stand unserer Straßen, die eine wahre Schande wären und dem Reisenden ewige Erinnerungen zurücklassen. Mit gro⸗ ßer Extase deutet der Redner auf die Straße von Zwiesel nach Ludwigsthal hin, die angefangen, aber nicht ausgebaut worden sei. Man habe Millionen für Eisenbahnen, aber nichts für solche Ba⸗ gatellen. Nicht blos aus allgemeinen Rücksichten, sondern im Sinne Rechtens müsse hier geholfen werden. Was das wilde Element des Wassers betreffe, so sei die Vernachlässigung der Ufer ein Fehʒe⸗ Krebs; hierbei habe man noch dazu die Uferbewohner, z. B. 9 Donau, ihrer Schifffahrt durch die Einführung der T ampfschifffahr
beraubt; diese, wie die Eisenbahnen, ruinirten den Wohlstand Pieler. Was nützten überhaupt Dampfschiffe, wo es von der Gnade Donau abhänge, ob sie die Schiffe auf ihrem Rücken v 8 (Schallendes Gelächter.) Wenn es nach ihm ginge; “ 8 88 die Schiffe zu Holz verarbeiten. (Stürmisches Chelä Schlußruf.) Der Redner empfiehlt Bewilligung der Regierungs⸗Postulate⸗ Bei der Abstimmung übe
en S wird derselbe angenommen. 8
8 Schlußbemerkungen des Referenten, 8 on Ko ch,
der das Ausschuß⸗Gutachten rechtfertigt, G der v
Präsident das Wort: In den letzten Decemnien bildeten die
Straßen und Flüsse ein ständiges Kapital auf den Landtagen; die
Kammer verlangte, das Volk hinter sich, Abhülfe; die Regierung
erklärte, diese wegen Unzureichenheit der Mittel nicht im gewünsch⸗
ten Maße eintreten lassen zu können. Jetzt will dies die Regie⸗
rung thun, und heute hegt die Seite, welche auf Erhöhung des
Budgets zur Abhuͤlfe drängte, Zweifel über die Nothwendigkeit derselben. Im Hinblick auf die bereits gepflogene Diskussion, welche sich größtentheils gegen den Ausschuß und für die Regie⸗
rung gewendet, erklärt der Minister, blos die Positionen andeuten zu wollen, wo die Regierung einen Abstrich zulassen könne, und diejenigen, welche sie für unerlässig nothwendig erachte. Bei den Administrations⸗Kosten postulirt die Regierung 178,000 Fl.; der Ausschuß begutachtet nur 143,072 Fl. 33 Kr. zur Genehmigung. Die Regierung könne sich hierbei beruhigen Die Erhöhung sei aus dem Vorhaben der Regierung entstanden, noch 12 neue Bau⸗Inspectionen im Lande zu errichten, so daß deren Zahl von 33 auf 45 vermehrt würde; hielte die Kammer diese Vermehrung zur Zeit nicht nothwendig, sen dir 1 Regie⸗ rung geneigt, dieselbe noch bis zum nächsten Budget zu verschieben. Bezüglich der Reduzirung bei den Straßen von 1,407,450 Fl. auf 1,322,220 Fl. könne sich die Regierung gleichfalls beruhigen. Dies sei ihr aber nicht möglich bei dem Postulate der Brückenun⸗ terhaltung zu 90,520 Fl., welches der Ausschuß auf 65,360 Fl. festgesetzt habe. Die Brücken, welche die Regierung zu unterhalten habe, seien größtentheils hölzerne und erforderten demnach höhere Summen als steinerne. Für Wasserbauten verlange die Regierung 316,470 Fl.; wogegen der Ausschuß nur 174,886 Fl. bewilligen wolle; hier könne die Regierung unmöglich von ihrer Position abweichen. Der Minister giebt nun statistische Notizen über die schiff⸗ und Flußlänge; erstere berechnet sich auf 294 Stunden; letztere auf 236 Stunden. Der Redner beruhrt noch die Landes⸗Gränzen, welche die Flüsse bestreichen, und bemerkt bezüglich des Inn, daß hier Bayern die ungünstigere Seite, Oesterreich die weniger dem Strei⸗ chen des Flusses ausgesetzte Seite besitze und daß trotzdem Oester⸗ reich für die Ufer mehr thue, als Bayern. Die Klagen, welche von den verschiedenen Rednern ausgesprochen worden, wären zwar theilweise von sehr lebhaften Farben, litten aber im Wesentlichen keinen Widerspruch. Die einzige Differenz, welche sich ergeben, bestehe
allen gegen 4 Stimmen verworfen, dagegen das Ausschußpostulat bewilligt. Der Kirchgeßnersche Antrag wird abgelehnt. Es wird hierauf ohne Diskussion das Ausschußpostulat über die Witlwen⸗ und Waisenpension mit 571,678 Fl. genehmigt. Ohne wesentliche Diskussion werden hierauf die Postulate für die Münze mit 10,350 Fl. und für den Steuer⸗Kataster mit 550,000 Fl. be⸗ willigt. Hiermit schließt die Sitzung um 12 Uhr. In der Abend⸗ Sitzung wird mit der Berathung über den Militair⸗Etat begonnen werden.
Sitzung der Kammer der Reichsräthe. Auf der Ta⸗ gesordnung steht die Vortragserstattung, Berathung und Beschluß⸗ fassung üͤber die Rückäußerung der Kammer der Abgeordneten, be⸗ züglich des Gesetz⸗Entwurfs, die Gerichtsverfassung betreffend. Frhr. von Frankenstein wurde nach nunmehr zurückgelegtem 25sten Lebensjahre als stimmberechtigter erblicher Reichsrath in die Kam⸗ mer eingeführt. Die allgemeine Diskussion wurde umgangen und sofort zur speziellen über die noch differirenden Artikel geschrit⸗ ten. Referent von Heintz reduzirt die obwaltenden Differenzen auf drei Punkte, nämlich die Bezeichnung der Gerichte, die Fassung der Artikel und die Besetzung der Einzelgerichte. Hierauf stimmte der Ausschuß und die Kammer mehreren Anträgen der anderen Kammer auf Antrag des Referenten sofort bei. Die übrigen stellen sich in Folgendem fest: Art. 4 des Gesetzentwurfes (neu 1) wurde als nothwendige Konsequenz des gestrichenen Art. 2 beschlossen, auf der früheren Fassung zu beharren, indem die Ueberschrist der gan⸗ zen Abtheilung lehre, daß es sich hier nur von Bestellung der Ge⸗ richte handle, und der Ausdruck „verwaltet“ in der diesseitigen Fassung jeden Mißverstand beseitigt. Art. 6 (neu 3). Neben den Stadt⸗ und Landrichtern werden da, wo hierfür ein Bedürfniß be⸗ steht, ein oder mehrere Assessoren angestellt, welche die ihnen von den Stadt⸗ oder Landrichtern zugetheilten Rechtssachen selbstständig zu erledigen haben. Art. 8 (neu 5). Der Staats⸗Mini ster der Justiz wünschte aus verschiedenen Gründen, daß die Bezeichnung „Secretaire“ statt „Gerichtsschreiber“ beibehalten werde, und beantragt ferner, daß sämmtliche Bestimmungen über die Staats⸗Anwaltschaft, welche bei diesen und anderen einzelnen Artikeln mit vorkommen, dem späteren Kapitel über die Staats⸗ Anwaltschaft selbst vorbehalten bleiben mögen. Die Ausschüsse theilten diese Ansicht, hielten aber auch den Abs. 3 der Fassung der Kammer der Abgeordneten für überflüssig, weil die Art. 33, 42 und 48 (neu 29, 38 und 44) Sicherheit für die in den Senaten erforderliche Anzahl von Richtern gewähren. Der Abs. 1 wurde hierauf in folgender Fassung angenommen: „Ein Bezirksgericht besteht aus einem Direktor und der erforderlichen Anzahl von Räthen und Secretairen.“ Art. 10 (neu 7): „Für die Entschei⸗ dung von Handels⸗ und Wechselstreitigkeiten werden da, wo hierfür ein besonderes Bedürfdniß steht, Handelsgerichte errichtet, welche aus Mitgliedern des Bezirksgerichtes und aus Beisitzern aus dem Handelsstande zusammengesetzt sind. Die Berufung in Handels⸗ und Wechselstreitigkeiten geht an das Kreisgericht, welches mit Zu⸗ ziehung von Beisitzern aus dem Handelsstande zu entscheiden hat. Die Beisitzer aus dem Handelsstande werden auf Vorschlag der im Gerichtssprengel angesessenen Handelsleute und Fabrikanten aus einer doppelten Kandidatenliste durch den König ernannt. Nähere Bestimmungen über die Vornahme der Wahl werden im Verord⸗ nungswege getroffen. Das Merkantil⸗, Friedens⸗ und Schiedsge⸗ richt der Stadt Nürnberg wird in seiner bisherigen Einrichtung bei⸗ behalten. Eben solche Gerichte können in anderen Städten auf An⸗
in dem Rechts⸗Prinzipe, das heute zu entscheiden nicht unsere Aufgabe sei; die Frage nämlich, ob dem Staate oder den Adjazenten die Ufer⸗Schutzbauten oblägen. Diese Frage werde seiner Zeit erledigt wer⸗ den; einstweilen sei bis zum September 1851 möglichste Abhülfe zu treffen. Für Wasserneubauten habe die Regierung 586,670 Fl. verlangt, der Ausschuß begutachte nur 250,000 Fl.; 1gge auch hier bedürfe die Regierung dringend dieser Summe. Die Verthei⸗ lung derselben auf die einzelnen Flüsse des Landes würde in Fol⸗ gendem stattfinden: Donau 264,000 Fl., Main 160,000 Fl., Rhein 33,000 Fl., Inn 41,000 Fl., Isar 20,000 Fl., Salzach 10,000 Fl., Lech 12,000 Fl., Iller 1500 Fl., Saalach 3009 Fl., Loisach 1300 Fl., Alza 1000 Fl., Wertach 1900 Fl., Nahe 1400 Fl., Naab 13,000 Fl., Wiesent 1200 Fl., Reggnitz 2500 Fl., Bodensee 19,000 Fl. (Der Minister verlas blos die runden Summen.) Hinsichtlich der übrigen Neubauten beständen nur geringe Diffe⸗ renzen; die Regierung verlange für Straßen 193,312 Fl., der Ausschuß bewillige 128,788 Fl.; die Regierung postulire für Brücken 154,240 Fl., der Ausschuß begutachte 132,000 fl.; hier könne die Regierung abgehen, so wie sie auch gegen Reduzirung des Re⸗ servefonds nichts zu erinnern habe. Es wird hierauf zur Abstim⸗ mung geschritten. Die Posilion „Administrations⸗Kosten“ wird nach dem Ausschuß⸗Postulate angenommen, der Etat für die Un⸗ terhaltung der Straßen nach dem Ausschuß⸗Antrage, die Etats für Brücken⸗ und Wasserbauten, ferner für Wasserneubauten, werden jedoch nach den Regierungs⸗Postulaten, die bedeutend höher sind, als die Ausschuß⸗Ansätze, die Etats für Wasserneubauten und für Brückenneubauten werden nach dem Ausschuß⸗Postulate bewilligt. Die drei ersten Anträge des Ausschusses werden gleichfalls ange⸗ nommen. Sie lauten: „Die Kammer wolle beschließen, folgende Wünsche auszusprechen: 1) Die Königliche Regierung wolle strenge überwachen, daß das Diäten⸗Maximum von 100 Tagen, welches jedem äußeren Bau⸗Beamten zur Verrechnung bewilligt ist, nicht überschritten und nicht gestattet werde, daß der Beamte für diejenigen Tage, welche er dem Staate anrechnet, auch zugleich von Kommunen oder Stiftungen Diäten beziehe. 2) Die Königliche Regierung wolle in den künftigen Bau⸗ administrations⸗Etat alle Ausgaben, welche von der obersten Bau⸗ behoͤrde angefangen, bis zu den Wegmeistern, als den letzten Voll⸗ zugs⸗Organen, jährlich erlaufen, in eine Gesammt⸗Uebersicht auf⸗ nehmen lassen und zur Vorlage bringen. 3) Die Königliche Staats⸗ Regierung wolle für die Zukunft den Unterhalt und Neubau der Amperbrücken, als auf einer Distriktsstraße befindlich, nicht mehr auf den Bau⸗Etat des Staatsfonds übernehmen.“ Ferner wird angenommen der eventuelle Antrag Wiedenhofer's: (Die von der Regierung für die aus Distriktsstraßen zu Staatsstraßen zu er⸗ hebenden Straßen vorgeschlagene Summe von 35,592 Fl. lediglich dem Ermessen und der Verfügung der Regierung anheimzustellen, Seh. sefort berechtigt sein solle, zu prüfen, welche solcher Distrikts⸗ Anträge auf Staatskosten zu bauen seien.) Alle übrigen s 1g en abgelehnt. Sbe . nah dh. dem Etat des Finanz⸗Ministeriums (Kap. X.) 774,678 Fi. 12 1809”8us. postulirt hierfür die Summe von — gt: Es solle diese Position auf 752,280 Fl. her⸗
trag der betreffenden Handelsinnungen errichtet werden.“ Die Kam⸗ mer genchmigt diesen Antrag der Ausschüsse, Art. 12 (neu 9). Der Beschluß der Kammer der Abgeordneten veranlaßte besondere Bedenken. Die Ausschüsse waren einstimmig der Ansicht, daß die Bestimmung der Gerichtssitze und die Besetzung der Gerichte der Staats⸗Regierung auch für die Zukunft zu überlassen sei, nament⸗ lich bezüglich der Besetzung aus dem oben zu Art. 8 angegebenen Grunde. Hinsichtlich der Zahl der Gerichte und der Gerichts⸗ Sprengel ergab sich aber Stimmengleichheit. Vier Stimmen wa⸗ ren der Ansicht, daß auch hier die Bestimmung hierüber stets dem Regenten zustehe, von dem alle Gerichtsbarkeit ausgehe. Diese vier Stimmen beharrten auf dem früheren Beschlusse der Kammer der Reichsräthe. Die übrigen 4 Stimmen gründeten auf die Be⸗ stimmung der Verfassungs⸗Urkunde Tit. IV. §. 8: „Niemand darf seinem ordentlichen Richter entzogen werden“, die Ansicht, daß die Aenderung der Gerichtssprengel und damit die Zahl der Gerichte nur im Wege der Gesetzgebung geschehen könne, weil es jedoch rine Entziehung des ordentlichen Richters sei, wenn man durch Veränderung des Gerichtssprengels den Unterthan von sei⸗ nem bisherigen, also ordentlichen Richter an ein anderes Gericht und also an einen anderen Richter verweise. Diese 4 Stimmen würden den Absatz 2 des Artikels also fassen: „Nach Ablauf von .3 Jahren von Durchführung der Gerichts⸗Organisation an können Abänderungen in der Eintheilung der Gerichtssprengel nur im Wege der Gesetzgebung erfolgen.“ Ge kntbpfte sich eine längere Debatte. Der zweite Präsident sprach sich für die Ansicht aus, die Kammer maße sich Befugnisse an, welche ihr keinesweges zuständen. Die angezogene Stelle der Ver⸗ fassung passe hierher nicht, weil jener Richter nur der ordentliche sei, welcher im Verordnungswege aufgestellt werde. Der Staats⸗ Minister der Justiz theilt dieselbe Ueberzeugung. Noch niemals sei der Tit. IV. §. 8 der Verfassungs⸗Urkunde anders interpretirt, noch niemals eine Beschwerde wegen Mißbrauchs erhoben worden; selbst die Kammer könnte kein Interesse daran finden, ob dieser oder jener Ort den Gerichtssitz habe, weil ihr allgemeines Interesse in das der Einzelnen sich nicht verlieren dürfe. Zudem würde eine Abänderung jener Verfassungsstelle eine 5 Majorität verlangen. Reichsrath von Arnold spricht eine entgegengesetzte Ansicht aus; es sei wünschenswerth, daß jedes Mißtrauen gegen die Staatsre⸗ gierung möglichst beseitigt werde, ohne daß er Kronrechten zu nahe treten wolle. Referent von Heintz: Im Allgemeinen lege er für den Augenblick wenig Werth auf diese Streitfrage, weil das vor⸗ liegende Gesetz 3 Jahre lang nur ein provisorisches sei und der Regierung inzwischen die Gewalt eingeräumt bliebe, für zweckmäßig erachtete Einrichtungen zu treffen. Beim Eintritte des Definitivums jedoch stimme er unbedingt für die Ansicht, daß die Kammern im Einverständnisse mit der Regierung ähnliche Abänderungen vornehmen dürften, wenn der Herr Staats⸗Minister sich auf jene Verfassungs⸗ stelle mit der Bemerkung stütze, daß 5 Majorität zur Andersbestim⸗ mung erforderlich seien, so berufe er sich auf das Gesetz vom 1. Juni 1848, demgemäß diese Stelle hier eine solche Gewalt nicht mehr üben könne, weil schon im Prinzip die Unversetzbarkeit selbst jeder einzelnen Richterperson ausgesprochen und anerkannt sei. Um so weniger könnten im Verordnungswege ganze Sprengel anders
abgesetzt werden und sucht diesen Abstrich zu begründen. Kirch⸗ geßner beantragt, es solle den Rechnungsrevisoren an den Kreis⸗ kammern eine ihrer Function echende Stellung verliehen wer⸗ den. Referent von Lerchen so wie der Staatsminister der Finanzen, weisen das Unbegründete des Reinhart'schen An⸗ trages und seiner Motivirung nach. Diesem schließt sich die Ab⸗ . Der Antrag des Abgeordneten Reinhart wird mit
stimmung an.
eingetheilt oder ein anderer Gerichtssitz gewählt werden, um z. B. dem unversetzbaren Richter seine Gerichts⸗Untergebenen zum größten Theil zu entziehen, oder um eine indirekte Versetzung auszusprechen. Der Staats⸗Minister der Justiz: Das Gesetz vom 4. Mai 1848 hat wohl die erste Bestimmung, über die Abänderung der Ge⸗ richtssprengel oder Sitze ist dort nichts zu finden. von Heintz: Meine Behauptung ist nur eine Konsequenz der treffenden gesetz⸗
lichen Bestimmung. Die nun erfolgende Abstimmung ergiebt die
Zustimmung zur ersteren Ansicht, nämlich das Verharren auf dem früheren Beschlusse, mit allen gegen 7 Stimmen. (Schluß folgt.)
Wissenschaft und Kunst. Zur Göthe⸗Literatur. Briefwechsel zwischen Göthe und Reinhard. Stuttgart und Tübingen. J. G. Cottascher Verlag. 1850.
Wer diesen Brieswechsel des deutschen Dichters und weimarischen Mi⸗ nisters mit dem bekannten französischen Staatsmann in der Hoffnung zur Hand nähme, die beiden Freunde besonders ausführlich und bedeutsam über politische Gegenstände verhandeln zu sehen, der würde sich getäuscht, zugleich aber auch reichlich dafür entschädigt sehen. Das Buch enthält verhältniß⸗ mäßig wenig über öffentliche Verhältnisse, um so mehr dagegen über Wissen⸗ schaft und Kunst, über Familien⸗ und Privatleben und über die Freunde der briefwechselnden Persönlichkeiten. In dieser Hinsicht müssen wir den Nachkommen derselben Dank wissen, daß sie sich endlich zur Veröffentlichung des literarischen Schatzes entschlossen haben, die von den Verehrern der bei⸗ den Männer schon lange erwartet worden ist.
Karl Friedrich Reinhard, geborner Württemberger, Beamter der fran⸗ zösischen Republik und des Kaiserreichs, lernte Göthe im Jahre 1807 zu Karlsbad kennen. Das hier geknüpfte Verhältniß, auf solidem geistigen Bo⸗ den fußend, und der briefliche Verkehr dauerten von da an bis zum Tode des Dichters. Das letzte Schreiben Reinhard's ist vom 8. Februar 1832.
Die ersten Briefe beziehen sich vorzugsweise auf die Göthesche Far⸗ benlehre. In sie hatte der Ucheber den Freund eingeweiht, und dieser sucht nun in seinem Kreise dafür Proselyten zu machen. Er schreibt über die neue Theorie an seinen Schwiegervater Reimarus in Hamburg, der jedoch „in aller Höflichkeit den Stab darüber bricht.’“ Er faßt den Plan, von der Götheschen Optik im Institut zu reden und, nach der Anleitung des Meisters, einen Ueberblick über die Geschichte der Wissenschaft zu geben. Mit Delambre verkehrt er mehrsach darüber, findet ihn aber noch zu sehr von dem Respekt vor dem Seher durchs foramen exiguum beherrscht! „Des observations! des expériences! — ruft ihm dieser zu — et surtout ne commengons pas Par Attaqusr Newton!“ — Gleichwohl gesteht er, daß Newton sich in gewisser Beziehung geirrt und Göthe Recht habe. In demselben Brief, in welchem Reinhard diese Nachricht giebt, schreibt er wie ein echter, aber weltkluger Jünger: „Ich werde Paris nicht verlassen, ohne über das, was zu thun ist, im Klaren zu sein und ohne, was für jetzt möglich ist, gethan zu haben. Wir flößen erst Respekt ein durch eine Masse der auffallendsten Beobachtungen, die wir aus Ihren schönen Paragraphen auswählen; wir mischen etwas Geschichte ein; wir werfen im Vorbeigehen hin, daß auch hier sich wieder bestätige, was die gelehrte Welt schon längst wisse: Newton habe sich, und zwar nicht als Mathematiker, aber als Phy⸗ siker, in mehreren seiner Behauptungen über die Farben geirrt; und wenn dann aus der Gährunng ein klares Resultat in der Meinung hervorgegan⸗ gen ist, so suchen und finden wir einen Uebersetzer, und wenn ich's selbst sein sollte.“ Es begreift sich, daß Göthe diese Bemühungen des Freundes für sein damaliges Schoßkind mit dankbarster Anerkennung hinnahm. Reinhard hatte sich zu dem beabsichtigten Vortrag im Institut die nöthigen Mitthei⸗ lungen erbeten; diese kann Göthe nicht sogleich liefern; er verspricht aber, einen Prospekius französisch und deutsch herauszugeben, und bittet den Freund: „hier und da ein gutes Vorurtheil für die Sache zu erre⸗ gen“. Für einen großen Uebelstand hält er es, daß Ha üy, der nach Verdienst im Ansehen stehe und die Gunst des Kaisers habe, in seinem Kompendium der Phvsik die Newtonsche Theorie nächst vielen anderen als ein himmlisches Palladium aufführe und sie zur Norm beim Schul⸗Unterricht in Lyceen aufgestellt habe. Nun wisse er aus Erfahrung, daß ein Gelehrter das, was er einmal habe drucken lassen, nicht leicht wie⸗ der zurücknehme, sondern, wenn er ja eines Besseren überzeugt werde, seine Meinung nur nach und nach verschwinden lasse und eben so nach und nach das Rechte unterschiebe. Da müsse er sehr fürchten, daß die Franzosen, indem sie mit Gewalt die rein weißen englischen Musselins von Häfen und Marktplätzen abhielten, sich noch lange mit jenem schmutz⸗ und aschenweißen theoxretischen Schleier das Haupt verhüllen würden! — Daß diese Befürchtung begründet war, ist bekannt. Die Farbenlehre Göthe's fand bei den Franzosen keinen Eingang. Später ließ sogar der Freund in seinem Dilettanten⸗Eifer etwas nach, und die Farben⸗Theorie trat vor an⸗ deren Gegenständen des brieflichen Verkehrs mehr und mehr zurück. Im Jahre 1818 muß Göthe schreiben: wie gern er sich der Zeit erinnere, da der Freund seiner Farbenlehre Aufmerksamkeit gegönnt habe! Er selbst verharrt hei seiner Thätigkeit und verliert in keiner Weise das Be⸗ wußtsein ihres Werthes. Bei Gelegenheit der entoptischen Farben sagt er z. B.: „In der Behandlung unserer Mathematik⸗Physiker erscheint auch diesmal der alte Fehler: was man am freien, weiten Himmel suchen sollte, das will man durch kleine Löchlein erzwingen; was einem gesunden Auge der Aether giebt, soll durch Maschinen einem Körpersplitter abgenöthigt werden. Wie ich das Urphänomen glaube gefunden zu haben, ist Ihnen nicht unbekannt, wenn Sie meinem ersten Heft: Zur Morphologie, Aufmerk⸗ samkeit gegönnt. Nun aber, hoffe ich, soll mir eine folgerechte Ableitung aller Einzelnheiten gelingen. Auf alle Fälle wird es das Tüpfchen aufs i der phosikalischen Abtheilung meiner Farbenlehre, die, weil sie rein und red⸗ lich gemeint ist, von der Natur auf ewige Zeiten begünstigt werden muß!“
Von allgemeinerem Interesse sind die Ideen und Urtheile, welche die Freunde über Erscheinungen der schönen Literatur und Kunst austauschen. Reinhard ist ein ungewöhnlicher Kenner der neueren deutschen Literatur und ein enthusiastischer Verehrer der Dichtungen Göthe's. Seine Urtheile zeu⸗ gen von feinem Geschmack, es sind die Urtheile eines gebildeten, denkenden Weltmanns, dem nur Höklichkeit und Freundschaft zuweilen Bemerkungen diktiren, die man heutzutage nicht mehr unterschreiben möchte. Der Dichter giebt ihm regelmäßig Nachricht von seinen neuen Werken, fordert sein Vo⸗ tum über sie heraus und beantwortet es mit zum Theil sehr charakteristischen Aeußerungen.
Im Dezember 1809 schreibt er: „Die Wahlverwandtschaften schickte ich eigentlich als ein Cirkular an meine Freunde, damit sie meiner wieder einmal an manchen Orten und an manchen Enden gedächten. Daß die Menge dieses Werkchen nebenher auch liest, kann mir ganz recht sein; ich weiß ja, zu wem ich eigentlich gesprochen habe und wo ich nicht miß⸗ verstanden werde. Mit dieser Ueberzeugung war auch Ihnen das Büchlein adressirt, und Sie sind sehr liebenswürdig, mir zu sagen, daß ich mich an dem neuerworbenen Freunde nicht geirrt habe. Das Publikum, besonders das deutsche, ist eine närrische Karikatur des 6wãog. Es bildet sich wirk⸗ lich ein, eine Art von Instanz, von Senat auszumachen und im Leben und Lesen dieses oder jenes wegvotiren zu können, was ihm nicht gefällt. Da⸗ gegen ist kein Mittel, als stilles Ausharren; wie ich mich denn auch auf die Wirkung freue, welche dieser Roman in ein paar Jahren auf Manchen beim Wiederlesen machen wird. Wenn ungeachtet alles Tadelns und Ge⸗ schrei's das, was das Büchlein enthält, als ein unveränderliches Faktum vor der Einbildungskraft steht, wenn man sieht, daß man mit allem Willen und Wider⸗ willen daran doch i chts ändert, so läßt man sich auch so ein apprehensives Wunder ’— kind gefallen, wie man sich in der Geschichte die Hinrichtung eines alten Königs und die Krönung eines neuen Kaisers gefallen läßt. Das Gedichtete be⸗ hauptet sein Recht, wie das Geschehene.“ — Auf diese doch von einer ge⸗ wissen Mißstimmung zeugende Betrachtung erwiedert Reinhard die tröstlichen Worte, daß das, was der Dichter vom Wiederlesen der Wahlverwandtschaf⸗ ten voraussage, bei ihm bereits eingetroffen sei; worauf er die Hauptgestal⸗ ten des Romans in einer Weise beurtheilt, wie es dem Autor sehr ange⸗ nehm sein mußte. Von Ottilie sagt er: „Dieses liebliche Wesen steht un⸗ ter einer Art von Naturnothwendigkeit, die von ihr auf alle ihre Umgebun⸗ gen ausgeht, durch Anziehen und Zurückstoßen. Sie existirt so zu sagen in einem beständigen Zustand der Magnetisation. Weder in ihrem Wicken, noch in ihrem Leiden ist volles, helles Bewußtsein; sie handelt und empfin⸗ det, sie lebt und stirbt so und nicht anders, weil sie nicht anders kann. Bei Eduard gesteht der Freund: er versehe es freilich darin, daß er sich et⸗ was nachsche. „Aber — fügt er hinzu — wer sieht. sich nicht etwas nach, und wer hätte darum Recht, ihn einen ärmlichen Charakter zu schelten? Der Dichter äußert sich sehr erfreut darüber, daß Reinhard ihm seine „liebe Ottilie“ so echt, gut und freundlich nehme und auch dem Eduard Gerech⸗ tigkeit widerfahren lasse. Ihm selber scheint derselbe „ganz unschätzbar, weil er unbedingt liebt!“ Diesem Urtheil würde freilich auch Reinhard, der den
Eduard nur eben passiren läßt, nicht beigetreten sein. Auch Göthe selbst ist später davon zurückgekommen und hat in einem Gespräch — mit Eckermann, wenn wir nicht irren — zugestanden, daß Eduard allerdings ein „Lump“ sei, allein ein solcher, den er gebraucht habe, um das Faktum, welches er dar⸗ stellen wollte, möglich zu machen. Viel rückhaltloser rühmt der Freund in einem Briefe vom 4. Dezember 1811 „Dichtung und Wahrheit“, und wir finden das, was er sagt, von ihm aus nicht nur begreiflich, sondern können uns auch ganz damit einver⸗ standen erkären. „Niemals — sagt er u. A. — hab' ich eine Schrift mit so viel Liebe und Ruhe mir angeeignet, wie diese; wollüstig schwamm mein Geist mit dem klaren tiefen Strome der Rede fort und genoß der liebli⸗ chen Aussichten auf Vergangenheit und Zukunft; mir (und dies ist man⸗ chem Anderen geschehen) spiegelte sich in ihm das Bild der eigenen Kindheit; und dann doch wieder wie verschieden von den Eigenthümlichkeiten des herr⸗ lichen Knaben, der Göthe ward!. Die zarte Behandlung so man⸗ nigfaltigen Stoffes, die heilige Scheu vor dem Publikum sind Ursache, daß diese Schrist einer Lesewelt angehört, wie vielleicht noch keine sie gefunden hat. Das Kind und der Greis, das Mädchen und die Matrone, der Jüngling und der Mann können sich an dieser milden Sonne wärmen, die Abend⸗ und Morgensonne zugleich ist.“ Auf diese schönen Aeußerungen antwor⸗ tet Göthe im Februar 1812 mit herzlichem Dank und fügt hinzu: „Bei der Art, wie ich die Sache behandle, mußte nothwendig die Wirkung er⸗ scheinen, daß Jeder, der das Büchlein liest, mit Gewalt auf sich selbst und seine jüngeren Jahre zurückgeführt wird. Es freute mich, diese Wirkung, die ich nicht bezweckte, aber doch voraussah, auch an Ihnen so vollkommen erfolgt zu sehen. Am zweiten Bande wird schon viel geschrieben, und in einigen hübschen, ruhigen Monaten wird er wohl zu Stande kommen. Es wird schwer sein, ihm die Mannigfaltigkeit und Anmuth des ersten zu ge⸗ ben. Die Epochen, die er umfaßt, sind cher stockend, als vorschreitend, in⸗ dessen wollen wir unser Mögliches thun, vorzüglich aber auf den dritten Band verweisen, der desto lustiger werden soll.“ — Wie man sich denken kann, war Reinhard unter den Ersten, denen der Autor die folgenden Theile seines „biographischen Scherzes“ zusandte. Er spricht sich darüber mit derselben warmen Theilnahme aus und erquickt sich namentlich an dem dritten Theil. In dem schon erwähnten Briefe vom Februar 1812 meldet Göthe auch, daß er einen Theil des Winters damit zugebracht habe, das Shake⸗ spearische Stück Romeo und Julie „zu konzentriren und diesen in seinen Haupttheilen so herrlich behandelten Stoff von allem Fremdartigen zu rei⸗ nigen, welches, obgleich an sich sehr schätzbar, doch eigentlich einer früheren Zeit und einer fremden Nation angehörte, die es gegenwärtig selbst nicht nehr brauchen könne.“ Man weiß, daß diese „Reinigung“ der Shakespeare⸗ schen Tragödie dem deutschen Dichter nicht so ganz gelungen ist, und daß r nicht nur Mehreres gestrichen, was wir bei der Aufsührung nur höchst ungern entbehren würden, sondern auch Verschiedenes eingelegt hat, was sich durchaus fremdartig darin ausnimmt, weil es das eigenthümlich vor⸗ nehme Gepräge des damaligen Göthe trägt. Die berliner Bühne hat Recht gethan, von der Götheschen Bearbeitung zu der wenig modiftzirten Schle⸗ gelschen Uebersetzung zurückzukehren.
Reinhard war nicht blind sür die schwächere Seite der Götheschen Poesie, er fand es jedoch billig, gegen den Freund sich so mild als mög⸗ lich darüber auszusprechen. Die Behandlung von Charakteren und Bege⸗ benheiten, die in die französische Revolution einschlagen, scheint ihm bei Göthe mehr eine Liebhaberei so nebenher, als eine entschiedene, den ganzen Gegenstand zu üumfassen strebende Richtung! In Bezug auf die „Natürliche Tochter“ fragt er: „Was soll das schöne Ebenmaß Ihrer Figuren, dieser Kanon der Charaktere und Stände zu jenen konvulsivischen Verzerrungen?“ Der Staatsmann, der mitten in dieser Revolution gelebt hatte, wußte, daß die von Göthe gewählte Form nicht fähig war, ein rich⸗ tiges Bild von jener Zeit zu geben, — daß auf solchem Wege statt indi⸗ vidueller Menschen, die sich als Repräsentanten historisch bestimmter Gegen⸗ sätze bekämpfen, nur idealisirte Typen hervorgebracht werden können, die sich in abstrakten (wenn auch von der Geschichte abstrahirten) Verhältnissen be⸗ wegen. Wir können überhaupt bemerken, daß Reinhard von den späteren poetischen Werken des Freundes nicht mehr so erbaut war, mie von den früheren, obwohl er ihren besonderen Werth erkannte und der produzirenden Thaͤtigkeit des Dichters immer mit vollem Interesse solgt. Das Lob, das er über die „Pandora“ ausspricht, klingt mehr höflich als begeistert, und ähn⸗ lich würde wohl auch das briefliche Urtheil über den zweiten Theil des Faust geklungen haben, wenn derselbe noch bei Lebzeiten des Dichters erschienen wäre. Der Abschluß dieser Dichtung erfolgte bekanntlich im Jahre 1831. Göthe schreibt darüber: „Ich wußte schon lange her, was, ja sogar, wie ich's wollte, führte aber nur die einzelnen Stellen aus, die mich von Zeit zu Zeit anlachten. Nun bedurft' es zuletzt einen recht tüchtigen Entschluß, das Ganze zusammenzuarbeiten; ich bestimmte fest in mirn: des müsse vor meinem Geburtstag geschehen sein. Und es war in der Hälfte des Augusts, daß ich nichts mehr daran zu thun wußte, das Manuskript einsiegelte, da⸗ mit es mir aus den Augen und aus allem Antheil sich entfernte. Nun mag es dereinst die spezifische Schwere der folgenden Bände meiner Werke vermehren, wie und wann es damit auch werde. Mein Wunsch ist, daß es Ihnen zu guter Stunde in die Hand kommen möge. Aufschluß erwarten Sie nicht; der Welt⸗ und Meuschengeschichte gleich, enthüllt das zuletzt aufgelöste Problem immer wieder ein neues, aufzulösendes.“ In dem näch⸗ sten Schreiben fragt Reinhard an: wann der vollendete Faust erscheinen werde; allein er erhält keine Antwort; der Brief mit jener Nachricht über den zweiten Theil war der letzte des Dichters.
Sehr charakteristisch und über ihre Denkweise aufklärend sind auch die Bemerkungen der Freunde über bedeutende Zeitgenossen und ihre Leistungen. Vor Allem sehen wir in diesen Briefen die Entstehung und den Fortgang des Verhältnisses zwischen Sulpiz Boisserée und Göthe und hören diesen seine Meinung über die neuen Kunstbestrebungen im Anfang unseres Jahrhunderts aussprechen. Im April 1810 schreibt Reinhard aus Hassel: „Sulpiz Boisserée, Miterbe des sehr angeschenen kölner Handelshauses Nikolaus de Tongres, hat sich, statt der Ziffern, unter das Panier eines freien Studiums der freien Künste begeben, ist durch eine in Paris gestif⸗ tete Bekanntschaft halb Mäcen, halb Schüler und Jünger von Friedrich Schlegel geworden und lebt seit einigen Monaten in Heidelberg. Er ist Besitzer einer sehr merkwürdigen Sammlung altdeutscher Gemälde, die er vom Untergang gerettet hat, und von denen ich glaube Ihnen schon ge⸗ schrieben zu haben. So, durch verschiedene Impulsionen, ist er zu einer Unternehmung geführt worden, die ihm Ehre macht, und für die Sie sich gewiß interessiren werden. Er gedenkt nämlich eine Beschreibung der Dom⸗ kirche zu Köln und ihrer Alterthümer nebst der Geschichte ihres Baues herauszugeben. Die Zeichnungen, von der Hand eines geschick⸗ ten Künstlers, Quaglio aus München, liegen bereits fertig und haben in Frankfurt und Heidelberg allgemeinen Beifall gefunden.“ Boisserée wünscht die persoönliche Bekanntschaft Göthe’'s zu machen und ihm die Zeichnungen vorzulegen, und Reinhard fragt im Namen seines jungen Freundes bei dem Dichter an, wann ihm der Besuch gelegen wäre. Göthe kann diesen wegen zusammenkommender Geschäfte nicht so⸗ gleich annehmen, Boisserée schickt ihm daher die Zeichnungen, und der alte Kenner urtheilt über sie mit großem Lobe, obwohl er die leidenschaftliche Bewunderung dieser Baukunst nicht theilen und nicht allen Meinungen des jungen Mannes beistimmen kann. U. A. schreibt er, den Ansichten seiner Jugend sehr entgegen: „Am wunderbarsten kommt mir der deutsche Pa⸗ triotismus vor, wenn er diese offenbar sarazenische Pflanze als aus seinem Grund und Boden darstellen möchte. Doch bleibt im Ganzen die Epoche, in welcher sich dieser Geschmack der Baukunst von Süden nach Norden ver⸗ breitete, immer höchst merkwürdig. Mir kommt das ganze Wesen wie ein Raupen⸗ und Puppenzustand vor, in welchem die ersten italienischen Künst⸗ ler auch gesteckt, bis endlich Michel Angelo, indem er die Peterskirche kon⸗ zipirte, die Schale zerbrochen und als wundersamer Prachtvogel sich der Welt dargestellt hat.“ Nachdem er die Zeichnungen gesehen, wünscht Göthe den Besuch Boisserée's; damit es aber nicht ein verdrießliches Verhältniß zwi⸗ schen ihnen gebe, will er gleich sagen, wie er's meine. Er schreibt Rein⸗ hard: Was Boisserée mit seinen Künstlern geleistet, könne man ohne Be⸗ dingung loben. Die Behandlung des Gegenstandes sei trefflich: der Ge⸗ genstand selbst aber nur an seiner Stelle schätzenswerth, als ein Dokument einer Stufe menschlicher Kultur. „Betrachten freilich — setzt er hinzu — diese guten jungen Leute nicht einen solchen Mittelzustand als den obersten und letzten, wo sollten sie den Muth zu einer so unendlich mühsamen Ar⸗ eit hernehmen? Wenn der Ritter seine Schöne nicht für die schönste und einzige hielte, würde er Drachen und Ungeheuer um ihretwillen bekäm⸗ pfen?“ Am klarsten und bestimmtesten spricht er endlich seine Meinung aus, wenn
und überhaupt nach Veraltetem recht gern gelten lassen, weil wir sie vor 30 bis 40 Jahren ja auch gehabt haben, und weil ich überzeugt bin, daß etwas Gutes daraus entstehen wird; aber man muß mir nur nicht damit glorios zu Leibe rücken. Die Neigung der Jugend zu dem Minelalter halte ich für einen Uebergang zu höheren Kunstregionen, daher verspreche ich mir viel Gutes davon. Jene Gegenstände fordern Innigkeit, Naivetät, Detail und Ausführung, wodurch denn alle und jede Kunst verbreitet wird. Es brancht freilich noch einige Lustra, bis diese Epoche durchgrarbeitet ist, und ich halte dafür, daß man ihre Entwickelung und Auflösung weder beschleu⸗ nigen kann noch soll. Alle wahrhaft tüchtigen Individuen werden dieses Räthsel an sich selbst lösen.“
Im Frühjahr 1811 besucht Boisserée den Dichter in Weimar und macht einen sehr guten Eindruck auf ihn. „Der junge Mann — heißt es in einem Briefe vom 8. Mai — gefällt mir sehr wohl, und ich komme sehr gut mit ihm zurecht. Denn ein bedeutendes Individuum weiß uns immer für sich einzunehmen, und wenn wir seine Vorzüge anerkennen, so lassen wir das, was wir an ihm problematisch finden, auf sich beruhen, ja, was uns an Gesinnungen und Regungen desselben nicht ganz gemäß ist, ist uns wenigstens nicht zuwider: denn jeder Einzelne muß ja in seiner Eigenthüm⸗ lichkeit betrachtet werden, und man hat neben seinem Naturell auch noch seine früheren Umgebungen, seine Bildungsgelegenheiten und die Stufen, auf denen er gegenwärtig steht, in Anschlag zu bringen. So geht es mir mit diesem, und ich denke, wir wollen in Frieden scheiden.“ „Ueberhaupt — fährt er fort — wenn man mit der Welt nicht ganz fremd werden will, so muß man die jungen Leute gelten lassen für das, was sie sind, und muß es wenigstens mit einigen balten, damit man erfahre, was die übrigen neiben. Boisserée hat mir
ein halb Dutzend Federzeichnungen von einem jungen Manne, Namens Cornelius, der sonst in Düusseldorf lebte und sich jetzt in Frankfurt aufhält und mit dem ich früher durch unsere Ausstellung bekannt geworden, mitgebracht, die wirklich wundersam sind. Es sind Scenen, nach meinem Faust gebildet. Nun hat sich dieser junge Mann ganz in die alte deutsche Art und Weise vertieft, die denn zu den Faustischen Zuständen ganz gut passen, und hat sehr geistreiche, gut gedachte, ja oft unübertrefflich gluͤck⸗ liche Einfälle zu Tage gefördert, und es ist sehr wahrscheinlich, daß er es noch weit bringen wird, wenn er nur erst die Stufen gewahr werden kann,
die noch über ihm liegen.“
Wir freuen uns, daß Goethe das Talent des Meisters Cornelius so früh gewürdigt und daß er so richtig über ihn prophezeiht hat, um so mehr, als derselbe gegenwärtig bei uns mit der Ausführung eines Werkes be⸗ schäftigt ist, in welchem der Dichter die auf ihn gesetzten Hoffnungen eben am vollkommensten erfüllt gesehen haben würde. 1 1 In Bezug auf Boisserée äußert Göthe noch in einem folgenden Schreiben: „Mit tüchtigen Menschen fährt man immer besser gegenwärtig, als abwesend: denn sie kehren entfernt immer die Seite hervor, die uns entgegensteht, in der Nähe jedoch findet sich bald, inwiefern man sich ver⸗ einigen kann Ich gestehe gern, daß in seinem Umgang jene für mich schon verblichene Seite der Vergangenheit sich wieder aufgefrischt, daß ich Manches durch ihn erfahren, und daß ich seine Behandlungsart gar wohl zu billigen Ursache habe. Ueberhaupt hat er auch bei uns, sowohl bei Hofe, als in der Stadt, durch seine Persönlichkeit sehr guten Eindruck ge⸗ macht, so wie auch durch seine Zeichnungen. Daß er mir als ein natur⸗ licher, gebildeter und einsichtsvoller Mensch sehr wohl gethan, brauch ich kaum zu sagen, aber das will ih noch hinzufügen, daß er als Katholik mir sehr wohl gefallen hat; ja ich hätte gewünscht, noch genauer einzu⸗ sehen, wie gewisse Dinge bei ihm zusammenhängen.“
Man weiß, daß Göthe das Boissersesche Unternehmen dem deutschen Volke in einer näher eingehenden Darstellung empfahl. Reinhard schreibt dem Dichter, daß Boisserée darüber triumphire, und Göthe antwortet: „Daß ich Boisserée etwas Freundliches erzeigen konnte, war mir sehr angenehm; ich habe es von Herzen und mit ganzer Ueberzeugung gethan. Sobald ich ihn und seine Bemühungen durch Ihre Vermittelung kennen lernte, hatte ich mir vorgesetzt, was ich nun ausführte. Ein Enthusiasmus für einen spezialen Gegenstand, wie doch auch dieser ist, findet sich sehr selten ohne Zuthat von etwas Fratzenhastem, wovor jedoch Sulpiz durch einen reinen frommen Sinn, eine wackere Weltkenntniß und überhaupt eine höhere Kul⸗ tur geschützt wird. Ich erhielt in diesen Tagen einen allerliebsten Brief von ihm, der so recht von Grund aus gediegen ist.“ — So führte ein
Verkehr, auf den sich der Dichter anfangs nur mit zweifelndem Muthe
und einer gewissen Resignation eingelassen hatte, zuletzt doch zu einem schö⸗
nen und herzlichen Verständniß! b Wir haben gesehen, daß Boisserée von Reinhard als Schüler und
men. Unsere Zei 1— „2b 8 seiner dernnh. bat 1n. Bhug uf be 8 . F 8 886 Rückwendung zum Mittelalter, 8 Kathoi facans 8a 2er 5 Zweck hatte, daß sie von dem Geist der “
“ eist der Geschichte gewollt war, und daß
mithin die Religions⸗Uebertritte im Wesentlichen nur aus dem 2 Herzens, nur aus innerlicher Neigung zu einer emmien F 8. 3%G 5 9 8 „ —₰. 8 giösen Lebens zu erklären sind. Die Folgezeit wird den Zwec je cch⸗ tung genau darstellen und ihren verhältnißmäßigen Nutzen für 8* 5 Kultur der Menschheit nachzuweisen haben. 1,“ Von anderen enßsrn en über literarische Persönlichkeiten dürfte vor Allem ein artiges Wort über Montesquieu werth sein, festgehalten zu werden. Göthe schreibt, daß dieser Autor ihn in Erstaunen gesetzt babr und fügt hinzu: „Die ganze Geschichte unserer Zeit steht buchstäblich in seinem Werke. So finden die Aerzte schon im Hippokrates diejenigen Krank⸗ heiten genau beschrieben, an denen sie ihre Patienten immerfort sterben lassen!“ — In einem Briefe vom 5. März 1821 wird Hegel gerühmt und gemelbdet, daß dieser „wundersam scharf⸗ und feindenkende Mann seit geraumer Zeit Freund seiner physischen Ansichten überhaupt, besonders auch der chromatischen sei und bei Gelegenheit des entoptischen Aufsatzes sich so durchdringend geäußert habe, daß ihm (Göthe) seine Arbeit durchsichtiger als vorher vorgekommen.“ (Ein Auszug aus dem Briefe Hegel's ist beige⸗ geben.) — Eckermann wird im Jahre 1824 dem Freunde empfohlen als „ein junger, bedeutender Heranköm mling, der sich mit aufrichtiger Nei⸗ gung an seinem Thun, Schreiben, Treiben und Lassen ausgebildet habe und ihm gegenwärtig bei Redaction der vielfachsten Papiere treuen Beistand leiste.“ — Bekannt ist, welche Vorliebe Göthe in seinen letzten Jahren der ausländischen Literatur, namentlich der französischen, zugewendet hat. Im Mai 1820 schreibt er dem Freunde, der ihn auf eine sehr anerkennende Kritik seiner Werte im Globe aufmerksam gemacht: „Daß die Herren vom Globe mir wohlwollen, ist ganz billig, denn ich bin wirklich für sie eingenommen. Man wird eine Gesellschaft junger energischer Männer in einer bedeuten⸗ den Stellung gewahr; ihre Hauptzwecke glaube ich zu begreifen, ihr Be⸗ nehmen ist klug und kühn. Freilich macht in Frankreich die nächste Ver⸗ gangenheit aufmerken und erregt Gedanken, zu denen man sonst nirgends gelangen würde. Doch hat mich gefreut, einige meiner geheimen und ge⸗ heim gehaltenen Ueberzeugungen ausgesprochen und genugsam kommentirt zu sehen. Ich werde nicht aufhören, Gutes von diesen Blaͤttern zu sagen; sie sind das Liebste, was mir jetzt zu Handen kommt; werden geheftet, rück⸗ und vorwärts gelesen. Auch hahben sie mir in den letzten Stücken zur Einlei⸗ tung in die interessanten Hefte des Herrn Consin gedient, indem sie mir deutlich machten, zu welcher Zeit, auf was Art und Weise und zu welchen Zwecken jene Vorlesungen gehalten wurden. Was auf mich besonders er⸗ freulich wirkt, ist der gesellige Ton, in dem Alles geschrieben ist. Man sieht, diese Personen denken und sprechen immerfort in großer Gesellschaft, wenn man dem besten Deutschen immerfort die Einsamkeit abmerkt und jederzeit nur eine einzelne Stimme vernimmt.“ Im Juni 1829 meldet der nahezu 80jährige Mann, daß er seit einiger Zest in das Lesen französischer Bücher beinahe ausschließlich versenkt worden sei. Er fährt fort: „Es ist wirklich wundersam, wie hoch sich der Franzose geschwungen hat, seitdem er aufhörte, beschränkt und ausschließend zu sein. Wie gut kennt er seine Deutschen, seine Engländer, besser als die Nationen sich selbst; wie bestimmt schildert er in jenen die eigennützigen Weltmenschen, in diesen die gutmüthi⸗ gen Privatleute. Auch der Globe, wenngleich seine spezial⸗politische Tendenz uns eine etwas unbehaglichere Ansicht giebt, bleibt mir gleichfalls lieb und werth. Man braucht ja mit vorzüglichen Menschen nicht durchaus einig zu sein, um Neigung und Bewunderung für sie zu empfinden.“ Am Schluß des Briefes heißt es: „Sehr bewegt und wundersam wirkt die Weltlite⸗ ratur gegen einander; wenn ich nicht sehr irre, so ziehen die Franzosen in Um und Uebersicht die größten Vortheile davon; auch haben sie schon ein gewisses selbstbewußtes Vorgefühl, daß ihre Literatur, und zwar noch in einem höheren Sinne, denselben Einfluß auf Europa haben werde, den sie im achtzehnten Jahrhundert sich erworben.“
Diese besonders günstige Meinung von den Franzosen wird man dem Dichter in Briefen an einen französischen Gesandten zu Gute halten, wenn man sich erinnert, daß er die höhere Mission des deutschen Volkes gleich⸗ falls erkannt und mit großer Entschiedenheit hervorgehoben hat.
Man kann sich denken, daß in dem Buche mancherkei über fürstliche Personen, mit denen die Freunde in Berührung kamen, und über andere öffentliche Charaktere bemerkt ist. Wir glauben vor Allem eine Stelle aus dem Briefe ausheben zu müssen, worin Göthe im Jahre 1827 uüber die Feier der Verlobung des Prinzen Karl von Preußen mit der Prin⸗
Jünger Friedrich Schlegel's eingeführt wird. Ueber di fi 1
in dem Briefwechsel gleichfalls bepen etbe eHesäeh die 11c 18 dürfen, da die beiden Freunde ihr Verhältniß zu dem Standpunkt dieses Mannes sehr genau darin bezeichnen. In einem Briefe vom 4. Mai 1808 meldet Reinhard, daß Fr. Schlegel feierlich zur katholischen Religion über⸗ getreten sei, und fügt hinzu: „Da ich den weiten Umfang kannte, den Herr Schlegel sonst dem Worte Religion gab, so war mir, trotz aller Anzeichen, nicht in den Sinn gekommen, daß er es fün sich auf den Katholizis mus einengen würde, und ich begriff nicht, wie dieses feiste Dr. Luthers⸗Gesicht irgend eine innere rechtliche Veranlassung zu einem solchen Schritt haben könnte Daß der paradorale, zum Ungemeinen mit verbitterter Eigen⸗ liebe strebende Mensch die katholische Religion vorziehen könnte, schien uns sehr begreiflich; aber daß er dazu übertreten würde, daran dachten wir nicht. Davon glaub' ich wenigstens ihn freisprechen zu können, daß die Impul⸗ sion, die ihn trieb, vom großen Mittelpunkt aller heutigen Impulsionen ausgegangen sei; seine wahre Absicht wird die Zeit enthullen. So sehr heutzutage der Protestantismus ohne inneren Halt dasteht, um so mehr bedarf er eines gemeinschaftlichen Halts gegen außen, und Menschen, die so leichtsinnig unter die Knechtschaft zurückkehren, scheinen mir Verbrecher gegen die Menschheit. Aber es scheint nun einmal, die allgemeine Gäh⸗ rung unserer Zeit habe auch dieser Form ihren schnellen Sturz bereitet; nur wird ganz gewiß, trotz Herrn Schlegel, auch jene andere Form die ver⸗ altete bleiben.“ — Göthe erwiedert, Fr. Schlegel sei in Weimar bei ihm gewesen, und bemerkt in Bezug auf das von Reinhard gemeldete Ereigniß: „Ich hatte kurz vorher seine Rezension meiner vier Bände gelesen, das Erste, was mir seit langer Zeit von ihm zu Gesicht gekommen war. Sie hatte mir viel Vergnügen gemacht: denn obgleich ich selbst am besten wissen muß, wo in meinem Stall die Zäume hängen, so ist es doch interessant, sich mit einem verständigen, einsichtsvollen Manne über sich selbst zu un⸗ terhalten, und ein scharfsichtiger Fremder, der in ein Haus tritt, bemerkt oft, was der Hausherr aus Nachsicht, Gewohnheit oder Gutmüthigkeit über⸗ sieht und ignorirt. Allein da ich nachher eine Rezension von Adam Mül⸗ ler's Vorlesungen durchgelesen, Schlegeln selbst gesprochen und sein Büch⸗ lein über Sprache und Geist der Indier näher angesehen, so ist meine Zu⸗ friedenheit einigermaßen gemindert worden, weil doch aus Allem gar zu deutlich hervorgeht, daß die sämmtlichen Gegenstände, die er behandelt, ei⸗ gentlich nur als Vehikel gebraucht werden, um gewisse Gesiunungen nach und nach ins Publikum zu bringen und sich mit einem gewissen ehrenvollen Schein als Apostel einer veralteten Lehre darzustellen. Ich begreife nun erst die Rezension meiner Arbeiten und sehe wohl ein, warum Manches so übermäßig ins Licht gehoben, Anderes in den Schatten zurückgedrängt ward; die Absichtlichkeit von jeder Zeile wurde klar, meine Einsicht aber ward vollkommen, als ich Seite 97 des indischen Büchleins den leidigen Teufel und seine Großmutter mit allem ewigen Gestanksgefolge auf eine sehr geschickte Weise wieder in den Kreis der guten Gesellschaft hineinge⸗ schwärzt sah. Ich werde nun eine Zeitlang, was ich von ihm habhaft werden kann, mit Aufmerksamkeit lesen, um zu sehen, wie ein Mann dieser Art immer derber auftritt.“ — Reinhard antwortet: „Das Beziehungs⸗ volle in allen neuesten Arbeiten Schlegel's haben Sie sehr richtig bemerkt. Es beweist die fire Idee, und so köͤnnte am Ende der Mensch um des Narren willen bei Ehren bleiben. Eben weil ich die Narrheit nicht begrei⸗ fen konnte, war mir der Mensch so lange unerklärlich geblieben. Alle seine Urtheile, selbst in den unbedeutendsten Dingen, waren konzentrisch auf jenen Mittelpunkt. Auf Werner um seines Luther’s willen hatte er und seine Schüler einen grimmigen Haß geworfen. Ein Trauerspiel von Schlegel, Karl V., sollte das Gegenstück werden. Dazu wurden schon in Köln Bü⸗
cher aus öffentlichen Bibliotheken verschrieben, und ich höre nun, daß diese Arbeit ihn vorzugsweise in Wien beschäftigt, wo ihm zu diesem Behufe die Archive geöffnet worden sind. Wie viel in dieser sonderbaren Geschichte
Plan sei, ist mir unmöglich, zu bestimmen; aber ich glaube, der Literator werde dem Sektenstifter immer im Wege stehen.’“”)
Es ist wohl kaum nöthig, zu bemerken, daß wir diesen Aeußerungen,
er sagt: „Ich vill diese ganze Rückwendung nach dem Mittelalter
die wir als bedeutsame mitgetheilt haben, nicht in allen Punkten beistim⸗
zessin Marie von Sachsen⸗Weimar berichtet. „Braut und Bräu⸗ tigam, jung, schön, liebenswürdig und liebend, würden in jeden Verhält⸗ nissen Heiterkeit verbreitet haben und sind uns desto erwünschter in einer höheren Sphäre, wo die ganze Constellation zugleich auf schöͤne äußere Be⸗ züge und auf ein inneres Behagen hindeuten. Drei hinter einander ge⸗ frierte Geburtstage, Hoftafel, Konzert und Bälle und durch die besondere Gunst des Winters Schlittenfahrten mit aller Lust und Schmuck erhielten Jung und Alt in kreisender Bewegung, wodurch denn auch meine Einsie delei gelegentlich berührt und besucht wurde..... Von Ihro Königl. Hoh dem Kronprinzen sage ich mit Wenigem, daß er auf mich einen voll⸗ kommen angenehm günstigen Eindruck gemacht und mir den Wunsch hinterlassen hat, ihn früher gekannt zu haben und länger zu ken⸗ nen. Die drei Herren Gebrüder, von meinem Fürsten eines Morgens mir zugeführt, sah ich mit Freude und Verwunderung. Man kann einem Kö⸗ nige Glück wünschen, drei verschiedenartige wohlgebildete Söhne (mit einem vierten, den ich noch nicht kenne) vor sich heranwachsen zu sehen. Sie ha⸗ ben ein ganz frisches Leben in unseren Cirkel gebracht, und das Behagen unseres Großherzogs an ihnen und dem neueingeleiteten Verhältniß war nur mit Rührung anzusehen.“ — Briefe aus dem Jahre 1812 thun in sehr rühmender Weise der Kaiserin von Oesterreich Erwähnung. Göthe lernt dieselbe in Karlsbad kennen und schreibt u, A.: „Eine solche Erschei⸗ nung gegen das Ende seiner Tage zu erleben, giebt die angenehme Empfin⸗ dung, als wenn man bei Sonnenaufgang stürbe und sich noch recht mit inneren und äußeren Sinnen überzeugte, daß die Natur ewig produktiv, bis ins Innerste göttlich lebendig, ihren Typen getreu und keinem Aller unter⸗ worfen ist.“
Wir haben nun zum Schluß noch zusammenzustellen, was der Brief⸗ wechsel an Nachrichten über die persönlichen Verhältnisse und Erlebnisse der beiden Freunde enthält, und wir werden damit auch am besten ihre politi⸗ schen Aeußerungen verbinden können.
Zu der Zeit, wo Reinhard die Bekanntschast Göthe's machte, hatte er keine amtliche Stellung. Der Fürst von Benevent, sein Gönner, ließ ihn eine solche hoffen, und Reinhard begab sich aus diesem Grunde nach Pa⸗ ris. Als sich aber Schwierigkeiten zeigten, entschloß er sich, das ehemalige Jagdschloß Falkenlust bei Bonn zu kaufen und zu warten, bis die Stelle ihn suche. In der That sucht sie ihn nicht lange darauf: Napoleon ernennt ihn im Spätjahr 1808 aus eigenem Antrieb zum Gesandten in Kassel. Er bleibt hier bis zur Entscheidung des Jahres 1813. Obwohl er seine deutsche Gesinnung nicht verleugnet, so fügt er sich doch in die Verhältnisse. Er meint in einem Briefe von 1810 sogar: „Unsere olla potrida von Königreich kann mit der Zeit ein recht schmackhaftes Gericht werden.“ Da er sich aber den Mächtigen gegenüber nichts vergiebt, so fühlt er das Unsichere seiner Stellung und schreibt im Jahre 1811;Wie jener persische Hofmann sich jeden Morgen an den Kopf griff, um zu sehen ob er noch auf seinen Schultern stände, so lese ich auf jeder Depesche meine Adresse, um zu erfahren, ob hinter meinem Namen noch ein Titel stehe.“ Im Mai 1812 scheint ihm ans mehreren kleinen Anzeichen her⸗ vorzugehen, daß sein Aufenthalt in diesen Gegenden vielleicht nicht mehr von sehr langer Dauer sein werde! Er meint jedoch, er hätte lange ge⸗ nug gedauert, wenn so lange, als die Existenz eines Königreichs! Nach dem Sturze Napoleon's tritt Reinhard in die Dienste Ludwig's XVIII geht mit ihm in den hundert Tagen nach Belgien und erhalt später in Falkenlust einen viermal wiederholten Ruf desselben, seine Geschäfte wieder zu übernehmen. Schon vorher hat Napoleon an ihn schreiben und ihn zur Rückkehr nach Frankreich förmlich einladen lassen. Reinhard schlägt Beides aus und faßt den Entschluß, „künftig Deutschland wieder anzuge⸗ hören und dem fremden Lande zu entsagen, wo „wissend, schauend unver⸗ wandt seine Kassandra ihr Geschick vollendet hat.“ Sein Sinn ändert sich indeß, und er übernimmt die Stelle eines französischen Gesandten beim Bundestage. In Folge des bekannten Ministerwechsels wird er 1829 von seinem Posten in Frankfurt abberufen unter Verleihung des Großkreuzes der Ehrenlegion. Er schreibt: „Ich verlasse nun Deulschland. Das Schick⸗ sal wollte, daß das Geburtsland meine Heimat bleiben, das gewählte