Der Kommissarius des Verwaltungsrathes von Lepel erklärt sich nur mit dem ersten Theil des Ausschuß⸗Antrages einverstanden und bemerkt, daß auch in Bezug auf dies Gesetz zu bestimmen sein wird, ob es als organisches Reichsgesetz zu betrachten ist.
Nachdem die Abgeordneten Sintenis und von D üesberg über das ganze Gesetz gesprochen, empfiehlt der Abgeordnete Zöpfl die Beibehaltung des §. 27. Der erste Theil des Ausschuß⸗An trages wird angenommen, der zweite Theil (Ueberweisung an den⸗ nächsten Reichstag) abgelehnt. 1
Dem Ausschusse wird die Frage überwiesen, ob das Gesetz als organisches zu betrachten ist.
Schluß der Sitzung 1 Uhr. Nächste 10 Uhr.
Sitzung Freitag
Erfurt, 26. April. Sitzung des Staatenhauses. Der Präsident von Auerswald eröffnet in Gegenwart der Kommis⸗ sarien des Verwaltungs⸗Rathes von Carlowitz, Dr. Liebe und Vollpracht die Sitzung um 10 ½ Uhr. Das Protokoll wird ver⸗ ese d genehmigt. Auf 1 ist zunächst der von dem Abg. B irn. baum erstattete Bericht über die gestrige Sitzung des Justiz schusses. Dieser trägt darauf an, die ihm CC111“ würfe nicht für organische Verfassungsgesetze zu erklären un ie beschlossenen Abänderungen nicht als Bedingungen der sondern als Propositionen hinzustellen, der Art, daß es, im Falle die Abänderungen die Zustimmung der verbündeten Regierungen nicht erhalten, bei den ursprünglichen Bestimmungen der Entwürfe ver⸗ bleibt. .
Abgeordneter Camphausen: Wir können sehr dankbar da⸗ für sein, daß die Organe des Verwaltungs⸗Rathes uns rathen, bei einzelnen Gesetzen dasselbe Verfahren einzuschlagen, das wir bei der Berathung der Verfassung eingeschlagen haben. Allein jetzt handelt es sich nicht mehr um das Bestehen des Bundesstaats, und wir können erwarten, daß die Kommissarien des Verwaltungs⸗ Rathes befugt sind, bei den einzelnen Abänderungen ihre Meinung zu sagen, sie gut zu heißen oder die Gründe anzuführen, welche dagegen sprechen. Wenn wir die beschlossenen Abänderungen als bloße Wünsche hinstellen, so verwandeln wir uns aus einer ent⸗ scheidenden in eine begutachtende Behörde; zu diesem Verfahren werde ich meine Zustimmung nicht geben.
Abgeordn. Graf Rittberg;: Wir befinden uns jetzt in ver⸗ selben Lage, in der wir uns bei der Berathung über die Ver⸗ fassung befanden. Die hohen Regierungen haben uns die Entwürfe zur freien Entschließung vorgelegt; wir können sie annehmen oder anderweitige Beschlüsse darüber fassen. Auch ich würde nicht wün⸗ schen, daß wir eine blos begutachtende Versammlung werden; wir fassen Beschlüsse, aber wir stellen sie den Regierungen gegenüber als Wünsche hin. Das Gesetz über das Reichsgericht bildet den Schlußstein der Verfassung, es ist eine Wohlthat und eine Noth⸗ wendigkeit und hängt auf das innigste mit der Verfassung zusam⸗ men. Ich empfehle Ihnen die Annahme des Ausschuß⸗Antrages.
Abg. von Sybel: Mir scheinen Beschlüsse, welche einem
Anderen zur Begutachtung übergeben werden, nichts weiter zu sein, as Ratyschläge; gehen Sie auf den Weg ein, der Ihnen von dem Ausschuße vorgeschlagen wird, so gehen Sie von der Verfassung ab und verlasen die Stellung, welche dem Hause gesetzlich einge⸗ räumt ist.
Abg. Brandis: Ich wäre mit dem Abg. Camphausen ein⸗
8
verstanden, wenn es sich um bedeutende Veränderungen handelte und wenn nicht nothwendigerweise das Reichsgericht bald eingerichtet werden müßte, was nicht geschehen wird, wenn die einzelnen Abän⸗ derungen den Regierungen als Beschlüsse zugehen, denen die eine agen braucht, um die
oder die andere nur ihre Zustimmung zu vers Einrichtung des Reichsgerichts hinauszuschieben.
Abgeordn. Hesse (Berlin): Ich habe die von dem Abgeordn. Camphausen ausgesprochene Meinung in dem Ausschusse geltend ge⸗ macht und bin so widerlegt worden, daß ich von meiner Ansicht zu⸗ rückgekommen bin. (Beifall.) Wir legen den Regierungen Be⸗ schlüsse vor, bei denen sie ihr Veto behalten; sie können davon die⸗ jenigen annehmen, welchen sie ihre Zustimmung ertheilen wollen; über diese Beschlüsse hinaus können sie nicht gehen; wir werden also nicht zu einem ständischen Beirathe, sondern bleiben eine ent-
scheidende Versammlung. Für den Antrag des Ausschusses sprechen Gründe der Zweckmäßigkeit und Gründe des Rechts nicht gegen denselben.
Die Anträge des Ausschusses werden angenommen.
Hierauf werden die Beschlüsse der vereinigten Verfassungs⸗ Ausschüsse berathen. Der Verfassungs⸗Ausschuß des Staatenhauses empfiehlt sie sämmtlich zur Annahme, jedoch mit der Maßgabe, daß der Zusatz, welcher sich auf das Wahlgesetz bezieht, nicht dem §. 184, sondern dem §. 192 beigefügt werde.
Die Abg. Piderit, Brüggemann, Graf Solms, von Kleist erklärten sich gegen die beantragte Aenderung des §. 101 Nr. 6, betreffend die Bewilligung des Budgets durch das Staaten⸗ haus, der Abg. Hesse (Berlin), Graf Rittberg und von Watz⸗ dorf für dieselbe.
Nachdem noch der Abgeordnete von Rüth gegen und der Ab⸗ geordnete von Patow für den Ausschuß⸗Antrag gesprochen hat, wird der Ausschuß⸗Antrag, der auch im Volkshause angenommen wurde, mit 50 gegen 33 Stimmen angenommen. Dafür stimmen unter Anderen die Abgeordneten Rebling, Riedel, Rittberg, Fürst Solms, von Strotha, von Sybel, Zittel, Ambronn, Freiherr von Arnim, von Auerswald, Baumstark, von Brünneck, Camphausen, Dahlmann, Denzin, Graf Dönhoff, Graf Dyhrn, von Dusch, von der Gabelentz, von Hermann, von Jordan, Lensing, von Oertzen. Dagegen unter Anderen die Abgeordneten Tellemann, Waitz von Eschen, Graf Waldersee, Wetzel, Zöpfl, von Bodelschwingh, Graf Dohna, von Düesberg, Eichhorn, Birnbaum, von Kleist, Graf Loẽë, Möller, Möwes, von Meysenbug, Fürst Putbus, Piderit.
Der Abg. Fürst von Fürstenberg enthielt sich der Abstimmung. 8 Inzwischen ist der Vorsitzende des Verwaltungs⸗Rathes von Radowitz eingetreten. In Betreff des Zusatzes zu §. 192 be⸗ merkt der Kommissarius des Verwaltungs⸗Rathes von Carlowitz:
8 8 88 85 dem Beschlusse des Volkshauses einverstanden, hause 5 8 dem Ihrigen abzugehen und dem des Volks⸗ Stande Gge. ha eig eerneee Weschlst Iheicer ta ser die weiter keine Folge hahen könnten. 11“.“
11— des Ausschusses werden sämmtlich angenommen. Beric uf kommt der von dem Abgeordn. Schenk erstattete ericht des Ausschusses für das Gesetz über Hoch⸗ und L. derrasg de BSesthvbes. 6 über Hoch⸗ und Landes⸗ ngzitattg .. Ausschusse vorgeschlagenen und bereits in Nr. 35 1 1 9 ah gahn Veränderungen werden angenommen. derlichen Strafgesetzen 8 das Gesetz zugleich mit den dazu erfor⸗ . Kommiissandeas d i Kraft treten soll, wird auf den Wunsch Fä 8 Gerwaltungs⸗Rathes, Vollpracht, nicht als 8 gre v E etzes, 9 ino schluß angenommen. bes, sondern durch einen besonderen Be⸗
Schluß der Sitzung 3 Uhr. — Nächste Sitzung unbestimmt.
Erfurt, 26. April. (C. C.) (Nachtrag zu der Sitzung vom 25. April.) In der gestrigen Debatte über §. 184 des Entwurfs handelte es sich darum, ob der vom Ausschuß des Staatenhauses vorgeschlagene Zusatz zu Alinea 1 (siehe die gestrige Nummer) oder statt dessen der vom Staatenhause angenommene Zusatz zu §. 192: „die gesetzlichen Bestimmungen über die Wahlen zu den landstän⸗ dischen Versammlungen der Einzelstaaten, mit Ausschluß der für die ersten Kammern geltenden oder anzuordnenden Bestimmungen, sind nach den Grundnormen einzurichten, auf welchen das Gesetz über vie Wahlen zum Volkshause beruht“ adoptirt werden, oder ob, wie der Ausschuß des Volkshauses beantragt, beide Zusätze ab⸗ gelehnt werden sollen. Die schriftlichen Anträge, welche außerdem noch vorlagen, wollten es der Reichsgesetzgebung überlassen, Be⸗ stimmungen über die leitenden Grundsätze bei der Bildung der ein zelnen Volksvertretungen zu treffen. 8 8 “
Der Abgeordnete Wippermann ergriff zuerst das Wort für den Ausschuß⸗-Antrag. Er bezeichnete die beabsichtigte Verfassungs Bestimmung als einen Eingriff in die Selbstständigkeit der Einzel⸗ staaten. Nur in der Herstellung eines Einheitsstaates liege dafür eine Entschuldigung. Die voraussichtlichen Divergenzen zwischen der Reichsregierung und den einzelnen Volksvertretungen müsse die Praxis erledigen. Wenn das Reich selbst dazu nicht die erforder— liche Kraft habe, so würden auch die blos auf dem Papier stehen den Bestimmungen zu ihrer Beseitigung nicht hinreichen. Wenn eine Veränderung der Wahlgesetze in Einzelstaaten wirklich dringen— des Bedürfniß sei, so werde sich auch die erforderliche Majorität für Abänderung dieser Verfassungs⸗Bestimmung finden. Bis jetzt könne eine solche der Aufnahme und Wirkung der Verfassung nur nachtheilig sein. 8 1
Abg. von Manteuffel (Berlin):
Meine Herren! Ich beab⸗ sichtige, Ihnen einige Worte in einem Sinne zu sagen, welcher dem des Herrn Vorredners entgegengesetzt ist. Unter den Gründen, welche man für die Nothwendigkeit der Bildung eines Bundesstaats angeführt hat, der Nothwendigkeit namentlich für Preußen, hat, wenn ich nicht irre, der Herr Abg. für Köln auch den meines Erachtens richtigen hervorgehoben, daß Preußen es nicht dulden könne, im eigenen Interesse es nicht dulden dürfe, daß an seinen Graͤnzen der Brand genährt werde, daß die kleineren Staaten, welche nicht fähig sind, die Revolution zu beherrschen, an seinen Gränzen Zustände herbeiführen, welche für Preußen selbst verderblich werden müssen. Ja, meine Herren, es ist nothwendig, daß in dieser Beziehung eine Gemeinschaft, eine Genossenschaft eintrete. Aber will man sich dazu vereinigen, will man gegen den Brand zusammentreten . dann muß auch eine gemeinschafeliche Feuerordnung bestehen (Bravo auf der Rechten) — und wer wollte leugnen, daß es Wahlgesetze geben kann, welche gar sehr verderblich, gar sehr gefährlich für die Gesammtheit sind? Wollen also jene kleineren Staaten sich an Preußen anschließen, mit ihm ein gemeinsames Regiment aufrichten, an welchem sie auch Theil haben, daun scheint es mir in der Natur der Sache zu liegen, daß sie auch Maßregeln, welche Gefahren für das Allgemeine beseitigen helfen „ mit durchzuführen bemüht sind. (Bravo auf der Rechten.) Meine Herren! Es ist neulich von beiden Seiten des Hauses der Vorwurf der Doktrin hin und her geworfen worden. Meine Herren! Jede Schule muß meines Erachtens ihre Doktrin haben und hat sie mit Recht. Ich trete der Doktrin nur dann entgegen, wenn sie das Leben ignorirt oder negirt, wenn sie von dem, was werklich und praktisch dasteht,
absehen will, wenn sie die Nase darüber rümpft, ohne thatsächlich
Besseres, Mögliches zu substituiren. Wir müssen vor Allem dem
praktischen Beduͤrfniß Rechnung tragen, und ich halte es für ein,
wenn auch nicht in der Verfassung stehendes Grundrecht eines jeden
Staats⸗Angehörigen, daß er eine Regierung habe, daß wirklich
regiert werde. (Bravo auf der Rechten.) Wenn der Bundesstaat
diese Bedingung nicht erfüllen kann, dann wird er der schlimmsten Gefahr, welche ihm drohen kann, unterliegen, nämlich der, daß er wirkungslos bleibe, und dies wünsche ich meinerseits nicht. Deshalb lege ich auf den Antrag, welcher gegenwärtig Ihrer Beschlußnahme unterliegt, einen besonderen Werth. Er ist ein erster Akt der Selbstständigkeit des Bundesstaats, er wird eingreifen in alle seine Alte, er wird das Bewußtsein gründen, daß das gemeinsame Interesse dazu führt, gemeinsamen Gesahren zu begegnen. Ich bitte Sie deshalb, dem Antrage Ihre Zustim⸗ mung zu geben. Ich erlaube mir noch besonders gegen den Herrn Vorredner darauf aufmerksam zu machen, daß es nicht in der Ab⸗ sicht liegt, von Rechts wegen Wahlgesetze für die einzelnen Staaten zu machen. Es soll, so fasse ich den Antrag auf, die Kompetenz der Union dahin gewahrt werden, daß sie ein schädliches Wahlgesetz beseitigen kann, daß sie das, was im Allgemeinen und Ganzen in dieser Beziehung in der Union Platz greifen soll, fortsetzen kann, und wenn die vereinigten Gewalten der Union dies nicht vermöch⸗ ten, dann glaube ich, daß sie sehr schwach dastehen würde; unsere Aufgabe aber muß es sein, sie stark zu machen. (Bravo auf der Rechten.)
Abgeordn. Riesser (Hamburg) spricht sich ganz im Sinne des Abgeordn. Wippermann aus. Auch er hält die Verfassungs⸗Be⸗ stimmung für einen zu großen Eingriff in die Selbstständigkeit der Einzelstaaten, welcher leicht zu noch radikaleren Wahlgesetzen führen könne, da konservativ und partikularistisch in vielen Staaten gleich bedeutend sei, und daher jede dem Bundesstaat günstige Bewe⸗ gung dort zugleich radikal ausfalle. Die Reichsgewalt habe selbstständig nicht die Frage zu entscheiden, ob eine erste Kammer existire und wie sie zusammengesetzt sein solle, und könne daher auch, unabhängig von der ersten Kammer, kein Wahlgesetz für die zweite entwerfen. Auch bestehe die Frage, ob direkte oder indirekte, öffentliche oder geheime Wahlen stattfinden sollen, noch ungelöst. Die Bildung des Staatenhauses könne hier nicht maßgebend sein, da es die Besonderheiten der deutschen Stämme ausdrücken, wie das Volkshaus die Nation im Ganzen repräsentiren solle.
in dem so wichtigen Punkte der Bildung 5 Bastsvertretungenen⸗ einträchtigen nicht die Selbstständigkeit, sondern nur die eein⸗ Besonderheit; sie stärke aber das Ganze und somit auch 1G 8 zelnen Theile. Auch der Konflikt mit Preußen sei nicht zu sös ten, da dieses einem besseren Wahlgesetz gern seig. 5 werde. Man möge nur jetzt die Kompetenz der hec egefhe in diesem Punkte feststellen; die Nothwendigkeit 6 8 düh sche das Gesetz selbst herbeiführen und die entgegenstehenden d. hese — 8 2ö. testethen. Mathy: Es sei zwar anzunehmen, daß die ö tige Versammlung selbst mit ihrer jetzigen Zusanmensaßung zus er den sei. Der Grund hiervon sei aber nicht 11“ welchem sie gewählt worden, sondern die E1“ voll⸗ kratischen Partei. Diese freiwillige Enthaltsam ei in jetzt in eine gezwungene verwandeln. Er sei gegen die er⸗ sätze; er könne sie, so weit ihr Zwech ausgesprochen, nur se fluüͤssig und weiter hinaus nur für schädlich halten. Auf gick⸗ bliclich äußerliche Würkung eines Gesetzes dürse mnpetent, Den⸗ sichtigen. Die Reichs⸗Regierung sei unzweifelhaft 1” jenigen, die sich vor den Gefahren des allgemeinen Te t 85 einen Zusatz⸗Antrag schützen wollen, sagt er, öü8 WJ1“ Abgeordneten für Berlin, Preußen werde den revolu sf an seinen Gränzen ersticken, sei ein besserer, Schutz, als eit “ zum Verfassungs⸗Paragraphen. Schließlich erklärt der à “ wenn er auch in der Minorität bliebe, so werde er doch nur sein Mögliches thun, um die üblen Folgen des Beschlusses beseitigen zu helfen. Denn ein Bundesstaat mit diesem Zusatz sei ihm immer noch lieber, als gar kein Bundesstaat. 8 Abgeordn. Bassermann will die Zusätze aufgenommen wissen, namentlich auch deshalb, damit die beruhigenden Worte des Abge⸗ ordneten für Berlin ohne Verfassungsbruch zur Wahrheit werden könnten. Der Vorredner habe sich mit der Macht getröstet; die aber bedürfe gerade eines gesetzlichen Bodens, wenn sie nicht Will⸗ kür werden solle. Wer sich auf diese schließlich verlassen wolle, brauche überhaupt keine Verfassung. Nachdem der Redner sich ge
gen die Behauptungen des Abgeordn. Riesser gewendet hat, sagt er, die Sympathieen der beigetretenen Regierungen werden dadurch nicht verringert werden, daß sie einen verfassungsmäßigen Schutz gegen das allgemeine Wahlrecht fänden, und noch weniger würde dies die nicht beigetretenen Regierungen vom Beitritt abschrecken. Der Redner befürwortet die Umwandlung des Wortes „wählen in „bilden“, da man sonst den Zusatz als nur gegen die zweiten Kammern gerichtet betrachten könne. Nur auf einem guten Wahl⸗ gesetz könne sich das Gebäude des constitutionellen Systems erhe⸗ ben; erbaue man es auf einem schlechten, so stürze es zusammen. Abgeordn. von Vincke (für den Ausschuß⸗Antrag) glaubt auf die Zustimmung der äußersten Rechten, welche vor Centralisation warne, rechnen zu dürfen, da mit den Zusatz Anträgen ein Eingriff in die Selbstständigkeit der Einzelstaaten beabsichtigt werde. Man spreche von der Kompetenz. Da hier aber erst die Reichsverfassung festgestellt werde, so küönne es sich nur darum handeln, ob man kompetent sein wolle, ob es klug und vortheilhaft sei, sich die Komvpetenz beizulegen, oder nicht. Woher sind plötzlich die zarten
Bedenken gegen die Einzelstaaten gekommen? Als es sich darum handelte, ihre Geldbeutel anzutasten, habe man es nicht gewagt; nicht einmal das erbärmliche Pfandrecht an den Zöllen, wie es in Frankfurt beschlossen wurde, habe man auf⸗ recht erhalten. Aber vor gewaltsamen Eingriffen in ihre Wahlgesetze scheue man nicht zurück. Die kleinen Staa⸗ ten bedürfen nach ihren Bevölkerungsverhältnissen ganz anderer Wahlgesetze, als die großen. Der Maßstab der letzteren würde bei jenen ein parlamentarisches Leben oft ganz unmöglich machen; man würde nicht einmal im Stande sein, die Plätze eines Hauses zu füllen, viel weniger eine gehörige Debatte zu führen. In so be schränkten Verhältnissen koͤnne sich kein deutscher Patriotismus ent wickeln. Was sei ein Liechtensteinischer Patriotismus! Der er innere ihn an den bekannten Ausruf: „O Kyritz, mein Vaterländ!“ Solchem Kleinlichkeitsgeiste gegenüber müsse man die gemeinsamen großen Interessen hervorheben. Die Nothwendigkeit sei zwar eine harte, aber die sicherste Führerin zur Wahrheit. Wo sich eine Wahlgesetz⸗Aenderung als nothwendig herausstelle, werde sich auch die erforderliche zwei Drittel Majorität finden. Jedenfalls sei es nicht gerathen, später der Reichsgewalt zu überlassen, was man selbst thun könne. Die Krankheit der Demokratie lasse sich nicht mit Gewalt heilen, auch nicht durch veränderte Wahlgesetze. Man müsse die Leute überzeugen, daß sie deshalb nicht weniger Steuern zu bezahlen haben. Wenn man die verschiedenen Wahl⸗ gesetze wie Medizinflaschen betrachte, könne man durch Vergreifen leicht Unheil anrichten. Man müsse freilich die Rechtsprinzipien fest halten, sich aber hüten, daß man vor lauter Vorsichtsmaßregeln nicht eine „Reichs⸗Polizei⸗Anstalt für Feuerordnungen“ werde, wie der alte Bundestag. An die gewaltsamen Maßregeln Preußens gegen ein Bundesglied, auf die man hingedeutet habe, glaube er nicht. Hüten wir uns andere Staaten von uns abzuschrecken, wie z. B. Hannover, welches mit nordisch konservativer Hartnäckigkeit es endlich doch durchsetzen wird, sich mit uns zu vereinigen, wenn
Die künftige Reichsgesetzgebung werde bei Feststellung der ge⸗ setzlichen Wahlnormen nicht frei sein in ihrem Verhältniß zu Preußen und seiner Verfassung. Dort aber schließe vas gegenwärtig existirende 3 Klassen⸗ Wahlgesetz die Hauptgefahr in sich, daß die 2te Klasse erbittert über die ungewohnte und auf⸗ fallende Bevorzugung, welche der 1sten zu Theil werden wird, sich gegen diese mit der 3ten verbindet, und daß hieraus noch schlechtere Wahlen hervorgehen, als sie bei dem allgemeinen Wahlrecht zu be⸗ fürchten wären. Wolle man das Gesetz dem Volke nur als Schranke, als Hinderniß fühlbar machen, so werde man es so po⸗ pulär machen, wie den alten Bundestag, der dasselbe Prinzip ge habt. Schon jetzt sei die Begeisterung für den Bundesstaat im Sinken; das sei die größte Gefahr. Wie der Hauptfeind des Co⸗ lumbus, als er eine neue Welt entdecken wollte, nicht der Sturm, sondern die Windstille gewesen, so treibe auch jetzt das Schiff, welches die Hoffnungen Deutschlands trage, nach den frankfurter Stürmen mit schlaffen Segeln vor der Gleichgültigkeit hin. Man möge sich hüten, den Bundesstaat ganz unpopulär zu machen, denn dann werde der Abfall von ihm populär und der Preis werden für die Verbindung der Radikalen mit den Partikularisten. d “ Holleben (Trier) empfiehlt den Ausschuß⸗Antrag hauses. Eine Uebereinstimmung der deutschen Staaten
wir es nicht gewaltsam von uns stoßen. Alles kommt bei den Waylen auf die Stimmung des Landes an; ihr gegenüber hilft keine Formel, kein Vorbehalt; mag er als Gespenst, oder ehrlicher mit Fleisch und Blut auftreten, — er schreckt nur ab und macht mißtrauisch. Daher keine Zusätze.
Sitzung des Volkshauses vom 26. April. Nach Ver lesung des Protokolls berichtigt der Schriftführer von Bismark ein gestern falsch angegebenes Zahlenverhältniß. Der Bekk'sche An⸗ trag ist nicht mit 105 gegen 105, sondern mit 104 gegen 105 ab⸗ gelehnt. Das Protokoll wird genehmigt. Es sind die Wahlen der Abgeordneten von Sänger, General Hoffmann, Graf Lehrbach, von Usedom geprüft und werden genehmigt. Eben so die im Protokoll nicht erwähnte Wahl des Abgeordneten von Thielau. Die Wahl des Abgeordneten Kopp wird, trotz einiger Unregelmäßigkeiten, we gen der großen Majorität, mit der er gewählt ist, ebenfalls geneh migt.
g Das Haus geht zur Diskussion des Berichts des Ausschusses zur Prüfung des Gesetzentwurfs über Einrichtung des Reichsge⸗ richts über. 8
Kommissarius von Lepel macht darauf aufmerksam, daß das Staatenhaus den Anträgen seines Ausschusses mit Ausnahme eines Punktes beigestimmt habe, und daß, falls dies im Volkshause eben falls geschähe, noch Abweichungen zwischen beiden Häusern statthaben würden. Wir befinden uns in der Lage, den Abschluß der Reichs tags⸗Verhandlungen zu wünschen, es wäre daher gut, wenn das hohe Haus sich jetzt darüber ausspräche, wie eine Einigung herbeizuführen sei, da sonst diese Gesetzvorlage schwerlich auf dem jetzigen Reichstage ihre Erledigung finden und das Land daher die Vortheile des dringend ersehnten Instituts noch länger würde ent⸗ behren müssen.
Abgeordn. von Vincke (zur Geschäftsordnung) konstatirt zu⸗ nächst die erfreuliche Thatsache, daß die Regierungen, welche sich früher entschieden gegen die Enbloc⸗Annahme ausgesprochen, jetz
t
erselben sich zuzuneigen scheinen. Nach den Eröffnungen des Herrn
Kommissarins muß ich wünschen, daß wir vorerst einen Versuch machen, die abweichenden Ansichten zwischen dem Volks⸗ und Staa⸗ tenhause auszugleichen, bevor wir gewissermaßen en bloc beschließen, es solle in Abweichungsfällen bei dem Wortlaut der Verfassung verbleiben. Zur möglichsten Beschleunigung des Endes der Reichs⸗ tagsverhandlungen liegt jetzt kein Grund vor. Die Annahme der Verfassung mußten wir beschleunigen; jetzt aber kann unser Beisammenbleiben möglicherweise Unheil verhüten. Wir wissen noch nicht, ob unsere Beschlüsse als Bedingungen der An⸗ nahme des Zusatzes oder nur als ein Wunsch werden angesehen werden, und ich befinde mich außer Stande, ohne diese Gewißheit ein Votum abzugeben. Nach einigen Erläuterungen des Kommissa⸗ rius von Lepel und des Berichterstatters Kierulff erklärt der Präsident, daß die vom Abgeordneten von Vincke angeregte Frage ohne Vorberathung des Ausschusses nicht wohl erledigt werden könne. Es handle sich nur noch darum, welchem Ausschuß man die Frage übergebe.
Das Haus entscheidet sich für den Ausschuß zur Prüfung des Gesetzentwurfs über das Reichsgericht, lehnt aber die Aussetzung der heutigen Berathung ab, sondern will bei der Tagesordnung bleiben, und der Präsident ersucht den Berichterstatter Kierulff, velcher zugleich Vorsitzender des Ausschusses ist, im Laufe des heu⸗ tigen Tages letzteren zusammenzuberufen und einen baldigen nach⸗ träglichen Bericht über diese Frage zu veranlassen.
In der allgemeinen Diskussion über den Bericht des Aus⸗ schusses ergreift der Abgeord. von Gerlach zuerst das Wort und erklärt sich gegen die von jenem gestellten Anträge. Das Reichs⸗ gericht werde aus Parteimännern bestehen, freilich vorzugsweise aus Juristen, aber meine eigenen Herren Kollegen bieten Feine reiche Auswahl von Revolutionairen dar. (Heiterkeit.) Das Gesetz selbst ist eine grobe Vermischung der richterlichen und gesetzgebenden Ge⸗ walt. Denn den richterlichen Aussprüchen des Gerichtshofes soll zugleich Gesetzeskraft beiwohnen. Der Entwurf beeinträchtige das legitime Gewicht der Reichs Centralgewalt und schwäche damit Preußen. Mit Beschlüssen sei diesem nicht gedient; auch die Frank⸗ furter hätten es nicht gerettet, sondern das monarchisch gesinnte Element des preußischen Volksgeistes und die Treue seines Heeres. Hätten diese nicht festgestanden, wo wären dann Frankfurt und die preußischen Kammern geblieben? Wo wäre jetzt Frankfurt und wo wir?
Nach einer kurzen Erwiederung des Berichterstatters geht das Haus zur speziellen Diskussion der einzelnen Paragraphen über nimmt den ersten Antrag des Ausschusses an: in dem zweiten Alinea des §. 1 statt der Parenthese „(Secretaire, Gerichtsdie⸗ 11XX“
Zu K. 2 haben Stahl und Genossen folgenden Verbesse⸗ rungs⸗Vorschlag gemacht:
„Der Präsident und die Hälfte der Mitglieder werden vom Reichsvorstande ernannt. Die andere Hälfte der Mitglieder wird vom Fürsten⸗Kollegium durch einen nach Vorschrift des §. 77 der Verfassungs⸗Urkunde, jedoch ohne Stimmrecht des Vorsitzenden, zu fassenden Beschluß gewählt.“
Zu demselben Paragraphen hat Abgeordneter Goltdammer
folgenden Antrag gestellt:
„Die Anciennetät der Mitglieder regelt sich bei der ersten Ein⸗ setzung nach dem Lebensalter, später nach dem Zeitpunkt der ge⸗ schehenen Wahl.“
Beide Anträge werden unterstützt.
Abgeordneter Henkel ergreift das Wort gegen den Stahlschen Antrag, also für den Antrag des Ausschusses, daß der §. 2 unver ändert bleiben solle. Wenn die Gegner des Paragraphen konsequent sein wollten, dürften sie nicht einmal dem Fürstenkollegium bei der Einsetzung des Reichsgerichts eine Stimme einräumen. Auch die Fürsten sind Reichsunterthanen, das Kollegium ist gewissermaßen eine erste erste Kammer und dürfte vor den übrigen Untertha nen des Reichsoberhauptes keinen Vorzug ansprechen. Mit der bloßen Konsequenz kommt man aber nicht überall durch. Das Leben besteht nicht aus Logik allein, sondern auch aus vielen ande- ren Elementen, unter denen namentlich der praklischen Erfahrung, wie sie sich aus den wirklich bestehenden Verhältnissen entwickelt, Rechnung zu tragen ist. Dieser widerstreiten aber die Theorieen von Siahl und Genossen, und er stimme daher gegen ihre Anwen⸗ dung in dem vorgelegten Abänderungsantrage.
Abgeordn. Stahl (für seinen Antrag): Wir streiten nicht für ausschließlich preußische, sondern für gemeinsame deutsche Güter, für Thron und Altar (Bravo rechts). Unsere Gegner betrachten die Beschränkung der Krone als das Wesen der constitutionellen Staatsform, und wir haben das Steuerverweigerungsrecht an Stelle der Monarchie, des Königs als den Mittelpunkt der constitutionellen Monarchie hinstellen gehoͤrt. Von dort aus könnte man die Krone immer weiter beschränken, ihr auch Exekutive, ja Erblichkeit neh⸗ men. In jeder Monarchie hat der König das Recht, die Gerichts⸗ höfe zu ernennen. England und Mecklenburg beweisen es. Für diese Beschränkung der monarchischen Rechte sind wir im Begriff, das erste Beispiel zu geben. Und ich stelle anheim, ob ein solcher
Schritt in den gegenwärtigen bedrohten Zeiten angemessen ist. Man giebt zwar zu, daß bei den Wahlen hauptsächlich Parteirücksichten vorw alten, be hauptet aber zugleich, daß auch die Regierungen dabei ihre Parteirücksichten geltend machen können. Ich verweise als Beispiel aufdie Zusammensetzung beider Häuser. Das Volkshaus hat ganz bestimmte Parteifärbun⸗ gen, dem Staatenhause dagegen wird Niemand eine deutlich aus⸗ gesprochene Richtung vindiziren wollen. Herrscht die Partei im Reichsgericht vor, so liegt es zugleich auch in seiner Macht, im Sinne einer bestimmten Partei, alle Schritte der Reichsgewalt zu hemmen. Somit stellt das Gesetz, wie es jetzt ist, einen neuen Souverain auf, der wie die delphische Gottheit über aller weltlichen Macht steht und seine Inspirationen von einer Seite empfängt, die jedenfalls nicht die rechte ist. Die Staatsweisheit der Mitte des 19ten Jahrhunderts ist weniger die Tochter des Prometheus als die des Epimetheus. Man nimmt Kautelen nur über solche Dinge auf, die bereits in allen Kellerwohnungen ventilirt sind; um das noch Unbekanntere ist man unbesorgt. Man soll aber in die Verfassung nur das aufnehmen, von dem man weiß, daß es halt⸗ bar ist, denn die Verfassung soll gehalten werden. Prinzipiell aber läßt sich die beantragte Einsetzung des Gerichtshofes nicht mit der Monarchie vereinigen. Der Monarch ist der Ausfluß aller Staatsgewalt; will man dies nicht festhalten, so kann man denselben Gerichtshof auch in eine nordamerikanische Republik vorlegen. So wie ihn der Entwurf will, ist der Gerichtshof un⸗ monarchisch; er könnte leicht nicht die Waage der Themis sein, son dern der Hebel, den man außer der monarchischen Gewalt ansetzt, um sie umzustürzen. (Bravo rechts.)
Abgeordneter Beseler wendet sich gegen die Prinzipien der Stahlschen Partei und wirft ihr vor, daß sie nicht die gesunden, berechtigten Elemente des preußischen Volkes vertrete, sondern sich dieses Vorwandes bediene, um die politischen sogenannten liberalen Tendenzen zu verfolgen. Diese aber seien verfassungsmäßig berech⸗ tigt, sie seien in der preußischen beschworenen Verfassung und in dem Entwurf der verbündeten Regierungen niedergelegt. Der Ab
725 geordnete für Angermünde stellt sehr geschickt einen Scheinconstitu⸗ tionalismus, der eigentlich den Absolutismus einschließt, als Norm auf. Deutschland aber will einen solchen nicht, der höchstens berathende Stände zuläßt. Wir wollen den Bundesstaat mit möglichst einheitlicher Spitze; wir betrachten das Fürsten⸗ Kollegium als eine Konzession, die den Theilen wenig nützt, das Ganze aber beeinträchtigt. Ihr noch mehr Gewalt zu geben, kann nicht in unserer Absicht liegen, und wenn der Vorredner diese Ab⸗ sicht denen unterschieben will, die eine wahrhaft constitutionelle Staatsform erstreben, so kann ich das nur eine oberflächliche An⸗ schauung nennen. Der Redner will auf die „sehr spitzen Argu⸗ mente“ des Abgeordneten Stahl nicht näher eingehen. Aber einer historischen Behauptung muß er berichtigend entgegentreten. Das ausschließlich monarchische, das absolutistische Prinzip sei keines⸗ weges gleichbedeutend mit dem germanischen. Die Geschichte zeigt uns vielmehr überall, daß gerade eine landständische Entwickelung (im Sinne des Staatsrechts) ein germanischer Grundzug ist, und daß hiernach dem Monarchen nicht die Ernennung der Richter zu⸗ stand, sondern nur die Ueberwachung, die Schirmung der Rechtspflege.
Auch der Behauptung tritt der Redner entgegen, daß die Wahlen stets Resultate des Parteitreibens ergeben. Jeder wird, wenn es auf die Vertretung der höchsten Nationalinteressen ankommt, in seine Brust greifen, um einen starken und unparteiischen Richter zu wäh⸗ en, und ich lebe der Ueberzeugung, daß die Unabhängigkeit und Festigkeit des deutschen Richterstandes in dem Parteigewühle noch nicht untergegangen ist. Man hat hier auf Männer, die im höch⸗ sten Gerichtshofe des preußischen Staates sitzen, als auf Partei⸗ männer hingedeutet. Glaubt man, daß diese ihre Eigenschaft, ihre richterliche Unparteilichkeit beeinträchtigen, so mag man sie entfer⸗ nen. So lange dies aber nicht geschehen, sollten sie auch vor Schmähungen von dieser Tribüne sicher sein. Wenn der Abgeord⸗ nete für Angermünde uns das Schreckgespenst eines souverainen Reichsgerichtes hinstellt und daraus die erschreckendsten Folgerungen zieht, so dürfen wir auf dergleichen politische Prophezeihungen nichts geben, seit die Aussprüche desselben Abgeordneten schon früher ein so eklatantes Dementi erhalten haben: Namentlich auch darin, daß der starke und weise König Louis Philipp allein im Stande sei, die revolutionairen Elemente in Frankreich zu bändigen.
Stahl (faktische Berichtigung): Der Herr Vorredner hat mich der historischen Unkenntniß zeihen müssen. Die von ihm an⸗ geführten Thatsachen sind von mir schon früher angeführt worden und ich kann sie daher nicht widerlegen. Es ist vielleicht nicht par lamentarisch, hier eine Kritik meiner Schriften zu üben, und ich werde auf eine Widerlegung nicht eingehen, aber erwähnen will ich, daß der politische Verfall Frankreichs schon seit 1789 datirt und seitdem stufenweise bis in die heutige Tiefe gesunken ist.
Abgeordneter Beseler widerlegt noch einmal die thatsächlichen
Aufstellungen des Vorredners, namentlich in Bezug darauf, daß die Ernennung der höchsten Richter durch das Land ein altgerma⸗ nisches Recht sei. Berichterstatter Kierulff bestätigt dies und bezeichnet sich selbst als ein lebendiges Beispiel dafür, da er von den altgermani⸗ schen mecklenburgischen Landständen in den höchsten Gerichtshof je⸗ nes Landes gewählt sei. Nach einigen Worten des Berichterstat⸗ ters gegen den Stahl'schen Antrag und für den Ausschuß⸗Vorschlag stimmt das Haus namentlich ab über den Verbesserungs⸗Vor⸗ schlag von Stahl und Genossen. Er wird mit 137 gegen 67 Stim⸗ men abgelehnt.
Der oben mitgetheilte Zusatzantrag von Goltdammer wird ebenfalls abgelehnt.
Zu §. 3 liegt nur ein schriftlicher Antrag von Linde vor, der keine Unterstützung findet. Der Präsident nimmt daher an, daß in solchem Falle das Haus auch ohne besondere Abstimmung dem An⸗ trage seines Ausschusses beitritt. Eben so wird der Ausschußantrag S— angenommen, welcher lautet: 8
„Als Präsident und Mitglieder können nur solche angestellt werden, welche mindestens 40 Jahre alt sind und die Stelle eines ordentlichen Professors der Rechtswissenschaft an einer Uni⸗ versität oder ein höheres Rechtsamt beileidet haben oder ihre Befähigung zum höheren Richteramte nach Maßgabe der Gesetze des Staats, welchem sie angehören, nachweisen. Weder der Prä⸗ sident, noch die Mitglieder des Reichsgerichts dürfen nach ihrer Anstellung Mitglieder des Reichstags oder der Landesvertretung eines Einzelstaates sein.“
Abgeordn. Beyer spricht gegen den Ausschußantrag zu §. 5. Der Berichterstatter verzichtet auf das Wort. Der Ausschußantrag wird angenommen. Die §§. 6, 7, 8 bleiben unverändert. Der Ausschuß zu §. 9 und §. 10 wird angenommen. Desgleichen zu §§. 41, 12, 13. Die 98. 4 4, 19, 46 bleiben unverändert. Gegen den Ausschußantrag zu §. 17 spricht der Abgeordnete von Fock. Der Kommissarius des Verwaltungsraths von Lepel erklärt sich ebenfalls gegen den Antrag, theils weil er ein Mißtrauensvotum gegen den künftigen Reichs⸗Justiz⸗Minister involvire, theils weil seine Annahme das Volkshaus mit dem Staatenhause in Wider⸗ spruch setzen würde.
Nachdem der Berichterstatter Kierulff bemerkt hat, daß in den constitutionellen Garantieen kein Mißtrauensvotum liegen könne, wird der Ausschuß⸗Antrag angenommen, eben so zu §§. 19 und 21 §§. 18 und 20 bleiben unverändert.
Den Ausschuß⸗Antrag zu §. 22 findet der Kommissarius Le⸗ pel bedenklich.
Nach einigen aufklärenden Worten des Berichterstatters wird der Antrag angenommen. §. 23 bleibt unverändert. Der Abän derungs⸗Vorschlag des Ausschusses zu §. 24 wird ohne Diskussion angenommen. Desgleichen der zu §§. 25 und 27, §. 26 bleibt un⸗ verändert. Desgleichen die §§. 28 —34 — §. 35 des Entwurfs wird gestrichen. Der Ausschuß⸗Antrag zu §. 36 wird angenommen. §§. 37 und 38 bleiben unverändert. Die Ausschußanträge zu §§. 39, 39 a, 40, 42, 41 werden angenommen. 8
Abgeordneter von Vincke bittet den Präsidenten, es ihm nicht als Anmaßung auszulegen, wenn er zur Bequemlichkeit des hohen Hauses den Vorschlag macht, die Zustimmung möge statt durch Auf⸗ stehen, durch Sitzenbleiben ausgedrückt werden. (Heiterkeit.) Der Präsident hat nichts dagegen und verfährt danach. Das Haus tritt allen Ausschußanträgen zu den §§. 45 — 50 ohne Diskussion bei. Zu §. 51 giebt der Berichterstatter einige Erläuterungen. Er weist den Zusammenhang nach zwischen den §§. 51, 46 und 56, und daß die provisorischen Bestimmungen bis zur Feststellung der Reichsge⸗ setzgebung erforderlich seien. Die §S. 52 — 54 bleiben unverändert. Der Ausschußantrag zu §. 55 wird angenommen. Die §§. 56 — 63 (inkl.) fallen fort. Der Ausschußantrag zu §. 64 wird angenom⸗ men. §§. 65—67 (inkl.) bleiben unverändert. Zu §. 68 wird zu⸗ nächst auch der Ausschußantrag angenommen. Sodann hat aber noch der Abg. von Frankenberg und Genossen hierzu einen Zusatzantrag gestellt, des Inhalts: „in den Fällen §§. 66 — 68 bei unfreiwilliger Pensionirung des Präsidenten übernimmt der Reichs⸗Justizminister den provisorischen Vorsitz.“ erselbe wird ebenfalls angenommen. Desgleichen schließlich auch noch der Ausschußantrag zu §. 69. Hier⸗ mit ist die Berathung über den Gesetz⸗Entwurf beendigt und die Tages⸗Ordnung erschöpft. Präsident zeigt den Eingang ei
nes Schreibens von dem Präsidenten des Staatenhauses an, worin der Beitritt des Staatenhauses zu mehreren abweichenden Beschlüs⸗ sen des Volkshauses angezeigt wird. In Betreff einer noch jetzt stattfindenden Abweichung wird das Haus auf Antrag des Abgeord⸗ neten von Vincke erst morgen einen definitiven Beschluß fassen. „Nach Feststellung der nächsten Tages⸗Ordnung schließt der Präsident die Sitzung um 2 Uhr und beraumt die nächste auf mor⸗ gen 10 Uhr an. 1
Oesterreich. Wien, 25. April. Der Minister des Kultus und Unterrichts, Graf L. Thun, hat in einem an den Kaiser ge⸗ richteten Vortrage über die Beziehungen der katholischen Kirche zum öffentlichen Unterrichte den Antrag gestellt, Se. Majestät geruhe zu genehmigen: „¹) Daß die vollständige Durchführung der Beschlüsse welche von der Versammlung der Bischöfe über die Einrichtung der theologischen Diözesan⸗ und Kloster⸗Lehranstalten gefaßt worden sind, kein Hinderniß finde, unter dem Vorbehalte, daß keine Abän⸗ derung ohne mit der Regierung gepflogene Rücksprache werde verfügt werden, daß aber dort, wo und insoweit als Dibzesan⸗ und Kloster-Lehranstalten diese Beschlüsse nicht zur Richtschnur nehmen, nach den bisherigen Bestimmungen vorgegangen werde; 2) daß da, wo in Zukunft eine theologische Fakultät bestehen wird, zugleich eine Diözesan⸗Anstalt eingerichtet werde; 3) daß bei der Anstellung von Religionslehrern an Staats⸗Gymnasien und an⸗ deren Mittelschulen in der oben beantragten Weise vorgegangen werde; 4) daß an den Universitäten, an welchen es noch nicht der Fall ist, Prediger angestellt werden, und deren Auswahl den Bi⸗ schöfen überlassen werde; 5) daß es von den an den phlisophischen Fakultäten systemisirt gewesenen Professuren der Religionswissen⸗ schaft abkomme, dagegen den treugehorsamsten Minister des Kultus und Unterrichts zu ermächtigen, Männern, welche vorzüglich befä⸗ higt sind, die christliche Ueberzeugung an den philosophischen Fakul⸗ täten wissenschaftlich zu vertreten, wenn solche von den Bischöfen bezeichnet werden, einen angemessenen Gehalt anzuweisen.“ b
Hierauf ist unterm 23. April folgende Kaiserliche Entschlie⸗ ßung erfolgt: „In Erwägung der §§. 2, 3 und 4 des Patentes vom 4. März 1849 genehmige Ich, nach dem Antrage Meines Mi⸗ nisters des Kultus und Unterrichtes und über Einrathen Meines Minister⸗Rathes, für alle Kronländer, für welche jenes Patent er⸗ flossen ist, nachstehende Bestimmungen: §. 1. Niemand kann an niederen oder höheren öffentlichen Lehranstalten als katholischer Re⸗ ligionslehrer oder Professor der Theologie wirken, ohne die Er⸗ mächtigung hierzu von dem Bischofe erhalten zu haben, in dessen Dißzese sich die Anstalt befindet. §. 2. Der Bischof kann die Je⸗ manden ertheilte Ermächtigung jederzeit wieder entziehen; die bloße Entziehung dieser Ermächtigung macht jedoch einen von der Re⸗ gierung angestellten Lehrer nicht des ihm gesetzlich zustehenden An⸗ spruches auf einen Ruhegehalt verlustig. §. 3. Es bleibt Sache der Regierung, Männer, welche vom Bischofe die Ermächtigung zum Vortrage der Theologie erhalten haben, an ren theologischen Fakultäten zu Professoren zu ernen⸗ nen oder als Privat⸗Docenten zuzulassen, und diese verwalten ihr Amt nach Maßgabe der akademischen Gesetze. §. 4. Dem Bischofe
steht es frei, seinen Allumnen die Vorträge, welche sie an der Uni⸗
versität zu besuchen haben, und deren Reihenfolge vorzuzeichnen und
sie darüber in seinem Seminarium prüfen zu lassen. §. 5. Zu den strengen Prüfungen der Kandidaten der theologischen Doktorwürde ernennt der Bischof die Hälfte der Prüfungs⸗Kommissäre aus
Männern, welche selbst den theologischen Doktorgrad erlangt haben
§. 6. Es kann Niemand die theologische Doktorwürde erlangen, der nicht vor dem Bischofe oder dem von ihm dazu Beauftragten das tridentinische Glaubensbekenntniß abgelegt hat. Mit der Durch⸗
führung dieser Bestimmungen ist Mein Minister des Kultus und Unterrichts beauftragt. Ich genehmige ferner die übrigen in die⸗ sem Vortrage gestellten Anträge und ermächtige Meinen Minister des Kultus und Unterrichts zu deren Durchführung. Franz SDö
Ihre Kaiserl. Hoheiten Erzherzog Franz Karl und Erzherzogin Sophie sind vorgestern Abends von Prag hier wieder angekommen. Ihre Majestät die Kaiserin Mutter ist von München wieder in Salzburg eingetroffen.
Sachsen. Dresden, 25. April. (Leipz. Ztg.) Se. Hoheit der Erbprinz von Sachsen⸗Meiningen und Se. Hoheit der Prinz Wilhelm von Mecklenburg⸗Schwerin sind heute Mittag hier eingetroffen.
Fraukfurt. Frankfurt a. M., 24. April. (O. P. A. Z.) Se. Königl. Hoheit der Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen ist in Begleitung des Oberst⸗Lieutenant Fischer heute Nachmittag um 4 Uhr von Karlsruhe auf dem Neckar⸗ Bahnhofe eingetroffen und hat vom Bahnhofe aus sogleich seine Reise nach Limburg fortge⸗ setzt, woselbst der Prinz übernachtet. 8
Ausland.
Frankreich. Paris, 24. April. Gestern um 8 Uhr Abends wur⸗ den die Vorübergehenden in der Rue Montmartre durch eine große Trans⸗ parent⸗Tafel mit der Inschrift: „LEvenement, Abendblatt“, an dem Eingangsthore der Büreaus dieses Journals überrascht. Die Tafel selbst war noch von zwei brillanten Reverberen beleuchtet. Im Hofe, wo sich die Expedition des Journals befindet, ver⸗
persönlich. Eine Masse Leute wurden dadurch angezogen, und zuletzt war es kaum mög⸗ lich, die Straße Montmartre, welche dort sehr breit ist, zu passiren. Das Evenement hat vielleicht noch nie einen solchen Absatz gehabt, als gestern. Girardin hat dabei einen doppelten Zweck erreicht, den, eine Unzahl von Exemplaren dieser Zeitung ins Publikum zu bringen, und den zweiten, der bedeuten⸗ den Preisherabsetzung des Blattes die größtmögliche Verbreitung zu geben. In der gestrigen Nummer kündigte das Evenement nämlich an, daß es Wochen⸗Abonnements zu 7 Sous, Monats⸗ Abonnements zu 30 Sous annehme. Auch vor seiner Wohnung in der Rue Chaillot hing Girardin eine transparente Tafel mit der Inschrift: „La Presse — L'Evenement“, aus, und wur⸗ den dort beide Journale verkauft. Die siebente Kammer des Zucht⸗ polizeigerichts hat drei Journal⸗Verkäufer wegen Verkaufs von Oppositions⸗Journalen ohne Bewilligung zu 25 Fr. und vier Weinhändler, welche den Erstgenannten die Journale hinter den Fenstern ihrer Weinstuben auszuhängen, zu gleicher Strafe verurtheilt. Die Presse setzt heute auch ihre Preise für Paris herab, um den Zweck des Polizeiverbots, durch Hinderung des Einzelverkaufes die Wirkung der Oppositionsblätter zu hindern, zu paralysiren. Der Polizeikommissär des Viertels Palais national begab sich ge⸗ stern Abend in das Lesekabinet der Passage Radziwill und bedeu⸗ tete dem Eigenthümer desselben, daß alle bei ihm sich vorfindenden Exemplarc des Evenement mit Beschlag belegt würden. E drohte, auch die auf dem Lesetisch liegenden Exemplare desselben Journals zu konfisziren. Die Oppositionsblätter suchen nach Para h graphen der Gesetze die Gesetzwidrigkeit dieser Polizeimaßregeln zu
1ö“
kaufte Emil von Girardin