verfolgt werden, wird durch Schwurgerichte geurtheilt. (S. 29.) Es steht Jedem frei, seinen Beruf zu wählen und sich für denselben auszubilden, wie und wo er will. Art. 30. Jeder hat das Recht, für sich und im Verein mit Mehreren An⸗ träge und Vorstellungen schriftlich bei den Behörden und dem Landtag einzureichen. Dasselbe Recht steht allen Corporationen zu⸗ Petitionen unter einem Gesammtnamen sind nur Behörden und Corporationen gestattet. Art. 31. (§S. 36, 37, 38.) Wer sich durch gesetz⸗ und ordnungswidriges Verfahren einer Behörde oder durch Verzögerung einer Entscheibung verletzt hält, ist befugt, beschadet der Grundsätze über die Rochtskraft von richterlichen 8 theilen und Administrativ⸗Entscheidungen, bei der unmittelbar gesetzten Behörde Beschwerde zu erheben und dieselbe nöthigenfal stufenweise bis zur höchsten Staatsbehörde zu verfolgen. Im Falle der Abweisung sind die Gründe des Urtheils mitzuthri⸗ len. Glaubt sich der Beschwerdeführer auch bei der Entschei⸗ dung der obersten Staatsbehörde nicht beruhigen zu können, so 8 er die Beschwerde dem Landtag mit der schriftlichen Bitte um Ver⸗ wendung vortragen. Findet die Versammlung, daß jere Stufen⸗ folge beobachtet worden und daß die Beschwerde eine Berücksichti⸗ gung verdient, so ist ihr zum Behufe einer etwaigen Verwendung von der Regierung die nöthige Auskunft zu ertheilen. Bei dem Heere darf das Petitions⸗ und Beschwerderecht nur nach Maßgabe der Disziplinar⸗Vorschriften ausgeübt werden. Art. 32. Die Saatsbürger haben das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Die Ausübung dieses Rechts unterliegt den Bestim⸗ mungen der Gesetze. Volks⸗Versammlungen unter freiem Himmel können bei dringender Gefahr für die öffentliche Ord⸗ nung und Sicherheit verboten werden. Art. . Fif Staatsbürger haben das Recht, unter Beobachtung der ge⸗ setzlchen Bestimmungen Vereine zu bilden. Dieses Recht soll durch keine vorbeugenden Maßregeln beschränkt werden. Die Ertheilung von Corporationsrechten steht der Staats⸗Regierung zu. Die Theilnahme von Angehörigen des Heeres an Versammlungen und Vereinen darf nur insoweit stattfinden, als die militairischen Disziplinar⸗Vorschriften nicht im Wege stehen. Art. 34. (§. 30.) Das Eigenthum ist unverletzlich. Niemand kann gezwungen wer⸗ den, sein Eigenthum und sonstige Rechte anders, als aus Rücksich⸗ ten des gemeinen Besten und gegen gerechte Entschädigung abzu⸗ treten. Die näheren Bestimmungen über die Gründe der Enteignung und das dabei zu beobachtende Verfahren sind Gegenstand der Gesetzge⸗ bung. Das geistige Eigenthum ist gesetzlich zu schützen. Art. 35. Aller Le⸗ hensverband ist aufzuheben. Das Nähere über die Art und Weise der Ausführung bleibt der Gesetzgebung vorbehalten. Art. 36. (§. 31.) Ausschließliche Handels⸗ und Gewerbs⸗Privilegien, sei es ür den Staat oder für Einzelne, können nur in Folge eines Ge⸗ — ertheilt werden. Dem Ermessen der Regierung bleibt es über⸗ lassen, nützliche Erfindungen durch Patente zu deren ausschließlicher Benutzung bis auf die Dauer von zehn Jahren zu belohnen. (Fortsetzung folgt.)
Stuttgart, 8. Sept. (D. Ztg.) Wir erfahren so eben den Inhalt des morgen öffentlich zu verkündenden Urtheils pes Sctaatsgerichtshofes. Herr von Wächter⸗Spittler ist mit 8 gegeu 4 Stimmen (Pfizer, Steudel, Uhland, Zeller) freigesprochen.
Baden. Freiburg, 6. Sept. (D. Z.) Die Großherzogl. Re⸗ gierung dahier hat an sämmtliche Aemter des Oberrheinkreises * Ausschreiben erlassen, worin diese aufgefordert W“ a 88 ihnen zu Gebot stehenden Mitteln dem Uebel der Trun sucht und der Nachtschwärmerei entgegenzuwirken. Der sehr beachtungswerthe
lautet wie folgt: 1 der cc übel, an welchem die menschliche Gesellschaft gegenwärtig leidet, ist die gesteigerte Genußsucht, und eine der all⸗ gemeinsten und nachtheiligsten Aeußerungen dieser Genußsucht, das übermäßige Trinken. Der Trunkene wie der Trunksüchtige ist eine leichte Beute aller sinnlichen Leidenschaften und aller derer, welche verwerfliche Pläne verfolgen. Vielfach ist, und nicht mit Unrecht, bemerkt worden, daß die Verführung zum Trunke der Haupthebel war, durch welchen der letzte Aufruhr im Großherzogthum zum Ausbruch geführt wurde. Es ist für die Ruhe und Ordnung, für den religiösen, sittlichen und ökonomischen Zustand der Gesell⸗ schaft von der höchsten Wichtigkeit, daß der Hinneigung zum Trunke und dem Laster der Trunkenheit mit unermüdlichem Eifer entgegen⸗ gewirkt werde, und daß, soweit durch Belehrung und Stärkung des religiösen und moralischen Gefühls das Ziel nicht erreicht wer⸗ den kann, die Polizeigewalt ihr Amt handhabe. An hierher be⸗ züglichen Verordnungen fehlt es nicht sowohl, als, wie sich sogar neuerdings wiederholt ergeben hat, in gar manchen Orten an der gehörigen Handhabung derselben. — Die Großherzoglichen Aemter werden in Gemäßheit obigen Erlasses aufgefordert, dafür zu sor⸗ gen, daß dem hier bezeichneten Uebel mit allen zu Gebote stehenden Mitteln schärfstens entgegengetreten und gegen Nachtschwärmer und Trunkenbolde mit aller Strenge des Gesetzes eingeschritten werde. Die Dienstnachlässigkeit der Ortsvorstände und Ortspolizeidiener, welche es an der gehörigen Ueberwachung fehlen lassen, ist auf die geeignete Weise zu ahnden. Hauptsächlich aber ist jede Wirthschaft, in welcher ordnungswidrige Gelage geduldet und geistige Getränke bis zum Uebermaß verabreicht werden, zu schließen und nöthigen⸗ falls die Entziehung der Wirthschafts⸗Gerechtigkeit zu veranlassen.
Hessen. Aus Kurhessen, 5. Sept. [O. Ztg.) ;ie Direction der Haupt⸗Staatskasse hat am 3. September eine litho⸗ raphirte, von Schotten unterzeichnete Cirkular⸗ Verfügung an die S erlassen, wonach dieselben mit umgehender Post darüber berichten sollen, in welchen Beträgen die am 1. September fällig gewesenen Staatsdiener⸗Gehalte, Pensionen, ständigen Unterstützun⸗ 5 u. s. w. nicht haben gezahlt werden koͤnnen, und wie bald deren eckung aus den rückständigen Forstgeldern zu erwarten sei; die Beitreibung derselben sei um so nachdrücklicher zu betreiben, da die Steuern nicht erhoben werden würden. (Seitdem ist freilich das Finanz⸗Ausschreiben der Regierung erschienen.)
Kassel, 7. Sept. (D. Ztg.) Gestern Nachmittag wurde der vor einigen Tagen plötzlich verstorbene General⸗Major von Specht unter großem militairischen Pomp zur Gruft geleitet. Im Gefolge befand sich auch ein achtspänniger Gallawagen des Kur⸗ fürsten. Man sagt, daß Herr von Specht der Cholera, die auch bei uns sich eingestellt hat, erlegen sei. An dieser Seuche sind bis jetzt 10 Personen gestorben.
6 Kassel, 7. Sept. Abends 10 Uhr. (D. Ztg.) Seit zwei Stun⸗ den befinden wir uns unter der Militairgewalt. Die Ruhe der Stadt ist nirgends gestört, die Straßen sind öde und nur hin und wieder stößt man auf einzelne Gruppen, welche über das Faktum der Er⸗ klärung des Belagerungs⸗Zustandes über eine im tiefsten Frieden lebende Stadt sich emsig unterhalten, während Gendarmen damit
beschäftigt sind, die den Belagerungs ünd mation an die Straßenecken eüeage PSbenenne Srecggr
Henkel hat sich geweigert,
Art. 29.
1530
Gleiches Schicksal soll mehrere Mitglieder der Ober⸗Behörde, welche sich gegen die September⸗Verordnung ausgesprochen, getroffen haben. “
10 ½ Uhr. Die Plakate sind fast an allen Ecken wieder abge⸗ rissen. Der Kurfürst befindet sich in der Stadt. Patrouillen durch⸗ ziehen die Straßen. Die Wachen sind verdoppelt.
Kassel, 8. Sept. (D. Ztg.) Außer der den Belagerungs⸗ Zustand verkündenden Verordnung ist zugleich eine andere erschie⸗ nen, welche bekannt macht, daß der Commandeur der Infanterie⸗ Division, General⸗Licutenant Bauer, während der Dauer des Kriegszustandes mit denjenigen Functionen beauftragt wor⸗ den sei, die in §. 1 der Verordnung dem dort genannten Ober⸗Befehlshaber übertragen worden seien. Eine der näch⸗ sten Maßregeln, welche General Bauer ergriffen, war das Ein⸗ schreiten gegen die Presse. Wir lassen zuvor die Neue Hes⸗ sische Zeitung berichten über Facta, welche sie selbst betref⸗ fen. Die Nummern, welche diesen Bericht enthalten, sind von der Post nicht befördert, da der Postrath Setzekorn dem Befehl des Generals nachgekommen ist und die Beförderung der hiesigen Zeitungen verweigert hat. Wir übersenden Ihnen von den Num⸗ mern, die wir vor der Confiscation gerettet haben, und ersuchen Sie, zunächst folgenden Artikel abzudrucken:
Kassel, 7. Sept., Nachts 11 ½ Uhr. So eben ist das Lokal der Neuen Hessischen Zeitung von Bewaffneten (Gendarmen und Infanteristen) besetzt worden. Der Sergeant Fingerling vom Leib⸗ Regiment mit 2 Musketieren hat dem Drucker und den Redacteuren eine Verfügung, unterzeichnet „vom Oberbefehlshaber“ General⸗Lieutenant Bauer (Beglaubigung und Sitgel fehlte) vorgezeigt, worin „auf den Grund des §. 4 der Verordnung vom 7ten d. M.“ und nach „einer Mit⸗ theilung des Kurfürstlichen Ministeriums des Innern“ die Neue Hes⸗ sische Zeitung die „Erlaubniß ihres Forterscheinens“ nicht erhal⸗ ten habe und deshalb „zur Vermeidung weiterer Preßerzesse⸗ und „der dadurch zu besorgenden Aufregung“ die „alsbaldige Beschlag⸗ nahme der Pressen jener Zeitung und der vorhandenen Erxemplare befohlen wird.“ Ein Offtzier scheint sich zur Ausführung Sb Gewaltthat nicht gefunden zu haben; es fiel den Redacteuren schwer, von den ehrlichen Musketieren, die so eben zur Besorgung dieser literarischen Mission aus der Kaserne waren geholt worden, ge⸗ nauere Auskunft zu erhalten und sich ihnen verständlich zu machen. Der Sergeant Fingerling erklärte, daß er unmittelbar vom Herrn General⸗Lieutenant Befehl habe, die Zeitungen, falls deren vorhan⸗ ren, wegzunehmen und den Herren Redacteuren obigen schriftlichen Befehl zu zeigen. Es wurde ihm bemerkt, raß von einer Befolgung jenes „Befehles“, zu welchem Herr General⸗Lieutenant Bauer nicht die mindeste Befugniß haͤbe, krine Rede sein könne. Da man
Der Ober⸗Bürgermeister 1 1 die Publication zu bewerkstelligen, und oll derselbe schon heute Abend von seinem Amte suspendirt sein.
vom Herrn General⸗Lieutenant Bauer nie eine Erlaubniß verlangt, derselbe auch keine zu ertheilen habe, so müsse man überhaupt diese seltsame Anmaßung zurückweisen. Der „vorhandenen Exemplare“ fonnten sich übrigens die Musketiere aus dem Grunde nicht bemäch⸗ tigen, weil keine Exemplare vorhanden waren. Doch unterließen die Redacteure, so wie die hinzugekommenen Zeugen nicht, die Sol⸗ daten auf das Strafbare ihres Beginnens nachdrücklich aufmerksam zu machen, als welches eine Gesetzwidrigkeit, einen groben Eingriff in fremde Rechte enthalte. Nachdem der zum Schutze des angegriffenen Eigenthums herbeigerufene Polizeidirektor von Kassel, Herr Bür⸗ germeister Henkel, ein Protokoll über diese außerordentliche Bege⸗ benheit aufgenommen hatte, entfernten sich die Musketiere, ohne für das Mal ihren Gewaltversuch ausgeführt zu haben. Die zum Schutze des bedrohten Eigenthums nöthigen Schritte sind in un⸗ serem eigenen, wie im öffentlichen Interesse sofort eingeleitet worden. Heute Morgen 7 ½ Uhr erschien ein stärkeres Militairpiket in der Karlsstraße vor der Wohnung des Herrn Oetker, besetzte die Ausgänge derselben und ein Unteroffizier begab sich in die Druckerei, um mit Vorzeigung eines schriftlichen Befehls des Oberbefehlsha⸗ bers die Confiscation der vorhandenen Zeitungen vorzunehmen. Man mußte unter Protest der Gewalt weichen. Der Eigenthümer der Zeitung, Herr Obergerichts⸗-Anwalt Oetker, und der Druckerei⸗ besitzer Scheel ließen über den Thatbestand ein notarielles Instru⸗ ment aufnehmen und haben sofort bei der betreffenden Justizbehörde Klage erhoben. Inzwischen ist die Druckerei noch immer vom Mi⸗ litair besetzt und den Herren Oetker und Scheel angedeutet, daß sie bei der geringsten Wideersetzlichkeit sich eine Verhaftung zuzögen. Der Redacteur der Hornisse, Heise, hat sich dem Gefängniß durch die Flucht entzogen. Die Exemplare der heutigen Ausgabe der N. H. Ztg., welche für das Ausland bestimmt waren, lagen schon auf der Post, sie sind aber, wie schon oben gesagt, nicht befördert, son⸗ dern ebenfalls konfiszirt. Heute Morgen waren sämmtliche Corps⸗Commandeure beim General Bauer. Der Bahnhof ist besetzt. Schul⸗Lokale sind zu Wachstuben eingerichtet unter Protest der Inhaber, welche ebenfalls bei den Gerichten Klage erhoben haben. Im Ganzen sind wegen Abreißens der Plakate gestern 5 Personen verhaftet. Folgende Militair⸗Personen sind als Commandeure ins Land geschickt: Major Reiner nach Rinteln, Oberst Hillebrand mit einem Bataillon Infanterie nach Marburg, General⸗Major Schirmer nach Fulda, Oberst Bardeleben mit einem Bataillon Infanterie von Fulda nach Rotenburg. So eben hat ver Stadtrath Sitzung gehalten. Er hat sich gegenüber dem jüngsten Gewaltschritt der Regierung dahin entschieden, einen energischen Protest dagegen zu erlassen. Der vermanente landständische Aus⸗ schuß hat gestern Abend spät noch folgende Anklage an die Staats⸗ Prokuratur abgehen lassen: 5 „In der heute Abend öffentlich bekannt gemachten, hier beifol⸗ genden Verordnung haben die Staats⸗Minister Hassenpflug, Major von Haynau und Legationsrath von Baumbach dahier 1) über sämmtliche kurhessische Lande mitten im Frieden ohne alle rechtliche Veranlassung und ohne Zustimmung des bleibenden landständischen Ausschusses den Kriegszustand erklärt; 2) alle Volksversammlungen und Versammlungen von Vereinen verboten; 3) die Herausgabe von Zeitungen politischen Inhalts von der Genehmigung des Mi⸗ nisteriums des Innern abhängig gemacht; 4) einen militairischen Oberbefehlshaber bestellt, denselben der verfassungsmäßigen Verant⸗ wortlichkeit überhoben und zur Suspendirung der Behörden und Staatsbeamten und zu sonstigen Willkürmaßregeln ermächtigt; 5) die Staatsbürger den Militairgerichten und Gesetzen unterworfen. Wir fin⸗ den hierin einen unerhörten groben Mißbrauch der Amtsgewalt, welcher sogar nach §. 1 der Verordnung vom 14. Februar 1795 in die Kategorie des Hochverraths fällt, indem er offenbar darauf abzweckt, die bisherige Einrichtung und Verfassung des Landes zu Grunde zu richten, haben deshalb nach §. 61 der Verfassungs⸗Urkunde die Anklage gegen die Vorgenannten auf den Grund obiger Thatsachen beschlossen und ersuchen die Staatsprokuratur nach §. 75 des Ge⸗ richts⸗Organisationsgesetzes vom 31. Oktober 1848, die Anklage zum gerichtlichen Verfahren zu bringen, auch wegen der auf dem Verzuge haftenden großen Gefahr die sofortige Verhaftung der Angeklagten zu veranlassen. Unsere Legitimation ergiebt die wei⸗ tere Anlage. Kassel, am 7. September 1850. Der bleibende land⸗ ständische Ausschuß.“ Die Staatsprokuratur hat darauf Folgendes (wesentliche) erwie dert: „Die Staatsprokuratur erkennt in den Handlungen, welche nach
den Mittheilungen des bleibenden landständischen Ausschusses von Seiten der Minister vorgenommen sind, eine Verfassungs⸗Ver⸗ letzung; sie nimmt an, daß die Minister wegen Verfassungs⸗ Verletzungen nur von den Landständen, nicht von deren per⸗ manentem Ausschusse und zwar lediglich vor dem Staatsgerichts⸗ hofe angeklagt werden können, daß nach den klaren Bestimmungen des Strafprozeßgesetzes vom 31. Oktober 1848 das durch dieses Gesetz geschaffene Verfahren überhaupt und das Institut der Staats⸗Behörden insbesondere keine Anwendung leidet auf den Staatsgerichtshof; daß es unzulässig ist, die Kompetenz des Staats⸗ Prokurators durch die Annahme des geringeren Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt zu begründen und hierdurch die ver⸗ fassungsmäßige Zuständigkeit des Staatsgerichtshofes für das schwerere Verbrechen der Verfassungsverletzung abzuerkennen und sieht sich deshalb außer Stande, dem Ersuchen des landständischen Ausschusses, die Minister Hassenpflug ꝛc. wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt in Anklagestand zu setzen und zu verhaften, Folge zu geben.“
Kassel ist sonst ruhig. Auch aus den übrigen Theilen des Landes lauten die Berichte in Bezug auf die ruhige Haltung des Volkes günstig.
So eben wird durch einen neuen Anschlag veröffentlicht, daß der General Bauer zum obersten Militair⸗Kommandanten sür e— Dauer des Kriegszustandes ernannt worden ist.
Kassel, 9. Sept. (T. C. b. 116ee Staatsprokurator hat die Ministeranklage abgelehnt, dagegen hat der Ober⸗Staats⸗ Prokurator die Einleitung des Prozesses und einen Antrag auf Verhaftung der Minister befohlen. Der Stadtrath von Hanau
verweigert die Verkündigung der Ordonnanz über den Kriegszustand.
Fulda, 8. Sept. (F. J.) Die Mitglieder des Obergerichts dahier haben in einer gestern abgehaltenen Plenar⸗Versammlung einstimmig die Erklärung zu Protokoll gegeben, daß die Verordnung des Kurfürsten vom 4ten d. M., die Fort⸗ und Nacherhebung der Steuern betreffend, unverbindlich und verfassungswidrig sei.
Schleswig⸗Holstein. Kiel, 9. Sept. (A. M.) Nach⸗ dem die Mitglieder der ersten ordentlichen Landes⸗Versammlung sich in ihrem Sitzungslokale, einem Saale des kieler Schlosses, ver⸗ sammelt hatten, begaben sie sich unter dem Vortritte des Mitglie⸗ des der Statthalterschaft, des Grafen Reventlou, so wie der Her⸗ ren Departements⸗Chefs, in die von Tausenden angefüllte St. Ni⸗ colai ⸗Kirche, woselbst der Herr Pastor Wolff über den Psalm 125 predigte.
Nach beendigtem Gottesdienste kehrten die Abgeordneten nach dem Schlosse zurüuck, woselbst die Versammlung von dem Grafen Reventlou mit einer Rede eröffnet ward, welche wörtlich also lautet: 3
„Hochgeehrte Herren! In Gemäßheit des Wahlgesetzes vom 20. Oktober 1848 haben Sie durch das Vertrauen des Volkes die Befugniß und die Verpflichtung erhalten, das Recht und die In⸗ teressen der Herzogthümer zu vertreten. Groß ist Ihre Aufgabe und gerade jetzt bedeutungsvoller als je, da Schleswig⸗Holstein mehr als zuvor auf die eigene Kraft und Ausdauer angewiesen ist, und die gegenwärtige Haltung des Volkes und seiner Vertreter über die fernere Zukunft des Vaterlandes entscheiden wird. Von aufrichtiger Friedensliebe beseelt, hat die Statthalterschaft sich wie⸗ derholt bestrebt, den Frieden durch versöhnliche Schritte herbei⸗ zuführen. Dänemark hat alle Versöhnungs⸗Versuche entschieden zurückgewiesen und will das Recht des Landes mit dem Schwerte des Eroberers brechen. Wir haben dem feindlichen Ein⸗ fall bewaffnete Gegenwehr entgegengesetzt und bei Idstedt ward eine blutige Schlacht geschlagen. Die Schlacht ist verloren. Der Ver⸗ lust vieler Braven wird tief beklagt, und der größte Theil des Her⸗ zogthums Schleswig leidet jetzt unter dem Druck des übermüthigen Fein⸗ des, aber die Wehrkraft des Landes ist nicht gebrochen. Unsere Armee, unterstützt durch die Hülfsleistung des deutschen Volkes, mehrt sich von Tage zu Tage und freudig schließt sich der Zuzug freiwilliger Mann⸗ schaft den Waffenbrüdern an. Mit tiefer Trauer blicken wir auf die Zerrissenheit des deutschen Vaterlandes; wir unsererseits sind aber fest entschlossen, als treue Söhne Deutschlands auszuharren und für die Ehre und das Recht der Herzogthümer zu kämpfen, bis es gewährt worden ist. Unsere brave Armee kennt ihre Pflicht und wird ihre Aufgabe erfüllen. — Dem berliner Vertrage vom 2. Juli d. J., der uns den Frieden nicht bringen sollte, und den Aussprüchen fremder Kabinette gegenüber hat die Statthalterschaft vas Manifest vom 22. Juli erlassen und hofft Ihrer Zustimmung versichert zu sein. An den zu Frankfurt wegen Neugestaltung des deutschen Vaterlandes eingeleiteten Verhandlungen ist die Statt halterschaft nicht betheiligt; Deutschland entbehrt noch einer höch⸗ sten leitenden Behörde. Mit fremden Regierungen steht das aus⸗ wärtige Departement in keiner offiziellen Verbindung; wir entbeh⸗ ren ihres Schutzes, sind aber in unseren Entschließungen unbehin⸗ dert, und vertrauen in dieser vereinzelten Stellung auf die rechtigkeit unserer Sache und unser gutes Schwert. Die G“ zur Fortführung des Krieges sind nicht erschöpft. Die Ungewiß⸗ heit der Dauer des Krieges und die verfassungsmäßige Pflicht, vdas Kriegsbudget der Genehmigung der Volksvertretung zu über⸗ geben, haben indeß die Vorlage finanzieller Anträge erforde rlich ge⸗ macht. Die Statthalterschaft vertraut auch für die Zukunft auf die Vaterlandsliebe und Hingebung der Herzogthümer und erkennt mit Dank die Unterstützung an, welche das deutsche Volk durch Sen⸗ dungen von Geld und anderen Gegenständen gewährte und ferner gewähren wird. — In dieser außerordentlichen Diät an den ferneren Ausbau des inneren Landes⸗Organismus zu ar⸗ beiten, erscheint der Regierung nicht gerathen, da zu⸗ nächst alle Kräfte darauf zu richten sind, die rechtliche Exi⸗ stenz der Herzogthümer zu bewahren und zu befestigen. Nur 87 auf den Geldverkehr und dessen Erleichterung hinzielende Ver 2 tung, betreffend das Ausprägen von Scheidemünze und einige No⸗ dificationen der Aushebungsgesetze erschienen als dringendes Be⸗ dürfniß. Hochgeehrte Herren! Die Gegenwart ist ernst und verhängnißvoll. Lassen Sie uns in diesem Vemußtsein fest zusam⸗ menstehen und im Vertrauen auf die höhere Waltung. Gottes die Kraft uns erhalten, um unsere gute Sache zum guten Ende zu füh⸗ ren. — Ich erkläre hiermit üc W schleswig⸗holstei⸗ is Landes⸗Versammlung für erösfnet. vmiche . Hancfens fordertr als Alters⸗Präͤsident zur Wahl eines Präsidenten auf. Herr Bargum ward mit 59 Stim⸗ men zum Präsidenten gewählt und sprach 6 in einer län⸗ geren Rede über die Lage unseres Vaterlandes aus.
86 Bei der Wahl des ersten Vice⸗Präsidenten hatten Mommsen und Neergaard J. wiederholt die meisten kdanen, Feger von Bei⸗ den aber die absolute Majorität. Erst bei der vierten Wahl erhielt Mommsen die absolute Stimmenmehrheit, nämlich von 65 Stimmen 33. Zum zweiten Vice⸗Präsidenten ward Dr. Gülich aus Schleswig mit 35 Stimmen und zu Secretairen Thomsen, Wichmann, Wiggers
und Lübker erwählt.
Rendsburg, 8. Sept. (B. H.) Heute Morgen um acht uUhr wurde die Avantgarde alarmirt durch die Meldung, die
Bataillon angegriffen und haben letzteres
Dänen seien schon in Groß⸗Breckendorf und rückten in großer Stärke gegen die Position bei der stendter Mühle ein. Der erste Theil der Meldung war richtig, aber nicht der zweite. So⸗ gleich aber wurden zwei Detaschements, das eine über die Sorge bei der stendter Mühle und das andere über den Bistensee bis Ahlefeld vorgeschickt. Beide bestanden aus Abtheilungen des 12ten und 2ten Bataillons und des 2ten und 3ten Jägercorps mit zwei Dreipfündern und zwei Sechspfündern. Mit diesen ging man vor bis ungefähr zweitausend Ellen von Groß⸗Breckendorf. Schon hatten sich die beiden Tirailleur⸗Linien beschossen, als plötzlich eine Schwadron dänischer Kavallerie auf den Hügeln neben Breckendorf sichtbar wurde; da wurden denn die beiden metallenen Dreipfünder herauf beordert. Sie thaten einige Schüsse mit ziemlicher Wirkung, denn gleich darauf zeigten sich große Lücken in den Reihen der Kavallerie. Ihr Antheil an dem Gefecht dauerte indeß nicht lange, denn eine halbe Zwölfpfünder⸗Batterie kam zur Unterstützung der Kavallerie herbei und beschoß die halbe Schwadron schleswig⸗ holsteinischer Kavallerie und den Stab mit solchem Effekt, daß beide sammt den 3-Pfündern etwas zurück mußten. Kaum hatten sie indeß diese rückgängige Bewegung vollendet, als die Dänen auch plötzlich zurückgingen. Zu gleicher Zeit hörte man deutlich Schüsse im Osten auf der rechten Seite der hüttener Berge fallen, die nur von der anderen Abtheilung unter dem Obersten Gerhardt kommen konnten. wieder avancirt und zwar mit solcher Eile, daß die Dänen förm⸗ lich in die Flucht geriethen. Man verfolgte sie mit Tirailleurs bis nach Geltorf, ungefähr eine Stunde von Schleswig. Hier wurde Halt geblasen und der Rückzug angeordnet, denn weiter war nichts zu machen. Die Dänen waren von ihrer Rekog⸗ noszirung oder Fouragirung zurückgetrieben und wurden von funf⸗ zehn⸗ oder sechzehnhundert Mann mit ihren dreitausend Mann in die Flucht gejagt. So viel wie bis jetzt bekannt ist, sind weder Todte, Verwundete oder Vermißte vorgekommen; gefangen sind 5 dänische Jäger und ein kleiner Tambour. — Heute Morgen früh aber gelang es den Dänen, eine Patrouille von 6 Mann und einem Fähndrich aufzuheben. — Im Westen ist es diesen Morgen ziem⸗ lich scharf hergegangen. Gegen 9 Uhr rückten die Dänen mit einem Bataillon und 4 Geschützen aus Friedrichstadt aus und griffen die Position bei Süderstapel an. Zuerst beschossen sie die beiden Com⸗ pagnieen vom 11ten Bataillon und 1sten Jägercorps, die sie besetzt hielten, mit Kartätschen und rückten dann zweimal mit dem Bajon⸗ nette gegen die Verschanzungen an, ohne hinein zu gelangen. Sie mußten mit großem Verluste abziehen. 7 verwundete und 6 unver⸗ wundete Dänen sind schon eingebracht; die meisten dänischen Ver⸗ wundeten wurden von ihren Kameraden mit nach Friedrichstadt zurückgeschleppt, aber zwischen 30 und 40 sollen gefallen sein. Wir haben etwa 30 Mann an Todten und Verwundeten verloren.
Rendsburg, 9. Sept. (B. H.) Vorigen Donnerstag haben unsere 3 Kanonenböte bei Heiligenhafen mit dänischen Schiffen crca 130 Schüsse gewechselt, bei welcher Gelegenheit auf dem von Lieute⸗ nant Beck befehligten Kanonenboote zwei Matrosen schwer ver⸗ wundet wurden.
Kiel, 8. Sept. (B. H.) Heute haben drei Gefechte statt⸗ gefunden, bei Süderstapel, Breckendorf und am eckernförder Hafen. Bei Süderstapel sind die Unsrigen (ein Zug vom 14ten Bataillon und eine Compagnie des 1sten Jäger⸗Corps) von einem dänischen zurückgeworfen. Die ihre Todten und Verwundeten auf dem Kampfplatz
Dänen haben Ke p Gefangene abgegeben. Auf unserer
zurücklassen müssen und 25
Seeite zählt man 3 Todte und 17 Verwundete, unter letzteren den
Hauptmann Schneider vom 1sten Jäger⸗Corps. — Ueber den Aus⸗ fall des breckendorfer Gefechts, wo die Dänen auch angegriffen ha⸗ ben, hat man hier noch keine Nachricht. — Auf Altenhof bei Eckernförde hat sich eine kleine Abtheilung der Unsrigen mit einem dänischen Kanonenboote geschossen. Die Schüsse des letzteren hörte man hier deutlich; ein erhebliches Resultat kann ein solcher Kampf nicht haben, da das Kanonenboot gewöhnlich vorbeischießt und von unserer Seite keine Artillerie im Gefecht gewesen ist. Cö“ gestrigen Nacht hat eine Abtheilung des 5ten Jüger⸗Corps in der Gegend von Hoffnungsthal (Gut Altenhof) die Dänen überfallen, und ist von letzteren die hoffnungsthaler Scheune in Brand ge⸗
schossen.
Mecklenburg⸗Schwerin. Schwerin, 9. Sept. (M. Ztg.) Ihre Königliche Hoheiten der Großherzog und die Frau Großher⸗ zogin sind am Sonnabend von hier nach Doberan zurückgereist.
Sachsen⸗Koburg⸗Gotha. Gotha, 7. Sept. (Ztg.
f. N. D.) Die neueste Nummer der Gesetz⸗Sam mlung ver⸗ öffentlicht das Gesetz über den Voranschlag zum Staatshaushalt des Herzogthums auf jedes Jahr der Finanzperiode, vom 1. Juli 1850 — 53, wie er von der Abgeordneten⸗Versammlung beschlossen und vom Herzog bestätigt ist. Die Gesammt⸗Einnahme ist fur je⸗ des der drei Jahre auf 1,002,169 Rthlr., die Ausgabe auf 977,902 Rthlr. angeschlagen, so daß sich ein Ueberschuß von 24,262 Rthlr. ergiebt. Von den Einnahmen kommt aus dem Staatsgut mehr als die Hälfte, nämlich Grunderträge 431,097 Rthlr., nutzbare Rechte 165,280 Rthlr., Erträge von Gewerbe⸗Etablissements 51,819 Rihlr., Aktivkapitalien 26,668 Rthlr., die direkten Steuern betragen 145,649 Rthlr., die indirekten 176,540 Rthlr., dazu noch 5113 Rthlr. vermischte Einnahmen. Ausgaben sind für das Herzogliche Haus 111,132 Rthlr.; Verzinsung und Tilgung der Staatsschuld 143,225 Rthlr.; allgemeine Staatsverwaltung 64,986 Rthlr. (darunter Staats⸗Ministerium und Gesandte mit 16,889 Rthlr., die Landesvertretung mit 14,100 Rthlr., Pensionen mit 31,361 Rthlr.); Hoheit und Polizei 108,019 Rthlr.; Kirchen, Schulen, Kunst und Wissenschaft 45,014 Rthlr. (darunter der Beitrag zur Universität Jena mit 3600 Rthlr.); Finanzwesen 317,928 (die Summe ist so hoch, weil unter diesem Kapital die Verwaltungskosten für fast alle Staatszweige stehen); Justizwesen 70,737 Rthlr.; Militairwesen 70,961 Rthlr. (darunter die Bürger⸗
wehren mit 361 Rthlr. und das Etappenwesen mit 600 Rthlr.,
den Rest von 70,000 Rthlr. zehrt das Bundes⸗Kontingent auf). Außerdem sind auf Einnahmeverlust 14,788 Rthlr. gerechnet, die vermischten Ausgaben betragen 21,114 Rthlr. und der Zuschuß zum Theater 6000 Rthlr.
Der neue tagxissche Portotarif ist nun auch hier eingeführt.
ö
Ausland.
Frankreich. Paris, 8. Sept. Ueber den Aufenthalt des Präsidenten in Cherbourg wird vom 8ten von dort offiziell ge⸗ meldet: „Gestern Morgens 9 Uhr besuchte der Präsident das Ar⸗ senal und ließ sich von den noch nicht beendigten Hafenarbeiten Re⸗ chenschaft ablegen. Um zwölf Uhr schiffte er sich ein und begab sich zuerst an Bord des „Friedland“. Alle Schiffe flaggten und be⸗
Sogleich wurde
die Ankunft des Präsidenten mit vollen Lagen aus allen Geschützen. Auf den Quais drängte sich eine zahllose Menge, die dem Schauspiele beiwohnte. Nachdem der Präsident mehrere Schiffe besucht hatte, begab er sich auf den Hafendamm, dessen riesigen Bau er bewunderte. Dann ging er an Bord der „Minerva“, des Unterrichts⸗Schiffes der Marine⸗Artillerie, und wohnte einem Scheibenschießen bei. Abends veranstaltete die Stadt ihm zu Ehren einen Ball in einem der Säle des Arsenals, welcher höchst geschmackvoll dekorirt war. Mehrere tausend Gäste waren eingela⸗ den. Sowohl im Arsenal, als auf der Flotte, wie auf dem Damme und auf dem Balle wurde der Präsident einstimmig mit warmem Zurufe begrüßt.“
Unter Vorsitz des Vice⸗Präsidenten Boulay (de la Meurthe) wurde gestern Ministerrath gehalten und am Schlusse desselben eine telegraphische Depesche nach Cherbourg abgesendet.
Herr von Persigny ist gestern zum Präsidenten nach Eherbourg gereist.
liest im Moniteur du Soir: „Man verbreitet neuer⸗ dings abgeschmackte Gerüchte über angebliche Vorbereitungen zu einer bonapartistischen Huldigung, womit sich dem Präsidenten erge⸗ bene Männer für den Tag seiner Rückkehr nach Paris befassen sollen. Es ist überflüssig, auf die Grundlosigkeit dieser Gerüchte aufmerksam zu machen, welche nur als Mittel zur Aufregung dienen.
Das Pouvoir enthält Folgendes: „Gestern noch konnte man daran zweifeln, daß die Verfassungs⸗Revision bei den Generalräthen es zu mehr als einer Achtung gebietenden Minderheit bringen würde. Zur Stunde, wo wir diese Zeilen schreiben, hat die Revision eine große Majorität und noch ist die Sitzungsdauer nicht zu Ende. Ja, wir gestehen ohne Umschweife, und diese Erklärung dürfte wohl den Reclamationen der Journale der Rechten genügen, wir gestehen, daß der Ausdruck dieser Wünsche, obwohl in vollkommener Freiheit geschehen, dennoch kein freiwilliger war. Die Parteien widerstan⸗ den, sie brachten die Skrupel der Gesetzlichkeit vor, sie erfanden deren zur Noth. Wer hat sie denn zu diesem Abkommen mit ihrem Gewissen gezwungen? Wer denn? Die Stimme der Massen, der tiefen Massen, welche am 10. Dezember die vom Frost erstarrten Wege bedeckten, und die während eines furchtbaren Platzregens zehn Meilen zu Fuß und im Kothe machen, um den Präsidenten auf seinem Wege zu begrüßen, der ihnen in seiner Person Ordnung, Sicherheit, Arbeit und Frieden vorstellt. Die Parteien wußten im voraus, welche Bedeutung die Idee der Revision im Geiste der Massen gewinnen würde, darum suchten sie vor dieser Gefahr, vor diesem Fehler sich zu hüten, und dennoch mußten sie weichen.“
Morgen findet in der Kirche zu Chantilly abermals ein Re⸗ quiem für Ludwig Philipp statt.
In Cherbourg und Umgegend zählt man 30⸗ bis 40,000 Fremde, worunter 8⸗ bis 10,000 Engländer. Alle Hütten auf 8 und 10
grüßten
Stunden in der Umgegend sind mit logirenden Fremden überfüllt und für ein dürftiges Lager zahlt man jede Nacht 40 bis 50 Fr., Die Schiffe
so daß die Einwohner eine reiche Geldärndte machen. im Hafen beherbergen mehrere Tausende.
MNuüußland und Polen. St. Petersburg, 4. Sept. (P. Z.) Se. Majestät der Kaiser hat eine Entscheidung des mit den Ange⸗ legenheiten der Israeliten beauftragten Comité's, das Tragen jüdi⸗ scher Kleidung betreffend, genehmigt und Folgendes befohlen: Das Tragen einer besonderen Kleidung ist den Juden vom 1. Januar 1851 an überall verboten; die General⸗Gouverneure können jedoch in Fällen, wo sie es für nothwendig halten, gegen Entrichtung einer bestimmten Abgabe, bejahrten Israeliten, die über 60 Jahre alt sein müssen, gestatten, jüdische Kleidung auch ferner zu tragen.
Niederlande. Aus dem Haag, 5. Sept. (Elberf. Ztg.) Die Wahlen sind hier zu Ende und für die Regierung sehr günstig ausgefallen. Die Majorität wird eben so stark sein, wie sie es bei der vorigen Kammer war. Vier Fünftel der ausgeschiodenen Mitglieder sind wieder erwählt worden, aber unter denen, die bei der Wahl durchgefallen sind, befinden sich gerade die ausgezeichnet⸗ sten Mitglieder der vorigen Kammer, van Hall, Given, van Hoe⸗ vele, van Randroyk und Donker Curtius. Man glaubt, daß die vier Ersteren in Folge vorgefallener Doppelwahlen doch noch in die Kammer gelangen werden, es hat aber wenig Wahrscheinlichkeit für sich, daß Donker Curtius von einem Wahlkörper vorgeschlagen wer⸗ den wird. — Die Wahlen zur Bildung der Provinzialstände haben ihren Anfang genommen, und der Kampf scheint sehr lebhaft wer⸗ den zu wollen. Eine Menge Kandidaten bewerben sich mit mehr oder weniger Aussicht um die Stelle.
Schweden und Norwegen. Stockholm, 4. Sept. Die amtlichen Post⸗och Inrikes⸗Tidningar zeigen heute Abend an, daß der König und die ganze Königliche Familie am 11. Sept. von Christiania abreisen und über Arvika, Carlstad (wo sie am 13ten eintreffen wollte) und Arboga, und von da mit dem Dampfboote nach Stockholm zurückkehren, wo sie am 16ten eintref⸗ fen soll. Die Königin⸗Wittwe hat bereits die Hauptstadt Norwe⸗ gens verlassen und trifft am 5ten in Carlstad ein. Die beabsichtigte Reise des Kronprinzen mit seiner jungen Gemahlin nach Backastog in Schonen ist aufgegeben.
Das neulich abgeschlossene Reichshauptbuch zeigt, daß die Aus⸗ fälle von Einnahme⸗Anschlägen und die Ausgabe von Ueberschüssen nur 535,558 Rthlr., dagegen die Ueberschüsse und Ersparungen 1,194,423 Rthlr. betragen, sich also ein kontanter Reichsgeld⸗Saldo von 658,865 Rthlr. ergiebt, der größte Ueberschuß seit 15 bis 20 Jahren.
Der Quarantaine⸗Kommission sind wieder 50,000 Rthlr. an⸗ gewiesen worden, trotz des Ausbruchs der Cholera im eigenen Lande.
Christiania, 4. Sept. Bei Fredrickstadt lag noch am 28. August ein neues russisches Linienschiff, „Borodino“, noch nicht ar⸗ mirt und mit 700 Mann Besatzung, welche alle das schöne Schiff Besuchende mit größter Höflichkeit empfingen.
Geleitet von der reitenden Bürgergarde, verließ am 2ten die Königin⸗Wittwe die Stadt.
Prinz Oskar hat das Kommando der Korvette „Nordsternen“ niedergelegt und ist hier wieder angekommen.
Schweiz. Bern, 7. Sept. (Eidg. Ztg.) Auf den An⸗ trag der Erziehungs⸗Direction wurde dieselbe vom Regierungs⸗ Rathe ohne Einsprache beauftragt, ein neues Schulgesetz auszuar⸗ beiten, da sowohl das gegenwärtig bestehende als auch der vom abgetretenen Regierungs⸗Rath vorberathene Entwurf dem Bedürf⸗ nisse nicht entsprächen. Eine vom Regierungs⸗Rath zu ernennende Kommission soll vorläufig die in dieses Gesetz aufzunehmenden Grund⸗ lagen besprechen.
Italien. Turin, 4. Sept. Die Staatszeitung wider⸗ legt heute die Angabe des Journals Armonia, daß General La⸗ marmora dem General d'Hautpoul erklärt habe, Piemont sei zu Zugeständnissen bereit, um das gute Einvernehmen zwischen Rom und Turin zu erhalten.
Spanien. Madrid, 3. Sept. In allen Provinzen haben bis jetzt die Moderados gesiegt. Sogar in Saragossa siel der von Espartero unterstützte progressistische Kandidat Escosina durch.
Wissenschaft und Kunst.
Königliches Opernhaus.
Oberon. Frau Küchenmeister⸗Rudersdorff: (Den 10. September.)
Wie es von einer Künstlerin, wie Frau Küchenmeister⸗Ruders⸗ dorff, zu erwarten stand, stellte sie auch als Rezia in Weber's „Oberon“ eine Leistung hin, die in vielem Betracht eine ehrenwerthe genannt werden muß. Ihre bedeutende Virtnosttät ließ sie nicht nur die ungeheuren Schwie⸗ rigkeiten, die Weber's Musik technischerseits bietet, mit Geschick und Gewandtheit erfolgreich überwinden, sondern auch die geistige Auffassung der Aufgabe entsprach in hohem Grade dem Bilde, welches man sich von dem Charakter der Rezia zu entwerfen pflegt. Der Gesang der Künstlerin athmete überall Gefühl, Wärme und Leben, und auch ihr Spiel gab die zu malenden Seelenzustände in bestimmten, charakteristischen Umrissen wieder, ohne in den leidenschaftlichen Momenten das künstlerische Maß zu über⸗ schreiten. Der Total⸗Eindruck der Leistung war daher ein durchaus gün⸗ stiger, wiewohl nicht geleugnet werden kann, daß großartigere Stimmmittel, als Frau Rudersdorff besitzt, dazu gehören, um die Partie bis ins Detail hinein in wahrhaft vollendeter Weise zur Geltung zu bringen. Zu den vorzugsweise gelungenen Momenten der Leistung darf gleich die Visions Scene gezählt werden. Das reizvoll komponirte Lied: 1b
„Warum mußt Du schlafen, Held voll Muth! Ein Mädchen sitzt weinend an Babylons Fluth.“ sang Frau Rudersdorff mit lieblichstem Ausdruck, ganz, wie es der zarte, duftige Charakter des Musikstücks und die Situation bedingen. Nicht minder trefflich wirkte sie im Finale des ersten Aktes, besonders am Schlusse, wo der originelle Marsch der Wachen des Harems ertönt und Rezia in reizvollem Fioritur⸗Gesange die Empfindungen ihres von Hoffnung und Liebe erfüllten Herzens kund thut. Das Mezza voce, dessen sich die Sän⸗ gerin hier mit vollem Rechte bediente, ertheilte der Scene eine eben so cha⸗ rakteristische, als anmuthige Färbung, wiewohl die Fiorituren mitunter fast zu leicht und zart zum Vorschein kamen, und die Deutlichkeit der Ausfüh rung dadurch zuweilen gefährdet wurde. Zu den weniger ausgezeichneten “ der Leistung rechnen wir dagegen die große Arie des zweiten tes: „Ocean! Du Ungeheuer!“ in welcher es Frau Rudersdorff in Folge nicht ganz ausreichender Stimmmittel keinesweges gelang, das höchste Aufjauchzen eines bebenden Herzens mit voller dramatischer Kraft und Wahrheit zur Anschauung zu bringen. Da dies Musikstück aber sonst gerade einen Glanzpunkt der Lei⸗ stung bildet, so wird es erklärlich, nenn der Beifall, den sich Frau Ru dersdorff durch ihr heutiges Auftreten gewann, trotz der im Uebrigen höchst schätzenswerthen Durchführung der Rolle, im Ganzen nur ein mäßi⸗ ger war. Jedenfalls hat sich die Gastsängerin aber auch als Rezia als eine achtungswerthe Künstlerin von Talent, Einsicht und Bildung bewährt, so daß wir auch ihrem ferneren Gastspiel mit lebhaftem Antheil ent⸗ gegensehen.
Königsstädtisches Theater.
Opern⸗Vorstellung. Il Barbiere di Siviglia.
(Den 9. September.)
Die dritte Opern⸗Vorstellung der Italiener in dieser Saison brachte am verflossenen Montag Rossini's ewig jungen „Barbier von Sevilla“, ein Werk, das bekanntlich bedeutende Kunstkräfte, namentlich aber geübte Koloratur⸗Sänger beansprucht, soll anders die herrliche Musik, voll bele⸗ bender Frische, schwungreicher Genialität, graziöser Feinheit und über⸗ sprudelnder Laune, zu wahrhaft künstlerischer Geltung gelangen. Um so mehr müssen wir es anerkennen, wenn die Vorstellung in Rede auch in der eben angedeuteten Beziebhung, namentlich von Sei⸗ ten einzelner Mitwirkenden, Rühmliches zu Tage förderte. Von allen Dingen leistete Sgra. Viola, der wir bereits nach ihrem ersten Auftreten als Elvira in den „Puritanern“ das Zeugniß einer trefflichen Koloratursängerin geben konnten, auch als Rosine wieder höchst Schätzenswerthes. Die Sängerin hat insofern über seltene Stimm⸗ mittel zu gebieten, als dieselben Kraft und Fülle mit dem Umfange des Soprans und Alts verbinden. Ihre glanzvolle Technik, so wie die Tiefe ihrer Stimme zu zeigen, fand Sgra. Viola sogleich in der ersten Cavatine die günstigste Gelegenheit, deren Koloraturen die wackere Künst⸗ lerin mit großer Rapidität bewältigte. Mit gleicher technischer Vollendung und ungemeiner Sicherheit wirkte sie in dem folgenden Duett mit Figaro, und auch die in der Scene am Klavier eingelegte Arie aus „Cenerentola“ wurde von ihr in musikalischer Hinsicht gelungen und beifällig ausgeführt. Charakteristischerseits ließ die Leistung indeß sowohl im Gesange, als hauptsächlich in der Darstellung, mehr Leichtigkeit, Feinheit, Laune und Anmuth zu wünschen. Als Figaro trat (in Stelle des plötzlich erkrankten Sgr. Pal⸗ trinieri), um die Vorstellung nicht zu stören, Sgr. Guicciardi auf. Auch dieses Künstlers haben wir in diesen Blättern schon lobend Erwäh⸗ nung gethan. Wie als Richard Forth in den „Puritanern“ bekundete er in der Partie des Figaro einen stimmbegabten Sänger von ehrenwerther Gesangsbildung. Außerdem bewies er, daß ihm auch die Gabe, heitere Charaktere zur Geltung zu bringen, in nicht unbedeutendem Maße eigen ist. Er spielte lebendig und wirksam und bewältigte den musikalischen Theil sei⸗ ner Aufgabe mit anerkennungswerthem Geschick. Seine Leistung war daher um so dankenswerther, als er gewissermaßen unvorbereitet damit vor das Publikum trat, wenngleich die nähere Bekanntschaft der Rolle aus der Si⸗ cherheit, mit welcher er dieselbe gab, im Verlaufe der Vorstellung bald er⸗ sichtlich wurde. Den Repräsentanten des Grafen Almaviva angehend, so zeichnete sich Sgr. Labocetta in dieser Partie, wie immer, durch Gesang und Spiel gleich vortheilhaft aus, während die übrigen Mitwirkenden mehr oder weniger hinter den zu stellenden Kunstforderungen zurückblieben. Na⸗ mentlich ließ Sgr. Carozzi, als Bar olo, viel zu wünschen, der das Erperiment machte, ohne Stimme zu singen, wogegen Sgr. Bianchi de Mazzoletti wieder zuviel Stimme entfaltete und mitunter mehr schrie als sang. Davon abgesehen, bot die Aufführung jedoch überwiegend Gutes, so daß sie der Eröffnungs⸗Vorstellung als eine im Ganzen befrie⸗ digende zur Seite gestellt werden darf.
Italienische
Musikalisches.
Berlin. Nachdem der Tonkünstler⸗Verein den Beschluß gefaßt hat, in inniger Verehrung seines am 11. Mai 1849 verstorbenen Mitglie⸗ des, des Königlichen Kapellmeisters Herrn Otto Nicolai, die Errichtung eines Denksteins auf dessen Begräbnißstätte zu veranlassen, ergeht so eben durch das zur Erledigung dieser Angelegenheit ernannte Comité, die Her⸗ ren Fl. Geper, Jul. Weiß und Gust. Bock, in den öffentlichen Blät⸗ tern die Aufforderung an alle Verehrer und Freunde des Verewigten zur Zeichnung von Beiträgen. Wir verfehlen nicht, auf diese Aufforderung im Interesse des ehrenwerthen Unternehmens aufmerksam zu machen, mit dem Bemerken, daß Listen zur Zeich Hof⸗Musikhandlung des Herrn Gust. Bock bereit liegen. 1 .“