ist. Diejenigen, welche beim Ablauf dieser Frist keine defi⸗ haben, werden pensionirt. Unbesoldeten Accessisten und Praktikanten, welche bereits drei Jahre im landes⸗ fürstlichen Dienste stehen und in den neuen Gerichten als Aushülfs- Beamten verwendet werden und später in eine definitive Bedien⸗ stung übertreten, werden die Dienstjahre ohne Unterbrechung ange⸗ - Summe der in Umlauf gesetzten deutschen und ungarischen Münzscheine zu sechs und zehn Kreuzer betrug ursprünglich fünf Millionen Gulden, von denen zwei Millionen gegen Metall⸗Scheide⸗ münze bereits wieder eingewechselt sind. Das Münzamt hat aus Ungarn und Böhmen bedeutende Sendungen Kupfer erhalten, wor⸗ aus Scheidemünze zu einem Kreuzer geprägt wird. Die Ausprä⸗ gung der Zweikreuzerstücke wurde wieder eingestellt, da sich diese Münzsorte für den Verkehr zu schwer zeigte.
Bayern. München, 21. Mai. (Münch. Ztg.) Der (bereits erwähnte) Gesetz⸗Entwurf über die Erweiterung der Kam⸗ mer der Reichsräthe lautet:
„Se. Majestät der König haben nach Vernehmung Allerhöchst⸗ ihres Staatsraths und mit Beirath und Zustimmung der Kam⸗ mer der Reichsräthe und der Kammer der Abgeordneten unter Beobachtung der im §. 7 Titel X. der Verfassungs⸗Urkunde vor⸗ geschriebenen Formen beschlossen und verordnen, was folgt: Art. 1. Die Kammer der Reichsräthe ist zusammengesetzt aus: 1) den voll⸗ jährigen Prinzen des Königlichen Hauses, 2) den Kronbeamten des Reiches, 3) den beiden Erzbischöfen, 4) den Häuptern der ehemals reichsständischen fürstlichen und gräflichen Familien als erblichen Reichsräthen, so lange sie im Besitze ihrer vor maligen reichsständischen im Königreiche gelegenen Herrschaften bleiben, 5) einem vom Könige ernannten Bischofe und dem jedes⸗ maligen Präsidenten des protkestantischen Oberkonsistoriums, 6) aus denjenigen Personen, welche der König zu Mitgliedern die⸗ ser Kammer entweder erblich oder lebenslänglich ernennt, 7) aus 46 Mitgliedern, welche durch die 300 Höchstbesteuerten eines jeden Regierungsbezirks auf Lebenszeit aus ihrer Mitte gewählt werden. Art. 2. Das Recht der Vererbung wird der König nur solchen Gutsbesitzern verleihen, welche im Königreiche das volle Staatsbür⸗ gerrecht und ein mit dem fideikommissarischen Verbande belegtes, bis zu einem Grund⸗ und Häuser⸗Steuersimplum von wenigstens 130 Fl. schuldenfreies Grundvermögen besitzen, wobei eine agnatisch⸗lineali⸗ sche Erbfolge nach dem Rechte der Erstgeburt eingeführt ist. Die Würde eines erblichen Reichsrathes geht jedesmal mit den Gütern, worauf ein Fideikommiß gegründet ist, nur auf den nach dieser Erb⸗ folge eintretenden Besitzer über. Art. 3. Die Zahl der vom Könige Lebenszeit ernannten Reichsräthe kann den dritten Theil der in Art. 1 unter Nr. 4 und 6 genannten erblichen nicht übersteigen. Art. 4. Die Königl. Priuzen und die erblichen Reichsräthe haben Sitz und Stimme in der ersten Kammer nach erreichter Volljährigkeit. Art. 5. Durch Königliche Ernennung in nicht erblicher Weise oder durch Wahl kann in die erste Kammer nicht berufen werden: 1) wer das dreißigste Lebensjahr nicht vollendet hat, 2) wer das volle bayeri⸗ sche Staatsbürgerrecht nicht seit wenigstens drei Jahren besitzt, 3) wer wegen eines Verbrechens oder Vergehens verurtheilt oder in Untersuchung befangen ist, 4) wer in Konkurs verfallen ist, oder sich gerichtlich oder außergerichtlich insolvent erklärt und seine Gläu⸗ biger nicht später vollständig befriedigt hat. Art. 6. In jedem Regierungsbezirke werden zwei Mitglieder durch die 300 Höchstbe⸗
steuerten auf Lebenszeit aus ihrer Mitte gewählt. Art. 7. Wahl⸗ berechtigt sind in jedem Regierungsbezirke diejenigen 300 Höchstbe⸗ steuerten, welche 1) volljährig sind, 2) das volle bayerische Staats⸗ bürgerrecht besitzen, 3) nicht wegen eines Verbrechens oder Vergehens der Fälschung, des Betrugs, des Diebstahls oder der Unterschlagung verurtheilt worden sind. Bei Er⸗
befand sich nachstehender Antrag des Abgeordn. Biedermann und eilf anderer Kammer⸗Mitglieder (Abgeordn. Richter, Kalb, Wap⸗ ler, Klinger, Raschig, Maukisch, Kretschmar, Funkhänel, Trenk⸗ mann, Kämmel und Naumann): „Die Kammer wolle im Verein mit der ersten Kammer an Se. Majestät den König eine Petition auf Grund §. 109 der Verfassungs⸗Urkunde richten und darin ehr⸗ erbietigst vorstellen: wie sie es für dringend nothwendig halte, daß diejenigen organischen Gesetze, welche zur Abstellung längstgefühl⸗ ter Mängel der Rechtspflege und Verwaltung, zur Ausführung der in Sachsen verkündeten Grundrechte des deutschen Volks, zur Erfüllung der von Sr. Majestät Regierung selbst bei Eröffnung des Landstags den Kammern gemachten Zusagen unumgänglich nöthig, bis jetzt aber noch nicht an die Kammern gelangt sind, nunmehr ohne längeren Aufschub denselben zur Berathung vorge⸗ legt und daher die einzelnen Ministerial⸗Vorstände zur thunlichsten Beschleunigung der ihnen aufgetragenen Gesetzgebungs⸗Arbeiten und zur unverzögerten Vorlegung der vollendeten an die Kammern an⸗ gewiesen werden; wie sie aufrichtig entschlossen sei, die Staats⸗Re⸗ gierung auf dem von Sr. Majestät in der Thronrede bezeichneten Wege zur Befestigung öffentlicher Sicherheit und Ordnung, in „der festen Handhabung der Gesetze“ und der Anbahnung „heilsamer, unseren Zuständen entsprechender Reformen“ mit allen Kräften zu unterstützen; wie sie dagegen ein gedeihliches und vertrauensvolles Zusammenwirken der Volksvertretung mit dem Ministerium nur dann für möglich erachte, wenn letzteres durch die That beweist, daß es auch seinerseits zur entschiedenen und rückhaltlosen Betretung die⸗ ses Weges der Reformen entschlossen sei; wie sie endlich aber ins⸗ besondere jede Verantwortung für die aus jener langen Vorent⸗ haltung der dem Volke verheißenen und von ihm sehnlichst erwar⸗ teten Verbesserungen der öffentlichen Zustände nothwendig entsprin⸗ genden politischen, materiellen und sittlichen Nachtheile durchaus von sich ablehnen müsse. Die Antragsteller bitten, den vorstehenden Antrag zur schleunigen Berichterstattung an einen Ausschuß zu ver⸗ weisen.“ Dieser Antrag wurde an den Petitions⸗Ausschuß zu wei⸗ terer Begutachtung gewiesen. Hierauf beantwortete der Staats⸗ Minister von Friesen die neuerlich in Betreff der erfolgten Aus⸗ weisungen von dem Abgeordneten Biedermann gestellte Interpella⸗ tion. Gesetzliche Bestimmungen, nach welchen diese Ausweisungen zu erfolgen hätten, sagte der Minister, beständen in Sachsen nicht, eben so wenig seien darauf bezügliche Verträge mit ande⸗ ren Staaten abgeschlossen worden, Conventionen jedoch über die Aufnahme Ausgewiesener hätte Sachsen mit Ausnahme Oesterreichs mit den meisten deutschen Staaten abgeschlos⸗ sen. Bei den neuerlich erfolgten Ausweisungen habe die Regierung nach dem Grundsaͤtze gehandelt, daß jeder Staat das Recht habe, diejenigen Fremden, welche das Gastrecht mißbrauchten und dem Staate gefährlich seien, auszuweisen. Der Abgeordnete Biedermann behält sich die Einbringung anderwei⸗ ter darauf bezüglicher Anträge vor. In Betreff der Beschwerde des ausgewiesenen Buchhändlers Pelz aus Altwasser in Schlesien wegen ihm verweigerter Aufnahme in Penig beschloß die Kammer nach einer ziemlich lebhaften Debatte, in welcher besonders die Ab⸗ geordneten Wigand und Cramer für den Beschwerdeführer spra⸗ chen, zur Tagesordnung überzugehen und die Sache auf sich beru⸗ hen zu lassen. Hierauf wurde in der Berathung des Berggesetzes fortgefahren und der Abschnitt III.: „Von der unmittelbaren Er⸗ werbung des Bergwerks⸗Eigenthums“, nämlich Kap. I.: „Vom Schürfen“, Kap. II.: „Vom Muthen“ und Kap. III.: „Vom Ver⸗ leihen“ zur Erledigung gebracht. Die meisten Paragraphen wurden in der Fassung der Regierungs⸗Vorlage angenommen.
Hessen. Kassel, 22. Mai. (Kass. Ztg.) In der heutigen Sitzung der Stände⸗Versammlung nahm der Minister⸗Präsident Hassenpflug das Wort, um die von den Herren Oetker und
mittelung des Steuerbetrages werden alle direkten Steuern in Anschlag gebracht, welche Jemand im Königreiche entrichtet. Wahlberechtigt ist jedoch Jeder nur in demjenigen Regierungsbe⸗ zirke, in welchem er seinen erklärten Wohnsitz hat. Die Kreisre⸗ gierungen haben die Listen der Höchstbesteuerten vor jeder Wahl mit Vorsetzung einer Frist zur Anbringung von Einwendungen bekannt zu machen. Art. 8. Die Wahl wird unter der Leitung eines vom Könige ernannten Wahlkommissärs in einer Versammlung der Wahlberechtigten durch persönliche Abgabe eigenhändig geschrie⸗ bener und unterschriebener Stimmzettel vorgenommen. Dem Wahl⸗ kommissär wird ein durch die Wahlberechtigten aus ihrer Mitte zu ernennender Wahlausschuß von 7 Mitgliedern beigegeben. Art. 9. Zur gültigen Wahl ist die Anwesenheit von drei Viertheilen der Wahlberechtigten nöthig. Wenn aus Mangel der Zahl die Wahl an dem bestimmten Tage nicht vor sich gehen kann, so haben die ohne hinreichende Ursache ausbleiben⸗ den Wahlmänner die Kosten der vereitelten Wahl zu tragen. Für diesen Fall ist der Wahlkommissär ermächtigt, den neuen Wahltag festzusetzen. Zur Wahl eines Mitgliedes sind wenigstens 150 Stim⸗ men erforderlich. Hat sich in drei Wahlhandlungen die erforderliche Stimmenzahl nicht ergeben, so findet eine vierte Wahl statt, wobei nur unter den beiden Kandidaten zu wählen ist, welche bei der drit⸗ ten Wahlhandlung die meisten Stimmen erhalten haben. Ergiebt diese vierte Wahl Stimmengleichheit, so entscheidet das Loos. Art. 10. Der Gewählte kann die Wahl ohne Angabe von Gründen ableh⸗ nen. Erklärt er dieses nicht innerhalb acht Tagen nach empfangener Anzeige, so wird die Wahl als angenommen betrachtet. Art. 11. Der Sitz in der Kammer der Reichsräthe geht verloren: 1) durch Ver⸗ lust des vollen Staatsbürgerrechts, 2) durch Verurtheilung wegen eines Verbrechens oder Vergehens, 3) wenn ein Mitglied in Kon⸗ kurs verfällt oder sich gerichtlich oder außergerichtlich insolvent er⸗ klärt. Ein erblicher Reichsrath nimmt in diesem Falle seinen Sitz wieder ein, wenn er später seine Gläubiger vollständig befriedigt hat. Artikel 12. Wenn ein gewähltes Mitglied stirbt oder aus⸗ tritt oder seinen Sitz verliert, wird eine neue Wahl veranstaltet. Artikel 13. Die Bestimmungen der §§. 2—5 Titel VI. der Ver⸗ fassungs⸗Urkunde und des Gesetzes vom 9. März 1828, die Bildung der Kammer der Reichsräthe betreffend, sind aufgehoben. Art. 14. Trans⸗ itorische Bestimmungen. 1) Diejenigen jetzt in der ersten Kammer sitzenden erblichen Reichsräthe, welche kein den Vorschriften des Art. 2 entsprechendes Fideikommiß besitzen, erhalten eine Frist von vier Jahren, von der Publication dieses Gesetzes an, zur Bildung eines solchen nss behalten inzwischen ihren Sitz. 2) Alle jetzt in der ersten emuncs erast Königlicher Ernennung sitzender Reichsräthe behalten Reichs zit für ihre Lebenszeit. 3) Die Bildung der Kammer der b EEE estixicagen des gegenwärtigen Gesetzes Ftehen. g des nächsten Landtags ein. Artikel 15. Vor⸗ 9b stimmungen sollen als ein Grundgesetz des Reiches und ergänzender Bestandtheil der Verfassungs⸗Urkunde angese⸗ . denaieh nur in der durch den Titel X. §. 7 der F n. d 9 Wlthehen Weise abgeändert werden. Dr., von Nschenbzrnr. 88 ten. von Kleinschrodt. Luüder, von Zwert..— von Ringelmann. von Sachsen. Dresden, 23. Mai 8n8. tegistranden⸗Eingängen der heutigen —en
Hahndorf gestellte Interpellation in Betreff der Untersuchung in Greifswald (siehe Preuß. Staats⸗Anz. Nr. 140) zu beantwor⸗ ten: „Es ist eine Angelegenheit zur Sprache gebracht worden, die mich persönlich betrifft und mich in meiner sittlichen Beziehung an⸗ greift. Ich will darüber Folgendes der Wahrheit gemäß äußern. Es war eine Denunciation von einem kassirten Manne bei der Staats⸗Behörde gegen mich angebracht. Diese glaubte, daß sie, ihrer Natur nach, eine solche sei, welche auf einen der beiden möglichen Wege zu behandeln sei, und wenn sie also behandelt worden wäre, so würde sie nie zu Ihrer Kenntniß gekommen sein. Um dieses deutlich zu machen, habe ich zu erwähnen, daß nach den preußischen Gesetzen die Staats⸗Behörde, wie ich sie nennen will, sie heißt Staats⸗Anwalt und Ober⸗Staats⸗Anwalt, zu erwägen hat, ob sie überall eine Anklage erheben und ob sie etwa zur näheren Ermittelung der dunkel gebliebenen Fragen das Gericht um Feststellung einzelner Punkte ersuchen will, und wenn dieser Weg bei Gericht eingeschla⸗ gen war, so hat sie allein darüber zu entscheiden, ob ein Gegen⸗ stand vorliegt, der sich zur Anklage eignet. Es existirt aber auch ein zweiter Weg, nämlich eine Voruntersuchung zu begehren, und dieser hat zur Folge, daß zwar eine Diskussion zwi⸗ schen der Staats-Behörde und dem Gericht stattfindet, jedoch das Gericht schließlich zu bestimmen hat, ob es den Weg einer öffentlichen Anklage für nöthig hält. Dieses hatte der Staatsbehörde Veranlassung gegeben, mir die Sache vorzutragen und zu fragen, ob ich im Interesse einer ferner durch das Gericht geschehenen Rechtfertigung den zweiten Weg etwa begehre. Darauf ist meine Erklärung dahin ansgefallen, ich würde gegen den ersten protestiren müssen und verlangte ausdrücklich, daß, abgesehen von den Gründen, welche in der Sache liegen, von dem Gericht eine Voruntersuchung eingeleitet werde. Dieser Weg war eingeschlagen worden; darauf hat die Staats⸗Behörde, nachdem ihr die endliche Voruntersuchung vorgelegt war, erklärt, sie finde keine Veranlassung, irgend eine strafgerichtliche Handlung zu erkennen. Das Gericht hat erwiedert, daß es doch noch einige Punkte zur näheren Erwägung der Staats⸗Behörde glaube vorlegen zu müssen. In Folge dessen waren der Staatsanwalt und der Ober⸗Staatsanwalt zusammengetreten; ihr Beschluß war aber dahin ausgefallen, sie könnten fortwährend eine solche Veranlassung nicht finden. Das Gericht aber hat geglaubt, es könne die Sache nicht anders erledigt werden, als durch einen öffentlichen Termin. Darauf ist mir Kenntniß von dieser Sachlage geworden und ich habe nunmehr Veranlassung genommen, alle die aufklärenden Punkte durch einen Vertheidiger dem Gericht vorlegen zu lassen. Dasselbe hat indessen nach einer Auffassung der Gesetzgebung, deren Richtigkeit ich nicht weiter erörtern will, angenommen, es könne auch hierüber nur im Wege eines öffentlichen Termins entschieden werden. Die Anklage ist sodann erhoben worden und nun hat natürlich eine Vorladung erfolgen müssen. Sie konnte mir nicht behändigt werden, was ich nicht mehr dem preußischen Unterthanen⸗Verbande angehörte; sie ist dar⸗ auf hierher gesendet worden und zwar in einem Wege, der für den kurhessischen Staat nicht geltend ist. Es besteht nämlich durch die Verordnung vom Jahre 1826 die Vorschrift, daß, wenn ein anderer Staat nicht das sogenannte Reciprocum gewährt, Insinuations⸗Er⸗ suchen nur dann angenommen werden, wenn sie durch das Ministe⸗ rium gehen. Im preußischen Staate besteht als Gesetz, daß keine
Insinuation anders geschehen kann, als durch das Ministerium. Die Staatsbehörde sah sich dabei in die Nothwendigkeit versetzt, unseren Gesetzen gemäß zu erklären, die Insinuation könne nicht stattfinden; sie hat mir indeß notitiae causa die Sache mitgetheilt, und da ich eine Erledigung derselben wünsche und wünschen muß, so werde ich keinen Anstand nehmen, von dieser mir notitiae causa mitgetheilten Sache Kenntniß zu nehmen und deren Erledigung demnächst zu bewirken. Sie werden wissen, daß ein Angeschuldig⸗ ter kein Verurtheilter ist, und werden in dem Fall sein, den wei⸗ teren Verlauf der Sache zu erwarten. Ich glaube hiermit der Stände⸗Versammlung einen Beweis gegeben zu haben, daß ich eine Angelegenheit, die noch keinesweges unmittelbar zu einem Ermessen des Landes gehört, vorzuenthalten nicht gemeint bin, und erwarte, daß gleichfalls eine solche Behandlung hier stattfinden werde. Sie lassen den angeklagten Einwohner des Landes zur Stände⸗Ver⸗ sammlung zu, so lange nicht ein Urtheil gegen ihn ergangen ist, und werden in gleicher Weise den Erfolg der Schritte zu erwarten haben. Die Motive, welche hier vorwalten, bleiben unerörtert. Ich habe nichts weiter hinzuzufügen. Herr Oetker: So ausführlich diese Erklärung in einer Be⸗ ziehung sei, so mangelhaft sei sie in anderer (Der Minister verläßt jetzt den Saal. Laute Heiterkeit im Publikum. Der Präsident empfiehlt, die Würde des Hauses zu beachten.) — namentlich sei nicht näher angegeben, auf welches Vergehen Anklage erhoben sei; nach öffentlichen Blättern sei dasselbe Fälschung, also ein gemeines Vergehen. Es sei ferner nicht beantwortet, ob die Regiexung es
ihrer Würde angemessen halte, daß ein so Angeklagter Minister und
sogar Justiz⸗Minister sei. Der Herr Minister werde es wohl für an-⸗ gemessen halten, das hindere aber Andere nicht, entgegengesetzter Meinung zu sein. Es sei eine Verhöhnung des Landes, eine Herabwürdigung der Regierung, ein Skandal. Er behält sich weitere Anträge vor. Der Landtags⸗Kommissar: Was Herr Oetker vermisse, sei in der Erklärung in den Worten enthalten, daß ein Angeklagter noch kein Verurtheilter sei. Herr Hahndorf: Allerdings sei ein Angeklagter noch kein Verurtheilter; dieses habe der Herr Minister dem Jahr 1848 zu verdanken. Die Erklärung habe den beabsich⸗ tigten Eindruck verfehlt. Die Entscheidung möge kommen wie sie wolle, der oberste Staatsbeamte müsse dem Volke der Spiegel der Sittlichkeit sein. Er wolle keine Persönlichkeit verfolgen, ihm sei es nur um das Prinzip zu thun. Nur der Staat stehe fest, dessen Pfeiler auf Sittlichkeit beruhen, und an diesen fehle es, so lange das Gericht nicht gesprochen. Herr Oetker giebt zu, daß Jemand das Un⸗ glück haben könne, unschuldig angeklagt zu werden. Nun frage es sich, ob ein Solcher Justizminister sein könne. Es sei nicht des Herrn Hassenpflug Verdienst, daß ein Angeklagter in die Ständeversamm⸗ o etwas nie gewollt habe. Ein Angeklag⸗
lung treten könne, der s
ter könne nicht einmal das gewöhnliche Wahlrecht ausüben, kein
Geschworner sein ꝛc. Der Punkt wegen des speziellen Vergehens sei gar nicht beantwortet. Die Erklärung habe den Eindruck ge⸗ macht, daß Jemand die Stirn habe, unter einer Anklage hier auf⸗ zutreten, nichts Anderes. Der Gegenstand wurde hier verlassen. Der Landtags⸗Kommissar überreichte einen Gesetz⸗Entwurf über Emission verzinslicher Staatsschuldscheine und unverzinslicher Kassenscheine, worauf die Sitzung geschlossen wurde.
Hessen und bei Rhein. Darmstadt, 23. Mai. (Dar städt. Ztg.) Die heute erschienene Nummer des Gr. Regie⸗ rungsblattes enthält folgendes Edikt, die Ergänzung der Feld⸗ truppen im Jahre 1850 betreffend: „Ludwig III., Großherzog von Hessen und bei Rhein ꝛc. Da das dritte Aufgebot der Mili
tairpflichtigen vom Musterungs⸗ und Ziehungsjahr 1848 aus dem
Militairdienste wieder entlassen worden ist und da demzufolge di Wiederergänzung der Feldtruppen auf den durch Unser Edikt von 22. November 1848 herbeigeführten Stand nöthig geworden ist so haben Wir, auf den Grund des Art. 38 im Rekrutirungsgesetz vom 20. Juli 1830, verordnet und verordnen hierdurch, wie folgt Art. 1. Außer der durch Unser Edikt vom 31. Dezember 1841 zur ordentlichen Ergänzung der Feldtruppen im Jahre 1850 aufgerufenen Mannschaft werden weiter vierzehnhundert Mam aus den Aufrufsfähigen des Jahres 1850 (Musterungs⸗ und Zie⸗ hungsjahr 1849) zur Ergänzung des oben erwähnten Standes de Feldtruppen aufgernfen. Art. 2. Was in dem Art. 1. des Ge setzes vom 1. März 1849 über die Dienstzeit der zur außerordent lichen Truppenergänzung aufgerufenen Mannschaft vom Musterungs und Ziehungsjahre 1848 bestimmt ist, findet auch auf die durch da gegenwärtige Edikt Aufgerufenen Anwendung. Art. 3. Die Mini sterien des Innern und des Krieges sind mit der Vollziehung des gegenwärtigen Edikts beauftragt. Urkundlich Unserer eigenhändigen Unterschrift und des bei⸗ gedrückten Staatssiegels. — Darmstadt, den 21. Mai 1850. Ludwig. Jaup. Freiherr von Schäffer⸗Bernstein.“
Hamburg. Hamburg, 23. Mai. (Börs. H.) In dem heutigen Konvente der Erbgesessenen Bürgerschaft wurden folgende Propositionen des Senats vorgelegt:
„Im Verfolg der Resolution Erbges. Bürgerschaft im Kon⸗ vente vom 17. Januar d. J., die Verfassungs⸗Angelegenheit be⸗ treffend, hat E. E. Rath diese Angelegenheit von neuem in Er⸗ wägung gezogen und seine in jenem Konvente vorbehaltenen wei⸗ teren Anträge verfassungsgemäß zunächst an das Kollegium der Sechziger gerichtet. Sechziger haben diesen Anträgen, welche in der Anlage nebst Unter⸗Anlagen A. bis G. enthalten und näher entwickelt sind, sich zustimmig erklärt, und bringt E. E. Rath solche gegenwärtig an Erbges. Bürgerschaft, indem er bei derselben dar⸗ auf anträgt, es mitzugenehmigen:
I. daß die in der Unter⸗Anlage Litt. A. beigefügte hamburgi⸗ sche Staats-Verfassung als Grundgesetz des hamburgischen Staates anerkannt und publizirt werde, und zwar dergestalt, daß dieselbe nicht anders abgeändert werden dürfe, als auf dem in diesem Grundgesetze selbst bestimmten Wege; „
II. daß ferner 1) das in der Unter⸗Anlage Litt. B. beigefügte transitorische Wahlgesetz als Norm für die Wahlen der ersten, auf Grundlage der sub IJ. gedachten Staats⸗ Verfassung zu⸗ sammentretenden Bürgerschaft zu gelten habe, ö2) die gegen⸗ wärtig bestehende Rath⸗ und Bürger „Kommission beauftragt werde, zu den behufs Einführung der neuen Verfassung erforderlichen organischen und transitorischen Gesetzen und zugleich den nöthigen Bestimmungen darüber, mit wel⸗ chem Zeitpunkte die neue Versassung oder einzelne Theile derselben in Wirksamkeit zu setzen seien, Vorschläge zu machen;
wobei der Senat die schon im Konvente vom 17. g nzuge igke Bemerkung wiederholt, daß die Regulirung und verfassungsmäßige Feststellung der letztgebachten Gesetze und 2 encngeg sowohl der Verkündigung der neuen Verfassung, als 9 zur wirklichen Ein⸗ führung derselben nöthigen Schritten h müssen. 8
Die vorstehenden Propositionen des 218* sind von der Bür⸗ gerschaft in vier Kirchspielen mit großer Majorität angenommen, in einem Kirchspiele, St. Michaelis, dagegen und zwar mit der Majorität von nur einer Stimme abgelehnt worden. Das Ge⸗ sammt⸗Resultat ist demnach die Annahme säͤmmtlicher Senats⸗An⸗
len finde man es plötzlich abscheulich.
h- ““
Am heutigen Morgen rückten die hier stationirten preußischen Truppen auf die Sternschanze, wo der General von Döring diesel⸗ ben in wenigen kräftigen Worten mit dem Attentate bekannt machte, welches gestern in Berlin gegen Se. Majestät den König von Preu⸗ ßen verübt worden ist. Ein dreimaliges Hurrah bekundete die durchweg tiefgefühlte Theilnahme und Freude über die glückliche Erhaltung des Königs. Die Musik des 15ten Infanterie⸗Regi⸗ ments spielte hierauf die Melodie: „Heil dir im Siegeskranz“ und es erfolgte dann ein Vorbeimarsch der Truppen, worauf diese wie⸗ der in die Stadt zurückkehrten.
8
Ausland.
Frankreich. Gesetzgebende Versammlung. Sitzung vom 22. Mai. Den Vorsitz fuüͤhrt Dupin. Die Revpräsentanten des Berges legen in langem Zuge zahlreiche Petitionen gegen die Wahlreform nieder. Man bemerkt unter ihnen Morellet, Bourzat, P. Leroux, V. Hennequin, Michel (de Bourges) Miot, Baudin. Larochejacquelin überreicht eine Petition mit 250 Unterschriften um Aufruf an das Volk vor Abstimmung über das Wahlgesetz. An der Tagesordnung ist die Fortsetzung der Debatte über die Wahl⸗ reform. Die Kommission hat heute einen rektifizirten Entwurf des Wahlreform⸗Entwurfes vertheilen lassen. Béchard spricht dafür. Man wolle nicht das gesetzliche Land wiederherstellen. Er könne die Ideen gewisser Neubekehrter nicht theilen, die desto radikaler seien, je mehr sie ihre Vergangenheit zu sühnen hätten. Hierauf gab der Redner eine Geschichte der Wahlgesetze seit 50 Jahren. Alle hätten die Eigenschaft des Bürgers gefordert, und diese hafte am Wohnorte. Die Constitution von 1848 sei dem nicht entgegen. „Wer ist denn eigentlich das Volk?“ sagt der Redner. „Eine Ge⸗ sellschaft von Bürgern, welche gemeinsame Interessen in Eigenthum, Familie und Vaterland haben. Die Vagabunden, Sträflinge und Herumstreicher gehören nicht dazu. Von allen Beweisen für den Aufenthalt hält aber die Regierung die Entrichtung der Personal⸗ steuer für den sichersten. Ueberhaupt ist der Entwurf mit dem gemeinen Rechte, mit allen Constitutionen in vollkommenstem Einklange. Die Kom⸗ mission hat sich zu Konzessionen herbeigelassen. Ich theile ihre Skrupel nicht, will sie aber doch nicht tadeln. Es ist nur jederzeit ein Un glück, daß man dem Bösen Konzessionen macht, wenn man das Gute im Auge hat. Man hätte das allgemeine Wahlrecht bis in die Gemeinde organisiren sollen. Dort hätte man Familie, Arbeit, Moral gefunden. Doch ist das Gesetz wenigstens ein Anfang der Erkenntniß. Es giebt noch eine schlechtere Klasse als die Bettler, das sind jene Leute, die Schulden haben und sich in Revolutions⸗ zeiten wie Geier auf die Gesellschaft stürzen. Ich spreche von den Bankerottirern. Man sollte überhaupt nicht Wähler sein, wenn man keinen anständigen Ruf hat. Ich bitte meine politischen Freunde, für das Gesetz zu stimmen, weil die Gesellschaft von der Barbarei bedroht ist.“ Canet spricht dagegen. Wer die Kon⸗ servativen eigentlich jetzt seien? Die Parteigänger der Klubs, die Sozialisten, Alle, welche sich in die Gesellschaft eindrängen woll⸗ ten. Er glaube der Ordnung so viele Bürgschaft gegeben zu ha⸗ ben, als irgend Einer, er habe dies in seiner Gemeinde bewiesen. Und dennoch sei er ein Gegner des Gesetzes, denn es verletze die Constitution. Die Monarchie habe ihre Wahlgesetze auf den Wohn⸗ ort gestützt. Das sei Grund genug, diese Bedingung zu verwerfen. Man möge sich doch an die Debatte über Art. 26 der Constitution erinnern, wo ausdrücklich jedweder Census, jedwede Wohnorts⸗ Bedingung verworfen worden. Gesetze müßten mit ehrlichem Sinne gemacht werden, was hier nicht der Fall sei, denn dieses Gesetz des allgemeinen Wahlrechts schließe einen höchst bedeutenden Theil des ehrenwerthen Arbeiterstandes aus. Im Geiste wie im Buchstaben verletze es die Constitution. Diese verlange nur den Aufenthalt, das Gesetz aber den Wohnort. Die Constitution verwerfe den Census, das Gesetz führe ihn wieder ein. Die Beamten würden nur nach dreijähriger Dienstleistung stimmen können, werde es eben so mit den Soldaten sein? Baze, Kommissions⸗Mitglied; Nein. Canet: Dann könne er vollends das Gesetz nicht begreifen, da man den Soldaten ein Privilegium einräume, wo man es am we⸗ nigsten erwartet hätte. Deswegen blieben aber noch immer 3 Mil⸗ lionen Wähler ausgeschlossen. Das Gesetz helfe nichts. Denn nicht Gesetze, sondern der Geist der Wähler machten die Wahlen. So lange es den Royalisten die Majorität gegeben, sei das allgemeine Wahlrecht ausgezeichnet gewesen, nach den zwei letzten pariser Wah⸗ Die Sitzung wird eine unterbrochen. Montalembert nimmt das Wort für die Wahlreform. Der frühere Redner behaupte, das Gesetz verletze die Constitution. Diese Behauptung sei falsch. Die Majorität habe die Constitution respektirt, leider nur zu viel re⸗ spektirt, trotz aller Hindernisse, welche sie bereite. (Lärm.) Er könne besser, als Jemand, den Kritiken der Gegner antworten. Er habe gegen die Constitution gestimmt, sei ihr aber nichtsdestoweniger Ge⸗ horsam und Ehrfurcht schuldig. Er sage dies zu Allen, welche sich als ihre Vertheidiger aufstellten und sie der Majorität zum Trotze vernichten wollten. Die Majorität wolle die Constitution achten und ihr Achtung verschaffen, damit die Parteien endlich lernten, sich dem Gesetze zu beugen. Die Majorität erlaube sich und werde sich noch erlauben, sie zu beurtheilen, aber man wolle Gehorsam für sie. (Lärm.) General Cavaignac glaube, die Constitution werde durch das Gesetz verletzt. Er achte die Dienste, welche der General der Monarchie und auch der Republik erwiesen, er h
Viertelstunde lang
achte die Geradheit seines Charakters, aber er müsse bemerken, daß er sich irre, wenn er glaube, die Majorität wolle die Constitution überlisten. Was Victor Hugo anbelange, so hätte er wohl gewünscht, daß derselbe in der Sitzung gegenwärtig wäre. Er könne fragen, mit welchem Rechte Hugo die Majorität der Heu chelei beschuldige, er, der nach und nach alle Parteien vertheidigt, allen geschmeichelt und alle verleugnet habe. (Bravo rechts. Lärm links.) Er könne fragen, mit welchem Rechte er die Kommission der Zweideutigkeit und Furcht beschuldige, da er zuerst seine Gegner verleumdet habe und nun vor der Vergeltung sich feig verstecke. (Bravo rechts. Großer Lärm links.) „Wer kann sagen“, fährt der Redner fort, „daß die Majorität die Constitution verletzt habe? Nur diejenigen, welche ewig konspirirt haben und konspiriren wer⸗ den, um ein Portefeuille, eine Gesandtschaft, eine Polizei⸗Präfektur zu erhaschen.’“ Ch. Lagrange: Und ich? Montalembert: „Das ehrenwerthe Mitglied, welches mich unterbricht, wird mir erlauben, zu sagen, daß er die Achtung, ja fast die Zuneigung der ganzen Versammlung wegen der Ehrlichkeit seiner politischen An⸗ sichten besitzt. Er ist aber entweder zu früh oder zu spät gekom⸗ men. (Lärm links.) Er allein beinahe benimmt sich von seiner Partei in einer Art, die Achtung verdient. (Lärm.) Die Leute, von denen ich eben sprach, werfen uns, so oft wir Frankreichs Po⸗ litik regeln wollen, Verletzung der Constitution vor. So oft wir das Land beruhigen, die Gesellschaft retten, verletzen wir die Con⸗ stitution. So in Rom, so bei der demagogischen Presse, so, weil wir offenkundige Uebelstände des allgemeinen Wahlrechts abschaffen wollen. So stellen diese Leute stets zwischen Frankreich und das Gute, was wir thun wollen, die Constitution.“ (Lärm.) Der
89186
V
Redner bekämpft nun den Sozialismus und spricht sein Erstaunen darüber aus, daß alte Mitglieder der konstituirenden Versammlung, welche Herr Proudhon, damals nur von Herrn Greppo vertheidigt, tadelten, gegenwärtig sich kopfüber in Proudhon's Gefolge stürzten. Cavaignac selbst sei von diesem verderblichen Einflusse nicht frei geblieben. Cavaignac: „Ich verlange das Wort.“ Monta⸗ lembert: „General Cavaignac hat im Juni gekämpft, gesiegt, transportirt und stimmt mit dem Berge. Der Sozialismus ist also Thatsache und muß bekämpft werden. Die Majorität will einen gesetzlichen Krieg, darum die Wahlreform. Die Majorität muß die Offensive ergreifen.“ General Cavaignac: Montalem⸗ bert's anfängliche Lobsprüche haben bei mir Mißtrauen erregt. Ich habe Recht gehabt, denn hinter dem Lobe kam gleich der Tadel. Man hält mir eine ehrenvolle Vergangenheit vor und will mir offenbar damit Furcht einjagen. Uebrigens habe ich meine Mei⸗ nung nie geändert, ich war 1848 für das allgemeine Wahlrecht, wie ich jetzt dafür bin.“ (Bravo links.) E. Arago bemerkt gegen Montalembert, man habe nach und nach sogar Thiers des Sozia⸗ lismus beschuldigt, wenn er Verbesserungen gewollt. Das Volk werde übrigens ruhig warten, weil es sich seines ewigen Lebens den Eintagsfeinden gegenüber bewußt sei. Der Schluß der allge⸗ meinen Debatte wird verlangt und angenommen und die Sitzung aufgehoben.
Paris, 22. Mai. Der Minister des Innern hat an dem Tage, an welchem Lahitte die Abberufung Drouyn's de Lhuys der National⸗Versammlung anzeigte, folgende Depesche telegraphisch in die Departements geschickt: „Paris ist vollkommen ruhig. Die Abberufung des Herrn Drouyn de Lhuys bei Gelegenheit der griechischen Frage wurde von der Versammlung mit Enthusiasmus aufgenommen. Alles verbürgt uns übrigens, daß trotz dieses Inci⸗ denzfalles die Eintracht zwischen Frankreich und England nicht gestört werden dürfte.“ Die letzte Nummer des Napoleonhatte. den Präsidenten der Republik bekanntlich wegen seiner energischen Politik gegen England und wegen Abberufung des Gesandten gelobt. Die Patrie lehnt heute dieses Lob auf folgende Weise ab: „Mehrere Journale wollen der letzten Nummer des Napoleon eine offtzielle Bedeutung geben, welche sie nicht besitzt. Jedermann weiß heute, daß die Beziehun⸗ gen, welche der Redacteur des Napoleon einige Zeit zum Elysee hatte, vollständig aufgehört haben.“ Der Toulonnais mel⸗ det den Abgang des Dampfschiffes „Narval“ nach Nea⸗ pel mit Depeschen für Admiral Parseval Descheènes und vermuthet bevorstehende neue Verwickelungen vor Neapel. Ad⸗ miral Parker dürfte bei seiner Ankunft in Neapel den Admiral Parseval Descheͤnes schon vorfinden. Die französische Flotte zählt folgende Schiffe: „Friedland“ 120, „Valmy“ 120, „Herkule“ 100, „Jemappes“ 100, „Jena“ 90, „Jupiter“ 86, „Pandora“ 50 Ka⸗ nonen; Dampfschiffe: „Descartes“ 12, „Magellan“ 12, „Caton“ 8; zusammen 698 Kanonen. Die englische Flotte besteht aus fol⸗ genden Schiffen: „Queen“ 110, „Caledonia“ 120, „Ganges“ 84, „Powerful“ 84, „Vengeance“ 84, „Bellerophon“ 78, „Frolic“ 16 Kanonen; Dampfschiffe: „Odin“ 12, „Dragon“” 6, „Firebrand“ 6, „Spittful“ 6, „Growler“ 6; im Ganzen 616 Kanonen.
Lord Normanby stürzte gestern bei einem Spazierritte im Bois de Boulogne vom Pferde und ist leicht verletzt.
Das Journal des Débats bemerkt über Cavaignac's Rede: „Wir bedauern, unter den Gegnern der Wahlreform einen Mann zu finden, wie General Cavaignac, und zwar im Interesse des eh⸗ renwerthen Mitgliedes. Wir glauben, der ehemalige Chef der Exe⸗ kutivgewalt hätte das Gesetz vertheidigen können, ohne seinen An⸗ sichten untreu zu werden. Der General Cavaignac ist ein Alt⸗Re⸗ publikaner, und wollte Gott, Alle wären wie er. Aber auch als Alt⸗Republikaner muß er die Ordnung in der Republik wollen, er muß die Republik mit allen Bedingungen einer kräftigen und regelmäßigen Regierung wollen. Er hat nichts gemein mit der abscheulichen Fahne sozialistischer und kommunistischer Anarchie. Dafür bürgen uns sein Charakter, seine Reden, seine Thaten. Der Mann, welcher die Ehre hatte, Frankreich zu retten und vom 25. Juni bis 10. Dezember 1848 zu regieren, ist durch eine unübersteigliche Kluft von der demokratisch⸗sozialen Re⸗ publik getrennt. General Cavaignac ist doch in der Politik nicht für das reine Prinziv. Warum ist er dann ein Feind des neuen Gesetzes? Man darf dies eine Inkonsequenz und Anomalie in sei⸗ ner politischen Laufbahn nennen.“ Ueber Deflotte, einen der bei⸗ den Juni⸗Transportirten, welche jetzt in der National⸗Versammlung sitzen und der gestern zum ersten Male die Tribüne betrat, um gegen die Dringlichkeit der Wahlreform zu sprechen, wirdberichtet:; „Die Au fmerk⸗ samkeit war allgemein, und noch heute ist seine Rede Gegenstand aller Gespräche. Flotte ist ein noch junger Mann mit starkem blon⸗ den Bart und stechenden Augen. Er sprach mit feierlicher und ruhiger Stimme, im Tone eines Predigers, seine Sätze waren kurz und schmucklos, sein finsteres Aussehen ließ ihn wie einen Ana⸗ baptisten erscheinen, woran besonders der religiöse Beischmack erin⸗ nerte. Seine politische Metaphysik war träumerisch. Man suchte vergebens den Feuerkopf, welchen die öffentliche Meinung ver⸗ muthete. Er rief mit eisiger Kälte der Gesellschaft zu: „Sie müsse sterben, um einer neuen Platz zu machen, wie die Indianer⸗ Stämme sterben, weil die Kultur sich ihnen näherte.“ Lagrange soll in Folge eines Beschlusses des Berges in seiner Rede den Satz angebracht haben, daß das Volk sich durch keine Provocation zu einer Emeute verleiten lassen werde. Es wird bemerkt, daß sowohl diese Worte Lagrange's, als die gleiche Behauptung Victor Hugo's, den Beifall des Berges fanden. Die Wahlreform⸗Debatte ver⸗ ursacht große Aufregung in Paris. Heute wurden Eintrittskarten auf die Tribünen der National⸗Versammlung bis zu 50 Fr. ver⸗ kauft. Schon um 10 ½ Uhr drängte sich das Publikum, welches Karten besaß, vor dem Haupteingang des Palastes auf der Place de Bourgogne. Die Wachen lassen nur einzeln eintre⸗ ten. Zahlreiche Ordonnanzen bringen in alle Stadttheile De⸗ peschen der Minister und der drei Generalstäbe. Die Stäbe der 1sten, 2ten und 10ten Legion sind auf den betreffenden Mairieen in Permanenz. Die Tutilerieen sind ruhig und still, wie gewöhnlich. Man behauptet, alle Truppen der Garnison seien kon⸗ signirt, obschon eine Ruhestörung nicht befürchtet wird. Bereits gegen Mittag trafen die Repräsentanten, die Gesandten im Sitzungs⸗ saale ein. Nachmittags war die Place de Bourgogne so von Volk erfüllt, daß eben zwei Compagnieen des 25sten leichten Regiments aus dem Hofe des Sitzungsgebäudes marschirten, um im Vereine mit den Stadt⸗Sergeanten den Platz zu säubern. Gruppen bilde⸗ ten sich an den Ecken der Rue de Lille, de Bourgogne, de l'Univer⸗ sité und St. Dominique. Gleichzeitig wimmelte es auf dem Pont de la Concorde, Quai d'Orsay, vor dem großen Peristyl der Nationalver⸗ sammlung von Volk, doch ließ man die Repräsentanten der Majo⸗ rität, ob sie gleich theilweise bekannt sind, schweigend und ruhig passiren. Die schönste Witterung begünstigte das Anschwellen der Volksmassen. In der National⸗Versammlung war heute das Ge⸗ rücht verbreitet, es habe das sozialistische Konklave verflossene Nacht eine Sitzung gehalten. Unter den zahllosen, jedoch unverbürgten Gerüchten erzählt man auch, daß die Delegirten der Provinz für und die Montagnards gegen das Losschlagen sich erklärt hätten.
verflossenen Nacht wurde abermals ein „Aufruf des Volkes an seine Brüder von der Armee“ in den Kasernen vertheilt. Der National theilt eine Klage mehrerer Bürger von Neuf⸗ chateau (Departement der Vogesen) mit, welche sich beschweren, daß ihre geschriebene Petition gegen die Wahlreform vom Polizei⸗Kom⸗ missär konfiszirt wurde. Die Antwort des Staats⸗Anwalts auf diese Beschwerde erklärt, er gehorche nur höheren Befehlen. Sehr viele Departements⸗Blätter sind wegen Protestationen gegen das Wahlgesetz mit Beschlag belegt worden. Das Siecele bemerkt, das Wahlgesetz werde wohl, wenn nicht unverändert, doch ohne we⸗ sentliche Modification angenommen werden.
Ein Dekret des Präsidenten der Republik verordnet die Auf⸗ lösung des korsischen Voltigeur⸗Bataillons und an dessen Stelle Errichtung eines Bataillons mobiler Gendarmerie.
Heute hat man die gedruckten offiziellen Dokumente über die griechisch⸗englische Angelegenheit vor der Sitzung vertheilt.
Der Justiz⸗Minister ordnet in einem Rundschreiben an die Ge⸗ richts⸗Behörden statt der bisherigen Vorschlags⸗Listen die Einsen⸗ rdung periodischer Konduiten⸗Listen über sämmtliches Personal seines Departements an. Auf der vierten Seite muß eine förmliche Bio⸗ graphie des Betreffenden geliefert werden.
Der Moniteur enthält den Kommissions⸗Bericht über Pon⸗ geard's Antrag auf Hypothekar⸗Reform. Die Kommission erklärt sich mit mehrfachen Modificationen dafür.
Mittelst Dekrets des Präsidenten der Republik werden, mit Hinsicht auf das Budget von 1850, 3 Compagnieen Veteranen⸗ Unteroffiziere und 3 Compagnieen Veteranen⸗Füsilire sofort aufge⸗ löst und entlassen.
Bis jetzt bestanden zur Armeebekleidung besondere Tuchfabriken, eine Einrichtung, welche noch von Ludwig XIV. datirt. Im Jahre 1824 wurde die Gesammtlieferung an Monturstüchern in zwanzig Partieen vertheilt, jedoch nur an solche Fabrikan⸗ ten abgegeben, welche mindestens einen zweijährigen Fabriks⸗ betrieb nachweisen konnten. Auf Vortrag des Kriegsmini⸗ sters wird nun die Gesammtlieferung an Tuch in 48 Par⸗ tieen getheilt, wovon 44 auf das Departement des Krieges, 4 auf das der Marine fallen. Die Partie beträgt 30,000 Meter. Jeder französische oder als solcher naturalistrte Fabrikant kann sich um den Zuschlag von einer oder mehreren Partieen bewerben, wenn er 1) die Niederlegung einer entsprechenden Caution im Staats schatze, 2) den Besitz einer dazu eingerichteten Fabrik nachweisen kann. Kein Angebot darf übrigens mehr als 4 Partieen für das Kriegs⸗, 1 Partie für das Marine⸗Departement, zusammen 5 Par⸗ tieen betragen.
Der Moniteur enthält zahlreiche Ordensverleihungen der Ehrenlegion an Militair⸗Personen.
Großbritanien und Irland. London, 22. Mai. Heute Nachmittag sind Ihre Majestät die Königin und Prinz Al⸗ brecht mit ihrer Familie und dem Hofstaat vom Buckingham⸗Palast nach Gosport abgereist, wo sie sich nach Osborne auf der Insel Wight einschiffen werden, um dort bis zum 18. Juni zu bleiben.
Dann kehrt der Hof nach London zurück, da die Taufe des jungen
Prinzen auf den 22. Juni angesetzt ist.
Die Gräfin von Neuilly,
der Herzog und die Herzogin von Nemours, der Prinz und die
Prinzessin von Joinville, so wie der Herzog und die Herzogin von
Aumale, statteten der Königin der Belgier vorgestern einen Besuch im Buckingham⸗Palast ab.
Belgien. Brüssel, 23. Mai. Lord Howden, der zum englischen Gesandten in Madrid ernannt ist, traf am Sonntag von London hier ein. Er war beauftragt, dem König der Belgier den Dank der englischen Regierung fur die erfolgreiche Vermittelung Sr. Majestät bei der Ausgleichung der Streitigkeiten zwischen Eng land und Spanien zu überbringen.
8 8
Dieses Auftrags entledigte er
sich in einer ihm vom König Leopold ertheilten Audienz. Eine ähn⸗ 1 liche Mission hatte seitens der spanischen Regierung der Chevalier
de Nebiet hier zu erfüllen.
Türkei. Smyrna, 10. Mai. (Lloyd.) Holil Pascha ließ sich
am griechischen Charsonnabend eine Liste aller wegen Schulden in Ver⸗ haft befindlichen Griechen geben, zahlte ihre Schulden, befreite sie aus dem Kerker und gab jedem Geld zum Gebrauch für die Oster⸗ Feiertage. Am folgenden Tage begab sich der griechische Erzbischof zu ihm, um ihm herzlich zu danken.
Am 25. Mai wird Se. Excellenz Graf Stürmer Konstantino⸗ pel verlassen, um sich über Triest nach Wien zu begeben. Am 4. Mai hat Se. Excellenz ein diplomatisches Abschieds⸗Diner gege⸗ ben, dem mehrere fremde Gesandte, der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, der Präsident des obersten Gerichtshofes und Fuad Efendi, Mustechar des Groß⸗Wesirs, beiwohnten.
In Salonichi hat Riza Pascha ein Rundschreiben an die ver⸗ schiedenen Konsuln des Inhalts ergehen lassen, daß diese ihre Schutzbefohlenen auf die Vortheile aufmerksam machen sollen, welche ihnen die Versendung ihrer Briefe und Effekten mittelst der türki⸗ schen Post im Vergleiche mit der Unsicherheit der Beförderung glei⸗ cher Gegenstände durch Privat⸗-Gelegenheit biete.
Eisenbahn⸗Verkehr.
Hannover, 23. Mai. Die Ztg. f. Nord⸗Deutschland meldet: „Nach hier eingegangenen telegraphischen Nachrichten ist heute Nachmittag ein Theil des Viadukts bei Bielefeld eingestürzt, els gerade ein Zug sich auf demselben befand. Ob und wie viele Menschen dabei umgekommen, können wir noch nicht berichten.“ (Hierzu bemerkt die Magdeb. Ztg.: „Mündlichen Mittheilungen von Eisenbahn⸗Beamten zufolge, war der Viadukt bereits von dem kölner Güterzuge passirt, als ein Theil des Bauwerks, wie man vermuthet, in Folge eines durch heftige Regengüsse veranlaßten Weichens der Aufschüttung, zusammenstürzte. Im Uebrigen soll durchaus keine Beschädigung des Zuges selbst stattgefunden haben, noch irgend ein sonstiger Unglücksfall, als Verlust an Menschenleben, zu beklagen sein.“
Königliche Schauspielc.
Sonntag, 26. Mai. Im Opernhause. 59ste Abonnements⸗ Vorstellung. Wegen Unpäßlichkeit der Frau Köster und des Fräu⸗ leins Trietsch kann die Oper: Der Prophet, nicht gegeben werden. Dafür: Martha, oder: Der Markt zu Richmond, romantisch⸗ komische Oper in 4 Abth., theilweise nach einem Plane des St. Georges, von W. Friedrich. Musik von Friedrich von Flotow. An⸗ fang halb 7 Uhr. 1
Zur Oper: Martha, werden Opernhaus⸗Billets, mit Sonn⸗ abend bezeichnet, zu folgenden Preisen verkauft: 1
Preise der Plätze: Sgr. Erster Rang und erster Balkon daselbst 1 Rthlr. Parterre, dritter Rang und Balkon daselbst 15 Sgr. Amphitheater 7 ½ Sgr.
Dagegen bleiben die mit Sonntag bezeichneten und zu der für heute angekündigt gewesenen Oper: Der Prophet, gekauften Opern⸗
Parquet, Tribüne und zweiter Rang 20