1850 / 80 p. 4 (Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

der Kreiskommission endgültig. In allen Fällen unterliegen diese Beschlüsse der Bestätiaung des Wözber⸗ des Innern. §. 148. Die Kreiskommission besteht:

1) aus einem von der Regierung ernannten Kommissarius, welcher den Vorsitz führt und bei Stimmengleichheit den Ausschlag giebt; aus drei von den bisher im Stande der Rittergutsbe⸗ sitzer vertretenen Grundbesitzern gewählten Abgeordneten oder deren Stellvertretern; 8 aus denjenigen drei gewählten Abgeordneten der Landge⸗ meinden, welche Mitglieder des Kreistags sind, oder de⸗ ren Stellvertretern. Sind die Landgemeinden auf den Kreistagen durch mehr als drei gewählte Abgeordnete ver⸗

treten, so haben diese aus ihrer Mitte die drei Mitglie⸗ der der Kommission zu wählen;

4) aus drei von den Vertretern der Städte auf der Kreis⸗ tagen gewählten bie v oder deren Stellvertretern.

Die Bezirkskommission besteht aus:

1) dem Regierungs⸗Präsidenten, welcher den Vorsitz führt und bei Stimmengleichheit den Ausschlag giebt;

2) drei der bisher im Stande der Rittergutsbesitzer vertretenen

Grundbsitzer oder deren Stellvertretern;

3) drei der bisher im Stande der Landgemeinden vertretenen

„Grundbesitzer oder deren Stellvertretern;

4) drei Vertretern der Städte.

Die ad 2 bis 4 gedachten Mitglieder werden von dem Mi⸗ nister des Innern nach Vernehmung des Gutachtens des Regie⸗ rungs⸗Präsidenten und des Ober⸗Präsidenten ernannt.

Die Entscheidungen der Kreis⸗ und Bezirks⸗Kommissionen er⸗ folgen nach Stimmenmehrheit. Ist bei der Neubildung eines Ge⸗ meindebezirks keine Stadt betheiligt, so haben sich die Vertreter der Städte bei Fassung der desfallsigen Beschlüsse des Mitstimmens zu enthalten, wie dasselbe im Falle der Betheiligung einer Stadt die Vertreter der Klasse ad 2 und 3 zu thun haben, welche dabei etwa unbetheiligt ist.

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§. 150.

Die Veränderung bereits bestehender Sammtgemeindebezirke (Bürgermeistereien in der Rheinprovinz, Aemter in der Provinz Westfalen) kann, sofern nicht alle betheiligten Gemeinden darüber einig sind, erst nach Einführung der neuen Kreis⸗, Bezirks⸗ und Provinzial⸗Ordnung erfolgen. Die Provinzial⸗Versammlung hat darüber demnächst mit Genehmigung des Königs die erforderlichen allgemeinen Bestimmungen zu treffen.

§ 151

Eine Veränderung bestehender oder in Gemäßheit des §. 146 neu gebildeter Gemeindezirke darf erst eintreten, wenn das gegen⸗ wärtige Gesetz vollständig ausgeführt ist, es sei denn, daß zwei oder mehrere der bisherigen Gemeinden sich sogleich bei Einführung dieser Gemeinde⸗Ordnung zu Einer Gemeinde vereinigen wollen.

§ 152.

Die Verrichtungen, welche in diesem Gesetze dem Gemeinde⸗ rathe, dem Gemeindevorstande, dem Bürgermeister, dem Kreis⸗ ausschusse und dem Bezirksrath beigelegt sind, sollen, wo und so lange dergleichen Behörden noch nicht vorhanden sind, von den⸗ jenigen Behörden ausgeübt werden, welche der Minister des Innern bezeichnen wird.

§. 453.

Ist der neugewählte Gemeinderath, mit Zwischenräumen von acht Tagen, rathung, der Ansicht, daß es angemessen kollegialischen Gemeinde⸗Vorstandes nur einen Bürgermeister, der zugleich den Vorsitz im Gemeinderathe zu führen hat, mit einem oder mehreren Beigeordneten zu wählen, so bleibt es einstweilen bei dieser Einrichtung bis zur anderweitigen Beschluß⸗ nahme der eöeö“

§. 154.

Bei Einführung der Gemeinde⸗Ordnung kann die gegenwär⸗ tige Gemeindevertretung, wo eine solche vorhanden ist, unter Ge⸗ nehmigung des Bezirksraths beschließen: ob zunächst die Bestim⸗ mungen des Titel II. oder des Titel III. auf die Gemeinde ange⸗ wendet werden sollen.

nach zweimal, wiederholter Be⸗ vZIV-

§. 155.

Für Gemeinden, in welchen eine gewählte Vertretung bisher nicht bestanden hat, und in welchen die Bedingungen zur Errichtung einer solchen Vertretung und eines nach den Vorschriften des Titel III. gebildeten Gemeindevorstandes auch jetzt noch nicht vor⸗ handen sind, kann mit Vorbehalt einer anderweitigen Bestimmung der Provinzial⸗Versammlung einstweilen ein Vorsteher von der Aufsichtsbehörde ernannt werden, der die Verwaltung zu führen und die Gemeinde zu vertreten hat. Bei der Wahl dieses Vorste⸗ hers ist auf die der Gemeinde angehörigen Grundbesitzers deren Befuhigung vorausgesetzt, Lerasg. f se Rücksicht zu nehmen.

§. 00.

Der Zeitpunkt, mit welchem in den einzelnen Gemeinden die Einführung gegenwärtiger Gemeinde⸗Ordnung beendigt sein wird, ist durch das Amtsblatt des Bezirks zur öffentlichen Kenntniß zu bringen. Von diesem Zeitpunkte an treten für die betreffenden Ge⸗ meinden die bisherigen Gesetze und Verordnungen über die V fassung der Gemeinden außer Kraft.

Die seitherigen nicht gewählten und nicht ausdrücklich auf Kündigung angestellten Ober⸗Bürgermeister, Bürgermeister und Amtmänner, welche bei Einführung der gegenwärtigen Gemeinde⸗ Ordnung weder in ihren Aemtern und Einkünften belassen, noch anderweitig mit gleichem Einkommen angestellt werden, haben, so⸗ fern nicht für diesen Fall bereits früher eine andere verbindliche Bestimmung getroffen worden ist, einen Anspruch auf Pension.

Diejenigen dieser Beamten, welche auf Kündigung angestellt sind, von welcher jedoch observanzmäßig niemals oder doch nur aus besonderen Gründen Gebrauch gemacht worden ist, sind den lebens⸗ länglich angestellten Beamten gleichzusetzen, wenn nicht einer der Gründe eintritt, aus welchen die Kündigung vorbehalten ist. Blos 2nn und kommissarisch ohne Zeitbestimmung angestellten Be⸗ amten steht dieser Anspruch erst nach 6jähriger Dienstzeit zu.

Die Pension beträgt:

nach kürzerer als 12jähriger Dienstzeit ½, nach 12⸗ oder als 12jähriger Dienstzeit ½, nach 24jähriger Dienst⸗ des seitherigen reinen Dienst⸗Einkommens. Die Pension fäͤllti Fweit fort ven als der Pensionirte durch anderweitige An⸗ stellung im Staats⸗ oder Gemeindedienste ein Einkommen erhält, ehszen Zurechnung der Pension sein früheres Einkommen übersteigt. Die Schulzen und Orts⸗Gemeinde⸗Vorsteher EE11” spruch auf Pension. Die Pensionen werden von den Gemeinden Beamten gegenwaͤrtig angestellt sind, geleistet.

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in welchen die

Alle in §. 157 nicht bezeichneten Gemeinde-Beamten sind in ihren Aemtern und Einkünften zu belassen und behalten ihre bis⸗ herigen Pensionsansprüche. 5

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel. b G

Gegeben Charlottenburg, den 11. März 1850.

(L. S.) Friedrich Wilhelm.

Graf von Brandenburg. von Ladenberg. von Man⸗ teuffel. von der Heydt. von Rabe. Simons. von Schleinitz. von Stockhausen. b

Gemeinde⸗Ordnung für den preußischen Staat.

Ministerinm für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten. Die heute erscheinenden Stücke der Gesetz⸗Sammlung, Nr. 15 und 16, enthalten unter Nr. 3246. das Gesetz, betreffend die Feststellung des Staatshaus⸗ halts⸗Etats für das Jahr 1849, vom 11. März 1850; unter das Gesetz, betreffend; die Feststellung haushalts⸗Etats für das Jahr 1850, Tage; unter . den Allerhöchsten Erlaß vom 11. Februar 1850, durch welchen das der Stadt Neuß verliehene Privilegium vom 14. März 1849 zur Ausstellung auf den Inhaber autender Obligationen im Betrage von 80,000 Rthlr. für erloschen erklärt ist; unter das Gesetz, betreffend die Berichtigung der Kaufgelder für das dem Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten überwiesene Grundstück, vom 11. März 1850; unter das Gesetz, die Zoll⸗ und Steuersätze vom ausländi⸗ schen Zucker und Syrup und vom inländischen Rüben⸗ zucker betreffend; von demselben Tage, und unter das Gesetz, betreffend die Verpflichtung der Gemeinden zum Ersatze des bei öffentlichen Aufläufen verursach⸗ ten Schadens; von demselben Tage. Berlin, den 23. März 1850. Debits⸗Comtoir der Gesetz⸗Sammlung.

Angekommen: Der General⸗Major und Commandeur der Zten Division, von Stösser, von Stettin.

Durchgereist: Se. Excellenz der General⸗Lieutenant und Commandeur der 1sten Division, von Below, von Königsberg in Pr. kommend, nach Erfurt.

Se. Durchlaucht der General⸗Major und Chef des 23sten Landwehr⸗Regiments, Fürst Adolph zu Hohenlohe⸗Ingel⸗ fingen, von Koschentin kommend, nach Erfurt.

des Staats⸗ von demselben

3247.

Oesterreich. Wien. Jellacic. Eintreibung der israelitischen Straf⸗ contribution in Pesth. Vermischtes. Sachsen. Dresden. Rundschreiben des Kultus⸗Ministeriums. Württemberg. Stuttgart. Kammer⸗Verhandlungen. Nassau. Wiesbaden. Landtags⸗Verhandlungen. Wahlen. Sachsen⸗Meiningen. Die Landtags⸗Ausschüsse. Gesetz⸗Vorlagen.

Meiningen.

Ausland.

Fraukreich. Gesetzgebende Versammlung. Reclamationen über das Protokoll. Gesetzentwurf über Stempelung der Handels⸗Effekten und Actien. Paris. Vermischtes.

Rußland und Polen. St. Petersburg. Siegreiches Gefecht im Kaukasus mit Schamil's Streitkrästen unter Hadschi Murat.

Italien. Turin. Kammer⸗Verhandlungen. Nachrichten aus Rom und Neapel.

Spanien. Madrid. Neapolitanischer Gesandtschafts⸗Secretair. Ar⸗ beit über die Resultate des neuen Zolltarifs. Vermischtes.

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Dentschland

Oesterreich. Wien, 19. März. Freiherr von Jellacic ist vorgestern auf der Nordbahn nach Napajedl abgereist.

Der Wanderer berichtet: „Nach Privatbriefen aus Pesth, die nun auch in der pesther Korrespondenz eines hiesigen Blattes ihre Bestätigung finden, ist dem pesther israelitischen Verwaltungs⸗ Comité, welches mit der Eintreibung der Contributionssumme be⸗ auftragt ist, am 14ten d. M. durch den Distrikts⸗Kommandanten Grafen Macchio die mündliche Weisung zugegangen, in jedem Falle die Straf⸗Contributionsquoten von den sämmtlichen israelitischen Gemeinden mit Militair⸗Assistenz einzutreiben und unnachsichtlich am 31sten l. M. abzuführen. Als sich das Comité auf den jüngst kundgemachten Ministerial⸗Erlaß berief, wurde ihm die Antwort: Die Zahlung müsse vor der Hand jedenfalls geleistet werden, sollten später Einzelne ihre Schuldlosigkeit erweisen, so würden ihnen die betreffenden Beträge zurückgestellt werden. Wir können dieses mehr⸗ seitig berichtete Faktum nicht mit Stillschweigen übergehen, müssen aber offen gestehen, daß wir nicht scharfsinnig genug sind, in die jüngst erlassene Ministerial⸗Verordnung diesen Sinn zu legen.“

Die Fahrten der Dampfböte auf der Save zwischen Semlin und Sissek wurden am 10ten d. M. eröffnet.

Das Ministerium des Handels hat den Auftrag zur Herstellung der beinahe 28,000 Klafter langen Straße von Lend bis Paß Thurn in Salzburg ertheilt. Die Herstellungskosten belaufen sich auf 480,000 Fl. C. M.

Das Ministerium hat bewilligt, daß alle österreichische Staats⸗ bürger, welche die juridisch⸗politischen Studien zurückgeleget haben, sich bei den neuen politischen Behörden, mit Bewilligung des je⸗ weiligen Vorstandes der letzteren, ohne daß jedoch dadurch irgend ein Anspruch gegen den Staat begründet werden könnte, in den politischen Geschäften einüben und ausbilden und so für den poli⸗ tischen Staatsdienst vorbereiten können.

Die wiener Handelskammer hat beschlossen, dem Finanzminister eine Vorstellung zu überreichen, in welcher die Bitte in Betreff

Patentes ausgedrückt wird.

mehrerer wünschenswerther Modificatig Einkommensteuer⸗

Sachsen. Dresden, 15. März. (Leipz. Ztg.) Ein Rund⸗

schreiben des Ministeriums des Kultus und Unterrichtes, nannten freien Gemeinden betreffend, dieselben, da sie selbst erklären,

die soge⸗ b spricht sich dahin aus, daß . sich von keiner christlichen Gemein⸗ schaft absondern zu wollen, auch in Zukunft allen Verpflichtungen die Gemeinden, denen sie bisher angehört, nachzukommen 5 leisten erforderlichen Beiträge unweigerlich Geistlichkeit dieser Art ollen jedoch von der kommnisse in 1 8* xuf gegebene Veranlassung und wenn Vor⸗ 1b er Gemeinde es schlechthin erfordern, ertheilt werden. Außerdem werden die Geistlichen aufgefordert der neuen B. gung, die der sozialistischen und kommunistischen Te iehen wird, nur durch Belehrung entgegenzut d fäch 8b ö den Eiferns und Schmähens zu 08 8 R nvf über diesen Punkt: halten. Das Rundschreiben sagt w. Nun verkennt man zwar nicht, daß, wie Glaubens⸗ und Ge⸗ wissensfreiheit in keiner Weise zu beeinträchtigen und beschrä ken ist, so ein schroffes und gewaltsames CA“ dI dem Eifern und gehässigem Schmähen am wenigsten geeignet würde, solchen Agitationen mit einiger Hoffnung ves Erfolges begegnen; auch am Ende eine zwar nicht geförderte, 8 nicht gewaltsam zurückgedrängte Entwickeluug solcher einmal zur Erscheinung gekommenen Verirrung der sicherste und kürzeste Weg ist, sie in ihrer Nichtigkeit und Haltlosigkeit der allgemeinen Ver urtheilung zu überliefern. In dieser Hinsicht sind die evangelisch Geistlichen des Landes alles Ernstes zu bedeuten, daß in vorlommenden Fällen alles unbesonnene und leidenschaft⸗ lichen Eiferns und jjeder nunmittelbaren und schroffen Ein⸗ wirkung, die, ohne in Parteistellung einzugehen, nicht möglich sein würde, sich zu enthalten haben. Nichtsdestoweniger muß man an⸗ gelegentlichst wünschen, daß die genanten Geistlichen gerade in der gegenwärtigen Zeit ihre seelsorgerischen Obliegenheiten mit Vorsicht aber auch mit ganz besonderer Treue und Gewissenhaftigkeit wah nehmen, und daß sie, wo ihnen, ohne daß sie aufdringlich erschei⸗ nen, dazu Gelegenheit geboten wird, ihre Gemeinden über derartige, in ihrer Mitte auftauchende Erscheinungen durch alle Mittel der Belehrung und Warnung im milden, versöhnenden Geiste des Evangeliums aufzuklären versuchen, insonderheit auch in ihren Kan⸗ zelvorträgen mit Bemessenheit und ohne zu leidenschaftlichen Erguüssen sich fortreißen zu lassen, mit der vollen Wärme echter christlicher Liebe die evangelischen Wahrheiten ungescheut verkündigen mögen. Uebri⸗ gens vertraut man der Wahrheit zu unerschütterlich fest, als daß man nicht ihren endlichen Sieg über Unglauben und Unsittlichkeit der Zeit mit Zuversicht erwarten sollte, überzeugt, daß der gute Sinn des Volkes augenblickliche Täuschungen bald genug zu über winden im Stande sein wird. Indem man der Kreis⸗Direction zu

ꝛc. Vorstehendes eröffnet, verordnet man zugleich, daß sie nicht nur selbst vorkommendenfalls den hierunter angedeuteten Grundsätzen gemäß sich bezeigen, sondern auch an die Ephoren und beziehentlich durch diese an sämmtliche Geistliche ihres Bezirks das hiernach Er forderliche allenthalben verfügen wolle.“

Württemberg. Stuttgart, 18. März. (Schwäb. Merk.) Sitzung der Landes⸗Versammlung. Das Diarium enthält einen Antrag des Abgeordneten Kapff, es möchten die Tagegelder der Mit⸗ glieder dieser Versammlung von 5 Fl. 30 Kr. auf 4 Fl. 30 Kr. doch wenigstens nur über die Dauer dieser Versammlung herabge setzt werden.

Die Tagesordnung enthält: Berathung des Berichts des Ausschusses der Landesversammlung, betreffend die Legitimation des Abgeordneten für den Bezirk Freudenstadt, Sigmund Schott. Der §. 148 der Verfassungs⸗Urkunde bestimmt: „Tritt der Fall ein, daß Vater und Sohn zugleich Mitglieder der Ständeversammlung werden, so wird, wenn der Vater nicht aus eigener Entschließung zurücktritt, der Sohn durch denselben ausgeschlossen.“ Da nun dieser Fall bei den jüngsten Wahlen wirklich eingetreten ist, insofern Obertribunal⸗Pro kurator Albert Schott von dem Stadtdirections⸗Bezirk Stuttgart, und dessen Sohn, Rechtskonsulent Sigmund Schott, von dem Ober⸗ amts⸗Bezirk Freudenstadt, zu Mitgliedern der verfassungrevidiren⸗ den Landesversammlung gewählt worden sind, so hat sich rücksicht⸗ lich der Legitimation dieser Abgeordneten die Frage erhoben: ob jene Bestimmung der Verfassungs⸗Urkunde noch in Wirksamkeit be⸗ stehe, oder ob dieselbe durch das Wahlgesetz vom 1. Juli 1849 aufgehoben worden sei. Der Ausschuß entschied sich in seiner Mehr⸗ heit für die letztere Ansicht, weil der Artikel 1 des Gesetzes vom 1. Juli 1849 ganz allgemein sage, daß an die Stelle des bisherigen, nach der Verfassungs Urkunde von 1849 zusammengesetzten Ständeversammlung nach den Bestimmungen je⸗ nes Gesetzes eine Versammlung von Volksvertretern berufen werde, welche in das Rechtsverhältniß der bisherigen Ständeversammlung eintrete. Die Minorität des Ausschusses dagegen, bestehend aus den Abgeordneten Mack und Reyscher, ist der Ansicht, daß der §. 148 noch als gültig zu betrachten, der Rechtskonsul S. Schott da⸗ her für nicht legitimirt zu erklären sei. In längeren Vorträgen erörtern Seeger, Probst, Neidlein, Hölder die juridischen Gründe gegen Reyscher, Mack und von Zwerger für die fortwährende Anwendbarkeit des §. 148 der Verfassungs⸗ Urkunde. Der Berichterstatter der Minorität, Reyscher, suchte die Ansicht der letzteren aufrecht zu erhalten. Er bemerkt unter Anderem: Die Frage ist eine prinzipielle, sie ist nicht blos eine Frage dieses Hauses, sondern eine Frage des Landes, eine Verfas⸗ sungsfrage. Es wäre deshalb zu wünschen gewesen, daß die Her⸗ ren Minister heute der Berathung angewohnt hätten. Ich sage dies nicht, um etwa die Herren Departementschefs nachträglich noch einzuladen, allein ich möchte der Ansicht begegnen, daß darum, weil das Ministerium sich nicht veranlaßt fand, bei dem Streit sich zu betheiligen, die heutige Frage über die Gülligkeit der Verfassung von geringerer Bedeutung sei. In gleicher Weise sucht der Be⸗ richterstatter der Majorität, Seeger, die besonders von Mack vor gebrachten Gründe zu widerlegen; gegen Reyscher macht er gel⸗ tend, daß es nicht um eine prinzipielle Frage, sondern lediglich um die Auslegung eines Gesetzes in einem speziellen Falle sich handle. Er habe das Bewußtsein, dem Ausschusse keine Arbeit vor gelegt zu haben, von der man sagen könne, er habe ins Blaue hinein argumentirt. Daß die Herren Minister nicht da sind, das beweise, daß die Ansicht der Mehrheit auch die Ansicht der Regie⸗ rung sei, denn sie würde sonst gewiß ihre Vertreter hierher geschickt haben. Endlich möchte man diese Sache nicht für eine Parteifrage, sondern als eine ernstliche und rechtliche Entscheidung betrachten. (Hier sind die Minister von Schlayer und von eingetre ten.) Der Antrag der Minorität wurde hierauf mit 4 gegen 15 Stimmen abgelehnt. Der Präsident C daß der Abgeord⸗ nete Sigmund Schott hiermit legitimirt sei. 8 Mänister 8 Schlayer bäel in höchstem Auftrage folgenden NI isr Herren! Der Wunsch der Regie⸗ Vortrag: Hochzuverehrende Herren! r Reg

8 d; sehnlichen Versammlung ein Uebereinkomm rung, mit dieser hochansehnlichen Bens, der Verfass. men über die Abänderung derjenigen Theile der Verfassung, welche einer Revision dringend bedürfen, zu e . sisgen. veranlaßt sie zu einem Vorschlag über die Art eh ndlung, welcher vielleicht geeignet sein dürfte, leichter zum Ziele zu führen, als wenn bie ge⸗

sichten eine stens nur

mung der Parteien vor dem Publikum dagegen diese hochansehnliche Versammlung aus ihrer Mitte einige

gründet werden kann.

einigung moͤglich ist.

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wöhnliche Form der Prüfung und Berathung bestimmt formulirter Vorlagen eingehalten wird. Jeder Unbefangene wird anerkennen, daß in der constitutionellen Monarchie der innere Aus⸗ bau der einzelnen Theile der Verfassung des Saates auf nannichfaltige Art bewerkstelligt und von keiner bestimmten Form der Staatseinrichtungen gesagt werden kann, daß sie die voll⸗ kommene und allgemein guͤltige sei. Zeigt doch die Erfahrung, daß in den bewährtesten Grundgesetzen bluhender und freier Völker die Feststellung der staatsbürgerlichen Rechte, die Bildung der an der Ausübung der Staatsgewalt nach den verschiedenen Hauptrichtun⸗ gen theilnehmenden Organe, die Abgränzung der Befugnisse der⸗ selben, die Formen ihres wechselseitigen Verkehrs, die Einrichtun⸗ gen zum Schutze der Verfassung zum Theil auf sehr verschiedene Weise bestimmt sind. Ungeachtet dieser Mannichfaltigkeit des an sich Moglichen ist es aber doch nicht schwer, die Entscheidung über die dem Wohl des Landes zuträglichste Art der Umänderung der Ver⸗ fassung auf eine verhältnißmäßig kleine Zahl von Hauptfragen zu⸗ rückzuführen, nach deren Beantwortung die Ausführung im Ein⸗ zelnen keine Schwierigkeiten mehr bietet. Bei dieser Sachlage würde das gemeinschaftliche Unternehmen sehr befördert und viel Zeitver⸗ lust abgeschnitten werden, wenn zunächst versucht würde, über die leitenden Grundsätze eine Verständigung herbeizuführen, da im Falle des Gelingens eine schnelle Vollendung des Werkes wahrscheinlich ist, im umgekehrten Falle aber langwierige und erfolglose Verhandlungen erspart werden und die Ver⸗ hältnisse sich klar ausscheiden. Wenn auch über die rela⸗ tiv zweckmäßigste Lösung der wichtigen Fraen, welche zur Beant⸗ wortung kommen mussen, voraus schon verschiedene Ansichten beste⸗ hen mögen, so wird doch jeder zur Theilnahme an dem wichtigen Werke Berufene seine Verpflichtung erkennen, auch die Ansichten Anderer mit Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zu prüfen und eine Verständigung über die Hauptgrundsätze anzustreben, bei welcher die unzertrennlichen Interessen des Königs und des Landes gewahrt werden und der Rechtszustand gesichert wird. Eine solche Verstän⸗ digung über die leitenden Grundsätze läßt sich aber von Verhandlungen mit der ganzen Versammlung nicht leicht er⸗ warten, da hier nur selten durch den Austausch der An⸗ gegenseitige Annäherung erreicht, vielmehr mei⸗ erzielt wird, die zum v⸗raus feststehende Abstim⸗ zu rechtfertigen. Wenn

Kommissäre aufstellt, um mit Kommissären der Regierung zusam⸗

menzutreten und in zwangsloser Form zu versuchen, inwieweit sich

eine Ausgleichung der Ansichten uüber

in üsg. 1 die Hauptgrundsätze finden läßt, so ist ein Erfolg denkbar,

ja es ist wahrscheinlich, daß in

manchen Beziehungen die vielleicht vorausgesetzte unübersteigliche

Kluft zwischen den beiderseitigen Auffassungen ganz verschwinden würde. Dem Rechte der Versammlung würde durch diese Aufstel⸗ lung von Kommissären nichts entzogen, da ihre Verhandlungen nur vorbereitender Natur wären, der endliche Beschluß aber selbst⸗

verstanden nur der ganzen Versammlung zustehen würde, wie an⸗

dererseits auch bei den Regierungs⸗Kommissären die Genehmigung der von ihnem gemachten Einräumungen vorbehalten wäre. Unter den einzelnen Abschnitten der Verfassung, welche einer Revision be⸗ ürfen, ist offenbar die neue Bildung der repräsentativen Organe der wichtigste und zugleich derjenige, der einer Revision am drin⸗

gendsten bedarf, und wohl auch vor allen anderen Verfassungsbestand⸗

theilen, unabhängig von dem Werk der deutschen Verfassung neu ge⸗ Nach der Ansicht der Regierung sollte da⸗ er mit der Berathung dieses Abschnitts, welcher eine abgesonderte

Behandlung vollkommen zuläßt, um so mehr begonnen werden, als

gerade hier die Zurückführung der entgegenstehenden Ansichten auf wenige, vielfach erörterte Hauptgrundsätze sich selbst darbietet, und sich bald zeigen muß, ob über die entscheidenden Punkte eine Ver⸗ Gelingt es in dieser Beziehung, eine Annä⸗ erung der Ansichten und eine Verständigung herbeizuführen, so

würden weitere Bestimmungen der Verfassung, deren Abänderung

als dringend erscheint, der Berathung unterworfen werden. Die Klugheit muß anrathen, mit dem Dringendsten zu beginnen, um, wie auch äußere Verhältnisse sich gestalten mögen, wenigstens in der Hauptsache einen geordneten Rechtszustand herbeizuführen. Indem ich Ihnen diese Ansicht der Regierung über die zweckmäßigste Form der Behandlung darlege und mich der Hoffnung hingebe, daß das Bestreben der Regierung, von ihrer Seite in versöhnlichem Geiste Alles zu thun, was zu einer Vereinbarung führen kann, an⸗ erkannt werden wird, lade ich die hochansehnliche Versammlung im Auftrage Sr. Majestät des Königs ein, aus ihrer Mitte etwa sechs bis acht Kommissäre zu dem Zwecke aufzustellen, in vertrau⸗ lichen Konferenzen mit Kommissären der Regierung die bei den Verfassungs⸗Abänderungen zu Grund zu legenden Prinzipien und je nach Umständen die auf dieselben gegründeten Entwürfe einer Vor⸗ berathung zu unterwerfen und dadurch eine Verständigung zwischen Regierung und der Landesvertretung anzubahnen.“ Wird der Ver⸗ assungs⸗Kommission zur Berichterstattung zugewiesen. Minister von Herdegen brachte einen Gesetzentwurf ein, worin die Versammlung aufgefordert wird, die Steuern für den Rest dieses Etatsjahres noch zu verwilligen. Geht an die Finanz⸗Kommission zur Begutachtung. Ein zweiter Gesetzentwurf bezieht sich auf die drei Nillionen Gulden Papiergeld, welches auszugeben das Finanz⸗Mi⸗ isterium durch das Gesetz vom 1. Juni 1849 ermächtigt ist. Das Finanz⸗Ministgrium legt nun, ehe zur Ausgabe von solchen geschrit⸗ ten wird, das Gefährliche dieses Verkehrsmittels dar und schlägt anstatt desselben einen Mittelweg vor, welcher die Gefahren eines infundirten Papiergeldes vermeidet, dennoch ein bequemes Ver⸗ fkehrsmittel ist und die Kräfte der Steuerpflichtigen möglichst schont. Als solches Auskunftsmittel werden vorgeschlagen: auf den Inhaber lautende verzinsliche Staatskassenscheine, welche als Schuld des Grundstocks anzusehen und nach gewissen Zeitabschnitten ein zulösen wären. Der Entwurf schlägt die Ausgabe von 3 Mill. Gulden in verzinslichen Kassenscheinen vor, welche in drei Ab⸗ theilungen letztlich in sieben Jahren eingelöst würden; die Scheine vürden auf den Inhaber lauten und zu 7, 14, 21, 28 und 35 Fl. ausgegeben werden, und wären von allen Staatskassen an Zahlungsstatt anzunehmen. Dieselben wären der Kapitalsteuer nicht unterworfen. Beharre aber die Versammlung auf der Aus⸗ gabe des Papiergeldes, so bedürfe die Staatskasse zur Einlösung des rückströmenden Papiergeldes einen Betriebsfonds von 1 Mil⸗ lion Gulden. Wird an die Finanz⸗Kommission gewiesen. Die Minister verlassen hierauf den Saal. Die Tagesordnung führt auf die von Fetzer angeregte Frage wegen Ueberreichung der Antworts⸗ Adresse auf die Thron⸗ ede. Probst spricht: ich bin der Ansicht, daß die Berathung einer Adresse dem Lande nur Kosten verursachen würde, und daß der Streit, der kaum zur Ruhe gebracht worden ist, nur wieder auf⸗ geregt werden würde. Ich stelle daher folgenden Antrag: In Er⸗ wägung 1) daß der Alterspräsident auf die Königliche Thronrede die ehrfurchtsvolle Erwiederung im Sinne der Versammlung bereits gegeben hat, 2) daß eine Adreßberathung dem schleunigen Begin⸗ zien der wesentlichen Arbeiten der Versammlung hemmend in den Veg treten würde, in deren Verlaufe die zu erörternden Fragen

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doch ausführlich zur Sprache kommen werden, beschließt die Lan⸗ desvertretung: über die angeregten Fragen der Berathung und Ueberreichung einer Adresse zur Tagesordnung überzugehen.

Kapff: Ehe wir hier zusammentraten, war es entschieden meine Ansicht, wir sollten nach dem Gesetze der Sparsamkeit eine zeitraubende und kostspielige Adresseberathung unterlassen, auch nicht weiter eingehen auf die deutsche Frage, da unser kleines Württem⸗ berg den gordischen Knoten unserer vielfachen Verwickelungen we⸗ der auflösen, noch zerhauen kann, um so weniger, als unter uns selbst so große Verschiedenheit herrscht, und die Freunde des Bündnisses vom 26. Mai trotz aller Vorwürfe, die auf sie gehäuft wurden, sich von der Ansicht nicht trennen können, daß kasselbe bei gehöriger Verständigung über einzelne Differenzvunkte wirk⸗ lich zu der ersehnten, aber immer mehr in nebelgraue Ferne ge⸗ rückten Einigung Deutschlands geführt hätte, und daß die Staa⸗ ten, die zu diesem Bündniß zusammentraten, dazu berechtigt wa⸗ ren, besonders der Fürst, der aus Rücksicht auf die deut⸗ schen Fürsten die Kaiserkrone abgelehnt hatte und sich in seinem Gewissen verpflichtet achtete, an die Stelle des Kai⸗ serreichs einen seine Macht mehr beschränkenden, aber der Nation Einhrit und Kraft sicherer versprechenden Bundesstaat vorzuschla⸗ gen. Daß man diesem Bundesstaat, wenn auch mit manchem Vor⸗ behalt, entgegengekommen wäre, daß man von den Thronen herab wie aus den Volkskammern, Versöhnung, Frieden und Eintracht durch alle deutschen Gaue gerufen und Alles gethan hätte, um das Harte und Starre weich, das Widerstrebende harmonisch zu ma⸗ chen, das hätte ich sehnlich gewünscht, während ich jetzt mit tiefem Schmerze fühlen muß, daß unsere norddeutschen Brüder sich von uns entfernen und über das Unrecht, das ihnen von Württemberg angethan worden sei, bittere Klage führen werden, so daß ich nichts Gutes für unser geliebtes Vaterland voraussehe, son⸗ dern mit verstärkter Besorgniß in die dunkle Zukunft blicke. Da aber der Zwiespalt unter uns leider so groß ist, daß fast Alles, was man redet, statt zu heilen, ihn nur grö⸗ ßer macht, so meine ich, wir sollten alle diese schweren Fragen, die wir doch nicht ausmachen, liegen lassen und unserem nächsten Beruf gemäß uns alsbald an die dringenden Angelegenheiten unseres en⸗ geren Vaterlandes machen, so weit sie von der einer höheren Macht zu überlassenden Entscheidung der deutschen Frage unabhängig sind. Weil aber unser König durch persönliche Eröffnung unserer Ver⸗ sammlung uns geehrt hat, so sollten wir Aufmerksamkeit mit Auf⸗ merksamkeit erwiedern, und eine kurze Antwort auf die Thronrede, in der Weise, wie unser Alters⸗Präsident sie gab, ohne weitere Be⸗ rathung beschließen, etwa mit der Bemerkung, daß wir auf das Materielle der Thronrede uns nicht einlassen wollen.

Oesterlen: Die Adresse sei sowohl ein Akt der Höflichkeit, als eine politische Kundgebung, und in den früheren Adressen sei schon viel gesagt worden, was Gründe der Höflichkeit nicht erheischten. Es dürfte von einer Adresse Umgang genommen werden können, weil die Antwort des Alterspräsidenten die Forderung der Höflichkeit erfüllt habe. Die kurze Adresse, wie sie der Abgeordnete Kapff wolle, könne er nicht unterstützen, weil sie vom parlamentarischen Brauche abweiche, eine bolitische Kundgebung zu erlassen. Eine das Materielle enthaltende Adresse aber halte er für unnöthig und unklug. Die Kammer müsse mit einem Ministerium verhandeln, das die Sympathiten des Landes nicht habe, weshalb sich zum Voraus erbittern? Sei auch die Hoffnung, sich zu einigen, nicht groß, so möchte er sie doch nicht noch mindern. Alle in diesem Saale haben den ehrlichen Willen, etwas zu Stande zu bringen, auch habe der Vortrag des Ministers heute diese Hoffnung genährt; eben so erinnere er sich, daß das Ministerium auf dem vorigen Landtag das demokratische Prinzip als ein berechtigtes anerkannt, auch dies bestärke ihm in seiner Hoffnung. Sollte diese Hoffnung aber getäuscht werden, so solle man sorgen, daß die Kammer kein Vorwurf treffe: sie habe unzeitig den Kampf hervorgerufen; deß⸗ halb sei er für den Antrag. Huck: Ich habe den Probstschen Antrag in dem Sinne aufgefaßt, daß durch Unterlassung einer Antwortsadresse in keiner Weise irgend einer Frage etwas präju⸗ dizirt werde, daß die Sache nur aufgeschoben werde, bis wir Ge legenheit haben, die einzelnen Fragen ohnehin zu berathen. Ich hatte im Sinne, den Antrag zu stellen: 1) In Erwägung, daß über die hauptsächlichste Stelle der Thronrede, nämlich über die deutsche Frage, eine Vorlage in Aussicht gestellt ist; 2) daß durch die Berathung einer Adresse unnöthige Kräfte und Kosten auf⸗ gewendet werden, und 3) daß die einzelnen Fragen ohnehin zu näherer Berathung kommen, geht die Versammlung zur Tagesordnung über. Ich kann mich aber auch mit dem Probstschen Antrag vereinigen. Goppelt: Ich erkenne an, daß wir die Zeit sparen müssen, erkenne an, daß die Rücksicht der Schicklichkeit und Ehrerbietung auch auf anderem Weg gewahrt bleiben kann, allein die Adresse ist ein Dokument von politischer Bedeutung, und so könnte man auch das Schweigen als einen politischen Akt auslegen. Wenn Sie keine Antwort geben, so bleibt es auch ungewiß, ob und welche Punkte der Thronrede einhelligen Anklang gefunden haben. Ich halte aber für sehr wünschenswerth, daß dies nicht vermuthet werden könne in Betreff jener Stelle, welche für den Plan, die Umgestaltung der deutschen Bundesverhältnisse auf dem Wege eines engeren und eines weiteren Bündnisses zu erzielen, nur das Mo⸗ tiv eines geflissentlichen Bruchs des bestehenden Rechts, einer wissent⸗ lichen Herbeiführung des Selbstmords der Gesammtheit findet. Wäre eine andere Auslegung nicht möglich, wir hätten es gewiß

lebhaft zu bedauern, diesen Vorwurf der Regierung des größten, reindeutschen Staates, einem Volksstamme gemacht zu sehen, dem wir einige der schönsten Seiten unserer daran eben nicht sehr rei⸗ chen Geschichte danken, einem Volksstamm, von dem die Thronrede selbst anerkennt, daß seine einträchtige Mitwirkung unentbehrlich ist zu der Macht und der Selbstständigkeit Deutschlands. Mir scheint aber, es liegt die Möglichkeit einer anderen Auslegung nahe. Be⸗ schränkung der Selbstständigkeit ist nicht ihre Vernichtung. Die er⸗ stere ist nicht zu erwarten von wirklichen Großmächten; sie ist un⸗ erläßlich von Seiten aller kleineren; denn wie soll sich die gerühmte födera⸗ tive Form sonst so heilsam erweisen? Es genügt mir übrigens durch diese Bemerkungen meinen Meinungsgenossen die Vermuthung gewahrt zu haben, daß auch ihnen eine redliche Absicht und eine ge⸗ wissenhafte Prüfung zur Seite gestanden sei, ein Zweck, dessen Er⸗ reichung ich im voraus nicht sicher sein konnte und da die Oeffent⸗ lichkeit der Verhandlungen und Protokolle keinen Zweifel darüber läßt, daß die Versammlung in dem guten Glauben gehandelt hat, die Rücksichten der Schicklichkeit nicht zu verletzen, so hindert mich jetzt nichts mehr, dem ersten Antrag beizutreten. Reyscher: Wenn ich dem Antrage auf Tagesordnung beitrete, so thue ich es nicht, um dadurch meine stillschweigende Uebereinstimmung mit der Thronrede auszusprechen, auch nicht etwa, als ob ich die Wichtig⸗ keit ihres Inhalts mißkennen würde, ich thue es, weil ich den jetzigen Zeitpunkt nicht für geeignet halte, die deutsche Frage zu besprechen, aber ich thue es unter ausdrücklicher Wahrung der Rechte dieser Versammlung hinsichtlich des neuern Dreikönigsbündnisses, von welchem wir durch die Thronrede offizielle Kenntniß erhalten haben, und unter der

E11XX“ die sich in der Thronrede gegen eine deutsche gb 2—s desst mit ihr verbündeten Staaten, den größeren

heil Deutschlands, ausgesprochen hat. Eine solche Sprache beruht auf einer gänzlichen Mißkennung nicht blos der politischen Lage des Landes, sondern auch der Stimmung des Volkes welches so 862 einen Krieg mit Preußen als mit Oesterreich wünscht 5 ilber haupt nicht länger um dynastische Interessen Krieg! führen, nicht länger auf die Einheit Deutschlands verzichten will. Wir werden nicht nach Erfurt gehen, weil das nordische Dreikönigsbündniß bis jetzt keine Gewähr seiner Dauer darbietet, aber wir haben keinen Grund, den Mitgliedern desselben entgegenzutreten oder zu verhindern, daß sie von dem Recht der Bündnisse Gebrauch machen, welches ihnen immer zugestanden hat und auch nach der Bundesakte, welche jetzt wieder so vielfach angerufen wird, zusteht; wir wollen namentlich nicht entgegen sein, daß von irgend einer Seite aus ein umfassenderes Band für die deutsche Einigung an⸗ gebahnt werde. Wir wollen abwarten, was in Erfurt gestiftet wird, ist es etwas Gutes und Bleibendes, so wird es uns lieb sein, wir wollen aber nicht durch leidenschaftliche Angriffe unseren spä⸗ teren Beitritt abschneiden oder erschweren. Wir wollen vor Allem auf den Traum einer württembergischen Souveränetät verzichten, welche bekanntlich sehr jungen Datums ist, und auf den Traum einer belgischen Neutralität, welche unter ganz anderen Umständen sich gebildet hat; wir wollen endlich ja nicht vergessen, daß ein so kleines Land, wie Württemberg, nicht isolirt bleiben darf, sondern kräftige Verbündete nöthig hat, die es zu schützen im Stande sind. Der Probstsche Antrag wurde hierauf durch Aufstehen und Sitzen bleiben angenommen. 1

Nassau. Wiesbaden, 15. März (Ztg. f. N. D.) Der Abgeordnete Braun stellte in der heutigen Sitzung des Landtags Namens der Linken eine Interpellation in Betreff der Grundrechte, in der es heißt: die unterzeichneten Abgeordneten finden sich, nach⸗ dem das hohe Staats⸗Ministerium vollständige Mittheilungen über die Finanzangelegenheiten für die diesjährige Periode des Land⸗ tags gemacht hat, gedrungen, um Auskunft über den Stand der legislativen Arbeiten, worüber bis jetzt ein Aufschluß nicht erfolgt ist, zu bitten, und zwar um so mehr, da vielfache Akte der Gesetzgebung nicht nur zur Ausführuug der seit länger als Jahresfrist publizirten Grund⸗ rechte des deutschen Volkes nothwendig, sondern auch, abgesehen hiervon, anderweitig, sowohl durch frühere Beschlüsse des Landtages, als durch Zusagen, theils des früheren, theils des jetzigen hohen Staats⸗ Ministeriums als nothwendig oder nützlich und daher alsbald vor⸗ zunehmen anerkannt, theilweise auch bereits begonnen, jedoch der⸗ malen, ohne daß über deren Erledigung annoch irgend etwas fest⸗ gestellt wäre, in der Schwebe begrifsen sind. Wir rechnen hierher insbesondere die Gesctze in Betreff der Standesverhältnisse, der Titel und der Orden, über allgemeine Wehrpflicht, über ausnahms⸗ weise Berechtigung der Forst⸗ und Feldschutzbeamten zur Vornahme von Haussuchungen, Regulirung der Verhältnisse zwischen Kirch (Religionsgesellschaften) und Staat, im Sinne der Selbstständigkei der ersteren; Gesetze über Eid, Ehe und Standesbücher; Reorganisa⸗ tion des Schulwesens; Reformen des Gerichtswesens, im Sinne ver Entfernung der Ueberreste der Patrimonialgerichtsbarkeit, der Unabhän⸗ keit der Richter, des Schutzes derselben gegen willkürliche Suspen⸗ dirung, Pensionirung, Quieszirung und Versetzung, so wie ferner: Erlassung einer vollständigen Strafprozeßordnung, zur Ergänzung der Lücken der gegenwärtigen Legislation, und gebaut auf die Grundsätze der Oeffentlichkeit und des Anklageprozesses auch für die nicht vor die Assisen gehörigen Verhandlungen, wenigstens aber Erlassung provisorischer Verfügungen zur Abstellung der dringend⸗ sten Mißstände, namentlich neue Fixirung der Urtheilsstempeltaxe, welche dermalen die Vertheidigung erschwert, ja unmöglich macht; Erlassung einer vollständigen Civilprozeß⸗Ordnung, ge⸗ baut auf die Grundsätze der Oeffentlichkeit und der Zuzie⸗ hung Sachlundiger, von den Berufsgenossen frei gewählten Richter in Sachen besonderer Berufserfahrung und Abschaf⸗ fung der Reste der Administrativ⸗Justiz; Vollendung der Befreiung des Grundeigenthums von den Feudallasten, namentlich: Ablösung des Erbleih⸗Verhältnisses und des Bannverbandes, Beseitigung der Familien⸗Fideikommisse und des Lehnverbandes; ferner besondere Aufgaben der Landesgesetzgebung: 1) Berathung und Abschluß der Landes⸗Verfassung, 2) Forst⸗Organisation, 3) Medizinal⸗Organi sation, 4) Dienstpragmatik. Wir bitten das Herzogl. Staats⸗Mi⸗ nisterium um Mittheilung über den gegenwärtigen Stand der oben genannten legislativen Arbeiten, namentlich darüber, wie die des⸗ fallsigen Vorarbeiten gediehen sind, ob, und wann und über welche Gegenstände Vorlage an den Landtag erfolgen soll.

Minister Wintzingerode versprach, die Interpellation in der nächsten Sitzung zu beantworten. In Bezug auf die Rathsche In⸗ terpellation wegen des Interims legte er die Abschrift des Vertrags zwischen Oesterreich und Preußen vom 30. September 1849 wegen des Interims vor, welchem sämmtliche Regierungen beigetreten seien, und somit auch Nassau am 18. November v. J., worüber die be⸗ treffende Urkunde ebenfalls vorgelegt wurde. Der Vertrag lege dem Herzogthume keine neue Verpflichtungen auf, und das nassauische Staatsrecht werde auf keine Weise verändert, er stütze sich auf die wiener Schlußakte von 1820.

Bei der Budgetsprüfung wurde der Antrag Rath's, die Kosten für „Reichstag und Verwaltungsrath“, 10,000 Fl., zu streichen, mit 21 gegen 17 Stimmen abgelehnt.

Wiesbaden, 18. März. Der Landtag hat den Dr. Heyden⸗ reich und an die Stelle des die Wahl ablehnenden Oberappella⸗ tionsgerichts⸗Prokurators Dr. Großmann den Ministerialrath Werren für das Staatenhaus in Erfurt gewählt.

Sachsen⸗Meiningen. Meiningen, 17. März. (D. Z.) Unsere am 1sten d. M. eingetroffenen Landtags⸗Ausschüsse sind in voller Thätigkeit. Sämmtliche Vorlagen, deren Berathung noth⸗ wendig erscheint, sind bereits in ihren Händen und sollen auch den übrigen noch nicht hier anwesenden Abgeordneten zugesendet wer⸗ den, damit sich dieselben schon vor dem Beginn des Land⸗ tags instruiren und auf die Verhandlungen vorbereiten können. Zunächst werden einem höchsten Erlaß zufolge die Etats und dann die landesherrlichen Propositionen in der Reihen folge, wie sie eingegangen sind, zur Berathung kommen. Einige dem vorigen Landtage zugegangene, von demselben aber zurück⸗ gelegte Gesetz⸗Entwürfe, sind in Folge der veränderten Zeitverhält⸗ nisse zurückgezogen und weitere Entschließung darüber vorbehalten worden. Außerdem sind noch Gesetz⸗Entwürfe über die Ausübung der Jagd, über die Ablösung der grund⸗ und lehnherrlichen Lasten, so wie über die Aufhebung des in einigen Landestheilen bestehenden, den Verkehrsverhältnissen nicht mehr entsprechenden Verbotes der Verpfändnng von Schuldurkunden und Wechselbriefen, zur Bera⸗ thung vorgelegt worden. Auch in Betreff des am 31. Mai v. J. erlassenen Bürgerwehrgesetzes hat sich eine modifizirende Vorlage nöthig gemacht. Es haben sich 7 Verwaltungsämter, 4 städtische Behörden und 285 Landgemeinden unbedingt gegen die Ausfüh⸗ rung und nur 2 städtische Behörden und 31 Landgemeinden dafür

ausdrücklichen Erklärung, daß das Land keinen Theil habe an jener erklärt, während von 3 Verwaltungs⸗Aemtern, 6 städtischen Be⸗