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daß eine Rückzahlung solcher bereits erlegten Taxen unter gar kei⸗ nem Vorwande stattfinden könne. Zugleich wurde bestimmt, daß diejenigen Männer, welche legal oder illegal abwesend sind, und deren zum Eintritte in den Militairdienst berufenen Nachmänner sich durch den Erlag dieser Taxe von der persönlichen Dienstleistung freimachen, bei ihrer erfolgenden Rückkehr oder Aufgreifung und befundener Diensttauglichkeit sogleich assentirt zu ihren Truppen abgesendet und ihrer Gemeinde auf das etwa noch schul⸗ dige Kontingent oder, falls dieses bereits ganz abgestellt ist, als Guthaben für die nächste Stellung angerechnet werden solle. Die ausdienenden landwehrpflichtigen Kapitulanten sind nach den bestehenden Vorschriften in jedem Frühlinge zu klassifiziren und so⸗ dann entweder zu entlassen oder in die Landwehr⸗Bataillone einzu⸗ reihen. „Unter den jetzt obwaltenden Umständen“, berichtet der Lloyd, „hat aber das Kriegs⸗Ministerium bezüglich jener Kapitulan⸗ ten, deren Entlassung mit Reskript vom 5. Dezember v. J. ange⸗ ordnet wurde, bestimmt, daß alle derlei Kapitulanten, welche sich bereits beurlaubt befinden, einzurufen, zu klassifiziren und entweder zu entlassen oder in die Landwehr⸗Bataillone einzureihen sind.“
Graf Ferdinand Cecopieri ist vorgestern mit Tode abgegangen.
Dem Lloyd zufolge, hat eine Gesellschaft englischer Kapita⸗ listen der osmanischen Regierung den Antrag gemacht, von Kon⸗ stantinopel an die Meeresküste und nach Salonichi Eisenbahnen auf eigene Kosten, gegen mit der Staatsverwaltung abzuschließende Verträge, zu erbauen.
Bayern. Kissingen, 3. Juni. (N. M. Z.) Von den hohen Badegästen, welche hier angekündigt sind, ist Ihre Majestät die Königin von Württemberg mit zahlreichem Gefolge bereits hier eingetroffen.
Nürnberg, 6. Juni. Laut Bekanntmachung des Königlichen Telegraphen⸗Amtes wird die Telegraphenlinie von Augsburg bis Bamberg als Fortsetzung der bereits dem Betrieb übergebenen Linie von Salzburg über München nach Augsburg am 10ten d. M. eröffnet.
Sachsen. Dresden, 8. Juni. (Leipz. Ztg.) Se. Ma⸗ jestät der König haben Allerhöchstihren fruͤheren außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister zu Paris, wirklichen Ge⸗ heimen Rath von Könneritz, von gedachtem Posten abzuberufen und dagegen den seitherigen Geschäftsträger am Königlich bayerischen Hofe, Kammerherrn Grafen Adolph von Hohenthal, als bevoll⸗ mächtigten Minister bei der französischen Republik zu beglaubigen geruht.
Hannover. Hannover, 5. Juni. (H. Z.) Die Gratu⸗ lations⸗Adresse an des Königs Majestät lautet, wie folgt: „Aller⸗ durchlauchtigster, Großmächtigster König! Allergnädigster König und Herr! Die gegenwärtig versammelten getreuen Stände des Königreichs begrüßen an dem heutigen Tage mit der aufrichtigsten
Freude die abermalige frohe Wiederkehr Ew. Königlichen Majestät hohen Geburtsfestes. Stände danken dem Allgütigen, daß er Ew. Majestät auch in dem zurückgelegten Jahre in Gesundheit und Kraft erhalten hat, und bitten Gott, daß er ihren allverehrten Kö⸗ nig und Herrn zur Freude des Königlichen Hauses und zum Heile des Vaterlandes noch lange Jahre im kräftigen Wohlergehen erhalten wolle. Wenn Stände bei derselben Gelegenheit vor zwei Jahren in einem ernsten und verhängnißvollen Momente die zuver sichtliche Hoffnung aussprachen, daß Hannovers Fürst und sein treues Volk mit Gott auch die große und schwere Aufgabe der Zeit würdig vollbringen würden, so sehen Stände nunmehr, nach Verlauf von zwei Jahren, sich diesem Ziele in vielen Beziehungen um ein Bedeutendes näher gerückt. Sie können mit Befriedigung zurückblicken auf den festen, gesetzlichen und ruhigen Gang, welchen die öffentlichen Angelegenbeiten unseres Landes auf der Bahn des Fortschrittes unter der sicheren Leitung Ew. Majestät und Aller⸗ höchstihrer Räthe genommen haben, und mit desto fester begrün deter Zuversicht können Stände der glücklichen Durchführung der großen Reformen entgegensehen, welche Ew. Königl. Majestät, den allgemeinen Wünschen des Landes und dem Verfassungsgesetze entsprechend, in ihrer Weisheit unternommen haben, und welche gegenwärtig auch in der Stände⸗Versammlung ihrer endlichen Erle⸗ digung entgegengehen. Unter solchen Aussichten dürfen Stände, dankbar vertrauend auf Ew. Königl. Majestät ruhmwürdige Willenskraft in Vollendung des Unternommenen mit Ruhe in die Zukunft blicken, und indem sie die Versicherung unwandelbarer Anhänglichkeit und Treue erneuern, erbitten sie sich und dem Lande die Fortdauer der Königlichen Huld und Gnade und ersterben in tiefster Ehrfurcht Ew. Königl. Majestät treu gehorsamste allgemeine Stände des Kö⸗ nigreichs.“
(Schwäb. M.)
Württemberg. Stuttgart, 3. Juni. In der heutigen Sitzung der Landes⸗Versammlung vom 3. Juni macht Mohl der Versammlung im Namen der Verfassungs⸗Kom⸗ mission die Mittheilung des (vorgestern bereits mitgetheilten) An
9 Hierauf beginnt die Berathung des Berichts der Finanz⸗Kommission über das Königliche Reskript vom 29. Mai 1850. Berichterstatter Stockmaier: In diesem Reskript hat die Regierung das Ansinnen an die Landes⸗Versamm⸗ lung erneuert, daß der vorgelegte Haupt⸗Finanz⸗Etat auf die drei Jahre von 1849—52 festgestellt und nicht, wie die Versammlung am 30sten v. M. beschlossen hat, auf die zwei Jahre von 1849 bis 1851 beschränkt werde, weil die Verfassungs⸗Urkunde die Verab⸗ schiedung eines dreijährigen Etats als Regel feststelle und die Be⸗ rathung eines nur zweijährigen Etats nicht weniger Zeit und Kosten erfordere, als die eines dreijährigen. Zugleich hat die Regierung die Erwartung ausgesprochen, die Landes⸗Versammlung werde die nächste Zeit der Etats⸗Berathung widmen und hiermit um so weniger aussetzen, da es mit ihrer Haupt⸗Aufgabe, der Verfassungs⸗ Berathung, dahin gekommen sei, daß vorerst die Minister und Deparkements⸗Chefs sich hierbei nicht weiter be⸗ theiligen können. In Beziehung auf die Frage, ob ein zwei⸗ oder ein dreijähriger Etat berathen werden soll, stellt die Kommission den Antrag: die Landes⸗Versammlung wolle dem Gesammt⸗Mini⸗ sterium gegenüber aussprechen, daß dieselbe eine gesetzliche oder verfassungsmäßige Bestimmung nicht kenne, wonach der Haupt⸗ öa immer auf drei Jahre berathen werden müsse, daß sie
828 . 5 dn Gründen der Zweckmäßigkeit bei der Entschei⸗ lung nach gege 718. lasse, ob die gegenwärtige Landes⸗Versamm⸗ dregährigen oder nsinnen der Regierung auf die Berathung eines d. J. Pessigten ., Fmas dem in der 13ten Sitzung vom 30. April vom 1. Juli 185 eschlusse auf die Berathung eines zweijährigen Etats om 1. Juli 1849 — 1851 eingehe. In Betracht aber, daß 1) e
4 ; 2 25* „ 2 aß 1) es sich zunächst nur um eine Ergänzung der Etats⸗Periode von 1848 — 1851 handle, von welcher ein Jahr bereits berathen und verabschiedet ist daß 2) eine veränderte Organisation in fast allen Theilen des Staats⸗ lebens im Laufe des näͤchsten Jahres eingeführt werden sollte und daß die Landes⸗Versammlung ein Hinausschieben dieser Auf⸗ gabe in eine unbestimmte Ferne durch Verwilligung eines Etats, der auf die seitherige Organisation sich gründet, nicht unterstützen
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trages hinsichtlich des Interims.
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könnte, daß aber 3), wenn diese veränderte Organisation berücksich⸗ tigt werden sollte, ein auch nur annähernder Maßstab für den wirk⸗ lichen Bedarf sich nicht ermitteln läßt, und die Festsetzung eines Etats somit keinen anderen Werth hätte, als der Regierung auf ein weiteres Jahr die Mittel zu verwilligen, auf dem in der 13. Siz⸗ zung vom 30. April gefaßten Beschlusse zu beharren und die Be⸗ rathung des von der Regierung eingebrachten Etats auf die zwei Jahre 1849 bis 1851 zu beschränken. Was nun die in dem Re⸗ skripte ausgedrückte Erwartung, die Versammlung werde die nächste Zeit der Etats⸗Berathung widmen, und das beigefügte Motiv, die Departements⸗Chefs könnten sich an der Verfassungs⸗Berathung vor⸗ erst nicht weiter betheiligen, betrifft, so ist die Kommission der An⸗ sicht, die Landes-Versammlung sollte vor Allem darüber aufgeklärt sein, in welchem Sinne jene Ausdrücke von dem Gesammt⸗Ministe⸗ rium verstanden sein wollen; sie stellt daher den Antrag: die Ver⸗ sammlung wolle gegenüber der Staats⸗Regierung die bestimmte Er⸗ wartung aussprechen, daß dieselde durch die Worte des Königlichen Reskripls: „als es mit eurer ersten Haupt⸗Aufgabe, der Verfas⸗ sungs⸗Berathung, dahin gekommen ist, daß vorerst die Minister und Departements⸗Chefs sich hierbei nicht weiter betheiligen könnten“, weder das Zustandekommen einer Verfassungs⸗Revision durch Ver⸗ einbarung mit der gegenwärtigen Landes⸗Versammlung überhaupt aufgeben, noch in eine unbestimmte Ferne haben rücken wollen, daß vielmehr das Gesammt⸗Ministerium der Landes⸗Versamm⸗ lung hierüber eine beruhigende Erklärung geben werde. In Absicht auf die Zumuthung der Regierung, die Landes⸗ Versammlung möchte (mit Hintansetzung ihrer eigentlichen Aufgabe, der Verfassungs⸗Revision) die nächste Zeit der Etats⸗ Berathung unausgesetzt widmen, stellt die Kommission den Antrag: „Die Landes⸗Versammlung wolle gegenüber von diesem Ansinnen der Regierung sich dahin aussprechen, daß ihrer Haupt⸗Aufgabe, der Verfassungs⸗Berathung, immer die erste Zeit gewidmet sein werde, daß sie aber keinen Anstand nehmen werde, die ihr übrig bleibende Zeit auch anderen Aufgaben, insbesondere der Etats⸗ Berathung, zu widmen und von diesem Beschlusse die Regierung in Kenntniß zu setzen.“ Die Minderheit der Kommission wollte statt dessen beautragen: „Die Landes⸗Versammlung wolle sich ge⸗ genüber dem Ansinnen der Regierung dahin aussprechen, daß sie auf eine Etats⸗Berathung in so lange nicht eingehen werde, bis die Regierung über die in dem zweiten Antrage proponirte Anfrage auf befriedigende Weise sich ausgesprochen habe, und von diesem Beschlusse die Regierung in Kenntniß zu setzen.“ Eine andere Minorität hatte beantragt, zu erklären: „Zwar auf die Berathung des Etats eingehen zu wollen, aber jetzt schon sich dahin auszusprechen, daß die End⸗Abstimmung über den Etat nicht früher vorgenommen werde, als bis die Regierung mit der Landes⸗-Ver⸗ sammlung über die Hauptpunkte der Verfassungs⸗Revision sich geei⸗ nigt habe.“ Finanz⸗Minister von Herdegen: Der Sinn der Worte in der Erklärung des Gesammt⸗Ministeriums, dasselbe werde sich, vorerst wenigstens, an den Berathungen über die Verfassungs⸗ Revision nicht weiter betheiligen, ist leicht zu fassen, wenn man die Beschlüsse dieser Versammlung in der letzten Woche betrachtet. Diese Versammlung hat die Regierungs⸗Vorschläge en bloc verworfen und will eigene Vorlagen über die Verfassung an die Regierung bringen; so lange nun diese Be⸗ schlüsse von der Versammlung noch nicht gefaßt sind, ist es natür⸗ lich, daß die Regierung abwartet, bis dieselben an sie gebracht sind; — die Regierung wird dann diese Vorlagen zu prüfen und zu untersuchen haben, ob sie dieselben im Einzelnen durchberathen oder auch en bloc verwerfen soll. (Große Heiterkeit.) Was nun den Etat betrifft, so bleibe ich auf der Ansicht, daß die Verfassung eine dreijährige Feststellung desselben als Regel festsetzt und daß dringende Zweckmäßigkeitsgründe zu einer Abänderung dieser Regel durchaus nicht vorliegen. Ich glaube, die Regierung kann verlan⸗ gen, daß die Versammlung auf die Berathung ihres wiederholten Ansinnens eingeht, wo es sich dann zeigen wird, welche Beschlüsse darüber gefaßt werden, nicht aber darf, wie es mir scheint, dasselbe ohne weitere Berathung abgelehnt werden. Noch einmal wie⸗ derhole ich, daß das Verfassungswerk durchaus noch nicht abge⸗ brochen ist, daß von einem definitiven Ablehnen des Ein— gehens in die Verfassungs⸗Berathung nicht die Rede ist. Rey⸗ scher: Ich wünsche, daß es endlich einmal zu einer Entscheidung komme, sei es nun entweder durch die Landesversammlung oder rurch die Regierung. Was den Etat betrifft, so glaube ich, daß rie Versammlung berechtigt ist, auf zwei Jahre sich zu beschränken. Pfeifer: Ich glaube, daß jetzt schon die Regierung ganz bestimmt ihre Grundsätze gegenüber der Verfassungs⸗Revision aussprechen sollte und könnte; es ist dies im Interesse des Volkes und der Re⸗ gierung selbst, welche uns nicht der weiteren Arbeit einer Verfas⸗ sungs⸗Revision aussetzen darf, ohne daß wir die mindeste Aussicht auf Erfolg haben. Das Volk verlangt eine offene Erklärung von der Regierung. Römer: Ich bin heute noch der Ansicht, daß diese Versammlung berechtigt ist, von der Regel einer dreijährigen Bera⸗ thung abzuweichen und die Berathung auf zwei Jahre zu beschränken. Die Dunkelheit, von welcher die Finanz⸗Kommission spricht, habe ich in dem Königlichen Reskript nicht finden können, mir sind diese Worte ganz klar. Man will Zeit gewinnen und läßt uns in Folge der Initiative einen Verfassungs⸗Entwurf verfassen und vielleicht be⸗ rathen. Heutiges Tages kommt alles darauf an, Zeit zu gewinnen, und zu diesem Zwecke muthet man uns Etats⸗Berathung zu. Ich bin auch der Ansicht, daß endlich einmal eine Entscheidung erfolgen sollte. Was die Verfassungs⸗Revision betrifft, so scheint eine Ver⸗ einigung nicht zu Stande zu kommen, denn in zwei Haupt⸗Difse⸗ renzpunkten stehen die Ansichten dieser Versammlung und die der Regierung zu weit aus einander. Warum sollte man, zumal die Staatskasse leer ist, noch weiter Geld zu vergeblichen Verhandlun⸗ gen aufwenden. Ich behalte mir vor, eine bestimmte Anfrage an das Ministerium zu formuliren und einzubringen; je nachdem die Antwort ausfällt, werden wir das geeignele Verfahren einzuleiten haben. Mohl: Die ganze Lage der Dinge beweist allerdings, daß wir nicht in verfassungsmäßigem Zustande sind. Das Mi⸗ nisterium hat eklatante Niederlagen erlitten, und in jedem anderen Lande wäre ein solches Ministerium wohl schon funfzigmal abgetre⸗ ten. Wir sollen verbluten! Allerdings blutet das Land, und das Ministerium nimmt nicht die mindeste Rücksicht darauf. Aber wir dürfen in keiner Weise das Ministerium auffordern, einen Bruch mit dieser Versammlung zu machen, welche da ist, vermöge ihrer Initia⸗ tive das Verfassungswerk auszuführen, und deren Pflicht nicht min⸗ der es ist, den Etat zu berathen. So lange jedoch eine Verfassung nicht vorhanden ist, können wir nicht die Endabstimmung über das Budget vornehmen. Ich bin daher mit dem Kommissions⸗Antrage einverstanden. von Zwerger: Jede fernere Berathung über die Verfassung des Etats wäre bei der gegenwärtigen Sachlage Ver schwendung an Zeit und Geld. Wir müssen eine Entscheidung wünschen, und das Ministerium möge an das Volk appelliren! Mi⸗
nister von Schlayer: Man hat geglaubt, dem Ministerium aller⸗ lei höchst unangenehme Dinge sagen zu müssen, wie: es habe nicht mehr als zwei oder drei Anhänger in diesem Saale, es erlebe eine Niederlage um die andere, und man wundert sich darüber, warum es nicht längst schon abgetreten sei. Meine Herren! Die Män⸗
ner, welche dermalen auf dem Ministerposten sich befin⸗ den, thun dies nicht, um auf ihrem Sitze unter allen Um⸗ ständen zu bleiben; sehen Sie uns nur Alle, Mann für Mann, an! Privat⸗Interessen wahrlich kommen hier nicht ins Spiel, sondern wir bleiben auf unserem Posten, um das wohlverstandene Interesse des Landes geltend zu machen. Wir thun es auch nicht, um Ihnen zu gefallen, und die Nachgiebigkeit, welche wir üben, werden wir gewiß unter keinen Umständen zur Pflichtwidrigkeit kommen lassen. Das aber ist gerade das Widrige unserer Lage, daß wir in dem Wahlgesetz eine so unangenehme Erbschaft von dem vorigen Mini⸗ sterium erhalten haben. Meine Herren! Betrachten wir unsere Lage ganz offen. Ist nach uns ein anderes constilutionelles Ministerium möglich? (Einige Stimmen: Ja wohl!) Nein, es ist durchaus nicht möglich; ich frage das ganze Land: Männer von republi⸗ kanischer Gesinnung können das Interesse einer constitutionellen Monarchie nimmermehr haben. Der zweite Gegenstand der Debatte betrifft den Stand der Verhandlungen über die Verfassungs⸗Frage. Man sollte meinen, wenn man die Ver⸗ handlungen in diesem Saale nur so obenhin vernimmt, daß hierbei die Regierung im klarsten Unrecht sei, und die Regierung auf ihrer Seite an ihrer Ansicht starr festhalte. Aber die Regierung hat be⸗ reits fünf verschiedene Verfassungsvorschläge gemacht, und hat be⸗ reits aufs neue wieder erklärt, auf alle weiteren billigen Vorschläge und Modificationen eingehen zu wollen, welche diesseits des allge⸗ meinen Stimmrechtes stehen. Dies hat die Regierung so bestimmt ausgesprochen, daß zu verwundern ist, wie man nur abermals dar⸗ über Anfrage stellen will. Weiter bringt man die Verfassungsfrage in Zusammenhang mit dem Etat und will der Regierung das nö⸗ thige Geld verweigern. Hier ist man durchaus auf verfassungswi⸗ drigem Boden. Die Verfassung ist ein Vertrag, und die Regie⸗ rung steht auf dem gleichen Boden, wie Sie, sie ist Ihnen nicht untergeordnet; ich frage nun: ist das ein Vertrag, wenn der eine Theil sagt: „Wenn du nicht in kurzer Zeit thust, was ich will, so lasse ich dich Hungers sterben!“? Man hat auch ferner von einer Anklage gesprochen; gehe ich aber bis auf das Jahr 1848 zurück, so sind von der Regierung Anklagen zu erheben. Was endlich den Etat anbelangt, so möchte ich wissen, warum man jetzt auf einmal von einer dreißigjährigen Praxis abgehen will. Die Natur der Sache nicht minder weist hin auf den Begriff eines ordentlichen Landtages, und zum Begriffe desselben gehört die Verwilligung des Etats. Es wäre ganz naturwidrig, wenn es die Regierung in das Belieben der Stände stellen würde, vielleicht schon nach sechs Mo⸗ naten oder gar sechs Wochen wiedec einen Landtag zu halten, um aufs neue einen weiteren Brocken Steuern verwilligen zu können. Eben so spricht die Doktrine für die bestimmte, ordentliche Fest setzung des Etats; selbst in Frankreich, wo doch schon wunderliche Dinge vorgekommen sind, ist es noch Niemanden eingefallen, auf sechs Monate die Steuern zu verwilligen. Ausnahmen findet man nur in entgegengesetzter Richtung, wie in Bayern, wo der Etat auf sechs Jahre festgesetzt wird. Sie haben Verfassung, Praxis und Natur der Sache gegen Ihre Ansicht und gegen die Kommissions⸗ Anträge. Vice⸗Präsident: Es ist von Römer folgender An⸗ trag gestellt worden: „Wenngleich diese Versammlung zunächst nur für die Verfassungs⸗Revision berufen ist, so will sie gleichwohl zur Berathung des Etats schreiten, jedoch nur, nachdem das Mi⸗ nisterium zuvor eine bestimmte Erklärung gegeben haben wird, ob es nach den Beschlüssen, welche diese Versammlung über das 9te Kapitel der Verfassungs⸗Urkunde gefaßt hat, eine Vereinbarung noch für möglich halte.“ Römer: Der Herr Minister des In⸗ nern hat von der üblen Erbschaft, dem Wahlgesetze vom 1. Juli 1849, gesprochen; ich meine aber, wenn das eine so üble Erbschaft war, so hätte das Ministerium diese nicht antreten sollen; ich glaube aber, wenn auch auf das Wahlgesetz vom Jahre 1819 zurück⸗ gegriffen wird, werden die Minister gleichwohl keine Ma⸗ jorität erhalten. Der Redner spricht noch von der Nothwendigkeit des Steuerverweigerungs⸗Rechtes, ohne welches jeder Constitutiona⸗ lismus nur ein Schein-Constitutionalismus sein würde. Vice⸗ Präsident: Es ist so eben von den Abgeordneten Pfeifer, Schweickhardt, Mohl, Winter und Desealler folgende Erklärung übergeben worden: „Der Minister des Innern hat erklärt, wenn es sich von Anklagen handle, könne die Regierung auf das Jahr 1848 zurückgreifen. Wenn der Minister glaube, daß sich Mitglie⸗ der der Landes⸗Versammlung Angriffe auf die Verfassung schuldig gemacht haben, so sei es Pflicht der Regierung, welche die Verfas⸗ sung zu wahren habe, gegen solche Mitglieder Anklagen zu erhe⸗ ben.“ Der erste Antrag der Kommission, von: „Die Landes⸗Ver sammlung... bis... beschränken“, wird mit großer Mehrheit angenommen, unter Verwerfung einiger Verbesserungs⸗Anträge von S. Schott und Ammermüller. Der zweite Hauptantrag der Kommission, von den Worten: „Die Landes⸗Versammlung wolle gegenüber“ bis „Erklärung geben werden“, wird auf Fetzer's Antrag, mit welchem sich auch der Bericht⸗ erstatter, Stockmaier, vereinigen könnte, nachdem sich die Regierung heute ausgesprochen, durch Uebergang zu der Tages⸗ ordnung beseitigt. Schnitzer's Antrag, auf die Etats⸗Berathung nicht einzugehen, bis die Regierung und diese Versammlung sich über die Hauptpunkte der Verfassungs⸗Revision geeinigt haben wer⸗ den, wird mit 41 gegen 16 Stimmen, und Römer'’'s Antrag, die Regierung zu einer bestimmten Erklärung aufzufordern, ob sie eine Verständigung für möglich halte, wird mit 34 gegen 23 Stimmen abgelehnt. Der letzte Antrag der Mehrheit der Kommission: „Die Landes⸗Versammlung wolle gegenüber von diesem Ansinnen“ — bis — „Regierung in Kenntniß zu setzen“, wird mit 30 gegen 27 Stimmen abgelehnt. Mithin liegt hierüber kein Beschluß vor. Mohl: Meine Herren! So eben verbreitet sich in diesem Saale das Gerücht, daß, nachdem diesen Vormittag die Verfassungs⸗Kom⸗ mission Ihnen angezeigt hat, sie werde in der Versammlung den Antrag auf Anklage eines Ministers stellen, nunmehr, und zwar heute noch, eine Vertagung eintreten soll. In diesem Falle erlaube ich mir, sämmtliche Mitglieder dieser Versammlung zu bitten⸗ daß sie Stuttgart nicht verlassen, bis sich zeigen wird, ob der Schritt, den der Ausschuß nach §. 188 der Verfassungs⸗Urkunde zu thun verpflichtet ist, von Erfolg ist; denn der §. 188 EL1161“ dieser Hinsicht liegt dem Ausschusse ob, die ihm nach der Verfassung zur Erhaltung derselben zustehenden Mittel in Anwendung zu brin⸗ gen und hiervon bei wichtigen Angelegenheiten die in dem Königreiche wohnenden Stände ⸗Miglieder iu Kenntniß zu setzen, in den geeigneten Fällen bei 1. Staatsbe⸗ hörde Vorstellungen, Verwahrungen und “ einzureichen und nach Erforderniß der Umstände, „wenn es sich von der Anklage der Minister handelt, um Einberusung einer außer- ordentlichen Stände⸗ Versammlung zu bitten, welche in letzterem Falle nie verweigert werden wird, wenn der Grund der Anklage und die Dringlichkeit derselben gehörig nachgewiesen ist.“ Vice⸗ Präsident: Es ist ein Königliches Restript eingekommen, wonach die Landes⸗Versammlung vom Aten bis 26sten d. M. vertagt wird, um der Finanz⸗Kommission Zeit zu geben, die mit dem Finanz⸗ Etat in Verbindung stehenden Gesetz⸗Entwürfe und sonstigen Finanz⸗ Vorlagen zu begutachten. Es versteht sich von selbst, fügt der Vice⸗
Praͤsident bei, daß außer der Finanz⸗Kommission, die hier genannt
111A1A1A1A14X“*X“*“ 1 ist, auch die Verfassungs⸗Kommission zurückbleibt; denn welche Kom⸗ missionen zu verbleiben haben, darüber hat die Versamm⸗ lung zu entscheiden. Meine Herren! Diese Vertagung unter⸗ bricht unsere Thätigkeit zwar nicht unerwartet, aber doch ge⸗ wiß unerwünscht; denn nach zehnwöchentlicher Thätigkeit, bei der sich wenigstens die Versammlung keinen Vorwurf zu machen hat, kommen wir ohne Resultat und, was fast noch mehr ist, ohne Hoffnung nach Hause. Was uns auch getrennt haben mag, Eines dient uns zur großen Beruhigung: daß wir, nachdem wir auf dem Standpunkte angelangt sind, auf dem wir stehen, nur noch zu er⸗ halten, nur noch die errungenen Rechte festzuhalten haben, und, meine Herren, ich weiß es auch von meinem kleineren Vaterlande, daß es fest und entschieden ist, wo es gilt, crrungene Rechte festzu⸗ halten; es gilt zur Ehre und Würde einer Versammlung und eines Volksstammes, an dem einmal errungenen Rechte festzuhalten! Ich bin überzeugt, was sich auch in der Zwischenzeit ereignen mag, der gleiche Sinn wird uns vereinigen, wenn wir wieder zusammentreten; denn ich bin des festen Glaubens: Recht muß nicht nur Recht bleiben, sondern muß auch Recht werden! In diesem Gefühle rufe ich Ihnen ein Lebewohl zu. Die Sitzung ist geschlossen. Viele Stimmen: Die Versammlung ist noch nicht vertagt; es heißt ausdrücklich: „vom 4. Juni an.“ Fetzer besteigt die Tribune. Vice⸗Präsident: Um dem Abg. Fetzer das Wort zu geben, nehme ich die Sitzung für diesen Zweck wieder auf. Fetzer: Zu Anfang der heutigen Sitzung ist Ihnen ein An⸗ trag der Verfassungs⸗Kommission vorgelegt worden, nach welchem der Minister des Auswärtigen in Anklagestand versetzt werden soll. Daß die Entscheidung über diesen Antrag oder doch wenigstens die Einleitung des Prozesses gegen den betreffenden Departements⸗Chef, ein höchst dringlicher Gegenstand sei, versteht sich wohl von selbst; denn in diesem Augenblicke wird unterhandelt über die Einsetzung einer neuen eben so illegalen Centralgewalt, als die letzte war. Ich glaube, es ist dies Grund genug, um den Gegenstand als dring— lich zu erklären und die uns noch gegebene kurze Zeit dazu zu benutzen, um zu einer Entscheidung darüber zu kommen. Würde der Ausschuß erst beauftragt werden, um einen Antrag auf Wie⸗ dereinberufung dieser Versammlung bei der Regierung zu stellen, so wissen wir nicht, ob dieses Ministerium, das Angesichts der gegen den Minister des Aeußern angekündigten Anklage den Muth hatte, die Vertagung der Versammlung auszusprechen, nicht auch den Muth haben wird, die Versammlung gegen den Antrag des Ausschusses gar nicht einzuberufen. Ich schlage Ihnen vor, die Sitzung auf eine Stunde zu unterbrechen und sodann wieder zu⸗ sammen zu kommen, um über die Versetzung des Ministers des Auswärtigen in Anklagestand einen Beschluß zu fassen. Kuhn: Der Herr Vice⸗Prasident hat für uns alle vernehmlich den Schluß der Sitzung angekündigt. Er hat es gethan mit den Worten: Die Sitzung ist geschlossen, und auf diese Erklärung hin haben mehrere Mitglieder sofort den Saal verlassen. Ich weiß nicht, auf welche Ordnung hin man diesen Schluß der Sitzung zurücknehmen und die Sitzung fortsetzen kann. Ich protestire hiermit gegen dieses Verfahren. Der Vice⸗Präsident kann, wenn ihn das Ver⸗ tagungs⸗Dekret nicht daran hindert, noch eine Sitzung zusammenbe⸗ rufen, wozu alsdann alle Mitglieder eingeladen werden müssen; das aber, was jetzt nach dem verkündigten Schluß der Sitzung ge⸗ sprochen wurde, halte ich nicht für in öffentlicher Sitzung gesprochen. Vice ⸗Präsident Rödinger: Da wir in der Sache selbst einig zu sein scheinen, so mache ich den Vorschlag, heute noch eine Sitzung zu halten, und ich werde die Mitglieder im Namen der Versamm⸗ lung dazu einladen. Kuhn: Das kann ich ebenfalls nicht aner⸗ kennen, daß die Einladung im Namen der Versammlung gemacht werde. (Der Abg. Mohl will die Rednerbühne besteigen, wird je⸗ doch von dem Abg. Kuhn daran verhindert.) Eine Stimme: Das ist ungeziemend. Kuhn: Ich protestire gegen diesen Ausdruck. Ich habe die Rednerbühne noch nicht verlassen und bin in meinem Rechte, da ich das Wort zum Sprechen habe. Vice⸗Präsident Rö dinger: Ich schließe hiermit die Sitzung. Die nächste Sitzung ist heute Abend um 5 Uhr, und der Gegenstand der Tagesordnung ist die Berathung darüber, wie sich die Versammlung in Betreff des bereits angekündigten Antrages auf Versetzung des Ministers es Auswärtigen in Anklagestand zu verhalten habe.
Abendsitzung der Landes⸗Versammlung vom 3. Juni. Abends 5 Uhr. Unter dem Vorsitze des Vice⸗Präsidenten Rödinger. Am Ministertische befindet sich Niemand. Vice⸗Präsident Rödin⸗ ger: „Ich habe auf den von vielen Seiten vorgebrachten Wunsch auf diesen Abend noch eine Sitzung angeordnet, weil dies zulässig ist, indem das Vertagungs⸗Reskript besagt, die Versammlung sei vom 4ten bis 26. Juni vertagt. Die Sitzung ist allen Mitgliedern, eben so auch den Departements⸗Chefs angesagt wor⸗ den.“ Das Diarium, welches verlesen wird, enthält eine Eingabe des Volksvereins in Göppingen, betreffend die Erhaltung der Grundrechte; Bitte einer großen Anzahl von Bürgern in Hall, diese Versammlung möchte die Protestation der Standesherren wit gerechter Indignation zurückweisen und jedem Versuch auf Wieder⸗ einführung dieser Standesvorrechte entgegentreten. Beide Ein⸗ gaben werden der Verfassungskommission zugewiesen. Der Na⸗ mensaufruf weist die Anwesenheit von 56 Mitgliedern nach (später treten noch 2 ein). Stockmaier: Nachdem die Versammlung heute Vormittag den dritten Kommissionsantrag abgelehnt hat, so liegt für jetzt eigentlich kein Auftrag an die Finanzkommis⸗ sion zu weiteren Arbeiten vor; es ist also nothwendig, daß die Ver sammlung ausspreche, daß die Finanzkommission, welche nach dem Königl. Reskripte über die Zeit der Vertagung beisammen zu bleiben hat, ihre Arbeiten wie bisher fortsetzen solle. Ich stelle hierauf den Antrag. Mack: Diese Versammlung kann sich nicht darüber aus- sprechen, wie und in wie weit die Finanzkommission ihre Arbeiten fortzusetzen habe, das hat die Finanzkommission selbst und betreffen⸗ denfalls der Präsident zu bestimmen. Ich trage daher auf Tages⸗ ordnung an. A. Seeger: „Wenn die Finanzkommission hier bei⸗ sammen bleibt, so versteht es sich ganz von selbst, daß sir auch ar⸗ beite.“ Der Antrag auf Tagesordnung wird verworfen und Stock⸗ maier's Antrag angenommen. Hierauf stellt Hölder den dringlichen Antrag, daß die Verfassungskommission, welche ebenfalls hier bleiben soll, beauftragt werde, ihre Arbeiten so fortzusetzen, daß bei dem Wiederzusammentritt dieser Versammlung ein vollständig revidirter Verfassungsentwurf zur Berathung vorbereitet sei. Römer: Dies versteht sich nach den früheren Beschlüssen ganz von selbst. Die Versammlung hat einmal beschlossen. von ihrer Initiative Gebrauch zu machen, und es versteht sich nun von selbst, daß die Verfassungs⸗ Kommission ihre Arbeit so beschleunige, daß sie uns, wenn wir je wieder zusammenkommen, bereits einen fertigen Entwurf vorlegen kann. Der Antrag ist also gar nicht nöthig; ich trage daher auf Uebergang zur Tagesordnung an. Die Versammlung erklärt jedoch mit 38 gegen 18 Stimmen den Antrag für dringlich und beschließt die vorgeschlagene Auflage an die Verfassungs⸗ Kommission. M. Mohl verlas nun die Begründung der in der heutigen Morgen⸗Sitzung gestellten Anträge der Verfassungs⸗Kommission auf eine Anklage des Chefs des Ministe⸗ riums der auswärtigen Angelegenheiten vor dem Staatsgerichts⸗ hofe u. s. w. Dann verliest Probst als Korreferent den Entwurf
der Anklage⸗Akte. Die Anklage wird E11 daß der Chef des Departements der auswärtigen Angelegenheiten bei dem Beitritt zum Interim und bei der münchener Uebereinkunft definitiv abgeschlossen habe, ohne die Zustimmung der Landes⸗Vertretung vorzubehalten. Dadurch werde die Landes⸗Gesetzgebung wirklich verletzt, wie denn die Bundes⸗Centralkommission daraus habe Ver⸗ anlassung nehmen können, in die Angelegenheiten Württembergs bei dem Postvertrag mit dem Fürsten Taxis sich einzumischen. (Die beiden Aktenstücke sind so umfangreich, daß das Verlesen derselben über anderthalb Stunden erforderte.) Mohl ergreift zur Be⸗ gründung des Antrags noch einmal das Wort. „Es ist,“ sagt er, „heute schon das viertemal, daß Ihre Kommifsion über die deutsche Frage Bericht erstattet. Wir haben heute Vormittag unsere Anträge vorläufig angekündigt und hätten beantragt, dieselben erst nächsten Donnerstag auf die Tagesordnung zu setzen, damit eine allseitige, ins Detail gehende Prüfung derselben vorangehen könnte, aber da kommt plötzlich das Ministerium und vertagt uns an demselben Tage, wo wir die Anträge anlündigen. In dieser Lage der Dinge will das Ministerium die gleiche Politik befolgen, welche es bisher befolgt hat, die Politik des Hinauszlehens, des Temporisirens, die Politik des Zeitgewinnens, welche mit vollende⸗ ten Thatsachen uns entgegentreten, welche im Inlande uns mit dem Auslande entgegentreten will. Es ist keine Frage, der Aus
schuß muß sogleich gemäß der Verfassung wieder die Einberufung einer außerordentlichen Versammlung verlangen; allein ma⸗ chen wir uns keine Illusionen, das Ministerium, welches es nicht für eine Ehrensache gehalten hat, den heute angekündigten Antrag zu erwarten und der Anklage Stand zu halten, wird auch eine Ver⸗ sammlung nicht wieder einberufen; wir wissen also zum voraus, daß der Schritt, welchen der Ausschuß thun würde, lediglich ein vergeblicher wäre, es würden darob mehrere Wochen vergehen, und dann wird man uns mit einem fait accompli entgegentreten, so daß es nicht mehr in unserer Macht steht, den Staatsgerichtshof anzurufen. Außerordentliche Verhältnisse erheischen aber außeror⸗ dentliche Mittel, und so ist das, was wir Ihnen vorschlagen, keine Ueberstürzung, sondern eine Nothwendigkeit; wir werden morgen zum Fenster hinausgeworfen, deshalb wollen wir heute noch das uns obliegende wichtige Geschäft erledigen. Die Sache ist nicht neu, reiflich erwogen und besprochen ist sie schon längst; übrigens sind wir ja nicht der Richter, sondern nur der Ankläger. Wir sind unter den übrigen deutschen Landes⸗ versammlungen in der glücklichsten Lage; in keinem Lande liegen über die Reichsverfassung, über die Grundrechte so heilige, von König und Ministerium verbürgte Versicherungen vor, als bei uns; nirgend, ich darf es wohl sagen, ist ein so entschiedener Wille zu Aufrechthaltung dieser Rechte vorhanden, als in unserer Versamm⸗
lung. Das ganze deutsche Vaterland sieht auf diesen Saal; es würde uns der Pedanterie, der Rücksichtnahme auf Kleinliches, des Mangels an Patriotismus beschuldigen, wollten wir nicht in der Sache, wo wir Recht haben, und wo unsere theuersten Interessen auf dem Spiele stehen, entschieden vorschreiten und unseren deutschen Brüdern ein Beispiel des Muthes geben. Wenn der Staatsgerichtshof entschieden haben wird —
und es ist kein Zweifel darüber, wie er nach dem klaren Buch
staben des Gesetzes entscheiden wird — so ist damit ausgesprochen, daß es noch einen Richter und eine Gerechtigkeit für einen Mi⸗ nister giebt, welcher die Rechte des Landes mit Füßen tritt. (Bei⸗ fall.) Die Regierung, welche ihre Furcht, verurtheilt zu werden, durch die Vertagung dieser Versammlung bewiesen hat (Beifall), wird uns aber die Anklage nimmermehr erheben lassen, wenn Sie dieselbe nicht heute Abend beschließen. Ich beschwöre Sie, nehmen Sie keine kleinlichen Rücksichten, sondern die große Rück⸗ sicht des Vaterlandes, sprechen Sie die Dringlichkeit aus und fassen Sie Beschluß.“ (Vielseitiger Beifall.) Nachdem die Ab⸗ geordneten Fetzer, Huck und Pfeifer über die formelle Behandlung gesprochen hatten, erklärte der Vicepräsident, daß die Ver⸗ sammlung vor Allem sich darüber auszusprechen habe, ob sie die Sache für so dringlich erachte, daß der Gegenstand heute in Be⸗ rathung zu nehmen sei. Hierzu sind drei Viertheile der Stimmen der Anwesenden erforderlich; die Zahl derselben beträgt jetzt, da zwei weitere Mitglieder eingetreten sind, 58, mithin die erforder⸗ liche Stimmenzahl für die Dringlichkeit 44. Für die Dringlichkeit ergaben sich bei der Abstimmung 42, dagegen 16 Stimmen. Die Dringlichkeitsfrage ist hiernach verworfen. Für Dringlichkeit stimm⸗ ten: Ammermüller, Burk, Desaller, Desselberger, Egelhaf, Feyl, Fetzer, Fraas, Hölder, Hopf, Kraus, Kraz, Mattes, Mohl, Müller, Nägele, Neher, Neidlein, Nüßle, Oesterlen, Pfäfflin, Pfahler, Pfeifer, Probst, Rau, Rheinwald, Rieke, Ruoff, Sattler, Schnitzer, A. Schott, S. Schott, Schweickhardt, Seefried, L. Seeger, Stockmaier, Tafel, Trotter, Vogel, Winker, Winter, Wullen; dagegen Bendel, Dörtenbach, Geigle, Gop⸗ pelt, Hiller, Huck, Kapff, Kuhn, Mack, Mäulen, Reyscher, Rö⸗ mer, A. Seeger, Walser, Zimmermann, von Zwerger. (Große Aufregung.) A. Seeger besteigt die Tribüne, um seine Abstim⸗ mung zu begründen. Viele Stimmen rufen: Keine motivirte Ab⸗ stimmung! Schluß! Der Lärm wird so groß, daß Seeger nicht zum Wort kommen kann; er verläßt die Tribüne mit dem Vorbe⸗ halt, seine Erklärung zu Protokoll zu geben. Fetzer: „Ich ersuche die Mitglieder, so viel Patriotismus zu haben, Stuttgart nicht gleich zu verlassen. Der Ausschuß wird ohne Zweifel gleich mor⸗ gen nach der Verfassungsurkunde §. 188 behufs der Anklage die Regierung um gleichbaldige Einberufung der Landesversammlung bitten und die Minister werden hoffentlich es für Ehrensache halten, diesem Ansuchen zu entsprechen.“ Damit wird die Sitzung Abends i Uhr aufgehoben und die nachste Sitzung wäre vorläufig am 26sten d. M. zu erwarten.
Stuttgart, 5. Juni. (Schw. M.) Dem Vernehmen nach hat der Ausschuß der Landes⸗Versammlung, gestützt auf §. 188 der Verfassungs⸗ Urkunde, eine Bitte an die Königliche Staats⸗Regierung um Ein⸗ berufung einer außerordentlichen Versammlung zum Zweck der Be⸗ rathung der beontragten Ministeranklage beschlossen, welche heute an die Königliche Staats⸗Regierung abgehen soll.
Hessen. K assel, 6. Juni. (K. Z.) Se. Königl. Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein sind heute mit Gefolge nach Darmstadt abgereist.
Hessen und bei Nhein. Gießen, 5. Juni. (Fr. J.) Unsere Universität hat einen großen Verlust erlitten. Gestern den 4ten l. M. starb der erst vor kurzem von Freiburg hierher beru⸗ fene ordentliche Professor der Rechte, Dr. Karl Otto von Madai.
Sachsen⸗Weimar. Weimar, 5. Juni. (D. A. Z.) Seit einigen Tagen findet hier eine Konferenz von Kommissarien der hiesigen, so wie der schwarzburg⸗rudolstädtischen und sonders⸗ hausenschen Regierung, zur Berathung eines gemeinschaftlichen Po⸗ lizei⸗Strafgesetzbuchs statt.
Sachsen⸗Koburg⸗Gotha. Gotha, 2. Juni. (O. P. A. Z.) Die Vorlage der Staatsregierung über die organische Vereinigung der beiden Herzogthümer Gotha und Koburg ist gestern der hiesigen
Abgeordneten⸗Versammlung mitgetheilt worden. Sie setzt fest, daß das Herzogthum Koburg⸗Gotha ein Bestandtheil des deutschen Bun⸗ desstaates und als solcher den Bestimmungen der allgemeinen deut⸗ schen Verfassung unterworfen sei. Die Vorlage, basirt auf das gothaische Staatsgrundgesetz, bestimmt, daß fortan nur 30 direkt zu wählende Abgeordnete, 21 für Gotha, 9 für Koburg, die Ständeversammlung bilden sollen, paralysirt jedoch das aus diesem Zahlenverhältnisse für den gothaischen Antheil entspringende Ueber⸗ gewicht durch die Anordnung, daß in den Abstimmungen über Erb⸗ verträge, Veräußerungen einzelner Gebietstheile, Abänderungen des Staatsgrundgesetzes u. s. w. nicht ³, sondern ³ der Stimmen zur Fassung eines gültigen Beschlusses erforderlich sein sollen.
Anhalt⸗Cöthen. Cöthen, 3. Juni. (Ztg. f. N. D.) Heute wurde der anhalt-cöthensche Sonderlandtag eröffnet. Das Ministerium überreichte das Budget für das Rechnungsjahr vom 1. Juli 1850— 51, versicherte dabei, daß die Finanzen sich in be friedigendem Zustande befänden, die Tilgung der Staats⸗Schulden vorschreite und eine Steuer⸗Erhöhung im laufenden Jahre hoffent⸗ lich nicht nöthig sein werde. Zur Prüfung des Budgets wurde ein Ausschuß erwählt. Dann interpellirte Volten wegen des neu lichen Verbots des Konzils freier deutscher Gemeinden. Der Mi⸗ nister antwortete sofort, daß es zu diesem, auch auf auswärtige Veranlassung bewirkten Verbote eben so berechtigt, als verpflichtet gewesen sei, da die Versammlung, amtlichen Mittheilungen nach, auch staatsgefährliche Zwecke im Auge gehabt habe, und der betref⸗ fende Paragraph unserer Verfassung nur für hiesige Staatsangehö⸗ rige, nicht auch für fremde das freie Versammlungsrecht gewähre. Der am gestrigen Tage zur Bildung einer freien Gemeinde zusam⸗ mengetretenen Versammlung Hiesiger habe die Staats⸗Regierung deshalb auch kein Hinderniß entgegengestellt. Volter erklärte sich mit dieser Antwort nicht befriedigt und behielt weitere Anträge vor. Die Versammlung vertagte sich dann bis zum Eingang des Berichts der Budget⸗Kommission.
Uunsland.
Frankreich. Paris, 5. Juni. Wie es heißt, hat der Papst dem Präsidenten der Republik, der ihm unlängst ein werthvolles Rauchfaß überschickte, als Gegengeschenk ein prachtvolles Gebetbuch zustellen lassen, auf dessen Einband ein goldenes Kreuz eingelegt ist, das einst Karl dem Großen gehörte.
Die Constitution bestimmt in ihrem 62sten Artikel: „Der Prä⸗ sident der Republik erhält einen Gehalt von 600,000 Fr. Der Finanzminister beantragt nun noch außerdem 3 Millionen Reprä⸗ sentationskosten für den Präsidenten. Der Legitimist Leo de Laborde hat folgenden Zusatz zu dem Entwurfe uber die Dotation des Prä⸗ sidenten gestellt: „Vom Tage der Veröffentlichung dieses Gesetzes an wird die Entschädigung der Repräsentanten auf 6000 Fr. redu⸗ zirt.“ Der Berg spaltete sich gestern bei der Dotationsfrage aber⸗
mals in zwei Theile. Die reinen Sozialisten unter Michel von Bourges verlangten die Vorfrage, der gemäßigte Berg (Flotte, Savoie, Grevy, J. Favre) verlangte Verweisung in die Abtheilungen. Die Parteiversammlung der Rue Rivoli soll entschlossen sein, gegen die verlangte Civilliste zu votiren. Die Union, das Hauptorgan der Legitimisten, bemerkt, sie wolle über dieses Projekt schweigen und nur daran erinnern, daß jetzt die größte Einigkeit zwischen bei⸗ den Staatsgewalten Noth thus Die übrigen legitimistischen Or⸗ gane führen eine andere Sprache. Die Opinion publique be⸗ merkt: „Wir lassen dem Berge die traurige Freude, die Staats⸗ gewalt erniedrigt zu sehen. Aber wir begreifen die Traurigkeit und Ueberraschung der Majorität. Bei dem allgemeinen Leiden sieht man Ge⸗ haltserhöhungen nicht gern. Wenn endlich die Republik durch den Luxus
ihrer Magistraͤtur sich der Monarchie nähert, so wäre es besser, gleich zur monarchischen Form zurückzukehren. Man wird dann die Un⸗ zukömmlichkeiten der Republik vermeiden, wenn man ihre Vortheile auch verloren hat.“ Folgendes ist der Wortlaut des gestern einge⸗ brachten Dekrets: „Der Präsident der Republik dekretirt: Art 1. Dem Finanzminister wird für Erhöhung das Kap. XXII. (Ereku⸗ tivgewalt) ein Supplementar⸗Kredit von 2,400,000 Fr. eröffnet, um, vom 1. Januar 1850 angefangen, die monatlichen Repräsenta⸗
tionskosten des Präsidenten der Republik auf 250,000 Fr. zu erhöhen.
Art. 2. Diese Ausgabe wird mit dem Budget von 1850 gedeckt. Art. 3.
Der Kredit des Ministers der öffentlichen Arbeiten für Regiekosten
der National⸗Paläste wird auf 460,000 Fr. herabgesetzt. Geschehen
zu Paris, den 4. Juni 1850. Der Präsident der Republik, Louis
Napoleon Bonaparte. Der Finanzminister, A. Fould.
Großbritanien und Irland. London, 5. Juni. Ihre Königl. Hoheit die Herzogin von Kent ist zum Besuch bei Ihrer Majestät der Königin auf der Insel Wight angelangt.
Lord Stanley legte gestern dem Oberhause den Antrag in Be⸗ treff Griechenlands vor, dessen Annahme er am Freitag vorschla⸗ gen und befürworten will. Das Haus soll danach anerkennen, daß es für Recht und Pflicht der Regierung halte, den britischen Un⸗ terthanen im Auslande den vollsten Schutz zu gewähren, zugleich aber aussprechen, es habe mit Bedauern ersehen, daß in der letz⸗ ten Zeit an die griechische Regierung gewisse Forderun⸗ gen von zweifelhafter Gerechtigkeit und übertriebenem Be⸗ trage gerichtet und zu Zwangsmaßregeln geschritten worden, um sie geltend zu machen, was den freundschastlichen Be⸗ ziehungen Englands zu Griechenland und anderen Mächten schaden müsse. Im Unterhause rechtfertigte Lord Palmerston gestern bereits diese Forderungen gegen die von Herrn Baillie darüber erhobene Beschwerde. Oesterreich und Rußland, erklärte er zugleich, hätten allerdings eine Andeutung der Art fallen lassen, daß sie britischen Unterthanen den Aufenthalt in ihren Staaten nicht gestatten würden, wenn dieselben nicht auf den Schutz Englands in gewissem Maße verzichteten, aber diese Andeutung sei nur im hypothetischen Sinne geschehen und nicht bei Gelegenheit der Forderungen Englands an Griechenland, uͤberdies auch praktisch von Seiten Oesterreichs schon dadurch aufgehoben worden, daß die⸗ ses Entschädigung für die Plünderung einer an der irländischen Küste gestrandeten österreichischen Brigg verlangt und von der eng⸗ lischen Regierung auch erhalten habe.
Nußland und Polen. Warschau, 6. Juni. Der Kuryer Warszawski meldet, daß Se. Majestät der Kaiser in Begleitung des Großfürsten Thronfolgers am 2. Juni auf der Rückreise nach St. Petersburg in Suwalki eingetroffen sei, dort den zu seiner Begrüßung daselbst angelangten preußischen General Grafen Dohna, den Commandeur des ersten russischen Armee⸗ Corps, Kavallerie⸗General Sievers und den Civil⸗Gouverneur von Augustovo empfangen, dann eine Musterung über die im Lager bei Suwalki zusammengezogenen Truppen abgehalten und am folgen⸗ den Tage die Reise fortgesetzt habe. Der Großfürst Thronfolger war schon am 2ten Abends nach Kauen vorausgereist. 1 Dasselbe Blatt zeigt an, daß eine Kaiserliche Verordnung
hinsichtlich des Verfahrens gegen diejenigen Unterthanen aus dem