1850 / 151 p. 2 (Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

nur, daß die Zurückweisung derselben auf einen festen Grund basirt werde, was mir in dem Kommissionsberichte nicht geschehen zu sein scheint. Ich bin gegenüber dem letzteren überzeugt, der deutsche Bund bestehe noch und die Bundesakte gleichfalls, aber freilich nur transitorisch und in provisorischer Eigenschaft. Der deutsche Bund ist unauflöstich, d. h. er ist unverändert in seinem Bestande, auch wenn seine Verfassung, wenn die von ihm garantirten Rechte auf⸗ gegeben sind. So besteht noch für die Regierungen und auch für die württembergische Regierung der deutsche Bund, aber nicht der Artikel 14 der Bundesakte, weil für diesen die deutschen Grund⸗ rechte maßgebend geworden sind. In diesem Falle befinden wir uns jetzt. Die deulschen Regierungen treten nun in Frankfurt zu⸗ sammen, aber nicht als vormärzliche, sondern mit den Grundrech⸗ ten, um eine neue Verfassung aufzustellen, und so bildet der Bund die Grundlage zu einer neuen Verfassung. Es kann auch kein Zweifel darüber vorhanden sein, daß es keiner Regierung ein⸗ fallen wird, zum deutschen Bund wieder zurückzukehren, und nach dieser Ausführung konnte ich mit den Kommissions⸗Anträgen ein⸗ verstanden sein, nicht aber bin ich dies mit der Motivirung dersel⸗ ben, und in diesem Sinn habe ich mich als Redner gegen den Kom⸗ missionsbericht einschreiben lassen. Pfeiffer: Der deutsche Bund kündigt sich in Art. 1 der Bundes⸗-Akte vom 8. Juni 1815 und Art. I. der Schluß⸗Akte vom 15. Mai 1820 als ein „völkerrecht⸗ licher Verein der deutschen souverainen Fürsten und freien Städte“ an, die deutsche Nation als solche war durch denselben nicht ver⸗ bunden. Daß dieses blos völkerrechtliche nicht nationale Band den In⸗ teressen und Bedürfnissen des deutschen Volks nicht genüge, hatte die Er⸗ fahrung seit dem Bestande des deutschen Bundes aufs unzweideu⸗ tigste dargethan, und es sprach sich daher hierüber die öffentliche Meinung einmüthig aus, als dieselbe in Folge der Ereignisse in Frankreich im Februar 1848 frei von ihren bisherigen Fesseln sich zu äußern vermochte. Der Bundestag selbst, das Organ des deut⸗ schen Bundes, wagte nicht mehr, das Ungenügende des deutschen Bundes zu verkennen, er entschloß sich in der Sitzung vom 1sten März 1848, „dem dringenden Verlangen nach Einigung aller na⸗ tionalen Kräfte“ den legalen Anhaltspunkt zu geben, und versprach in einer feierlichen Ansprache an die deutschen Regierungen und das deutsche Volk, daß er Alles aufbieten werde, „um gleich eifrig für die Sicherheit Deutschlands nach außen, so wie für die Förderung der nationalen Interessen und des nationalen Lebens im In⸗ nern zu sorgen.“ Aehnliche feierliche Verheißungen wur⸗ den damals von den deutschen Regierungen der Reihe nach gegeben. In der Sitzung der Bundes ⸗Versammlung vom 8. März 1848 erstattete Herr von Blittersdorf Namens des am 26. Februar l. J. niedergesetzten Ausschusses Bericht über die Lage des dentsches Bundes: „Die Beleuchtung der inneren Lage des deutschen Bundes muß der Ausschuß mit dem betrübenden Bekennt⸗ nisse beginnen, daß der deutsche Bund und sein Organ, die Bundes⸗ Versammlung, längst schon das allgemeine Vertrauen in ihre ge⸗ deihliche Wirksamkeit verloren haben. Ein solches Vertrauen aber ist die Grundbedingung des Fortbestandes einer jeden politischen Institution. Hohe Bundes⸗Versammlung wird es dem Ausschusse erlassen, die Ursachen ausführlich darzulegen, die einen solchen bekla⸗ genswerthen Zustand herbeiführten. An ihm ist es nicht, den An⸗ kläger gegen diese Versammlung und gegen die höchsten Bundes⸗ Regierungen zu machen. Nur einige der hauptsächlichsten Gebrechen des Bundesmuß erjetzt hervorheben. Schon die Grundver fassung des Bun⸗ des war eine mangelhafte und ungenügende ꝛc.“ Den Bericht schließt er mit dem Antrage: „1) Hohe Bundes Versammlung wolle die Ueberzeugung aussprechen, daß eine Revision der Bun⸗ desverfassung auf wahrhaft zeitgemäßer und nationaler Grundlage nothwendig sei, und 2) den Ausschuß beauftragen, gutachtlichen Vortrag über die Art und Weise, wie diese Revision zur Ausfüh⸗ rung zu bringen sri, unverzüglich zu erstatten. Der Antrag wurde von der Bundes⸗Versammlung angenommen, und den 10. März sodann auf den Antrag des Ausschusses ferner beschlossen, „sämmt⸗ liche Bundes⸗Regierungen aufzufordern, Männer des allgemeinen Vertrauens, und zwar für jede der 17 Stimmen des engeren Rathes einen, alsbald mit dem Auftrage nach Frankfurt abzuordnen, der Bundes⸗Versammlung und deren Ausschüsse zum Behufe der Vor⸗ bereitung der Revision der Bundes⸗Verfassung mit gutachtlichem Beirath an die Hand zu gehen.“ Das deutsche Volk hatte jedoch zu der Bundes⸗Versammlung auch nach Beiziehung der Vertrauens⸗ männer kein rechtes Vertrauen, sondern verlangte ein deutsches Par⸗ lament zur Feststellung der neueren Verfassung Deutschlands, und Ende März versammelten sich bereits eine Menge angesehener Männer aus allen Theilen Deutschlands in Frankfurt, um die kon⸗ stituirende National⸗Versammlung vorzubereiten. Da beschloß die Bundes ⸗Versammlung den 30. März: „Die Bundes⸗Re⸗ gierungen aufzufordern, in ihren sämmtlichen, dem deutschen Staaten⸗System angehörigen Provinzen auf verfassungsmä⸗ ßig bestehendem oder sofort einzuführendem Wege Wahlen von National⸗Vertretern anzuordnen, welche am Sitze der Bundesversammlung an einem schlennigst festzustellenden möglichst kurzen Termine zusammenzutreten haben, um zwischen den Regie⸗ rungen und dem Volke das deutsche Verfassungswerk zu Stande zu bringen.“ Dem Antrag des Ausschusses hatte die Absicht zu Grunde gelegen, diefer konstituirenden Versammlung den von der Bundes⸗Versammlung und ihrem Beirathe ausgehenden Entwurf einer neuen Bundes⸗Verfassung zur Annahme vorzulegen. Schon den 3. April aber sprach das Vorparlament ausdrücklich aus, „daß die Beschlußnahme über die künftige Verfassung Deutschlands einzig und allein der vom Volke zu erwählenden konstituirenden National⸗ Versammlung zu überlassen sei, und die Bundes⸗Versammlung, welche sodann den 7. April, den Anträgen des Vorparlaments ent⸗ sprechend, mehrere Aenderungen hinsichtlich der Zusammensetzung der National⸗Versammlung vornahm, sprach sich nicht gegen diese von dem Vorparlamente ver Nationalversammlung beigelegte Bedeutung aus, legte dielmehr derselben ausdrücklich das Prädikat einer kon⸗ stituirenden Versammlung bei. Die Vertrauensmänner übergaben den 27. April der Bundesversammlung den Entwurf der neuen Verfassung Deutschlands, worin sie das allgemeine Gefühl der Deutschen in dem Eingange und dem ersten Artikel also ausspra⸗ chen: „Da nach der Erfahrung eines ganzen Menschenalters der Pee an Einheit in dem deutschen Staatsleben innere Zerrüt C11“““ der Volksfreiheit, gepaart mit Ohnmacht mehr an G--.;;;i;- Nation gebracht hat, so soll nun⸗ onal⸗Einheit 1gceee 2b isherigen deutschen Bundes eine auf Na⸗ rigen deutschen Bunke Art. I. Die zum bishe⸗ dings aufgenomme ien gzen oeg Ane⸗, v. Einschluß Ee thums Schleswirenen preußischen Provinzen und des Herzog⸗ Seylcswig, bilden fortan ein Reich (Bundesstaat)““ Der Verfassungs⸗ Entwurf’ der Ve 8, 8s 3 der Bundes⸗Versammlun⸗ hüch er Vertrauensmänner kam in obgleich der Gropherzaang Hefstice Prnah mehr zur Berathung, ria vom 4. Mai ganz icht he Gesandte in einem Promemo⸗ 1* en richtig darauf aufmerksam gemacht hatte. daß, wenn die Regierungen der Nat [Ver hatte, wurf zur Annahme vorlegen 1ee vonal⸗Versammlung keinen Ent⸗ . 1.X“ üunen, diese naturgemäß das ganze Verfassungswerk ausschließlich in dir Hände nehmen werde; jedoch sprachen sich mehrere Gesandten iimn Auftrage ihrer Reglerungen

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über die dem Entwurfe zum Grunde liegende Verwandlung des deutschen Bundes in einen Bundesstaat beifällig aus, nämlich in der Sitzung vom 16. Mai die Gesandten von Hannover, Sachsen⸗ Weimar und Sachsen⸗Altenburg, Braunschweig, Oldenburg und Schwarzburg⸗Sondershausen, und in der Sitzung vom 2. Juni der Gesandte von Schwarzburg⸗Rudolstadt, während sich keine einzige Stimme dagegen erhob. Die National⸗Versammlung nahm sofort diese Verwandlung des deutschen Bundes in einen Bundesstaat vor und schuf durch das Geset vom 28. Juni 1848 für denselben eine provisorische Centralgewalt. Sie hielt zu diesem Akte die Zustimmung der Bundesversammlung nicht für nöthig; wohl aber fand diese es für gerathen, von freien Stücken Namens der deutschen Regierungen schon den 29. Juni 1848 ihre Zustim⸗ mung zu geben, damit, wie das Präsidium der Bundesversammlung sich ausdrückte, „der allverehrte Reichsverweser die Gewißheit allsei⸗ tiger Zustimmung, aufrichtigen und innigen Anschließens der Ge⸗ sammtheit der Fürsten wie des Volkes habe.“ Und nachdem den 12. Juli 1848 der Reichsverweser in der National⸗Versammlung ver⸗ eidigt worden war, hatte die Amtsübergabe der Bundes⸗Versamm⸗ lung an denselben mit folgenden Worten des Präsidiums statt: „Ew. Kaiserliche Hoheit treten an die Spitze der provisorischen Centralgewalt, jener Gewalt, geschaffen nach dem Wunsche des deutschen Volkes, um für die allgemeine Sicherheit und Wohlfahrt des deutschen Bundesstaates zu sorgen u. s. w.“, und ferner: „Mit diesen Erklärungen sieht die Bundesversammlung ihre bisherige Thätigkeit als beendet an.“ Aus dieser einfachen Geschichtserzäh⸗ lung ergiebt sich gewiß unzweifelhaft, daß im Juni 1848 nicht blos die Bundes⸗Versammlung, sondern der deutsche Bund selbst als ein blos völkerrechtlicher Verein der deutschen Fürsten und freien Städte von der National⸗Versammlung mit Zustimmung der deut⸗ schen Regierungen, also auf vollständig rechtsgültige Weise, abge⸗ schafft und an seine Stelle ein deutscher Bundesstaat mit einer provisorischen Organisation geschaffen worden ist, und daß hierbei nicht im entferntesten die Absicht war, den deutschen Bund je wie⸗ der ins Leben zu rufen. Wenn der Minister der auswärtigen An⸗ gelegenheiten den Fortbestand des deutschen Bundes damit zu be⸗ gründen sucht, daß derselbe nach der Schluß⸗Akte Artikel 5 als ein unauflöslicher Verein gegründet worden sei, so wird es wohl kaum der Bemerkung bedürfen, daß damit nur gesagt werden wollte, der Verein sei nicht auf eine bestimmte Zeit abgeschlossen, und es stehe keinem Mitgliede der Austritt frei, keinesweges aber, daß der Bund nicht mit allseitiger Zustimmung der Kontrahenten aufgelöst und noch viel weniger, daß das Band der deutschen Nation durch Ver⸗ wandlung des Bundes in einen Bundesstaat nicht fester ge⸗ knüpft werden dürfe. Von der gesetzgebenden Gewalt des neuen Bundesstaates sind mehrere Gesetze ausgegangen. Das Wichtigste derselben bilden die „Grundrechte des deutschen Volkes“, welche den 28. Dezember 1848 von dem Reichsverweser verkündet worden sind. Art. 2 dieses Gesetzes bestimmt: „Vor dem Gesetze gilt kein Unterschied der Stände. Der Adel als Stand ist aufge⸗ hoben. Alle Standesvorrechte sind abgeschafft. Die Deutschen sind vor dem Gesetze gleich“ Gemäß Art. 8 des Einführungsgesetzes ist das Gesetz vom 1. Juli 1849 durch Vereinbarung zwischen der Regierung und der Stände⸗Versammlung zu Stande gekommen, und ist nun die Aufgabe der auf Grund dieses Gesetzes berufenen Landes⸗Versammlung die Landes⸗Verfassung nach Maßgabe der Grundrechte, also insbesondere mit Beseitigung aller Standesvor⸗ rechte (so weit dieselben nicht schon durch andere Gesetze inzwischen abgeschafft worden sind) abzuändern. Die durch Art. 14 der Bun⸗ vesakte den vormaligen Reichsständen gewährten Vorrechte sind also durch die Gesetzgebung des deutschen Bundesstaates abgeschafft worden. Einer Zustimmung der Standesherren zu dieser Abschaf⸗ fung des Art. 14 bedurfte es so wenig als zur Beseitigung des deutschen Bundes überhaupt, da die Standesherren bei Gründung des deutschen Bundes und Feststellung seiner Grundgesetze nicht mitpaciszirt haben, sondern sie hierbei lediglich als Unterthanen er⸗ scheinen, für deren Rechtsverhältnisse jene Bestimmungen zu geben von den deutschen Regierungen unter sich für gut befunden worden war; es kann daher auch ihr jetziger Protest keine rechtliche Wir⸗ kung haben. Der deutsche Bundesstaat hat seine provisorischen Organe verloren, ehe er seine definitive Organisation er⸗ halten hat; der Reichsverweser hat seine Würde niedergelegt und die National⸗Versammlung befindet sich in faktischer Aufloͤsung. Aber offenbar sind damit nach anerkannten Rechtsregeln nicht auch die vurch jene Organe geschaffenen Gesetze aufgehoben, es bestehen also die Grundrechte des deutschen Volkes noch, welche überdies noch vorher in Württemberg durch das Gesetz vom 1. Juli 1849 auch als Landesgesetz erklärt worden sind. Ferner ist von der mit dem Verfassungswerke Deutschlands betrauten National⸗Versamm⸗ lung die Rückkehr von dem Bundeestaate zu dem früheren Staaten⸗ bunde niemals beschlossen worden, und da der deutsche Bund für immer abgeschafft worden war, so konnte er auch nicht von selbst wieder aufleben. Vielmehr besteht jetzt für alle einzelnen deutschen Staaten, welche sich dermalen auch nach der Erklärung der sogenann⸗ ten Unionsmächte an Oesterreich vom 16ten d. M. in dem Zustande vollkommener Unabhängigkeit von einer Centralgewalt befinden, die Verpflichtung, mitzuwirken, daß der deutsche Bundesstaat baldmög⸗ lichst seine definitive, beziehungsweise vorläufige Organisation er⸗ halte. Eine einseitige Rückkehr der Regierungen zu dem früheren deutschen Bunde, welcher allseitig als ungenügend befunden und von der Nationalvertretung mit Zustimmung der Regierungen abgeschafft worden ist, wäre eine offenbare Verletzung sowohl der Interessen, als der Rechte des Volkes. Vielmehr ist es Pflicht der deutschen Regierungen, eine konstituirende National⸗Versammlung wieder ein⸗ zuberufen, indem der Umstand, daß die Mitglieder der ersten National⸗Versammlung ihre Aufgabe nicht zu Stande gebracht ha⸗ ben, offenbar das deutsche Volk nicht des Rechts verlustig machen kann, seine Verfassung durch seine Vertreter feststellen zu lassen. Es kann hier⸗ nach auch keine Rede davon sein, daß die Regierung zu Schaffung eines Bundes⸗Central⸗Organs mitwirke, bei welchem die protestirenden Standesherren ihren vorläufig angemeldeten Rekurs ausführen könnten. Wenn vielmehr diese Protestanten bei einem, sei es ohne Zuthun der württembergischen Regierung oder mit einseitiger, so⸗ mit rechtlich ungültiger Zustimmung derselben, entstandenen Bun⸗ des⸗Central⸗Organ oder bei anderen deutschen Staaten die Ein⸗

mischung gegen die württembergische Gesetzgebung nachsuchen woll⸗

ten, so würden dieselben sich eines Landesverraths schuldig machen.

Wenn die Standesherren sich ferner auf die wiener Kongreß⸗Akte ) )

bezogen haben, so kann darüber hinweggegangen werden, da bis jetzt keine europäische Macht der deutschen Nation, einer Nation von 45 Millionen, das Recht, ihre inneren Verhältnisse frei zu ordnen, bestritten, immerhin aber ist die undeutsche Ge⸗ sinnung, der Mangel an Nationalgefühl der Protestirenden zu rü⸗ gen, welcher ihnen eine Andeutung auf ein Einmischungsrecht au⸗ ßerdeutscher Mächte in die Angelegenheiten Deutschlands gestattet hat. Die Regierung hat zwar erklärt, daß sie zu einer Wieder⸗ einführung der Standesherren nie die Hand bieten werde, ich kann aber nicht umhin, darauf aufmerksam zu machen, daß die Regie⸗ rung selbst durch ihre Behauptung von dem Fortbestehen des deut⸗ schen Bundes den Protestirenden die Waffe gegen sich in die Hand

weisen, um zu einer Veränderung ertheilen. . G fürstlichem Ministerium des Aeußern

gegeben hat und daher das gegenwärtige Ministerium schwerlich ge⸗ eignet ist, um die Anmaßungen der protestirenden Standes⸗ herren nach Gebühr zurückzuweisen. Römer: Es ist in den letzten 14 Tagen von dieser Tribüne aus schon sehr viel „gestaunt“ worden; ich muß nun heute auch mein Staunen aus⸗ drücken, daß kein Minister anwesend ist. (Beifall.) Ich kann mir nur denken, daß hier das Sprüchwort zum Grunde liegt: „Mit Schweigen sich verredt Niemand.“ Ich hatte nicht im Sinne, das Wort zu ergreifen, denn ich glaubte, es bestehe in dieser Frage keine Meinungsverschiedenheit unter uns, ich ergreife nur das Wort, um Einiges gegen den Abg. Kuhn zu erklären. Man hat von dem Fortbestehen der Verträge von 1815 gesprochen, aber diese sind von den Regierungen selbst schon oft zerrissen worden. In Frankreich sind zwei Revolutionen ausgebrochen, Rußland hat die Verträge in Absicht auf Polen, Oesterreich in Absicht auf Krakau gebrochen, von den Niederlanden ist Belgien abgefallen, von Dänemark ist Schles⸗ wig getrennt u. s. w. Das größte Loch hat aber Oesterreich durch seine neueste Gesetzgebung in jene Verträge gemacht. Von einer Unauflöslichkeit des deutschen Bundes kann nicht in der Art ge⸗ sprochen werden, daß dieser für alle ewigen Zeiten bestehen müßte. Der Abg. Kuhn hat argumentirt: der Bund bestehe noch, aber der Art. 14 der Bundesakte bestehe nicht mehr. Diese Argumentation ist

unrichtig, denn wenn der Bund noch besteht, so muß auch der Art. 14

noch bestehen. Die jetzigen Zustände sind von der Art, daß es nicht ange⸗ messen erscheint, an dem Prinzip der Nationalsouverainetät jetzt starr festzuhalten. Die Regierungen haben es dahin gebracht, daß die Zer⸗ rissenheit Deutschlands größer ist, als je, und daß es bald dahin kommt, daß Jeder allein steht, wie zur Zeit des Rheinbundes. Wir müssen daher daran festhalten, daß der Nation ihre Stimme ge⸗ sichert bleibt, daß die Regierung keine bindenden Verträge mit anderen Staaten eingeht, ohne Zustimmung der Landesvertretung. Wenn bei der von den Regierungen eingeleiteten Vereinbarung wieder nichts zu Stande kommen sollte, so ist sicherlich nicht die Demokratie und nicht die Aristokratie daran Schuld, sondern diejenigen, welche zu starr an dynastischen Interessen festhalten, von denen man viele schöne Worte hört uüber die deutsche Einheit, die aber zurückschrecken, wenn es sich darum handelt, im Interesse Deutschlands Opfer zu bringen. (Beifall.) von Zwerger: Wir müssen wissen, welche Politik die Regierung in der deutschen Frage hat. Wir wissen dies aber nicht, wir wissen blos, daß die Regie⸗ rung erklärt, daß sie die Grundrechte nicht habe durchbringen kön⸗ nen; wir müssen beinahe annehmen, daß es ihr selbst nicht so recht Ernst mit ihren Bemühungen gewesen. Ich bin mit den ersten An⸗ trägen einverstanden. Wir bedürfen bestimmte Erklärungen der Re⸗ gierung. Was aber den Protest der Standesherren betrifft, so kann man zwar sagen, daß er der Beachtung gar nicht werth sei, allein dies genügt dem Volke nicht. Nichts kann wieder so leicht eine Erfrischung ins Volk bringen, als die Aussicht, daß diese Herren wieder Antheil an der Volksvertretung haben wollen. Der Uebergang zur Tagesordnung genügt nicht. Wir haben neulich blos vom Minister des Innern gehört, daß er die Ansicht der Ver⸗ sammlung theile, nicht von den anderen Ministern. Es wäͤre aber nicht das erste Mal, daß ein Minister desavouirt wird. Wir müs⸗ sen bestimmt die Ansicht des ganzen Ministeriums, auch zur Beru⸗ higung des Volks, hervorrufen. Wenn die Herren wieder ihre Rechte erhalten, so wird in kurzem an den Gesetzen über Ablösung, Neusteuerbarkeit, Jagdwesen u. s. w. gerüttelt werden, und wir wissen, wie die Regierung früher stets den Anträgen des Adels nachgab. Ich würde unter diesen Umständen statt des dritten Punktes bean tragen: 1) daß man den Protest dieser Standesherren als durchaus unbe⸗ gründet zurückweise und 2) die Regierung zu ersuchen, daß sie sich dieser Zurückweisung unverholen anschließe. M. Mohl: „Ich bir mit den Kommissions⸗Anträgen einverstanden, hätte aber eine stär⸗ kere Fassung derselben gewünscht. Auch ich kann es nicht begreifen wie es kommt, daß der Ministertisch heute unbescetzt ist. Ich frage, ob es einer kleinen Kaste gegeben ist, zu sagen, unsere Vorrechte gehen der neuen Verfassung für die ganze Nation vor. Der ganze feudale Mißbrauch soll wieder zu Recht bestehen, nach⸗ dem er lange genug zum Nachtheil des Volkes bestanden hat! Mir ist nicht begreiflich, wie man in der jetzigen Zeit noch wagen kann, wagen kann, Vorrechte anzusprechen, vor seinen Mitbürgern. Es ist ein Versuch, in das Rad der Zeit einzugrei⸗ fen; wenn dieser Versuch unternommen wird, so werden diejenigen, welche in die Speichen des Rades eingreifen, zermalmt werden. (Bei⸗ fall.) Wenn das Ministerium zu der Wiederherstellung der Vorrechte der Standesherren zustimmt, so stimmt es zu der Verletzung der Rechte des Landes. (Beisall.) Ich beantrage, bei dem Antrage 2 die Schluß⸗ worte „vielmehr zu bringen“, hinwegzulassen, weil dieselben leicht Mißverständnisse hervorrufen könnten, und die Frage über das Vereinbarungs⸗Prinzip offen erhalten werden müsse.“ Von vielen Seiten wird der Schluß der Debatte verlangt und auch ge nehmigt. Der Berichterstatter Reyscher vertheidigt die Kommis⸗ sions⸗Anträge nochmals; er bedauert mit dem Abgeordneten Römer die Abwesenheit der Minister und spricht gegen die Ausführung Kuhn’s. In den letzten zwei Jahren sei man, sagt er, auf einen ganz anderen Boden getreten, es sei ein ganz veränderter staats⸗ rechtlicher Charakter eingetreten, an die Stelle der Idee des Staatenbundes sei der Bundesstaat gekommen. Nehme man alles dieses nicht an, so habe man keinen Boden mehr. Es wird hierauf zur Abstimmung geschritten. Der Kommissions⸗ Antrag Nr. 1 wird einstimmig angenommen. Der zweite Antrag der Kommission wird mit großer Mehrheit angenommen, jedoch auf Mohl's Antrag mit Weglassung des zweiten Satzes der Worte: „vielmehr Alles anzuwenden... bis... zu bringen.“ Der dritte Antrag der Kommission, auf Uebergang zur Tagesordnung, wird gleichfalls mit großer Mehrheit angenommen, wodurch der Antrag des Abgeordneten von Zwerger, den Protest seinem ganzen Inhalt nach als ungegründet entschieden zurückzuweisen und die Re⸗ gierung zum Beitritt zu dieser Erklärung einzuladen, abgelehnt ist. Der Protest der württembergischen Standesherren vom 11. Mai d. J. hat die bürgerlichen Kollegien unserer Stadt veranlaßt, eine öffentliche Kundgebung gegen die in jenem Protest wieder in An⸗ spruch genommenen Vorrechte in Betreff der Landstandschaft, Namens der Einwohner hiesiger Stadt, vorzubereiten. Eine Kommission von sechs Mitgliedern des Gemeinderaths und sechs des Bürger⸗Aus⸗ schusses, hatte heute früh deshalb eine Sitzung. Es ist nun be⸗ schlossen worden, morgen Vormittag 10 Uhr in einer gemeinschaft⸗ lichen Sitzung beider bürgerlichen Kollegien eine Adresse an das Königliche Gesammt⸗Ministerium über jenen Protest zu berathen.

Hessen. Kassel, 31. Mai. (Kass. Ztg.) Versamm⸗ lung der Stände. Herr Oetker 9 an die Auskunft auf seine bezüglich der deutschen Frage gestellte Interpellation. Der Landtags⸗Kommissar erwiederte; er sei im Begriff, solche

zu ertheilen. Er habe nämlich folgende Mittheilungen zu machen:

1) habe er im Auftrage des Finanz⸗Ministeriums den Geset⸗Ent⸗

wurf über Ablösung der bestehenden Grundlasten wieder zu über⸗

im §. 2 die Genehmigung zu 2) Auf die Anfrage des Herrn Oetker sei er von Kur⸗ beauftragt, mitzuthei⸗

eines Schreibens des auswaͤrtigen diesseitige Gesandtschaft in Berlin,

Standpunkt des Ministeriums über die deutsche Frage ausführlich entwickelt sei. b) Das Protokoll über die ber⸗ liner Konferenzen. Außerdem habe er zu eröffnen, daß auch das Protokoll des Verwaltungsrathes zu Dienste stehe, daß jedoch die Regierung nur ein Exemplar besitze und dasselbe auf längere Zeit nicht entbehren könne, dasselbe auf Verlangen dem Ausschuß jedoch auf einige Tage mitzutheilen bereit sei. Herr Bayrhoffer wünschte zu wissen, ob in den Mittheilungen auch die in Erfurt gefaßten Revisions⸗Beschlüsse enthalten seien. Der Landtags Kommissar: In den Mitttheilungen nicht, wohl aber im Protokoll des Verwaltungsrathes. Herr Oetker hielt die Vorlage, so weit er sie im Augenblick übersehen könne, für sehr mangelhaft, es sei namentlich über die augenblickliche Lage des deutschen Verfassungswerkes keine Auskunft gegeben. Der Landtags⸗Kommissar: Wenn über die augenblickliche Lage Auskunft verlangt werde, so müsse näher ausgedrückt werden, wel⸗ ches deutsche Verfassungswerk gemeint sei, das erfurter oder wel⸗ ches sonst. Herr Oetker: Dasjenige, welches die Regierung im Auge habe. Die erste Mittheilung wurde dem Rechts⸗, die zweite dem Verfassungs⸗Ausschusse überwiesen und sodann die Sitzung ge⸗ schlossen.

Schleswig⸗Holstein. Flensburg, 31. Mai. (H. H.) Der hier behufs der Verpflegung der schwedisch⸗norwegischen Trup pen angestellte dänische Intendant, Kammerherr von Bülow, verläßt heute Flensburg und den vorberegten Posten und begiebt sich nach Kopenhagen.

Frankfurt. Frankfurt a. M., 1. Juni. Mittags. (D. Ztg.) So eben kehren die Truppen von einem großen Manöver in der Gegend von Vilbel und Bergen zurück, an welchem sämmt⸗ liche verschiedene hier liegende Besatzungen Theil nahmen. Diese gemeinschaftliche Uebung fand nach den Anordnungen und unter dem Oberbefehl des Kaiserlichen Feldmarschall⸗Lieutenants von Schirnding statt. Die Truppen marschirten diesen Morgen nach fünf Uhr auf der Straße gegen Vilbel aus, wendeten sich dann zur Rechten gegen Bergen, wo sie sich ein Scheintreffen lieferten, bei welchem die österreichischen, bayerischen und frankfurter Schützen, so wie eine frankfurter Compagnie Linie, die feindliche Macht vor⸗ stellten, die sich in einem Walde aufgestellt hatte, gegen welchen die Artillerie, Infanterie und Kavallerie ihre Angriffe richteten. Die Reiter allerdings konnten wegen der in Saat stehenden Felder ihre eigentlichen Bewegungen nur andenten und durch Trompetenfanfaren bezeichnen. Ein sonnenheller Tag begünstigte das kriegerische Schau⸗ piel, welches er freilich zugleich durch Staub und Hitze etwas erschwerte.

a) die Abschrift

an die

Hamburg. Hamburg, 1. Juni. (A. M.) Heute Mor⸗

gen ist der Archivar Dr. Lappenberg, als Vertreter Hamburgs, nach Syndikus Banks, dem man zuerst diese Stelle Rathe zu Berlin.

Frankfurt abgereist. zugedacht haben soll, bleibt im Verwaltungs

AUusland.

Frankreich Gesetzgebende Versammlung. Sitzung vom 31. Mai. Den Vorsitz führt Dupin. Favreau überreicht eine Petition um Aufruf an das Volk. Latrade und andere Montagnards bringen Anti⸗Wahlreform⸗Petitionen ein. Faucher: Er sollie als heute den Bericht über die Anti⸗Wahlreform⸗Peti⸗ tionen erstatten. Die Arbeiten der Kommission haben es unmög⸗ lich gemacht, ihr demselben vorzulesen. Morgen jedoch hoffe er ihn der Versammlung vorzulegen. Es folgt Fortsetzung der Wahl⸗ reformdebatte. Artikel 9: „Die zu mehr als ein Monat Gefängniß wegen Rebellion, Beleidigung oder Thätigkeit gegen die Behörden und ihre Beamten, wie gegen die bewaffnete Macht, wegen Zusam⸗ menrotlung der Klubs, wegen Vergehen gegen das Kolportirungs⸗ gesetz Verurtheilten, so wie die in Strafcompagnieen versetzten Soldaten bleiben fünf Jahre, vom Ausgangstage ihrer Strafe gerechnet, von den Wahllisten ausgeschlossen.“ Sauteyra hat das Wort: „Die Kommission behauptet, ein ungeheures Netz von Verschworenen sei über das ganze Land verbreitet, von Ver⸗ schworenen, welche nur Umsturz, Raub und Plünderung träumen. Diese Angabe ist entweder wahr oder falsch. Ist sie wahr, warum verfolgt man die Verschwörer nicht? (Rechts: Man muß sie erst haben.) Ist sie falsch, wie ich überzeugt bin, so reduzirt sich die Angabe auf eine Verleumdung im Interesse des Gesetzes.“ Mor⸗ timer Ternaux beantragt den Zusatz: „Wer einen Geschworenen wegen seiner Arretirung, einen Zeugen wegen seiner Aussagen öffentlich beleidigt.“ Der Zusatz wird von der Kom⸗ mission genehmigt. Charras bekämpft die Verfügung wegen der Soldaten in Strafcompagnieen, da sie ja doch immer zur Armee gehörten. Lespinasse für den Kommissions⸗Antrag, weil die fraglichen nicht den anderen Soldaten gleich gehalten würden. Fabvier unterstützt Charras. Die Majorität unterbricht ihn öfters, der Präsident verweist ihn auf die Frage. Fabvier bemerkt unter Anderem: „Wollen sie einen König? einen Monarchen? Gut. Dann nennen Sie ihn. Wollen Sie eine Republik, dann nehmen Sie das Wahlrecht nicht vier Millionen Individuen, die dasselbe wieder zu erobern wissen werden. Oberst Aymé: Man könne die Straf⸗Soldaten nicht wahlfähig achten, da sie nicht einmal Waffen tragen dürfen. Charras bemerkt ihm, er selbst habe eine bewaffnete Straf⸗Compagnie unter seinem Befehle gehabt. Der Kriegsminister erklärt sich für den Kom⸗ missions⸗Antrag. Pascal Duprat verlangt Streichung der Worte „wegen Vergehen gegen das Kolportirungsgesetz.“ Der Mi⸗ nister Baroche bekämpft diesen Antrag. Beide Amendements werden verworfen, das Amendement Mortimer Ternaux dagegen und der so amendirte Artikel angenommen. Oudinot's Amende⸗ ment: „die Füsiliere der Straf⸗Compagnieen treten nach Ablauf der Strafe wieder in ihre Wahlberechtigung,“ wird an die Kommission verwiesen. Nettement beantragt folgenden Zusatz: „Ausge⸗ schlossen sind auf 5—410 Jahre: 1) Mitschuldige beim Ehebruche, 2) auf 6 Jahre die Verkäufer gefälschter Getränke, 3) auf 6 Jahre die Verkäufer gefälschter Waaren oder nach falschem Maß und Gewichte. Der Berichterstatter bemerkt, es sei rein unmöglich, alle Paragraphen des Strafgesetzbuches in das Wahlgesetz aufzunehmen. Die Kommission verwerfe das Amendement. Die Versammlung nimmt aber den 1sten Paragraphen an, Nettement zieht die übrigen zurück. Art. 10: Die präsenten Land⸗ und Seesoldaten stimmen mit ihren Ge⸗ meinden. Die Stimmzettel werden versiegelt an den Hauptort des Departements gesendet, und dort mit den Stimmzetteln der übrigen Wähler vermischt.“ Gegen Larabit's Antrag wird der Art. an⸗ genommen. Art. 11: „Niemand ist gültig erwählt und kann pro⸗ klamirt werden, wenn er nicht eine Stimmzahl gleich ¼ der einge⸗ zeichneten Wähler beim ersten Skrutinium erreicht.“ Mittlerweile hat die Kommission über Oudinot's Amendement berathen, ist da⸗ mit einverstanden, und wird dasselbe angenommen. Levavasseur

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will folgenden Zusatz an der Spitze des Artikel 11: „Jeder Wähler muß seinen Stimmzettelim Sitzungslokale des Wahlkollegiums schreiben oder schreiben lassen. Besondere Tische sind zu diesem Zwecke aufzu⸗ stellen.“ Durch den Lärm entmuthigt, zieht Herr Levavasseur sein Amendement zurück. Ein Amendement des Herrn Vaujaas wird verworfen. Art. 12, mit der Bestimmung, daß, im Falle einer Erledigung einer Repräsentantenstelle durch Option, Demission, Tod oder sonstwie, das Wahlkollegium binnen sechs Monaten zusammen⸗ gerufen werden soll, wird ohne Debatte angenommen. Art. 13: „In den Städten, in welchen der persönliche Kontingent ganz oder theilweise von der Munizipalitätskasse bezahlt wird, soll der Etat der steuerbaren Individuen durch Kommissäre und den Controlleur der direkten Steuern jedes Jahr dem Munipalitätsrath vorgelegt werden. Diese Einschreibung auf die Rolle der Steuerpflichtigen wird der Verzeichnung auf die Rolle der Personalsteuer gleich gehalten werden.“ Ein Amendement Peupins wird verworfen. Eben so ein Amendement Chavoix's. Beide beziehen sich auf etwanige Reclamationen der Personen, die nicht in die Liste aufgenommen würden. Hierauf wird ein Amendement St. Rommes verworfen. Dasselbe bezog sich auf die Städte, in welchen die Zisser der Steuer und nicht die Namen der Steuerpflichtigen angegeben werden. Die Artikel 14 und 15 enthalten transitorische Bestimmungen. Art. 14 handelt von Verfertigung der neuen Wahllisten diesem Gesetze ge⸗ mäß. Zwei Amendements der Herren Chauvaix und Chara⸗ maule werden verworfen. Herr von Larey stellt das Amende⸗ ment, daß jeder volljährige Franzose, welcher dem Gesetze über die Rekrutirung genügt hat, auf die Wählerliste geschrieben werden soll, wenn er nicht durch das Gesetz ausdrücklich ausge⸗ schlossen ist. Auf eine Bemerkung des Herrn Baroche wird das Amendement verworfen. Artikel 14 wird hierauf angenommen. Eben so Artikel 15, der sich auf Algerien bezieht. Lagrange be⸗ antragt folgenden Zusatzartikel: „Alle Bürger, welche durch dieses Gesetz ihre Souverainetät verlieren, sind nnwürdig, in der Armee der Republik zu dienen.“ Wird durch Annahme der Vorfrage be⸗

seitigt. Nachdem Artikel 14 und 15 angenommen wurden, stellt Espinasse den Antrag, daß jeder Wahlberechtigte, welcher nicht votire, mit einer Geldstrafe von 5-—-10 Prozent seiner direkten Be⸗

steuerung belegt werde. Links: Die Vorfrage! (Ah! Ah!) Die Vorfrage wird nicht angenommen. Espinasse vertheidigt sein Amen⸗ dement; dasselbe wird verworfen. Larabit beklagt sich darüber, daß das Votum der Dringlichkeit den Präsidenten der Republik des Zwischenraums beraube, welcher ihm von der Constitution zugestan⸗ ren ist, um das Gesetz zu einer neuen Prüfung zurückzuschicken. Der Präsident: „Die Macht des Präsidenten der Republik ist durch die Constitution bestimmt und man kann nicht darauf zurück⸗ kommen.“ Man schreitet zum Skrutinium über das ganze Gesetz. Zahl der Stimmenden: 674; absolute Majorität 338; dafür 433; dagegen 241. Das Gesetz ist also mit einer Majorität von 192 Stimmen angenommen. Die Linke verläßt stillschweigend den Saal und die Sitzung wird aufgehoben.

Paris, 31. Mai. Die Patrie bemerkt: „Man hat gestern Abend das Gerücht verbreitet, Lord Normanby sei nach London ab⸗ gereist. Die Nachricht ist falsch. Lord Normanby bleibt in Frank⸗ reich. Alles läßt erwarten, daß die Verlängerung seines Aufent⸗ haltes der Vorläufer einer ernsten Genugthuung werde, welche England der hiesigen Regierung geben will.“

Es ist neuerdings davon die Rede, daß General Changarnier versetzt werden solle. Diesmal nennt man Baraguay d'Hilliers als seinen Nachfolger.

Da sich das Gerücht verbreitet hat, daß die Soldaten ihre Patronen an das Volk verschenken und verkaufen, so hat General Changarnier heute den Tagesbefehl erlassen, daß täglich die Pa⸗ trontaschen der Soldaten untersucht werden sollen. Außerdem wurde heute in allen Kasernen der Artikel des Gesetzbuchs vorgelesen, der die strengsten Strafen gegen jeden Soldaten ausspricht, welcher seine Kriegsmunition verkauft.

Obgleich man für heute das Votum über das Wahlgesetz er wartete, so standen doch nur sehr wenige Neugierige um den Pa⸗ last der National⸗Versammlung. Die Regierung will angeblich un⸗ mittelbar nach Annahme des Wahlgesetzes die Wahl im Departe⸗ ment des Niederrhein auf sechs Monate vertagen.

Großbritanien und Irland. London, 31. Mai. Das Unterhaus hat gestern seine erste Sitzung im neuen Parla⸗ mentsgebäude gehalten. Dieselbe begann um 12 Uhr. Die bis jetzt allerdings nur provisorische Einrichtung des Hauses erwies sich als höchst mangelhaft; namentlich beklagen sich die Vertreter der Presse, daß für sie schlecht gesorgt gewesen sei. Bedeutende Verän⸗ vderungen, namentlich Vergrößerung des Raumes, scheinen unum gänglich nöthig.

Um 5 Uhr Nachmittags versammelte sich das Unterhaus wie⸗ der im alten Gebäude, um dort die Sitzung fortzusetzen. Lord J. Russell stellte den Antrag, eine Bill zur Regulirung des parla⸗ mentarischen Eides, soweit derselbe die Juden berührt, einbringen zu dürfen. Die Erlaubniß dazu wurde vom Hause ertheilt. Den Antrag Lord Ashley's, Ihre Majestät die Königin in einer Adresse⸗ um Einstellung des Sonntags⸗Postdienstes zu ersuchen, wogegen der Kanzler der Schatzkammer sich erhob, nahm das Haus dessen⸗ ungeachtet mit 93 gegen 68 Stimmen an.

Nachrichten aus Lissabon zufolge ist der Herzog von Leuchten⸗ berg am 24. Mai daselbst eingelroffen.

General Cabrera hat sich vorgestern mit der reichen Erbin Miß Marianne Katharine Richards, welche 25,000 Pfd. St. jähr⸗ licher Einkünfte haben soll, vermählt. Der Ceremonie wohnte un⸗ ter Anderem der Infant Don Juan von Spanien, Bruder des Grafen von Montemolin, bei.

Der Globe veröffentlicht seit einigen Tagen eine Reihe von Auszügen aus Artikeln der englischen Provinzial⸗Presse, welche sich günstig für das Verfahren Palmerston's in der griechischen Ange⸗ legenheit aussprechen.

Nußland und Polen. Warschau, 1. Juni. Am Mittwoch Vormittags fanden auf der Ebene von Powonsk wieder Manöver in Gegenwart des Kaisers, des Thronfolgers, des Prinzen von Preußen, des Prinzen Friedrich Karl und der in Warschau anwesenden fremden ausgezeichneten Militairs statt. Abends begab sich Se. Majestät mit dem Großfürsten und den preußischen Prinzen, nebst Gefolge des Kaisers und seiner hohen Gäste, mittelst eines Extra⸗Eisenbahnzuges nach Skierniewice, wo die hohen Herrschaften den vorgestrigen Tag zubrachten. Der Kaiser gab daselbst ein glänzendes Bankett, nachdem vorher ein Ausflug nach Lowicz zur Musterung der dort zusammengezogenen Truppen ge⸗ macht worden. Abends waren der Palast, der Garten und Bahn⸗ hof von Skierniewice aufs prachtvollste illuminirt. Eine unzählige Menschenmenge hatte sich an diesem Tage von Warschau und an⸗ deren Orten in Skierniewice versammelt, und die ganze Nacht

hindurch dauerten die von dort hierher heimkehrenden Passagierzüge,

die erst gestern gegen 4 Uhr Morgens aufhörten. Gestern Vormittag fuhren Se. Majestät und die Kaiserlichen und König⸗

: b G slichen Hoheiten mit ihren Suiten nochmals von Skierniewice na

Lowicz, um Truppenmanövern beizuwohnen. Nachmittags

2 „beiz. . gs kehrten die hohen Herrschaften nach Warschau zurück. Der österreichische Minister⸗Präsident Fürst Felix von Schwarzenberg ist von hier wie⸗ der nach Wien abgereist. 1

Schweden und Norwegen. Stockholm, 23. Mai. (B. H.) Der Hof hat das Pfingstfest, an welchem mit einemmale die herrlichsten Sommertage eintraten, auf dem Lustschlosse Drott⸗ ningholm, welches auf der so äußerst romantischen Mälar⸗Insel gleichen Namens gelegen ist, von einem auserwählten Kreise umge⸗ ben, verlebt.

Jenny Lind wird in sechs Konzerten auftreten, von welchen das erste morgen stattfindet.

Spanien. Madrid, 26. Mai. (Fr. B.) Die Staats⸗ Zeitung veröffentlicht die Bedingungen, unter welchen dem Gra⸗ fen Returnosa, Bruder des Herzogs von Rianzares, und Herrn Marliani die Versorgung der Stadt Madrid mit Trinkwasser uͤber⸗ tragen ist. Die Kosten sind auf 25 Millionen Franken berechnet.

Zproz. 31½

Dr. Gützlaff über chinesische Zustände. (Schluß. Vergl. Preuß. Staats⸗Anz. Nr. 150.)

Der Kaiser wird nämlich von dem ganzen Volke als Vater betrachtet und verehrt, und als solchem unterwirft sich ihm Alles unbedingt in kindli⸗ chem Gehorsam. Er gilt für die Quelle alles Guten, aber auch für die Ursache alles Bösen und Schlimmen, welches das Land betreffen mag. Blühen Handel, Gewerbe, Ackerbau, steht und geht Alles gut und nach Wunsch im Reiche, so hat man dies dem Kaiser zu danken, treten Un⸗ glücksfälle, Mißärndten, Ueberschwemmungen, böse Krankheiten ein, so trägt nur der Kaiser die Schuld, und ihm glaubt man die danze Last solchen Mißgeschicks aufbürden zu können. Der Kaiser selbst geht ganz auf dieses Verhältniß zum Volke ein, und während er auf der einen Seite die unbe⸗ dingteste Unterwerfung unter seinen Willen, so wie die unbegränzteste Vereh⸗ rung, empfängt, steht er auf der andern auch nicht an, von Zeit zu Zeit seine Sünden zu bekennen und sie offen dem Volke darzulegen.

In gleicher Weise wiederholt sich dasselbe System in allen Kreisen der Regierungsgewalt, deren Mittelpunkt, vom größten bis zum kleinsten, immer wieder der betreffende Mandarin, gleichsam als Vertreter des Kaisers, bil⸗ det. Dabei ist die Regierung im Allgemeinen gut und entspricht dem Be⸗ dürfnisse des Volkes; sie thut viel, Vieles ist aber auch lediglich dem Volke überlassen, namentlich Alles, was die Angelegenheiten der Gemeinde und des Stammes betrifft, wie namentlich Anlage von Straßen, Brücken, öffent⸗ liche Bauten zu Gemeindezwecken, Unterricht und Erziehung der Jugend u. s. w.

Die Basis des ganzen Regierungssystems, wie es seit Jahrhunderten besteht, ist die soctwährende Erhaltung des Friedens im Innern und nach außen; jede Erschütterung desselben wird als ein Unheil von verhängniß⸗ vollen Folgen um jeden Preis vermieden; „der Pflug ist das wahre Schwert“: das hat seit Jahrtausenden als chinesische Regierungsmaxime ge⸗ golten, an der man noch jetzt mit größter Strenge festhält; nicht mit Eisen

und Blei, sondern mit Silber und Gold hat China seine Siege errungen und seine Eroberungen gemacht. War es ihm einmal gelungen, die Häupter der Nachbarvölker, mit denen es in Händel gerathen, durch Bestechung für sich zu gewinnen, so wurde die Unterwerfung systematisch und konsequent dadurch vollendet, daß man ackerbauende Kolonieen unter sie schickte, welche nach und nach die Oberhand und die Herrschaft gewannen. So hat China allmälig alle Nachbarvölker mehr durch die Künste des Friedens, als durch die Gewalt des Schwertes unterjocht und sich tributpflichtig gemacht, selbst

die gewaltigen und kriegerischen Stämme der Mandschu und Mongolen. Aber freilich hat dieses System auch wieder auf den Geist des Volkes zu⸗ rückgewirkt, der ein völlig unkriegerischer und verweichlichter geworden ist, so daß auch in dieser Beziehung die Erhaltung des Friedens eine unab⸗ weisbare Nothwendigkeit sein mag. Denn jede kriegerische Erschütterung Pg dem ganzen Bestehen des Reiches sicherlich die größten Gefahren ringen. 8 Diese Bemerkungen führten den Redner noch zu einigen Betrachtungen

über die Völkerstämme und Länder, welche auf diese Weise nach und nach in das chinesische Regierungssostem hineingezogen worden sind und die Ober⸗Hoheit der Regierung zu Pecking anerkennen, wie namentlich die Mandschu, die Mongolen, die Zungaren, die Tibetaner und die Bewohner der Halbinsel Korea. Als stamm⸗ und sittenverwandt sind dann noch die Japanesen und die Bewohner der benachbarten kleine⸗ ren Inseln, die Siamesen, die Cochinchinesen, die Birmanen u. s. w. mit in dieses Völkersystem hineinzuziehen.

Das für das Bestehen des chinesischen Reiches gefährlichste Element dieser Völkermasse sind ohne Zweifel die Mongolen, eine kriegerische, wohlorganisirte Nation, welche im Stande wäre, jeden Augenblick eine ansehnliche Heeresmacht aufzubieten und ins Feld zu stellen. Man weiß dies in Pecking sehr wohl und hat es daher von jeher vermieden, dieses Volk durch Zusammenziehen größerer Truppenmassen zum Bewußtsein seiner Stärke und seiner Macht zu bringen. Nur kleinere Heerhaufen läßt man von Zeit zu Zeit zusammentreten. So ist es auch gelungen, dieses Volk bis jetzt noch in völliger Abhängigkeit von der chinesischen Central⸗Regie⸗ rung in Pecking zu erhalten, von welcher seine Häupter willig ihre Befehle erhalten.

Weit unter ihnen stehen durch Mangel an Bildung und sittliche Ro⸗ heit das Räubervolk der Zungaren, während der Lamaismus den Ti⸗ betanern eine eigenthümliche religiöse Haltung und eine gewisse Milde der Sitten verleiht. Allein auch hier ist der Glaube an die Untrüglichkeit des Lama in neuerer Zeit wankend geworden, vorzüglich seit vor ungefähr 67. Jahren der Lama bei einem Triumphzug zum Kaiser nach Pecking von einer bösartigen Bockenkrankheit überfallen wurde, und durch dieselbe dort unter den Verehrungen und Huldigungen, welche ihm von allen Seiten dargebracht wurden, auf entsetzliche Weise seinen Tod fand. Den Separa⸗ tismus scheinen am weitesten die Bewohner der Halbinsel Corea zu trei ben, deren Seelenzahl man etwa auf 8 Millionen schätzt. Mit ihnen fin⸗ det fast gar kein Verkehr statt, und ihre Abneigung gegen alles Fremde scheint sich in der That bis zur lächerlichsten Furcht zu steigern; denn dem Redner begegnete es selbst, daß sein bloßes Erscheinen die Auswanderung und die Flucht ganzer Dörfer zur Folge hatte. Auch fehlt so zu sagen noch jedes Mittel des Verkehrs mit diesem Volke, und seine ganzen Beziehungen zu der Regierung zu Pecking, deren Oberhoheit es gleichwohl an⸗ erkennt, beschränken sich auf die regelmäßigen Tributzahlungen. Die merkwürdigste und käthselhafteste Erscheinung in dieser Völkerfamilie des fernsten Ostens bildet vielleicht das japanesi⸗ sche Reich, dessen Bewohner in vieler Beziehung, in Kunstfertigkeit, Ge⸗ schick und indnstrieller Thätigkeit den Chinesen noch voranstehen, aber dabei unter dem entsetzlichsten Druck einer tvrannischen Regierung seufzen. Die Resignation des Einzelnen ist hier dadurch allerdings so weit gesteigert worden, daß der Selbstmord gleichsam als eine Tugend geübt und als Kunst schon in den Schulen förmlich gelehrt wird. Jeder Japanese, s erzählt der Redner, führt in der Regel neben dem Schwerdte noch ein äu⸗ ßerst scharfes Messer bei sich, welches keine andere Bestimmung hat, als sich selbst in vorkommenden Fällen den Bauch damit aufzuschlitzen, und wie dies auf die geschickteste Weise geschehen könne, darin unterrich⸗ tet man, wie gesagt, die Knaben von Jugend auf.

Es fehlt uns Zeit und Raum, die interessanten Mittheilungen des Herrn Dr. Gützlaff hier noch weiter ins Einzelne zu verfolgen. Wir wollen nur noch kurz seiner Schlußbemerkungen gedenken, welche gewissermaßen das Resultat seiner vieljährigen umfassenden und⸗tiefgehenden Beobachtun⸗ gen geben. In allen dem chinesischen Regierungssystem zugehörigen Völkern⸗ lebt das Streben beständiger Absonderung; ihm zur Seite steht

aber, namentlich unter den Chinesen, das immer lebendiger hervortre⸗ tende Gefühl einer bevorstehenden Umwandlung ihrer Zustände im

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