bedenken und Schwierigkeiten erhoben, anderer⸗ seits aber auch neue Hoffnungen zu einer gemeinsamen Ver⸗ ständigung. So haben sich die Verhältnisse nun ganz an⸗ ders gestaltet, als sie früher waren. Die deutschen Regierun⸗ gen und Volksstämme, welche gleich anfangs an die neue Auf⸗ stellung sich nicht anschlossen, sind nicht blos fortwährend ferne da⸗ von geblieben, sondern auch solche, welche sich angeschlossen hatten, haben sich wieder davon getrennt; Oesterreich hat sich gegen diese Abänderung der bisherigen Bundes⸗Verfassnng und somit auch ge⸗ gen die ihm zugedachte Union erklärt. Dabei die große Gleich⸗ guͤltigkeit gegen diesen Entwurf eines neuen Gebäudes der deut⸗ schen Verfassung bei Gelegenheit der Wahlen für Erfurt. Man weiß nun zwar, und namentlich wir in Baden wissen es aus viel⸗ facher Erfahrung zur Genüge, wie es mit polilischen Wah⸗ len beschaffen ist, wie man sie durch geschickke Agitation beliebig wenden kann. Aber in dem vorliegenden Falle ist das negative Verhalten der Bevölkerung im Allgemeinen, und nicht etwa blos der Demokraten, doch sehr bezeichnend. Es geht daraus hervor, daß das Volk, welches doch im Ganzen und Großen einen gewissen politischen Instinkt hat, welcher wohl zu beachten ist, auf diesem Wege nicht alles Heil sucht. Andere Bedenken im Einzelnen hat der Abgeordnete Rettig sehr treffend hervorgehoben. Aber auch neue Hoffnungen haben sich ergeben, welche die Lage der Sache ändern. Es liegen jetzt positive Gegenvorschläge der anderen deut⸗ schen Staatengruppe vor; Vorschläge, welche allerdings im Einzelnen auch noch manches zu wünschen übrig lassen mö⸗ gen, wie dies die Natur der Sache mit sich bringt; na⸗
mentlich was die Stellung unseres Großherzogthums betrifft. Aber es ist nun doch ein Boden zu gemeinsamer Verständigung und ein Anknüpfungspunkt gegeben, welcher früher fehlte. Bei diesen Be⸗ denken und Hoffnungen regt sich denn auch mit neuer Stärke in der Nation der so natürliche, so gerechte Wunsch nach einer Ver⸗ einigung des gesammten Deutschlands, nach einem Bande, welches, wenn auch weniger fest geschnürt, dafür aber alle deutschen Staa⸗ ten ohne Ausnahme zu Einem politischen Körper vereinigt. Diese Gesammtvereinigung muß stets der Hauptgrundsatz und das Haupt⸗ ziel sein. Können Oesterreich und Preußen der Natur der Sache nach nicht in einem Einheitsstaate mit einheitlicher Spitze neben einander sein, so folgt daraus nicht, daß man den oder den anderen der beiden deutschen Großmaͤchte ausschließen oder durch eine sogenannte Union abfinden muß, welche den Keim der Spaltung und künftigen Entfremdung in sich trägt. Eine Staatsverfassung ist für das Volk, welches sie hat, wie eine Rüstung, wie ein Kleid, womit es gegen die Unbilden und Stürme der po⸗ litischen Atmosphäre sich schützt; wenn ein Kleid für den, der es trägt, zu klein ist, so schlägt man nicht ein Stück von seinem Leibe ab, sondern man verlängert und erweitert das Kleid. Man muß also auch das politische Gebäude Deutschlands so aufführen, daß alle deutschen Staaten darin Platz haben. Bei der unbefangenen und pa⸗ triotischen Betrachtung der deutschen Frage hat man sich allerdings vor dem zu großen Einflusse partikularistischer Interessen zu hüten, so wie vor der ausschließlichen Begünstigung der Machtstellung nur einer der dentschen Großmächte; aber am allermeisten hat man sich zu hüten vor den Verlockungen doctrinairer Theorieen und Lieblings⸗ meinungen. Vor Allem laßt uns das Ausführbare, das Wesent⸗ liche süuchen zur Verbesserung unserer polilischen Zustände: dies wird am einfachsten und sichersten geschehen, wenn wir auf unseren Zustand vor dem Jahre 1848 zurückblicken und uns vergegenwärti⸗ gen, was uns denn damals am meisten drückte.
Man hat vollkommen recht, wenn man den damaligen Zustand, so wie er war, nicht mehr zurückwünscht, obgleich er bei vielen übeln Seiten auch sein Gutes hatte. Wenigstens nahm doch in je⸗ ner Zeit unser Wohlstand zu, während er jetzt zerrüttet ist; wir waren doch wenigstens unsers Lebens und Eigenthums sicher, während wir seit dem Umschwung der Dinge mehr als einmal darin bedroht waren. Was war es nun, das uns damals doch so sehr beunruhigte? Ich glaube vorzugsweise folgende drei Uebelstände: erstlich der Uebel⸗ stand, daß in den beiden größten deutschen Staaten die politische Freiheit nicht so weit vorgeruckt war, als in den kleineren constitu⸗ tionellen Staaten. Daher die ewigen Käͤmpfe und Zänkereitn, welche immer höchst unerquicklich waren und zuletzt zur Revolution führten. Der zweite Uebelstand war der völlige Mangel irgend eines Organes der Volksvertretung bei dem Bundestage. Der dritte Uebelstand: die geforderte Einstimmigkeit bei Beschluͤssen über so viele Fragen von der größten Wichtigkeit für das Wohl des Volkes, welche auf diese Weise nicht gelöst werden konnten. Hätte man uns vor der Katastrophe im Jahre 1848 eine durch⸗ greifende Abhülfe dieser drei Uebelstände geboten, jeder Freund des Vaterlandes auch unter der liberalen Partei hätte sich damals darüber hoch erfreut und wäre von dem Anfange einer besseren Zeit überzeugt gewesen. Hätte man sich auch bei je⸗ ner Katastrophe selbst auf eine solche durchgreifende Reform der Bundesgesetzgebung beschränkt; hätte man auf eine ganz neue Schöpfung, welche nun einmal nicht anders als durch eine Alles umstürzende Revolution und durch einen europäischen Krieg erreicht werden kann, und deren Vortheile auch dann noch sehr zweifelhaft sind, zu verzichten gewußt, welche Opfer, welche Noth wären uns in den letzten zwei Jahren erspart worden! Von diesem Ge⸗ sichtspunkte aus sind nun auch die neugemachten Vorschläge der drei anderen deutschen Könige zu betrachten, welche von vorhergehenden Rednern, wie mir scheint, jedenfalls mit zu großer Lebhaftigkeit angegriffen worden sind. Eine authen⸗ tische Mittheilung derselben liegt uns zur Zeit nicht vor. Des⸗ wegen, und um die Aufmertsamkeit der Versammlung und meine Kräfte nicht zu lange in Anspruch zu nehmen, gehe ich für jetzt auf das Einzelne hierüber nicht rin. Dir Hauptsache ist dabei: einmal, daß diese Vorschläge eine gründliche Reform der früheren Bundes⸗Gesetzgebung enthalten, und uns etwas viel Besseres, als das Frühere war, geben; sodann, es sind vor der Hand nur Grundzüge, es ist nur ein Entwurf, wobei also Modificationen und Verbesserungen im Einzelnen zulässig sind.
Einen anderen Punkt, welcher nicht mit diesen Vorschlägen zusammenhängt, welcher aber von einem der beszeichneten Redner hervorgehoben worden ist, muß ich aber noch be⸗ rühren. Ich meine die Beziehung des mit Preußen einge⸗ gangenen Bündnisses auf das kirchlich⸗konfessionelle. Ich für mei⸗ nen Theil hätte davon nicht gesprochen; aber um nicht den An⸗ schein zu haben, als stimme ich dem früheren Redner in Allem bei, muß ich einige Worte hierüber mir erlauben. Ich theile die aus⸗ gesprochene Ansicht, daß durch ein näheres Verhältniß zu dem preu ßischen Staate die Interessen der katholischen Konfession nicht ge⸗ fährdet sein werden. Ich nehme dabei an, daß die dahin gerich⸗ teten Bestimmungen der preußischen Verfassung so wie der Verfas⸗ sung des engeren Bundesstaats treu und ehrlich gemeint sind, und eben so ausgeführt werden. Jedenfalls unter der Re⸗ gierung Sr. Majestät des jetzigen Königs liegen in ihm selbst dafür die sichersten Bürgschaften. Nicht minder erkenne ich mit dem Redner an, daß unser Großherzogliches Haus und insbe⸗ sondere unser jetzt regierender Großherzog stets alle Unterthanen ohne Unterschied der Konfession mit gleicher Gerechtigkeit und Liebe umfaßt hat. Dagegen muß ich dem Redner widersprechen, wenn er im Uebrigen den Zustand der katholischen kirchlichen Verhältnisse in Baden unbedingt lobte. Unsere Regierung hat sich nicht frei ge⸗ halten von dem allgemeinen Fehler der deutschen Regierungen. Man hat über Gebühr in die kirchliche Sphäre hinein regiert und admi⸗ nistrirt; man hat, statt das individuell kirchliche Element frei sich entfalten zu lassen, auf dessen Beschränkung und Vernichtung hinge arbeitet und dadurch Indifferentismus und Irreligiosität befördert.
Hier kann nur die Freiheit und Unabhängigkeit der Kirche helfen, welche ihr nun auch nach dem Gang der Ereignisse unab⸗ weisbar in der nächsten Zukunft zu Theil werden muß. Nach allem den kann ich mit voller Wahrheit sagen, daß mich bei der Beur⸗ theilung der vorliegenden Frage durchaus keine konfessionellen Be⸗ denken, noch viel weniger Antipathieen leiten, sondern ich vermag nur nicht das große politische Bedenken zu beseitigen, daß die Spaltung Deutschlands eine Trennung und die Trennung noch Unheilvolleres herbeiführe. So drängt sich denn auch jetzt der Wunsch nach einer Vereinigung des ganzen Deutschlands zu Einem politischen Körper immer lebhaster vor. Es war meine Ab⸗ sicht schon neulich bei Gelegenheit der Adresse in Erwiederung der Thronrede diesen Punkt zur Sprache zu bringen und einen Antrag zu begründen. Man hat aber damals jede Diskussion abgeschnitten, und ich habe mich diesem Beschlusse gefügt. Ich kann aber nun doch eine nachträgliche Bemerkung hierber nicht unterdrücken. Daß dieje⸗ nigen Mitglieder der Versammlung, welche sonst immer für geheime Berathung der Adresse stimmten, jetzt, wo sie nur öffentlich geführt worden wäre, lieber für Entfernung jeder Diskus⸗
einen
sion stimmten, finde ich begreiflich und konsequent. Daß aber der Antrag auf Abschneidung jeder Diskussion von jener Seite ausgin und so lebhaft unterstützt wurde, welche von jeher die Sprech 89 heit so unbedingt in Anspruch nahm, fordert denn doch die Kritik und die Erinnerung an kurz vergangene Zeiten zu unabweisbar heraus. Es war eine Zeit, wo man zur Erreichung politischer Zwecke auf jener Seite kein Wort zu stark, keine Rede zu lang fand wo man uber alle Rücksichten sich blindlings hinaussetzte zum dngenl des Landes: will man jetzt zur Erreichung üendh. politischen Zwecke in das entgegengesetzte Extrem des Schweigens verfallen? Was damals bei Berathung der Adresse von mir nicht geschehen konnte, kann vielleicht jetzt igeschehen. Ich gebe darum den Mit⸗ gliedern der Kammer, welche mehr oder minder die von mir aus⸗ gesprochenen Ansichten theilen, und der Kommission zu erwägen ohne vorerst einen formellen Antrag zu stellen: ob nicht den zwei Beschlüssen, welche die Kommission vorschlägt, ein dritter beizufügen sei, des Inhalts: die Kammer spricht den Wunsch und die Hoff⸗ nung aus, daß die Großherzogliche Regierung mit Berücksichtigung der inzwischen eingetretenen Verhältnisse der deutschen Ange⸗ legenheiten zu einer Vereinigung des gesammten Deutschlands durch Errichtung einer neuen Bundes⸗ Verfassung hinwirke. Dies ist mein Wunsch für die Zukunft. Für die Ver⸗ gangenheit kann ich in Berücksichtigung der damaligen Lage der Dinge die geforderte Genehmhaltung der Großherzogl. Regierung nicht versagen. Sollte aber auch jener Wunsch nicht zu einem un⸗ terstützten Antrag und zu einem Beschlusse führen, so tröste ich mich mit dem Gedanken, daß Wünsche von vielen Tausenden, und darunter auch von einem so großen Theile unseres badischen Vo kes getheilt, und in der Wirklichkeit der Verhältnisse gegründet durch ihre innere Kraft sich dennoch zuletzt geltend machen. besondere tröstet mich der Gedanke, daß Preußen und Oesterreich der alten glorreichen Wafsenbrüderschaft nicht vergessen werden, wo durch sie einst Deutschland von dem auswärtigen Feinde befreiten; Laß sie nicht vergessen werden, wie auf ihrer Einigung das Heil Deutschlands beruht, ihre Entzweiung aber Deutschland nur Ver⸗ derben bringen kann
(Schluß folgt.)
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Ausland.
Italien. Turin, 12. März. (Fr. B.) In der Depu⸗ tirtenkammer ist die allgemeine Debatte über das Gesetz wegen Abschaffung der Strafen für Nichtbeobachtung der Feiertage ge⸗ schlossen. Es beginnt heute die Diekussion über die Artikel.
Die Vermählung der Prinzessin Marie Elisabeth, Nichte des Königs von Sachsen, mit dem Herzoge von Genua, soll Anfangs April stattfinden. Die Prinzessin wird über Savoyen nach Piemont kommen und König Viktor Emmanuel ihr zum 15. April bis Cham⸗ bery entgegengehen.
Spanien. Madrid, 11. März. (Fr. B.) Das Gerücht von einer Ministerkrisis erhält sich, entbehrt aber der Begründung. Narvaez batte gestern eine Konferenz mit der Königin Christine. General Cordova wird heute hier erwartet. Man sagt, er wolle
vas Generalkapitanat von Madrid nicht annehmen, ohne jedoch den Grund davon zu erwähnen.
Börse flau: 3 % 28 ½.
Wissenschaft und Kunst.
Königliches Schauspielhaus. Montag, 18. März.
Ein Fräulein von Zabeltitz gastirte in dem Descomberousse⸗Blum⸗ schen Lustspiele „Erziehungs⸗Resultate“ als Margarethe Western. Das Haus war zwar sehr leer, von den Anwesenden sah man jedoch eine Anzahl so lebhaft applaudiren, daß der Gast sich einer „guten Aufnahme“ rühmen darf. Fräulein von Zabeltitz scheint sich schon viel anf den Bret⸗ tern bewegt zu haben. Ihr Auftreten ist keck und zuversichtlich, und ihr Spiel zeugt von Routine, leider ermangelt es aber völlig jener Grazie und Feinheit, durch welche Rollen, wie diese, erst ihre Kunstberechtigung erlaugen. Ihr Organ gehört auch nicht unter die glücklichen, ihre Aussprache einiger Konsonanten, namentlich der Zischlaute, ist fehlerhaft und der Tonfall ihrer Stimme, die sich meist im höchsten Disfant bhält, macht keinen angenehmen Eindruck. Auf einer kleineren Provinzialbühne mag Fräulein von Zabeltitz ihre Stelle wohl ausfüllen, wozu aber das Gastspiel hier dienen soll, ist nicht zu erkennen, denn alle Töne, die der Gast heute anschlug, sind uns keine neuen, und selbst die säuselnde Aussprache des S und Sch findet sich bei Fräulein Erck in gleicher Vollkommenheit.
Am Schlusse wurden Alle gerufen, verdient haben es aber nur — wenn überhaupt Jemand — Herr Crüsemann, der seinem jungen Gecken, und Herr Grue, der dem Hauptmann zu gebührendem Rechte verhalf. Herr Rott dagegen als Furbach verließ sich allzu sehr auf das hölzerne Gedächt⸗ niß zwischen den Lampen, obgleich er die Rolle gewiß oft genug gegeben, und Frau von Lavallade, Henriette, hatte zwar sehr elegante Toileite gemacht, spielte aber höchst zerstreut. Ihre Phantasie schien fortwährend auf kleinen Lustreisen zu sein, was auch durch häufiges Lächeln und Lachen zur Unzeit (z. B. bei einer Begegnung, die Henrietten erschrecken und äng⸗ stigen mußte) bestätigt wurde.
Wissenschaftliche Vorlesungen in der Singakademie am 16. März.
In der 11ten Vorlesung des Wissenschaftlichen Vereins, der vorletzten in diesem Jahre, sprach Herr Dr. Heising über die Entwickelung und den jetzigen Zustand der europätschen A nsiedelungen in Sud⸗ australien. Erst in der allerneuesten Zeit hat Australien angesangen, ein integrirendes Glied im Weltverkehr zu bilden. Obwohl die Inseln um Neuholland und Neuseeland nach und nach von den portugiesischen und spanischen Seefahrern des 16ten Jahrhunderts entdeckt, und das Festland schon im 17ten Jahrhundert von den Spaniern und Holländern aufgefun⸗ den wurde (besonders gedachte der Redner hier einer Expedition des Jahres 1606 unter Van Diemen), so blieb doch dieser Erdtheil mit seinen mrist unfruchtbaren Küsten und unzugänglichen Wüsten, Sümpfen und Gebirgen im Innern bis an das Ende des vorigen Jahrhunderts ein unbekann⸗ tes Land. Erst durch die rastlosen Bemühungen Cook's wurde Eini⸗ ges über die Geographie des Landes, die Beschaffenheit des Bodens und die Sitten der Bewohner sestgestellt. In eine nähere Verbindung mit Europa trat es als bald nach den Entdeckungsreisen Cool's der jüngere Pitt auf den Gedanken kam, in Australien eine Strafkolonie zu gründen. Früher sandte England seine Verbrecher nach Amerika, nachdem sich aber im Freiheitskriege die amerikanischen Kolonieen vom Mutterlande losge⸗ rissen hatten, mußte ein anderer geeigneter Punkt für die Deportation ge⸗ funden werden. So wurde 1788 die erste europäische Niederlassung an der Botanybai (Port Jackson, Sidney) unter Arthur Philipps versucht, welche anfänglich mit unerhörten Schwierigkeiten zu kämpfen hatt, aber 1830 schon eine Million Morgen angebauten Landes und zahlreiche Heer⸗ den von Rindvieh und Schafen besaß. Es folgten bald ähnliche Unter⸗ nehmungen auf der Norfolkinsel, in Arnhemsland, westlich von Carpenta⸗ ria⸗Busen und im Port⸗Western. Aber die meisten dieser Colonisations Bestrebungen scheiterten an den Fehlern der englischen Kolonial⸗Politik jene Zeit. Seit Adam Smith galt es nämlich als Axiom, daß der Reichthun der Kolonieen durch den Ueberfluß des Landes und den Mangel der Ar⸗ beitskraft, also durch das gänzliche Wegfallen aller Konkurrenz bedingt würde. Nach dieser Auffassung fanden seit jeher in Amerika die verschwende⸗ rischsten, fast ganz unentgeltlichen Landanweisungen stant und in Australien