1850 / 147 p. 2 (Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

Wahlrecht.

Anfangs Niemand am Ministertische. Huck kündigt folgende In⸗ terpellation an das Ministerium des Innern an: Ist es wahr, was seit einigen Tagen das Gerücht sagt, daß die vormaligen württem⸗ bergischen Standesherren eine Verwahrung dagegen eingelegt haben, daß sie nicht mehr als Mitglieder der ersten Kammer anerkannt werden? Bejahendenfalls: sind oder sollen die geeigneten Schritte geschehen, um diese Anmaßung gebührend zurückzuweisen? L. See⸗ ger beantragt, die Finanz⸗Kommission mit der Erstattung eines Berichts über einen besonderen Fall, wo eine Ordenspension mit einer Militairpension verbunden ist, zu beauftragen. Wird geneh⸗ migt. Riecke bringt einen Erlaß des Kultus⸗Ministeriums an die gemeinschaftlichen Oberãmter zur Sprache, worin über die Verhältnisse derjenigen Schulmeister, welche nicht 300 Fl. Besoldung beziehen, Er⸗ kundigung eingezogen und insbesondere gefragt wird, ob diesen, bei dem jetzigen Zustande der Staatskasse, nicht aus örtlichen Mitteln oder durch einen angemessenen Nebenverdienst eine Aufbesserung verschafft werden könne. Riecke hält diese Maßregel für unzulässig (Stimmen des Zweifels), sie kommt ihm vor, wie die Frage des Ministeriums an die Amts⸗Versammlungen, ob sie das Bürger⸗ wehrgesetz vollzogen zu sehen wünschen. Römer hält diese Pa⸗ rallele für ganz unrichtig, denn das Bürgerwehr⸗Gesetz sei ein be⸗ reits verkündetes Gesetz, und bei den Schulmeister⸗Besoldungen handle es sich nur um ein von dieser Versammlung vorgeschla⸗ genes Gesetz. Auf Riecke’s Wunsch wird gleichwohl die Kirchen⸗ und Schul⸗Kommission beauftragt, sich über diesen Erlaß zu äußern. Nun Uebergang zur Tagesordnung: Fortge⸗ setzte Berathung des Berichts der Verfassungs⸗Kommission über die Verfassungsvorlagen. Antrag Ziff. III., betreffend die von der Maͤ⸗ jorität der Kommission vorgeschlagenen Grundlagen für die Bildung der künftigen Landesversammlung. Hölder: Indem er für das erste Sonder-⸗Gutachten das Wort ergreife, wisse er wohl, daß der Versuch, eine Verständigung mit der Regierung anzubahnen, ein schwieriger und undankbarer sei. Wenn er aber die schweren Fol⸗ gen eines Bruchs mit der Regierung ins Auge fasse, halte er sich in seinem Gewissen verpflichtet, zu Abwendung dieses Un⸗ glücks Alles zu thun, was ihm nach seinen Grundsätzen mög⸗ lich sei. Die Zulässigkeit von Konzessionen sei von der Mehrheit der Verfassungs⸗Kommission selbst anerkannt worden, da sie ein Zweikammer⸗System und für die erste Kammer das indi⸗ rekte Wahlrecht zugeben wolle. Die Regierung habe sich nun aber bestimmt gegen das allgemeine direkte Wahlrecht bei der zweiten Kammer ausgesprochen. Das Zugeständniß des gleichen indirekten Wahlrechtes für diese Kammer von Seiten der Landes⸗Versamm⸗ lung sei somit der einzige Weg zu einer Vereinbarung. Hierdurch werde der Grundsatz des allgemeinen gleichen aktiven Wahl⸗ rechtes, von dem er auch nicht abgehen würde, nicht verletzt. Wenn die Landes⸗Versammlung dieses Zugeständniß machen könne und wolle, so solle sie es jetzt thun, bald könnte es zu spät sein. Sie könne es aber machen, weil auch bei diesem System der Volkswille sich vollkommen geltend machen könne. Andererseits sei dieser Vorschlag für die Regierung annehmbar, weil er nach ihrer Ansicht eine größere Umsicht bei der Wahl sichere, und ein Bruch mit der Landes⸗Versammlung auf ihr eben so schwer als auf dem Lande lasten würde. Die Regierung möge sich nicht täuschen. Wenn sie den Satz, daß die alte Stände⸗Versammlung noch zu Recht bestehe, durchführen wolle, werde sie nicht blos der Volks⸗- partei, sondern dem ganzen Lande gegenüberstehen. Es werde ihr, wenn der Streit auch Jahre lang dauere, nicht gelingen, das Land zu Anerkennung ihres Unternehmens zu bringen. Sie möge sich die Vergangenheit zur Warnung dienen lassen. Das württembergische Volk habe sich früher schon öfter um seine verfassungsmäßigen Rechte wehren müssen, und stets seien diese Rechte am Ende siegreich aus dem Kampfe hervorgegangen. Bis aber dieser Sieg errungen werde, sei die Kraft der Regierung gelähmt, sie werde schwach sein im Innern, schwach gegen außen. Sie werde in Deutschland kein Gewicht mehr haben, wenn sie sich zu ihrer Erhaltung auf die deutschen Groß⸗ mächte stützen müsse. Noch mögen ihm die Herren am Minister⸗ tisch eine Warnung gestatten, zu welcher er als Abgeordneter ver⸗ pflichtet sei. Es sei der Satz ausgesprochen worden, daß das Staatswohl höher stehe, als das geschriebene Gesetz. Das sei ein gefährlicher Satz, welcher die ganze Rechtsordnung in Frage stelle. Das Volk könne über das, was das Staatswohl erfordere, eine andere Ansicht haben, als die Regierung, und es könne der Augen⸗ blick kommen, an dem jener Satz gegen die jetzigen Gewalthaber gekehrt würde. Es freue ihn, daß der Minister des Innern den Satz ausgesprochen habe, es sei die schlechteste Politik, wenn man vom Recht abweiche. Er wünsche um des Landes willen, daß die ge⸗ genwärtige wie jede künftige Regierung diesen Satz sich zur Richt schnur dienen lasse. Frage nun die Versammlung, ob der Vorschlag der Minderheit wirklich zur Vereinigung führen werde, so müsse er antworten, daß er dies nicht wisse. Aber das wisse er, daß die Landes⸗Versammlung, so weit es zulässig sei, entgegenkommen müsse, um die ganze Schuld eines Bruchs auf die Regierung hinüber zu schieben. Habe man seine Schuldigkeit gethan und die Katastrophe breche doch herein, so können die Abgeordneten mit innerer Be⸗ ruhigung in ihre Bezirke zurückkehren. Und wenn sie auch statt der ersehnten Verfassung mit einem zerrissenen Gesetz zurückkehren müßten, so werden sie auf die Frage der Wähler nach dem Re⸗

sultate ihrer Thätigkeit mit dem Bewußtsein der erfüllten Pflicht

antworten: Wir bringen euch nichts, gar nichts, als den festen Glauben an euer Recht, unsere unerschütterliche Liebe, mit der wir auch im Unglück bei euch aushalten werden, und die feste Hoffnung einer künftigen Gerechtigkeit. Von dem Abg. Fraas ist folgende Verbesserung des Kommissions⸗Antrags zu Ziffer 3 vorgeschlagen worden: K. Es soll die Volksvertretung nur in Einer Kammer statt⸗ sinden; B. für die Zusammensetzung der Volksvertretung, das Wahl⸗ und Wählbarkeitsrecht und das Wahlverfahren sollen die Bestim⸗ mungen des Gesetzes vom 1. Juli 1849 maßgebend sein (wie B. des Kommissions⸗Antrags für die zweite Kammer). Riecke spricht für das Er ist durchaus für einen Vergleich, indem ein magerer Vergleich dem besten Prozeß vorzuziehen sei, aber das allgemeine Wahlrecht sei immer der Punkt, von welchem nicht abgegangen werden könne. Tafel: „Ich sehe das Zweikammer⸗ als ein nach unseren Verhältnissen unpassendes, unnützes nd kostspieliges Institut an und bleibe dabei, daß dieses System nicht wieder eingeführt werden soll. Man weist uns auf die Er⸗ fahrung in anderen Staaten hin, aber gerade diese Erfahrun spricht gegen zwei Kammern; ich weise nentlich d f la 8 viel das Oberhaus in En F namentlich arauf hin, wie lichkeit kommt dabei ni 8 geschadet hat. Auch für die Gründ⸗ der Deutschen für 1 cheraus, mir bürgt der Grundcharakter Die Hauptsache ist abe gründliche, allseitige Erwägung hinlänglich. he ist r das erhaltende Element, das man, wie ma sagt, der Ueberstürzung entgegenstellen will. D . ehr mißtrauisch und sehe 1 Keas Dagegen bin ich aber S2 als eine Miß 6* in diesem erhaltenden Prinzip nichts An⸗ schen Recht und Macht dfe s Polkswillens. Man unterscheidet zwi⸗ gierung will sich auf den Bergenich h satn 8efaen. Fe 8 bald zu der Ueberzeugung gelangt sein, vaß die ganze schlechte Wirthschaft auf seine Kosten geführt wird. Man will die ganze

Unnatur unserer Verhältnisse erhalten, aber nicht erhält man da⸗ mit die Liebe zu den heimatlichen Institutionen, auf der allein die wahre Stärke einer Regierung besteht. Man will die Ruhe und Ordnung erhalten, aber das ist keine Ruhe, welche durch Ba⸗ jonette hergestellt wird. Der nächste Hauch, ich will nicht sagen Sturm, wird die ganze Wirthschaft über den Haufen werfen, wie ein Kartenhaus.“ Inzwischen ist der Minister von Schlayer, die Staatsräthe von Wächter⸗Spittler und Hänlein eingetreten. Präsident: Es ist mir so eben eine Note des Ministeriums des Innern mitgetheilt worden, welche eine Protestation einer Anzahl Standesherren gegen ihre Ausschließung aus der Volksvertretung enthält. Das Akten⸗ stück lautet:

„Hohes Ministerium! Während die deutsche National-⸗Ver⸗ sammlung zu Frankfurt a. M. über die „Grundrechte des deut⸗ schen Volkes“ Berathung und Beschlußfassung pflegte, haben die deutschen Standesherren es nicht unterlassen, in mehreren bei die⸗ ser Versammlung eingereichten Denkschriften jene staats⸗ und völ⸗ kerrechtlichen Gewährschaften anzurufen und geltend zu machen, welche ihrem in den Fundamentalgesetzen des deutschen Bundes geregelten Rechtszustande zur Seite gestellt sind, und sie erho⸗ ben erörternd und remonstrirend ihre Stimme gegen jene, in der ersten Lesung vorläufig gefaßten Beschlüsse, welche dem Artikel 14 der Bundes⸗Akte und den entsprechenden Bestimmungen der wiener Kongreß-Akte zuwiderlaufen. Die Aufhebung des Adels als Standes, womit die bundesrechtliche ge⸗ sicherte Theilnahme an den ständischen Repräsentationen wesentlich zusammenhängt, die Aufhebung der bestehenden Fideikommisse und Successions⸗Ordnungen und der unentschädigte Entzug garantirten Eigenthums und nutzbarer Rechte wurden hierbei als die Haupt⸗ punkte der Rechtsverletzung bezeichnet. Die deutsche National⸗Ver⸗ sammlung ließ alle diese Schritte unbeachtet, und als sie in der zweiten Lesung und Berathung der Grundrechte die Vernichtung des Rechtszustandes der Standesherren zum definitiven Beschlusse erheben zu können glaubte, legte die überwiegende Mehrheit dieses Standes an dem 27. Dezember 1848 sowohl bei der National⸗Ver⸗ sammlung als bei der provisorischen Centralgewalt solenne Verwahrung mit dem Vorbehalte nieder, ihre Reclamationen nach vollendetem Verfas⸗ sungswerke vor jenen Organen, welche demzufolge in Wirksamkeit zu treten haben werden, wieder anzuregen.“ Diese Protestation und die darin allegirten Denkschriften wurden allen deutschen Re⸗ gierungen zur Kenntniß gebracht, und als in dem Königreiche Würt⸗ temberg die Einführung der Grundrechte durch Verfügung sämmt⸗ licher Departements d. d. 14. Januar 1849 in dem Regierungsblatte ausgeschrieben, und die Aufhebung des Adels als Stand, so wie das „Aufhören der öffentlichen und Privatrechte, welche das Gesetz bisher den adelichen Gütern vor den bürgerlichen einräumte“ ver⸗ kündigt worden war, übergaben die württembergischen Standesher⸗ ren in öffentlicher Kammersitzung am 24. Januar 1849 feierliche Verwahrung zu den Akten der Stände⸗Versammlung. Die der Hoheit der Krone Württemberg unterworfenen Stan⸗ desherren durften sich der Hoffnung hingeben, die Anfor⸗ derung der Gerechtigkeit und jene Stellung, welche Würt⸗ temberg nun in Behandlung der deutschen Verfassungs⸗ fragen eingenommen hat, müßte nothwendigerweise dazu füh⸗ ren, daß die hohe Staatsregierung von dem durch ihre Vorfah⸗ ren im Amte betretenen Wege der Zerstörung des standesherrlichen Rechtszustandes und der Nichtachtung der ihn verbürgenden Bun⸗ desgarantieen ablasse und nicht ferner auf dem Grundsatz beharren werde: die oben allegirte Ministerial⸗Verfügung vom 14. Januar 1849 reiche hin, um die Bestimmungen der Bundes⸗ und Kongreß⸗ akte zu vernichten, das Recht der Standesherren seiner Existenz und die ihm zur Seite stehenden staats⸗ und völkerrechtlichen Gewährschaften ihrer Fortdauer und Wirksamkeit zu entkleiden. Diese Hoffnung rechtfer⸗ tigt sich durch Handlungen der Regierung und durch Worte, welche den ehrerbietig Unterzeichneten als unzweideutig erscheinen, und denen einen Doppelsinn unterlegen zu sollen die Unterzeichneten sich nie würden entschließen können. Thatsache Handlung der Staats⸗ Regierung ist es nämlich, daß die Krone Württembergs nun an dem Prinzipe festhält: es sei mit der Aufhebung des Bundes⸗ tags nicht das Bundesrecht an sich, sondern nur die Form des cen⸗ tralen Bundesorgans verändert worden, das Bundesrecht aber bleibe so lange, bis es auf dem den Bundesgesetzen entsprechenden Wege durch Vereinbarung abgeändert sein wird, in voller Kraft. Auf dieser Grundlage beruhen die Vereinbarungen, welchen die Krone Württemberg in neuester Zeit beigetreten ist, und welche aus der ungebrochenen Kraft der Bundesbestimmungen argumen tirend wohl einer Revision und Umgestaltung der Bundes⸗ Akte den Weg bahnen, jedoch bis zu dem Abschlusse einer neuen Bundesakte den Regierungen alle jene Rechte vindiziren, welche für sie in den Bestimmungen der Bundes⸗ und Kongreßakte enthalten und garantirt sind. Hiermit ist es unvereinbar, gleichzei⸗ tig behaupten zu wollen, das mehr allegirte Ministerial Ausschrei⸗ ben stehe über dem Bundesrechte, und von diesem letzteren sei zur Stunde nur mehr so viel in Kraft, als die hohe württembergische Staatsregierung in Kraft belassen wolle; und wie wenig der Ver⸗ trag vom 27. Februar l. J. die Verfolgung des Grundsatzes zu⸗ lasse, daß die zu Frankfurt beschlossenen Grundrechte die Kraft des Bundesrechtes gebrochen hätten, beweist die Urkunde vom 13. März l. J., in welcher der Kaiserstaat Oesterreich jenem Vertrage beitrat, und jene Cirkularnote vom 26. April l. J., in Folge deren eben jetzt die Verhandlungen zu Frankfurt unter Mitwirkung der Krone Würt⸗ tembergs eröffnet sind. An diese Thatsachen reihen sich gewichtige am gewichtigsten Orte gesprochene Worte au. Die Thronrede näm⸗ lich, womit Se. Majestät der König die Ständeversammlung am 15. März l. J. eröffnete, verkündet als leitendes Prinzip die un⸗ leugbare Wahrheit: „Was in den Stürmen unserer Zeit allein Kraft und Dauer und Heil gewährt, das ist die Wahrung des al⸗ ten Rechts, das ist das Festhalten an dem Positiven, an dem ge⸗ schichtlich Vorhandenen, welches sich nicht ableugnen läßt und sich immer wieder von neuem geltend macht.“ Diese Thronrede äußerte sich dahin: „Fordern Sie nichts von mir, was mit den unwandelbaren konstitutiven Wahrheiten der Gesellschaft, wie sie sich im Staate darstellen, unvereinbar ist;“ und an einer anderen Stelle eben dieser Rede ist ausgesprochen: „Es giebt noch etwas Höheres als das geschriebene constitutionelle Gesetz, es ist das moralische Band der Gesellschaft.“ Diese echt Königlichen Achtung vor dem Rechte verkündenden Worte waren gewiß geeignet, die oben erwähnte Hoffnung der Standesherren zu beleben; denn ihre Rechte finden in den Grundgesetzen des Bundes und der Kongreßakte ganz densel⸗ ben Schutz und dieselbe Garantie, als jene Bestimmungen, welche von den verbündeten Regierungen Deutschlands für sich aus eben diesen Urkunden abgeleitet werden. Mit den „unwandelbaren Wahrheiten der im Staate sich darstellenden Gesellschaft“ ist es un⸗ verträglich, bei dem Vorhandensein völlig gleicher Rechtskraft der bundesrechtlichen Bestimmungen und Garantieen, gleichzeitig die Wirksamkeit eines Theils derselben und die Wirkungslosigkeit des Anderen behaupten und erstreben zu wollen. Wird die Wahrung des alten Rechtes, das Festhalten an dem Positiven, „an dem geschicht⸗ lich Vorhandenen“, als Postulat der Nothwendigkeit und der staat⸗ lichen Moralität als das, „was in den Stürmen unserer Zeit allein

Kraft, Dauer und Heil gewährt,“ erkannt, und öffentlich mit dem Beifügen verkündet, daß das Positive und Geschichtliche „sich nicht ableugnen lasse, und sich immer von neuem geltend zu machen wisse,“ so muß nothwendigerweise auch die Folgerung zugegeben werden, daß es nicht Kraft, nicht Dauer und Heil gewähre, wenn an dem Positiven, an dem geschichtlich Vorhandenen nicht festgehal⸗ ten oder wenn die Verkündung des Prinzips der Festhaltung nicht für identisch erachtet wird, mit dem obersten aller Rechtsgrundsätze: „lus suum Sunicuiquer?e (einem Jeden werde und bleibe sein Recht). Wahrung und Festhaltung des positiven Rechts setzt voraus, daß jedes wirkliche Recht gleichmäßig und unparteilich gewürdigt und geschützt, d. i. daß das Recht an sich heilig gehalten werde, und diese Heilighaltung des Rechts an sich schließt es aus, daß nur einzelne Rechte, gestützt auf das allgemeine Prinzip der Unverletz⸗ lichkeit, gehandhabt und aufrecht erhalten, andere aber nach Willkür davon ausgeschieden werden. Eine solche Deutung des aufgestellten Prinzips rarf und wird sicher den Worten der Thron⸗Rede nicht unterlegt werden, ja, sie ist durch die eigenen Worte derselben un⸗ möglich gemacht, da ja von dem, was sich nicht ableugnen läßt, zum voraus anerkannt ist, daß es „sich immer wieder von neuem geltend zu machen wisse.“ Eben deshalb würden die Standesherren jim Bewußtsein ihres guten Rechts, im Vertrauen auf die Königliche Thron⸗Rede und Angesichts der oben allegirten Kaiserlichen Cirkular⸗ Note vom 26sten vorigen Monats, in deren Folge die Be⸗ vollmächtigten deutscher Staaten eben jetzt zu Frankfurt zusammen⸗ treten, um sich über die „Einsetzung eines neuen Centralorgans des Bundes“, als auch über die „Revision der Bundesverfassung“ und über die „als nothwendig erkannte zeitgemäße Entwickelung und Ausbildung der Bundesakte zu vereinbaren“, nicht jetzt neue Rechts⸗ verwahrung an die Königlich württembergische Staatsregierung richten, wenn sie nicht durch die von dem Königlichen Ministerium der Ständeversammlung an dem 1. Mai l. J. gemachte Vorlage und durch die bei dieser Veranlassung in offizieller Form abgege⸗ bene Erklärung dazu genöthigt würden. Die Vorlage betraf den „Entwurf eines Gesetzes, Abänderung der Bestimmung in der Verfassung wegen der Zusammensetzung beider Kammern. „In diesem Entwurfe wird nicht nur die Bestimmung des Art. 14 der Bundesakte, welche den vormals reichsständischen Fürsten und Grafen als ersten Standesherren Sitz und Stimme in der ständischen Berathung sichert, und welche der französische Text also formulirt: „Les chefs de ses maisons forment la première classe des états dans les pays aux quels ils appartiennent,“ gänzlich umgangen und die Klasse der Standes⸗ herren des Sitzes in der Stände⸗Versammlung beraubt, sondern es wird noch überdies völlig klar ausgesprochen, daß durch dieses Ge setz das „Aufhören der Standesvorrechte“ und somit die Beseiti⸗ gung des bundesrechtlichen Rechtes der Standesherren durchgeführt und deshalb die Verfassung abgeändert werden wolle; und „zu die⸗ sem Zwecke, das ist zu Bewirkung der Abänderung, welche durch das Aufheben der Standesvorrechte in den Bestimmungen der Ver⸗ fassungs⸗Urkunde ... nothwendig geworden sind, sei die außerordent⸗ liche Landes⸗Versammlung berufen worden.“ Auch der einleitende Vor⸗ trag des Königlichen Ministers des Innern bestätigt es, daß die Abänderung des von der Bildung der Landes⸗Vertretung handeln⸗ den Theiles der Verfassung vorzugsweise die Veranlassung zu der außerordentlichen Einleitung für die Verfassungs⸗Revision gehoten hat. Derselbe Vortrag, obwohl er die Nothwendigkeit entwickelt, „dem erhaltenden Prinzipe in der Landes⸗Vertretung die gebührende Geltung zu verschaffen“, spricht unumwunden aus, „die Aufhebung der Standes⸗Vorrechte führe die Nothwendigkeit herbei, die bishe⸗ rige Grundlage der ersten Kammer abzuändern“, und beurkundet unzweideutig in direktem Widerspruche mit dem 14. Artikel der Bundes⸗Akte und den Bestimmungen der wiener Schluß⸗Akte und der Kongreß⸗Akte, es wolle das gegen den Versuch einseitiger Ge⸗ setzgebung ausdrücklich garantirte Recht der Standesherren nicht nur nicht geschützt, sondern mit Vorbedacht auf dem Wege eines dazu besonders berufenen Landtages beseitigt werden. Wie leicht die Königliche Staatsregierung glaubt, über die Bestim⸗ mungen der deutschen Bundesakte hinwegschreiten zu können, be⸗ stätigt auch der Umstand, daß der Artikel 4 des Gesetz⸗Entwurfs, welcher ausspricht: „in der zweiten Kammer hört die besondere Ver⸗ tretung des ritterschaftlichen Adels auf,“ obwohl auch diese Vertre⸗ tung dem ehemaligen Reichsadel in dem 14. Artikel der Bundes⸗ Akte gesichert ist, in dem Vortrage des Ministeriums mit dem ganz kurzen Motive abgefertigt wird: „Natürlich sind die ritterschaftlichen Abgeordneten weggelassen,“ gleichsam als wäre es natürlich und nicht viel Redens werth, mit den Bun⸗ desrechten nach Willkür zu verfahren. Sofern in diesem Gesetz-Entwurfe und in dem ihn begleitenden Ministerial⸗ Vortrag die Rechte der Standesherren berührt sind, füh⸗ len sich die ehrerbietigst Unterzeichneten berechtigt und gedrängt, hier unter Anrufung der Königlichen Thronrede feierliche Verwahrung einzulegen gegen jedes ihren garantirten Rechtszustand verletzendes Voranfahren zu protestiren und sich den hiermit vorläufig ange⸗ meldeten Rekurs an das demnächst zu konstituirende Central⸗Bun⸗ des⸗Organ und an die Glieder des deutschen Bundes, welche die ihnen in dem Art. 14 der Bundes⸗Akte aufgezählten Rechte mit völkerrechtlicher Verpflichtung gewährleistet haben, ausdrücklich vor⸗ zubehalten. Ehrerbietigst. München, 11. Mai 1850. Max Fürst zu Thurn und Taxis. Für das Fürstliche Haus Oet⸗ tingen⸗Wallerstein, Karl Prinz zu Oettingen⸗Wallerstein. Graf von Waldbott⸗Bassenheim. Otto Karl Fürst zu Oet⸗ tingen-Spielberg. Alfred Graf von Rechberg. Otto Graf von Quadt⸗Ißny. Franz Graf zu Königsegg⸗Aulendorf. Friedrich Fürst von Waldburg⸗Wolfegg⸗W. aldsee. Namens des gräflichen Hauses Pückler⸗Limpurg Karl Prinz von Oet⸗ tingen und Wallerstein. Karl Egon Fürst zu Fürstenberg (Karlsruhe, den 19. Mai 1850). Ernst Fürst zu Hohe nlohe—⸗ Langenburg für mich und im Namen des Fürsten zu Hohenlohe⸗ Bartenstein und Jaxtberg. Karl Fürst zu Hohenlo he⸗Kirch⸗ berg. Alfred Graf von Neipperg.“ 8 Während der Verlesung dieses Aktenstücks wurde öfters viel⸗ fältig gerufen: „Hört! Hört!“ Reyscher: Wir können nun klar sehen; es ist immer etwas werth, klar zu sehen, wenn es auch durch die camera obscura der Standesherren ist. Wir ha⸗ ben früher gehört, die Kammer der LEEE1’1“ existire noch. Das vorliegende Aktenstück liefert den Beweis da⸗ für. Es scheint nun nur noch des Zusammentritts dieser Herren in dem anderen Saale zu bedürfen. Die Stan⸗ desherren kennen die Geschichte der zwei letzten Jahre nicht, sie wissen nur, daß in den letzten zwei Jahren in diesem Hause Be⸗ schlüsse gefaßt wurden, die I d. Es 1,” sich jetzt darum, ob alle die Worte, die seit zwei Jahren in diesem Saale gesprochen wurden, vergeblich sind. Ich glaube nicht, daß die Reclamation der vormaligen Standesherren Gegenstand einer erheblichen Prüfung ist. Aber eine große Bedeutung hat sie. Ich weiß nicht, unter welcher Prooidenz dieses Aktenstück mitgetheilt wird, da wir gerade über das Ein⸗ oder Zweikammer⸗System berathen, ob die linke Seite Konzessionen machen oder ob die konservative Seite die⸗ ses Hauses auf die andere Seite hinübertreten soll. Wenn es sich darum handelt, daß hinter die zwei letzten Jahre zurückgegriffen werde, daß

nicht immer gleicher Ansicht sind.

unsere Errungenschaften wieder preisgegeben werden sollen, so stehen

wir in diesem Hause zusammen, wenn wir auch in anderen Dingen

Wir sind Alle darin einig, daß

eine Reclamation, daß alte aufgegebene Privilegien wieder hergestellt

werden sollen, nirgends eine Unterstützung erhält. Eine andere

Frage ist aber die, ob wir nicht mit einer Regierung zu sprechen

haben, die durch ihre schiefe Politik dieses Alles herbeigeführt hat.

Ich trage darauf an, das vorliegende Aktenstück an die Verfassungs⸗

Kommission zu weisen, um darüber gleichzeitig mit der Frage über, den Fortbestand des deutschen Bundes zu berathen. Römer: Das

verlesene Aktenstück enthält eine Kriegserklärung gegen das ganze

württembergische Volk; in dieser Frage werden wir Alle bestimmt

Hand in Hand gehen. Es enthält schwere Vorwürfe und Beleidi⸗

gungen gegen die höchsten Personen, es setzt Unterthanen mit dem

Staats⸗Oberhaupt auf eine und dieselbe Stuse, indem es

sagt, wenn die Standesherren ihrer Rechte hätten entkleidet

werden wollen, so hätte man eben sowohl Se. Majestät den König

seiner Souverainetät entkleiden können; es enthält Vorwürfe gegen die National⸗Versammlung, gegen das März⸗Ministerium wegen der von diesem eingeführten Gesetze; Beleidigungen gegen die jetzt am Ruder befindlichen Minister, weil diese ausgesprochen haben, daß die Standes⸗Vorrechte bei der Landes⸗ Vertretung wegfallen müssen. Aus früherer Zeit erinnere ich mich keiner solchen Prote⸗ stationen, wohl aber Danksagungen an das März⸗Ministerium, daß dieses den Standesherren Schutz gewährt hat gegen Angriffe, wel⸗ chen ihre Feudalrechte ausgesetzt waren. Ich glaube, daß diese Protestation in nahem Zusammenhange steht mit der Frage über die Existenz des Bundes, und beantrage, die Ver⸗ fassungs ⸗Kommission, welche bereits den Auftrag hat, über diese Frage zu berichten, ebenfalls über das ver⸗ lesene Aktenstück berichten zu lassen. Zunächst aber stelle ich an den Ministertisch die Anfrage, ob und welche Schritte gegen diese Pro⸗ testation zu thun er gemeint ist? Minister von Schlayer: Das Ministerium ist in dieser Sache ganz derselben Meinung, wie beide Parteien in diesem Saale (Bravo). Auch das Ministerium ist der Meinung, daß Niemand im Stande ist, die beiden verflossenen in⸗ haltsvollen Jahre zu ignoriren. Die Kammer der Standesherren, welche im verhängnißvollen Augenblick ihren Posten verlassen hat (Bravo), hat keinen Grund, ihre Ansprüche aufs neue geltend machen zu wollen. Sie fragen mich, welche Schritte die Regierung auf die eben verlesene Protestation gethan habe. Der einzige Schritt, den sie gethan hat, ist die Mittheilung derselben an diese Ver⸗ sammlung. Auch damit bin ich ganz einverstanden, daß der Gegenstand an die Verfassungs Kommission gewiesen werde. Moritz Mohl: Die Verantwortung hiervon trifft das Ministerium, weil es das Verfassungswerk so auffallend verzögert hat. „Es liegt eine schwere Verantwortung auf dem Ministerium. Minister von Schlayer: Ich protestire hiergegen, die Schuld liegt auf der Seite, welche unzulässige Forderungen gestellt hat, daß man das allgemeine Wahl

recht in Anspruch nimmt, das nirgends besteht. Die Verzögerungen wurden von dieser Versammlung, besonders aber von dem Abge⸗ ordneten von Aalen, veranlaßt. Staatsrath von ch 2 ter⸗Spittler: Ich schließe mich dem von dem Mini

ster des Innern Geäußerten an und muß wiederholt erklä⸗ ren, daß die deutsche Bundesakte noch rechtlich besteht, was von allen deutschen Staaten anerkannt ist. A. Seeger: Ich bin damit einverstanden, daß wir den Fehdehandschuh, der uns hingeworfen worden ist, aufheben; wir werden schon fertig werden mit dem Kampf gegen die in Anspruch genom⸗ menen zerrotteten Privilegien. Auf mich hat das Aktenstück einen tiefen Eindruck gemacht, aber nicht, weil ich die Gefahr der Wie⸗ dereinführung der erloschenen Privilegien fürchte, nicht, weil ich fürchte, daß die öffentliche Sicherheit gefährdet werde, nicht weil es darauf ankommt, die im Jahre 1848 flüchtig gewordene erste Kam⸗ mer wieder einzuführen. Dieser Schritt wurde herbeigeführt durch die schiefe Stellung, welche das Ministerium eingenommen hat, und durch die Verzögerungen in dem Verfassungswerk durch das vorige und das jetzige Ministerium. Der Schritt der vormaligen Stan⸗ desherren ist übrigens ganz konsequent, insofern der Minister des Aeußern gesagt hat: „Ich bin noch Mitglied der ersten Kammer;“ dergleichen Acußerungen müssen solche Handlun

gen nothwendig hervorrufen. Es ist schon jetzt Sache der Re⸗ gierung, zu erwägen, ob die von den vormaligen Standesherren gemachte Drohung mit Anrufung einer fremden Macht nicht ein Landesverrath sei. Römer: Ich muß nur hinsichtlich des dem vorigen Ministerium gemachten Vorwurfs der Verzögerlichkeit in der Verfassungs⸗Vorlage erklären, daß der Landtag 1849 bis zum 11. August dauerte, daß im September bereits ein vollständiger Verfassungs⸗Entwurf ausgearbeitet vorlag, daß aber im Oktober vorigen Jahres das Ministerium seine Entlassung erhalten hat. Huck: Ich bedauere, daß in einem Augenblicke, der für mich ein erhebender war, weil er uns eine Uebereinstimmung mit der Regie⸗ rung in Betreff dieser Protestation der vormaligen Standesherren zeigt, ein Zwiespalt der Parteien der Kammer aufs neue ausbrechen will, in einem Augenblick, wo uns Einigkeit so noththut. Hierin können und sollen wir einig sein, denn sonst erreichen wir gar nichts. Wir auf der Seite der Minorität haben den richtigen Standpunkt behauptet, indem wir mit den Regierungs⸗Vorlagen uns einigen wollten, sofern sie uns die Beseitigung der Standes Vorrechte aus der Volks⸗Vertretung brachten; Sie aber, auf der Seite der Ma⸗ jorität, haben nicht den richtigen Standpunkt, indem Sie zu viel verlangen und daher gar nichts erlangen. Zimmermann: „Ich begreife nicht, wie man nach den Erfahrungen, wie wir sie vorliegen haben, sich solchen Illusionen hingeben kann, wie der Vor⸗ redner; aber ich begreife auch nicht, wie man dem März⸗Ministe⸗ rium oder auch dem jetzigen Ministerium alle Schuld allein zuschie⸗ ben mag. Es wäre naturgemäß doch jedenfalls so gekommen, wie es gekommen ist, es ist dies nur das Vorspiel dessen, was von Frankfurt aus diktirt werden wird, der Anfang des Feldzugsplans, welcher bereits entworfen ist. Damit aber stimme ich mit dem Ab⸗ geordneten Huck überein, daß wir jetzt, wo wir mit dem Ministe⸗ rium über diesen Gegenstand einig sind, mit dem Ministerium gehen und zu retten suchen sollen, was zu retten ist. Möge aber zugleich das Ministerium aus diesem Vorfalle lernen, daß eine Regierung nur dann stark ist, wenn sie auf die Mehrheit des Volkes sich stützt, und mögen wir fest zusammengehen gegen solche unberechtigter Ver⸗ suche, wie sie wieder erhoben werden wollen.“ Der Schluß der De⸗ batte wird angenommen und der Antrag genehmigt, die Verfassungs⸗ Kommission mit dem Berichte über obige Verwahrung zugleich mit ihrem Berichte über das Interim zu beauftragen. Von Probst, Sattler und Pfeifer ist der Antrag gestellt worden, die weitere Be⸗ rathung über die Verfassungs⸗Vorlage auszusetzen und der Verfas

sungs⸗Kommission Zeit zu lassen, diesen Bericht zu erstatten. Der Präsident schlägt jedoch vor, die Berathung fortzusetzen und den Bericht heute noch zu erledigen. Damit erklärt sich die Versamm⸗ lung einverstanden. Es sprach noch ausführlich RFheinw ald, dann wird die Debatte geschlossen und zur Abstimmung geschritten. Der Satz III. In Beziehung auf die Bildung der künftigen Landes⸗ vertretung schon jetzt auszusprechen: 1) „daß die Landesversamm⸗ lung im Grundsatze entschieden dem Einkammers

8

stem den Vorzug 1

929

Mit 47 gegen 11 Stimmen angenommen. „Daß sie aber, um eine Vereinbarung mit der Regierung über einen Abschluß des neuen Verfassungswerkes zu ermöglichen, auf das Zweikammersystem unter der Voraussetzung: a) einer durchgreifenden, den Grundrechten und dem Gesetze vom 1. Juli vorigen Jahres entsprechenden Revision der Verfassung durch die ge⸗ genwärtige Landes⸗Versammlung, und ) einer freisinnigen Wahl⸗ art für beide Kammern einzugehen bereit sei.“ Mit 40 gegen 18 Stimmen angenommen. 2) Daß die Landes⸗Versammlung in Beziehung auf die Bildung der beiden Kammern von folgenden Grundsätzen ausgehe: X. in Betreff der ersten Kammer: a) daß dieselbe ausschließlich aus gewählten Vertretern des Volkes bestehe, ohne daß dabei ein Vorrecht der Geburt, des Standes oder Berufes stattfinde (einstimmig beantragt); b) daß die Wählbarkeit an keine anderen Bedingungen geknüpft werde, als die zur zweiten Kam⸗ mer, mit Ausnahme des höheren Lebensalters (einstimmig beantragt); c) daß für die erste Kammer ein mittelba⸗ res Wahlsystem angenommen werde, und zwar entweder aa) in der Art, daß die Wahl für dieselbe durch Wahlmänner geschehe, welche von sämmtlichen zur Wahl eines Mitgliedes der zweiten Kammer berechtigten Staatsbürgern gewählt werden.“ Mit großer Mehrheit angenommen. Der Satz „bb) in der Weise, daß die Wahl der Mitglieder der ersten Kammer neu zu bildenden Bezirksvertretungen übertragen würde, welche selbst aus den Wahlen sämmtlicher zur Theilnahme an den gemeindebürgerlichen Wahlen berechtigten Ein⸗ wohner des Bezirkes hervorgingen und periodisch erneuert würden, wird mit 46 gegen 12 Stimmen abgelehnt. „d) daß für die erste Kammer eine längere Wahlperiode und theilweise Erneuerung be⸗ stimmt werde, und e) daß für die Wahlen zu derselben ge⸗ hrime Abstimmung festgesetzt werde.“ Mit großer Mehr⸗ heit angenommen. „B. In Betreff der zweiten Kammer: daß für dieselbe sowohl in Absicht auf ihre Zusammen⸗ setzung, als in Absicht auf das Wahl⸗ und Wählbarkeitsrecht und das Wahlverfahren die Bestimmungen des Gesetzes vom 1. Juli v. J. zu Grunde gelegt werden.“ Mit 42 gegen 16 Stimmen angenommen. Der Zusatz⸗Antrag von Hölder und Rheinwald: „Hierbei wird jedoch vorbehalten, daß, falls sich hierdurch eine Ver⸗ einbarung mit der Regierung herbeiführen ließe, die gleiche indi rekte Wahlart, jedoch unter Einhaltung eines angemessenen Ver⸗ hältnisses der Zahl der Wahlmänner zu der Zahl der Urwähler, angenommen werden könnte“, wird mit 38 gegen 20 Stim⸗ men abgelehnt. Der Antrag der Minderheit (Reyscher und Mack): 2) von diesem Beschlusse das Gesammt⸗Ministerium in Kenntniß zu setzen a) unter der Erklärung, daß die Ver sammlung keinem Vorschlage ihre Zustimmung geben werde, welcher mit den Grundrechten des deutschen Volkes im Widerspruch sich befinden würde, daß die Versammlung vielmehr, getreu der im Gesetz vom 1.

gebe.“”

Juli v. J. übernommenen Verpflichtung, als ihre Aufgabe betrachte, alle diejenigen Aenderungen in der Verfassung mit der Regierung zu bewirken, welche in Folge der Abschaffung der Standesvorrechte und anderer Bestimmungen der deutschen Grundrechte nothwendig werden oder sich sonst als zweckmäßig er⸗ weisen, b) unter dem Ersuchen, die rückständigen Entwürfe über zu tresfende Verfassungs⸗Aenderungen in Bälde der Landes⸗Versamm⸗ lung mitzutheilen, indem diese nur alsdann hoffen könne, ihre Thä⸗ tigkeit zum Nutzen des Landes fortzusetzen, wenn sie von Seiten der Staats⸗Regierung durch schleunige, umfassende und befriedigende Vorlagen dazu in den Stand gesetzt werde, wird mit 41 gegen 17 Stimmen abgelehnt. Der Kommissions⸗Antrag der Majorität: IV. in Anwendung des der Landes⸗Versammlung nach den deut schen Grundrechten und nach dem Gesetze vom 1. Inlt v. I. zu⸗ stehenden Rechtes des Gesetzvorschlags und in Betracht, daß ein den ertheilten Verheißungen und gesetzlichen Bestimmungen ent⸗ sprechender vollständiger Entwurf einer revidirten Verfassung der Landesversammlung bis jetzt weder vorgelegt, noch zugesichert wor den, und daß es daher Pflicht der Volksvertretung ist, zu Herstel lung einer solchen Verfassung jedes gesetzliche Mittel zu ergreifen: die Verfassungs-Kommission mit Ausarbeitung eines vollständigen Entwurfs einer neuen Verfassung und Vorlegung desselben an die Versammlung, im Ganzen oder in einzelnen Abschnitten, zu beauf⸗ tragen; insbesondere derselben aufzutragen, sich zunächst der Bear⸗ beitung eines Entwurfs der an die Stelle des Abschnittes IX. der Verfassung zu setzenden Bestimmungen über die Bildung und Rechtsverhältnisse der Landesvertretung nach Maßgabe der oben unter III. aufgestellten Grundsätze zu widmen und denselben sofort der Berathung und Beschlußfassung der Landes⸗Versammlung zu unterstellen, damit diese, unabhängig von den Vorlagen der Regiec⸗ rung, sobald als möglich in den Stand gesetzt werde, die ihr durch das Gesetz zugewiesene nächste und wichtigste Aufgabe, wenigstens so viel an ihr liegt, zu erfüllen. Mit großer Mehrheit angenom men. V. Vorstehende Beschlüsse zur Kenntniß des Königlichen Gesammtministeriums zu bringen. Angenommen unter Abweisung eines Verbesserungs⸗Vorschlages von Sattler. Ein Verbesserungs⸗ Antrag von Stockmayer wurde mit 47 gegen 11, der von Pfäff⸗ lin und Schnitzer mit 44 gegen 14, der von Fraas einfach abge lehnt. Die nächste Sitzung ist am Freitag um 9 Uhr und Tages⸗ ordnung die deutsche Frage.

Schleswig⸗Holstein. Flensburg, 27. Mai. (B. H.) Gestern um Mittag hat ein dänisches Kriegs⸗ (Segel⸗) Schiff außen im flensburger Hafen, bei Bokholm (über Wasser ca. 2 ½ Meilen von hier,, wo auch im vorigen Jahre das den Hafen blo kirende Schiff lag, geankert und hat diesen Morgen noch dort ge⸗ legen. Heute ist hier norwegische Artillerie vom Norden, aus Apenrade und Hadersleben kommend, eingerückt. Man ist der Meinung, daß hier eine Zusammenziehung neutraler Truppen be⸗ hufs der Einschiffung stattfinde.

Von der Niederelbe, 26. Mai. (W. Ztg.) Gestern hat das schleswig-holsteinische Departement des Innern ein Rund⸗ schreiben an die Land- und Seekriegs⸗Kommissäre, Oberbeamten, Prälaten, Distrikts-Deputirten, Magistrate und lageführenden Beamten erlassen, welches weitere Vorbereitungen einer beschleunigten dem— nächstigen Einberufung der beurlaubten und Reserve⸗Mannschaften betrifft. Die Mannschaft wird sich zu seiner Zeit in Rendsburg einzufinden haben. Die Einberufung dürfte demnach in den näch⸗ sten Tagen erfolgen, was auch den vollendeten Rüstungen der Dänen gegenüber schon als Vorsichtsmaßregel sich hinlänglich empfiehlt.

Lippe⸗Detmold. Detmold, 26. Mai. (W. Z.) Der Erbprinz ist nach der Rückkehr vom berliner Fürsten⸗Kongresse nach kurzem Aufenthalte nach London abgereist, um dort die Saison zu⸗ zubringen.

Am vorigen Mittwoch ward von dem Fürsten in Gegenwart sämmtlicher Prinzen des Hauses, so wie der Mitglieder der Regie⸗ rung, auf einer romantischen Höhe zwischen Oerlinghausen und Schötmar, der Grundstein zu einer neuen Kirche gelegt, welche die von beiden obigen Orten zu entfernt wohnenden Kirchgänger in sich aufnehmen und zu einer neuen Gemeinde vereinen soll. Die Kosten des Baues waren durch Liebesgaben aus allen Theilen

des Landes, gedeckt.

Frankfurt. Frankfurt a. M., 27. Mai. Heute wurden zum erstenmale wieder sämmtliche Wachen der Stadt durch Mann⸗ schaften der verschiedenen hier in Besatzung stehenden Bundestrup⸗ pen bezogen, während seither dieser Dienst täglich bataillonsweise versehen wurde.

vorzüglich aber durch eine Unterstützung des Fürsten,

Frankreich. vom 26. Mai. Den Vorsitz führt Dupin. Berges übergeben wieder Anti⸗Wahlreform⸗Petitionen. Es folgt dann Fortsetzung der Wahlreform⸗Debatte. Art. 2.: „Die Listen umfassen: a) Alle Franzosen, welche 21 Jahre alt sind, ihre bürger⸗ lichen und politischen Rechte genießen, gegenwärtig in der Gemeinde ihren Wohnort haben oder im Kantone wenigstens, beiderseits 3 Jahre, sich aufhalten. b) Diejenigen, welche bei Anlegung der Liste die Alters- und Wohnortsbedingungen nicht erfüllt haben, können dies nachträglich vor Abschluß der Liste thun.“ Pierre Lerour bekämpft die Bestimmung des dreijährigen Wohnortes. Diese Bestimmung sei dem Grundsatze der Constitution: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ zuwider. Faucher habe bemerkt, es gebe kein Recht gegen das Gesetz. Dieser Aphorismus sei falsch. Die Wahrheit sei: „Es giebt kein Gesetz gegen das Recht.“ Der Red⸗ ner spricht während der größten Unaufmerksamkeit der Ver⸗ sammlung. Der Präsident fordert ihn dreimal auf, bei der Sache zu bleiben und verliest den Artikel der Geschäftsordnung, der ihn dann ermächtigt, dem Redner das Wort zu entziehen. (Lärm.) Der Präsident entzieht dem Redner das Wort. Links: „Zur Ord⸗ nung den Präsidenten!“ Rechts: „Achtung vor der Geschäftsord⸗ nung!“ (In diesem Augenblicke entladet sich ein Gewitter unter furchtbaren Donnerschlägen.) Pierre Leroux verläßt die Tribüne. de Crouseilher rechtfertigt sich, weil er zur Ordnung gerufen worden. Dupont (de Russac) entwickelt ein Amendement von ihm, Sain, Lagarde ꝛc. Dieses lautet: „Artikel 2. Kein Bürger kann in einer Legislatur⸗Periode in zwei Departements stimmen. Die Wählerlisten sind dreijährig und ständig. Alle Bür⸗ ger, auch wenn sie ihren Aufenthalt ändern, haben das Recht, im Kanton der Aufzeichnung zu stimmen. Die Listen enthalten: a) Alle Lljährigen, seit 6 Monaten in der Gemeinde wohnenden bürgerlich und politisch berechtigten Franzosen. b) Diejenigen, welche die Al⸗ ters- und Wohnorts⸗Eigenschaften bei Beginn der Einzeichnung nicht besitzen, können dieselben noch vor Schluß derselben erlangen.“ Dupont bemerkt, daß dieses Amendement den Hauplvorwurf behebe, daß ein Bürger an mehreren Orten stimmen könne. Dadurch werde der nomadische Charakter der Wähler behoben. Das vor⸗ gelegte Gesetz begünstige nur junge Leute von Stande, schließe aber die, welche zeitweise das väterliche Haus verlassen, Arbeiter nämlich und Soldaten, aus. L. Faucher: „Hätte ich mich nur mit dem Amendement zu beschäftigen, so würde ich mich begnügen, zu be⸗ merken, daß es nur das Gesetz des 15. März umschreibt.“ Zudem habe Herr Dupont den Sinn des Artikels 26 der Constitution schlecht verstanden. Die Kommission verwirft das Amendement.

Viele Mitglieder des

Gesetzgebende Versammlung. Sitzung

Lagarde

besteigt die Tribüne, die Versammlung schließt die Debatte und ver⸗

wirft vas Amendement mit großer Majorität. A“

Lasteyrie, Coquerel und Cavaignac schlagen folgende Ab⸗ änderung zu Artikel 2 vor: „Der Wohnort wird durch den Aufent⸗

halt der Kommune dargethan, in der man seiner Militairpflich nachgekommen ist. L 8 tragen, wo der Bürger seine Hauptniederlassung gründet, vorbehalt

Dieser Wohnort wird in jede Kommune über⸗

lich der ein halbes Jahr vor Revision der Wählerlisten zu machende

Anzeige. Corue entwickelt das Amendement. Die beanspruche allerdings einen Wohnort, allein man dürfe darin nicht über die Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuches hinausgehen. Die Loosung zum Militairdienst sei ein weit sicherer Beweis als die Personalstcuer. Der Redner schließt mit der Bemerkung, daß man, um die Gesellschaft zu retten, vor Allem das Gesetz achten müsse. (Bravo links.) Vatismenil bemerkt, dieses Amendement bezwecke Vernichtung des Gesetzentwurfes. Das zweijährige Domi⸗ zil sei durch ein sechsmonatliches ersetzt, was gegenwärtig als Basis gelte. Das Votum müsse durch den Wohn⸗ ort moralisirt werden, denn neben dem Recht stehe auch die Pflicht. Der Wähler müsse namentlich die Leute kennen, für welche er stimme, und das sei selbst annäherungsweise nur bei lan gem Aufenthalte möglich. Solche Wähler seien auch der Propa⸗ ganda weit weniger ausgesetzt. Sie würden weder die Sozialisten der ersten Ordnung anhören, noch die der zweiten, mit welchen Lamartine und andere bekannte zuckersüße Philanthropen gemeine Sache machten. Sie würden sich nur an angesehene Leute, an Männer von Stand halten. Der Schluß der Debatte wird ausgesprochen und das Amendement verworfen. Gleiches Schicksal hat ein Amende ment Larabit's. Saint Romme beantragt das Wahlrecht für Realdomizilirte nach den Bestimmungen des Code. Wird verwor fen. Eben so ein Amendement Larabit's, welches die Dauer des Wohnorts auf ein Jahr festsetzt. Beide Paragraphen des Arti kels 2 werden ohne Modisication angenommen. Der Zwist mit der Diplomatenloge ist beendigt; die Hälfte derselben bleibt dem diplo matischen Corps, die andere Hälfte ist für Damen bestimmt und bleibt den Quästoren zur Disposition überlassen. Die Sitzung wird aufgehoben. Paris, 27. Mai. Der Präsident der Republik wird sich am 9. Juni zur Einweihung der Eisenbahn nach St. Quentin be⸗ geben. Einige heute der National⸗Versammlung überreichte Petitionen verlangen, daß die Minister in Anklagestand versetzt werden sollen. General Castellane hat eine Verordnung erlassen, der zufolge kein Waffenschmied irgend eine Waffe ohne ein Moralitäts⸗Zeug⸗ niß des Unterpräfekten verkaufen darf. 8 Der Napoleon ist heute nicht erschienen und wird nicht mehr ausgegeben werden.

Großbritanien und Irland. London, 27.

Mai.

Constitution

8

Der Lord⸗Kanzler, Lord Cottenham, wünscht in Ruhestand versetzt zu werden. Der Globe bemerkt, es sei bei dieser Gelegenheit zur

Sprache gekommen, ob es nicht angemessen wäre, künftig die poli⸗ tischen und richterlichen Functionen, welche jetzt in diesem Amte vereinigt sind, zu trennen. b

Rußland und Polen. Warschau, 27. Mai. Vor⸗ gestern früh versammelten sich in der hiesigen russisch⸗griechischen Kirche zur heiligen Dreifaltigkeit die hohen Militair⸗ Personen, die Mitglieder des Administrations⸗Rathes, die Senatoren, die Beam⸗ ten des Kaiserlichen Hofes, die Chefs der Behörden, die Militair⸗ und Civil⸗Beamten aller Grade, so wie eine Menge angesehener Einwohner Warschau's, zu einem feierlichen Gottesdienst. Um 12 Uhr verkündete Glockengeläut die Ankunft des Kaisers und des Thronfolgers in der Kathedrale. Se. Majestät wurde am Eingang von dem Erzbischof Arsenius und der übrigen russisch⸗griechischen