1850 / 252 p. 2 (Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

zur Erhaltung der christlichen Schule? Wie sollte die kirchliche Organisation der Gemeinden gestaltet werden? Wie haben wir Zeugniß abzulegen gegen die Bekenntnißlosigkeit, welche die Union zum Vorwand nimmt? Was nun seitdem geschehen ist und ge⸗ schehen soll, um die Idee eines evangelischen Kirchenbundes zu realisiren, das werden wir bei der stuttgarter Versammlung erfah⸗ ren, außerdem aber kommen wieder einige wichtige Fragen zur Verhandlung, wie die Sonntagsfeier, das Verhalten des Christen, insbesondere des Geistlichen, in Bezug auf politische Dinge, das Verhalten des Christen und der christlichen Kirche zu solchen in neue Gesetzgebungen aufgenommenen Eidesformeln, welche eines bestimmt christlichen Gehaltes ermangeln, die Beeinträchtigung des Kirchengutes durch die neueste bürgerliche Gesetzgebung, der ver⸗ besserte evangelische Kalender und die Versuche der Einführung 8 rhythmischen Choralgesangs.

Stuttgart, 9. Sept. (Schw. M.) Zu der morgen be⸗ ginnenden dritten Versammlung für Gründung des deutschen evan⸗ gelischen Kirchenbundes, welcher sich der zweite Kongreß für die innere Mission anreihen wird, haben sich schon zahlreiche Theilneh⸗ mer in unserer Stadt eingefunden. Als Freunde von beiden Un⸗ ternehmungen haben heute bis um 1 Uhr 634 Württemberger (die Stuttgarter inbegriffen) Eintrittskarten für die Gottesdienste und Berathungen in der Stifts⸗ und der Hospitalkirche genommen, die Zahl der auswärtigen Festgäste war bis zu jener Zeit 114. Von letzteren heben wir die Namen Wichern, beide Krummacher, Oehler, von Bethmann⸗Hollweg, Hengstenberg, Ebrard, Graf Schlippenbach, Wilhelmi heraus; andere werden noch erwartet. Gützlaff wird nach Nach⸗ richten aus Wien am 10. September in Ulm eintreffen, dort einen Vor⸗ trag halten und sogleich hierherreisen. Die Legitimations⸗Karten gewähren freien Eingang zu den hiesigen öffentlichen Anstalten und Sammlungen; auch wird mit denselben ein gedruckter Wegweiser zu den Anstalten und Vereinen Stuttgarts, welche in den Bereich der inneren Mission gehören, ausgetheilt. Das Aeußere der Stifts⸗ kirche ist festlich geschmückt, während die inneren Räume des gothi⸗ schen Gebäudes einen allseitig würdigen Eindruck hervorbringen. Den Chor nimmt zur Abhaltung des Oratoriums eine Tribüne ein und hinter dieser prangt das so eben erst eingesetzte zweite Glas⸗ fenster. In der Hoͤspitalkirche, von deren (wie auch dem Stiftskirchen⸗) Thurm die schwarzrothe württembergische Fahne weht, ist im Chor die Rednerbühne errichtet, welche zu den Ver⸗ handlungen dienen soll. Heute Abend werden die Festgäste im Garten des Museums (Silberburg) begrüßt werden, worauf noch die Vorberathung des engeren und weiteren Ausschusses stattfin⸗ den soll.

Stuttgart, 9. Sept. (Schw. M.) Zweite öffentliche Sitzung des Staats⸗Gerichtshofes (s. Preuß. Staats⸗Anzei⸗ ger Nr. 216 und Nr. 217). Zu Gericht sitzen der Präsident und die zwölf Mitglieder des Staats Gerichtshofes. Der Präsident, Direktor von Bezzenberger, erklärt: In der Anklagesache der zwei⸗ ten außerordenklichen Landes-Versammlung gegen den provisorischen Chef des Departements der auswärtigen Angelegenheiten, Staats⸗ Rath Freiherrn von Wächter⸗Spittler, ist zur Verkündigung des Urtheils Tagfahrt auf heute festgesetzt worden. Der Beklagte ist vor Gericht zu laden. Hierauf traten der Ankläger, Präsident Schoder und sein Stellvertreter, Fezer, so wie der Beklagte, Frei⸗ herr von Wächter, ein. Der Präsident verliest hierauf folgendes Urtheil: Im Namen des Königs. In der Anklagesache der bLurch Vervorbnung vom 2. Juli 1850 nunmehr auf gelösten zweiten außerordentlichen Landes ⸗Versammlung ge gen den Staats⸗Rath Freiherrn von Wächter⸗Spittler, als früheren provisorischen Vorstand des Ministeriums der aus⸗ wärtigen Angelegenheiten, wegen Verletzung des §. 85 der Ver⸗ fassungs⸗-Urkunde durch Unterzeichnung des Beitritts der württe m⸗ bergischen Staatsregierung zu dem wiener Vertrag vom 30. Sep⸗ tember 1849 über Errichtung einer neuen provisorischen Centralge⸗ walt des deutschen Bundes und zu der münchener Uebereinkunft vom 27. Februar 1850 über die Grundzüge einer neuen deutschen Ver⸗ fassung erkennt, nach Anhörung der Parteien, der Staatsgerichtshof wie folgt: In Erwägung, daß 1) der im Jahre 1815 gegründete deutsche Bund, wie thatsächlich, so auch rechtlich noch besteht, da die Beschlüsse der Bundes⸗Versammlung vom 30. März und 7. April 1848 über Wahl und Einberufung einer deutschen Volksvertretung zum Zweck der Vereinbarung einer neuen deutschen Verfassung zwi⸗ schen Regierungen und Volk, so wie die Beschlüsse der National⸗ Versammlung vom 28. Juni 1848 und die Beschlüsse der Bundes⸗ Versammlung vom 12. Juli 1848 über Einsetzung einer proviso⸗ rischen Centralgewalt bis zur Ausführung des Verfassungswer⸗ kes zwar die neue Gestaltung des Bundes auf festeren natio⸗ nalen Grundlagen einleiten, nicht aber den Bund selbst vorzeitig auflösen wollten; daß 2) mit dem deutschen Bund von 1815 nothwendig auch die verfassungsmäßig aus ihm erwachsenen Rechte und Pflichten der deutschen Regierungen fortdauern, so lange und so weit sie nicht durch andere Bestimmungen rechtsgültig ge⸗ ändert sind; doß 3) unter jene Rechte und Pflichten selbstver⸗ ständlich gebört, dem Bunde ein Organ des gemeinschaftlichen Wol⸗ lens und Handelns mit der für Erreichung der Bundeszwecke nach Innen und Außen nothwendigen Vollmacht zu geben und die von diesem Organ ausgehenden verfassungsmäßigen Beschlüsse zu befol⸗ gen; daß 4) mithin auch der §. 3 der württembergischen Ver fassungs⸗Urkunde noch gelten müsse, welcher in letzterer Beziehung ausdrücklich Vorsorge getroffen, und den Beschlüssen der Bundes⸗ Versammlung, des damaligen Organs des deutschen Bundes, über verfassungsmäßige Verhältnisse Deutschlands oder über allgemeine Verhältnisse deutscher Staatsbürger schon durch die Verkündigung allein ohne Einwilligung der Stände rechtsverbindliche Kraft ver⸗ liehen habe; daß 5) als im Jahre 1849 der Reichsverweser die ihm durch die oben erwähnten Beschlüsse vom 28. Juni und 12. Juli 1848 an die Stelle der bisherigen Bundes⸗Versammlung proviso⸗ risch verliehene Centralgewalt nach Auflösung der National⸗Ver⸗

ammlung an die deutschen Regierungen zurückgeben wollte und nur an sie zurückgeben konnte, einerseits für alle deutschen Regierungen die gebieterische Nothwendigkeit, dem Bunde schnellstens ein neues provisorisches Organ zu schaffen, und andererseits wenigstens für die württembergische Regierung die Unmöglichkeit vorlag, statt der aufgelösten eine neue National⸗Versammlung zu Vereinigung des deutschen Verfassungswerkes sofort einzuberufen, gleichwie sie auch 8 8 noch gültigen §. 3 der Verfassungs⸗Urkunde und noch 11““ wiener Schluß⸗Akte weder berechtigt, schen Angelegenheir bie 8 einer solchen gemeinsamen deut⸗ einzuholen; daß 6. Firrvicl guns der Landes⸗Versammlung den wiener Vertrag vom 30. württembergische Regierung durch kurze Zeit an die Et 2 89 September 1849, wodurch nur auf 86 elle des abtretenden Reichsverwesers eine neue provisorische Centralgewalt eingesetzt wurd ööe“ erfüllt und dadurch weder die würthembevglsahe An Bundespflicht noch sonst ein Landesgesetz ver. neszenbergisshe Landesverfassung, 7. Dezember 1849 jedenfalls nicht eine Folge des wiener Vertra⸗

Köünigl.

zirks zu

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ges war; daß endlich 7) die münchener Uebereinkunft nur eine höchst bedingte Vereinbarung einzelner deutschen Regierungen über gewisse Vorschläge zu einer neuen Verfassung ent hält, daß mithin, gesetzt selbst, es würden diese Vorschläge im Falle ihrer Verwirklichung die württembergische Verfas⸗ sung verletzen, doch nur ein entfernter, nicht strafbarer Versuch vor⸗ läge; aus diesen Gründen und unter Hinweisung auf die zum Druck kommenden Abstimmungen der einzelnen, die Majorität und Minorität bildenden Gerichts⸗Mitglieder erkennt der Staatsgerichts⸗ hof: daß die erhobene Klage als unbegründet verworfen sein soll, und daß für die Kosten des Prozesses die Königliche Staatskasse einzutreten habe. So beschlossen im Königlichen Staatsgerichtshof, den 4. September 1850. Der Präsident forderte hierauf den Ankläger und den Beklagten auf, ob sie noch etwas vorzubringen hätten, worauf sich beide eine Abschrift des Erkenntnisses, Ersterer, um dasselbe dem Ausschuß der Landes⸗Versammlung vorzulegen, er⸗ baten. Die Sitzung wird sofort aufgehoben.

Stuttgart, 10. Sept. (Schwäb. Merk.) Fortsetzung des Verfassungs⸗-Entwurfs. Dritter Abschnitt. Von den Ge⸗ meinden und Bezirksverbänden. Art. 37 (§. 62). Die Gemein den sind die Grundlage des Staatsvereins. Jeder Staatsbürger muß einer Gemeinde angehören, so weit nicht das Gesetz eine Aus⸗ nahme zuläßt. Jedes Grundstück soll einem Gemeindeverband ein⸗ verleibt sein. Der Gesetzgebung bleibt vorbehalten, für Waldungen und öde Strecken Ausnahmen von diesem Grundsatze zuzulassen. Art. 38 (§. 65). Den Gemeinden steht. die selbstständige Verwal⸗ tung ihrer Gemeinde⸗Angelegenheiten, mit Einschluß der Ortspoli⸗ zei, so wie die Wahl ihrer Vorsteher und Vertreter unter der Oberaufsicht des Staates zu. Die Gränzen dieses Aufsichtsrechtes werden durch das Gesetz bestimmt. Art. 39. Die Verhandlungen der Gemeinderäthe und der Vertreter der Bürgerschaft sind in der Regel öffentlich. Der Voranschlag für den Gemeinde⸗Haushalt und die Ergebnisse desselben sind zu veröffentlichen. Art. 40. (§. 63.) Die Aufnahme in die Gemeinde⸗Genossenschaft hangt von der Gemeinde ab unter Vorbehalt der gesetzmäßigen Entscheidung streitiger Fälle durch die Staats⸗Behörden. Die Ertheilung des Gemeinde⸗Bürgerrechts setzt den Besitz oder die vorgängige Erwer⸗ bung des Staats⸗Bürgerrechts voraus. Art. 41. (§. 64, 65.) Die be⸗ stehende Eintheilung des Landes zu Ober⸗Amtebezirken für Zwecke der Verwaltung und als Grundlage für die Wahlen der Abgeord⸗ neten, so wie die Vereinigung der Gemeinden eines Ober⸗Amtsbe⸗ einem körperschaftlichen Verband, dessen Angelegenheiten durch Vertreter des Bezirks nach Vorschrift der Gesetze und unter der Ober⸗Aufsicht des Staates verwaltet werden, wird beibehalten. Der Gesetzgebung steht es jedoch zu, sowohl in der Eintheilung der Ober⸗Amtsbezirke, als hinsichtlich der ganzen Verfassung und Ver⸗ waltung der Gemeindeverbände die den übrigen Staats⸗Einrichtun⸗ gen entsprechenden Aenderungen zu beschließen. Art. 42. (§. 66) Keine Staats⸗Behörde ist befugt, über das Eigenthum der Gemeinden und Bezirks⸗Körperschaften mit Umgehung oder Hintansetzung ihrer gesetzlichen Vertreter zu versügen. (§. 67.) Eben so wenig dürfen den Gemeinden oder Körper⸗ schaften Leistungen oder Ausgaben zugewiesen werden, wozu sie nicht vermöge allgemeiner Gesetze oder durch besondere Rechts⸗ titel verbunden sind. Art. 43. (§. 68.) Was nicht auf örtliche Bedürfnisse der Gemeinden oder Bezirks⸗Körperschaften, sondern zu Erfüllung allgemeiner Landesverbindlichkeiten zu verwenden ist, kann nur auf das gesammte Land vertheilt werden. Art. 44. Bei den für Zwecke der Gemeinden oder der Bezirks⸗Körperschaf⸗ ten zu machenden Umlagen soll keine Befreiung von Personen und Gütern stattfinden, ausgenommen so weit das Gesetz dieses zuläßt. Art. 45. (§. 69.) Sämmtliche Vorsteher und Beamte der Gemeinden und Bezirks⸗Körperschaften sind eben so wie die Staatsdiener auf Festhaltung der Verfassung und insbesondere auf die Wahrung der dadurch begründeten Rechte der Gemeinden und Körperschaften zu verpflichten (§. 47, letzter Absatz). Die Fälle und Formen, in welchen die Vorsteher und Beamten der Gemeinden und Körper⸗ schaften auf anderem Wege, als durch gerichtliches Erkenntniß ent⸗ lassen werden können, werden durch ein Gesetz bestimmt.

Vierter Abschnitt. Von den Kirchen, den Stiftungen und der Schule. Art. 46 (§. 71). Jede Religions⸗Gesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig, bleibt aber den allge⸗ meinen Staatsgesetzen unterworfen. Die zwischen dem Staat oder dem Staats⸗Oberhaupt und einzelnen Kirchen durch Vertrag, Her⸗ kommen oder durch die Kirchenverfassung begründeten Rechtsver⸗ hältnisse können nur auf vertrags⸗ oder kirchenverfassungsmäßigem Wege abgeändert werden. Es darf keine herrschende Kirche im Staate bestehen. Art. 47. (§. 70.) Die Bildung neuer Religions⸗ Gesellschaften ist gestattet, sofern ihre Grundsätze den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen. Einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht (vergl. Art. 25). Die Verleihung von Körperschaftsrechten an Religions⸗Gesellschaften unterliegt den all⸗ gemeinen Grundsätzen (Art. 33). Art. 48. Die Wahl der Reli⸗ gions⸗Gesellschaft, welcher der Einzelne angehören will, ist nach angetretenem 14ten Lebensjahre der eigenen freien Ueberzeugung eines Jeden überlassen. Diejenigen, welchen nach buͤrgerlichen Gesetzen die Erziehungsrechte zukommen, haben zu bestimmen, in welcher Religion die Kinder erzo⸗ gen werden sollen. Eine Beschränkung dieser in dem Erziehungs⸗ rechte enthaltenen Befugniß durch Vertrag oder auf sonstige Weise kann vor den Gerichten nicht geltend gemacht werden. Art. 49 (§. 72.) Der Verkehr der Religionsgesellschaften mit ihren Oberen ist ungehindert. Die Bekanntmachung kirchlicher Anordnungen be⸗ darf keiner vorgängigen Genehmigung der Staatsgewalt. Die Staatsgewalt ist jedoch befugt, von den ergehenden Anordnungen Kenntniß zu nehmen. Art. 50 (§. 73.) Die Kirchendiener sind in Ansehung ihrer bürgerlichen Handlungen und Verhältnisse der weltlichen Obrigkeit unterworfen. Dieser Grundsatz findet ins⸗ besondere Anwendung auf solche von den Kirchendienern in Aus⸗ übung ihres Amtes begangenen Handlungen, welche in den Staatsgesetzen für strafbar erklärt sind. Art. 51. Den Kirchen⸗ Oberen stehen gegen die Kirchendiener diejenigen T isziplinarbe⸗ fugnisse zu, welche in den in anerkannter Wirksamkeit stehenden Kirchen⸗Verfassungen begründet sind oder künftig von der Gesetz⸗ gebung werden anerkannt werden. Auf eine Ueberschreitung der Besugnisse der kirchlichen Vorgesetzten finden die allgemeinen Straf⸗ gesetze Anwendung. (Fortsetzung folgt.)

Baden. Karlsruhe, 7. Sept. (Schwäb. Merk.) In der heutigen Sitzung der zweiten Kammer verlangt Blanken horn die Vorlage der schon in öffentlichen Blättern verkündeten Ueber⸗ einkunft zwischen der Großherzoglich badischen und Königlich preu⸗ ßischen Regierung wegen Stellung und Verlegung der beiderseiti⸗ gen Truppen zur Zustimmung von Seiten der Kammer und erhält von der Regierungsbank die Zusicherung, daß eine solche Vorlage erfolgen werde. Hierauf werden die Budgetherichte über die Re⸗ gierungs⸗Nachweisungen des Kriegs⸗ Ministeriums für die Jahre 1846 und 1847 und jene des Finanz Ministeriums, so weit letztere die Steuer⸗, Salinen⸗ und Zoll⸗Vexrwal⸗ tung beireffen, zur Berathung ausgesetzt und die desfallsigen

Kommissions⸗Anträge, wonach die betreffenden Einnahmen und Ausgaben für gerechtfertigt erklärt werden, von der Kammer an⸗ genommen, auch trat diese den weiteren von der Kommission in Bezug auf Regulirung des Militair⸗Pensionsgesetzes, auf Anstellung und Beförderung der Offiziere, auf deren Zuruhesetzung u. s. w. gestellten Anträgen ebenfalls bei. Weller rügt insbesondere die unverhältnißmäßige Härte der nach den badischen Kriegsartikeln noch bestehenden Militairstrafen und verlangt eine Revision dieses Gesetzes, welche die Kriegsverwaltung auch in Anerkennung dar Nothwendigkeit einer zeitgemäßen Reform zusagt. Eben so gab der Präsident des Finanz⸗Ministeriums die Zusicherung, dem von der Kammer bei Berathung der Salinenverwaltungs⸗Rechnung aus⸗ gesprochenen Wunsche, daß der Preis des Viehsalzes (Kochsalz mit Beimischung einer Substanz, welche es zum Genusse für Menschen untauglich macht) zur Hebung der Landwirthschaft fürs ganze Land gleichmäßig gestellt werde, wo möglich Rechnung tragen zu wollen.

Hessen. Kassel, 8. Sept. Abends 10 Uhr. (D. Ztg.) Der Stadtrath hat heute Abend folgende Ansprache erlassen:

Mitbürger! Unser Vaterland ist nach einer Verkündigung vom gestrigen Tage in den Kriegszustand erklärt worden. Wir haben hiergegen bei Kurfürstlichem Gesammt⸗Staats⸗Ministerium vrote⸗ stirt, weil insbesondere die Einwohnerschaft Kassels zu einer solchen, mit Verfassung und Gesetz im grellsten Widerspruch stehenden An⸗ ordnung nicht die entfernteste Veranlassung geboten hat.

Mibürger! Wir vertrauen Eurem stets bewährten Sinn für Ordnung und Gesetz!

Beharret ferner, wie bisher, auf dem gesetzlichen Wege, dann wird, dessen sind wir gewiß, der dermalige, das gesammte Vater⸗ land in Gefahr bringende Zustand nicht von langer Dauer sein. Kassel, am 8. September 1850. Der Stadtrath der Residenz. Hartwig. Bierner. Eißengarthen. Engehardt. Fehrenberg. Fiedler. St. G. Giede. Hütterott. Knappe. Müller. Fr. Oetker. Scherb.

Im Uebrigen ist der Belagerungszustand mit Ausnahme der strengen Maßregeln gegen die Presse bis jetzt noch nicht sehr drückend. Die Neue Hessische Zeitung wird den Versuch machen, hier noch fortzuerscheinen. Sollte sie der Gewalt weichen müssen, so beabsichtigt die Redaction, die Offizin außerhalb Kurhessen in einen an der Eisenbahnlinie belegenen Ort (vielleicht Gotha) zu verlegen. Aehnliches scheint auch die Hornisse zu beabsichtigen, welche heute folgendes „Intelligenz⸗Blatt“ statt ihrer Zeitungs⸗ Nummer versandt hat: „Die letzten paar hundert Blätter un⸗ serer gestrigen Nummer sind durch vier Mann Militair in der Druckerei konfiszirt worden. Die heutige Nummer kann wegen Mangels an Setzern nicht geliefert werden. Doch wird die Redaction Alles thun, um den Fortdruck möglich zu machen. Die Post hat sich geweigert, die Besorgung der Hor⸗ nisse weiter zu übernehmen.“ In Beziehung auf den letzten Passus, der auch auf die Neue Hessische Zeitung Anwendung fin⸗ det, ist der Postrath Setzekorn aufgefordert worden, den Grund seiner Weigerung anzugeben, und hat derselbe erklärt, von seinem Vorgesetzten (Genera! Bauer) den desfallsigen Befehl erhalten zu haben. Der landständische Ausschuß hat ihm jedoch begreiflich zu machen gesucht, daß Herr General Bauer sein Vorgesetzter nicht sei, und ihn angewiesen, seinen Pflichten als Staats⸗Beamter nach⸗ zukommen, widrigenfalls man ihn zur Verantwortung ziehen werde. Gleiche Dienstwilligkeit hat der Herr General bei unserem Ober⸗ Bürgermeister Hartwig nicht gefunden. Er erhielt gestern ein Schreiben des „Ober⸗Befehlhabers“, worin ihn dieser zu⸗ einer „Konferenz zu dienstlicher Besprechung“ etild. Der Sobet Bürger meister erwiederte hierauf, daß es ihm angenehm sein würde, wenn Se. Excellenz in der für die dienstlichen Besprechungen des Ober⸗ Bürgermeisters bestimmten oder einer sonst ihm etwa genehmen Stunde im Lokale des Magistrats von Kassel, im Rathhause, sich einfinden wolle. Der Kommandant der Bürgerwehr, Herr Seidel, der sodann zum Ober⸗Befehlshaber gerufen wurde, gab diesem auf die Frage, ob er für die Ruhe der Stadt einstehen könne, zur Ant⸗ wort, daß bis jetzt die Ordnung noch nirgends gestört sei und daß er versichern könne, die Bewohner von Kassel wüßten die Gesetze zu respektiren, ohne daß man nöthig habe, dieselben durch Militair daran zu erinnern. Dann könnte Alles beim Alten bleiben, meinte der General, das heißt, die Bürgerwehr brauche nicht aufgelöst zu werden. Die Suspension des Bürgermeisters Henkel von seinem Amte als Polizei⸗Direktor bestätigt sich. Zu seinem Nachfolger ist der bisherige Landtags⸗Kommissär der aufgelösten Stände⸗Versammlung, Assessor von Göddäus ernannt. Herr Henkel hat jedoch gegen seine Amtsenthebung protestirt und erklärt, daß er die Akten nicht aus⸗ liefern und seinen Platz nicht räumen würde. Nöthigenfalls werde er der Gewalt Gewalt entgegensetzen. Ein eben so festes Beneh⸗ men hat der Staatskassen⸗Direktor von Schotten gezeigt, der sich dahin äußerte, daß, so lange er lebe, er den Schlüssel zur Staats⸗ kasse nicht aus seinen Händen geben werde. Sämmtliche Ober⸗ Behörden haben sich schon gleich nach dem Erlaß der Steuerver⸗ ordnung über deren Verfassungswidrigkeit ausgesprochen, nur das Ober⸗Appellationsgericht war noch im Rückstande, obgleich auch dort angeordnet war, daß Stempel⸗Abgaben nicht zu erheben seien. Gestern hatte dieser Gerichtshof in der gedachten Sache eine Plenarsitzung anberaumt, ein Resultat wurde jedoch nicht erzielt, da der Referent seinen Bericht noch nicht beendet hatte. Jetzt ist derselbe fertig und soll nunmehr, wie glaubwürdige Personen versichern, auch das Ober Appellationsgericht den auch von den übrigen Behörden aus⸗ gesprochenen Ansichten beigetreten sein, wobei jedoch vier Mitglieder eine andere Meinung an den Tag gelegt hät⸗ ten. Als solche bezeichnet man die Ober⸗Appellationsgerichts⸗ Räthe Elvers, Knatz, Kaup und Exter. Der Kurfürst hat seit vorgestern seine Residenz in unsere Stadt aufgeschlagen.

Kassel, 9. Sept. Heute Morgen ist das Schützen⸗Batgillon unter Befehl des Obersten Hillebrandt nach Marburg abmarschirt. Ein Jäger⸗Bataillon wird morgen nach Rothenburg abgehen. Dor⸗ ville soll Kommandant von Hanau gegorden sein. Laut Verord⸗ nung vom gestrigen Tage ist nunmehr auch das zweite Aufgebot einberufen. Die Besatzung Kassels ist dadurch wieder um 2000 Mann verstärkt. Nicht allein Infanterie⸗, sondern auch Kavallerie⸗ Patrouillen durchziehen bei Nacht und bei Tage die Stadt bis zur Wolfsschlucht, eine halbe Meile von hier. Militairpersonen haben berechnet, daß ohne Munition ꝛc. der Unterhalt der Armee setzt mo⸗ natlich über 80,000 Thaler kostet. Dies ist eine Summe, die selbst dann, wenn die ausgeschriebenen Steuern willig gezahlt würden, durch diese Einnahme sich bei weitem nicht decken ließe. Uebrigens scheinen die Mittel, welche Hassenpflug bis jetzt zu Gebote standen, bald er⸗ schöpft zu sein, denn es ist heute die Staatskassen⸗Direction auf⸗ gefordert worden, die Gelder auszuhändigen. Der Direktor hat sich geweigert und ist dem Vernehmen nach sofort die Suspension gegen ihn erkannt. Der Bezirks⸗Direktor soll gleichfalls von sei⸗ nem Amte entfernt worden sein: er hatte, auf die Aufforderung des Ober⸗Befehlshabers, auf Grund der Verordnung vom 7. Sep⸗ tember die Vereine aufzulösen und die Versammlungen zu hindern, geantwortet, daß ihm von einer zu Recht bestehenden Verordnung

teres in Kriegs⸗Zustand erklärt worden.

wurde zugemuthet, zu werden; er hat sich indeß veranlaßt gefunden, ablehnend zu

auf der neustädter Rhede

vom 7. September nichts bekannt sei. Die Ansprache des Stadt⸗

raths hat nicht veröffentlicht werden dürfen. Der darin erwähnte Protest lautet Uüene vee Kurfürstliches Gesammt⸗Staatsministerium!

Durch die Verordnung vom gestrigen Tage ist mit dem ge⸗ sammten Kurfürstlichen Lande auch die Stadt Kassel bis auf Wei⸗ Es fehlt dieser Verord⸗ nung nach unserer festen Ueberzeugung eine jede recheliche Veran⸗ lassung; wir halten sie mit Verfassung und Gesetz im Widerspruch stehend. Dies dem Kurfürstlichen Gesammt⸗Staatsministerium zu erklären halten wir für unsere Pflicht, indem wir zugleich entschieden gegen die getroffenen Maßregeln und deren Ausführung protestiren.

Kassel, den 8. September 1850. Der Stadtrath.

Die Neue Hessische Zeitung besteht im Geheimen fort. Da⸗ gegegen hat die Hornisse sich noch nicht wieder blicken lassen.

Der Vilmarsche Volksfreund soll nächstens hier in Kassel als Regie⸗ rungs⸗Organ täglich erscheinen. ggericht verfügt hat, die Presse sei sofort wieder freizugeben. so soll das vom Militair zur Einrichtung einer Wachtstube in Be⸗ schlag genommene Dekret wieder übergeben worden sein.

So eben hören wir, daß das Ober⸗ Eben

Schullokal dem Schullehrer durch richterliches

Nachschrift. Sicherem Vernehmen nach hat der General⸗ Staatsprokurator der hiesigen Staatsprokurator, welche die auf gro⸗ ben Mißbrauch der Amtsgewalt und Hochverrath lautende Anklage des permanenten Ausschusses gegen die Minister Hassenpflug, von Haynau und von Baumbach, als vor den Staatsgerichtshof gehoöͤ⸗ rig betrachtet hatte, aufgegeben, dieselbe alsbald zur gerichtlichen Verhandlung zu bringen.

Kassel, 9. Sept. (N. H. Ztg.) Heute ist nun auch die Verordnung bekannt gemacht worden, durch welche Herr General⸗ Lieutenant Bauer zum Ober⸗Befehlshaber von Kurhessen ernannt wird. Sie lautet:

Von Gottes Gnaden Wir Friedrich Wilhelm ꝛc. ꝛc.

Mit Beziehung auf Unsere Verordnung vom heutigen Tage,

die Erklärung des Kriegszustandes betreffend, verordnen Wir nach

Anhörung Unseres Gesammt⸗Staatsministeriums weiter, wie folgt:

Der General⸗Lieutenant Bauer, Commandeur der Infanterie⸗ Division, wird während der Dauer des Kriegszustandes mit den⸗ jenigen Functionen beauftragt, welche in der eben bezeichneten Ver⸗ ordnung dem am 3üsten desselben genannten Ober⸗Befehlshaber

übertragen worden sind.

Urkundlich Unserer allerhöchsteigenhändigen Unterschrift und des .“ Staatssiegels gegeben zu Kassel am 7. September 850. b (L. S.) Friedrich Wilhelm. Hassenpflug, Haynau, Baumbach.

Kassel, 9. Sept. (N. H. Z.) Heute ist sogar ein Zimmer des Ober⸗Appellationsgerichts als Wachtlokal in Benutzung genom men worden.

Kassel, 10. Sept. Der zum Staatspolizei⸗Direktor auser sehene Assessor und vorhinnige Landtags⸗Kommissar von Göddäus hat dem Bezirksdirektor die Anzeige gemacht, gedachte Stelle nicht angenommen habe. Sicherem Vernehmen nach geht das jetzige Gouvernement da⸗ mit um, beim hiesigen Lombard ein Anlehen von 50,000 Rthlr. zu

kontrahiren; die Absichten auf die deponirten Beträge in den Staats⸗ kassen sind bis jetzt an dem ehrenwerthen Widerstande der betref⸗ fenden Beamten gescheitert.

Dem Referendar Wagner bei der Bezirks⸗Direction dahier Secretair des General⸗Lieutenants Bauer

antworten.

Die gestern mitgetheilte Nachricht über den Eintritt des Asses⸗ sors Mittler von Hanau in das Ministerium des Innern ist dahin zu vervollständigen, daß derselbe mit einem außerordentlichen Refe⸗ rat beauftragt worden ist, diesen Auftrag auch nicht ohne Sträu⸗ ben und unter der ausdrücklichen Verwahrung angenommen hat,

daß ihm eine Mitwirkung bei verfassungswidrigen Handlungen nicht angemuthet werde. r.

terstützung des General⸗Lieutenants Bauer hat derselbe sicherem Vernehmen nach wiederholt abgelehnt.

Die Stellung eines Civil⸗Kommissars zur Un⸗

Zufolge einer Benachrichtigung des Ober⸗Post⸗Amts hierselbst will solches die vertragsmäßige Versendung unserer Zeitung nicht weiter hindern.

Kassel, 9. Sept. (D. R.) Die Ruhe war bis zum 8ten

Abends auch nicht durch den kleinsten Exzeß gestört worden. Die Redaction der Neuen Hessischen Zeitung hat, wie gemeldet, um

Rechtshülfe gegen die Beschlagnahme ihrer Pressen beim Ober⸗ gericht nachgesucht. Letzteres hat den verklagten Staats⸗Anwalt nach dem Antrage verurtheilt. In den Entscheidungsgründen wer⸗ den die betreffenden Vorschriften der Verordnung vom 7ten d. M. als verfassungswidrig bezeichnet.

Wir haben bereits, schreibt die Const. Korresp., die Absen⸗ dung eines Militair⸗Kommissars von Kassel nach Rintelen, der Hauptstadt der kurhessischen Grafschaft Schaumburg, gemeldet. Da diese Enklave bisher gar keine Militatr⸗Garnison hatte, so wird, dem Vernehmen nach, zur Ausführung des für alle hessischen Lan⸗ destheile erklärten Kriegszustandes demnächst eine Compagnie In⸗ fanterie von Kassel nach Rintelen auf der Etappenstraße detachirt

werden.

Kassel, 10. Sept. Heute wurde auf Befehl des Gerichts die Presse wieder freigegeben.

Hessen und bei Rhein. Darmstadt, 10. Sept. Die

heute erschienene Nummer des Großherzoglichen Regierungs⸗

blattes enthält eine Verordnung, die Verhütung des Mißbrauchs der Volksversammlungen betreffend: Ludwig III., von Gottes Gnaden, Großherzog ꝛc. Da die Wirksamkeit der Verordnung vom

17. September 1849, die Verhütung des Mißbrauchs der Volks⸗

Versammlungen betreffend, in Folge der Bestimmung des §. 16 mit dem 19ten d. M. erlischt, jedoch die Gründe, welche sie her⸗ vorgerufen haben, fortbestehen, und daher weitere Maßregeln er⸗ forderlich sind, so haben Wir auf den Grund des Artikels 73 der Verfassungs⸗Urkunde verordnet und verordnen, wie folgt: Einziger Artikel. Die Dauer der Wirksamkeit der Verordnung vom 17ten September 1849, die Verhütung des Mißbrauchs der Volksver⸗ sammlungen betreffend, wird um ein Jahr, von heute an, verlän⸗ gert. Urkundlich ꝛc. Darmstadt, am 6. September 1850. Knbwsg. von Dalwigk.

Schleswig⸗Holstein. Kiel, 10. Sept. Der Chef der ü vor Anker liegenden Kriegskorvette „Valkyrien“, Namens Prosilins, hat unterm 7ten d. M. dem schwedisch⸗norwegischen Vicekonsul Scharff in Neustadt angezeigt, daß er in Folge erhaltener Instructionen das Ein⸗ und Auslaufen holsteinischer Schiffe daselbst nicht erlauben dürfe, gleichviel, ob

dieselben die dänische Flagge führten oder nicht.

daß er die ihm zu-—

Mecklenburg⸗Schwerin. Heiligendamm bei Do⸗ beran, 7. Sept. (Schw. Zeitung.) Gestern Nachmittag ankerte hier ein Theil der bisher in den holsteinschen Gewässern stationirten russischen Flotte, bestehend aus dem dreimastigen Dampfschiff „Smirl“, der Fregatte „Pallas“, der Schraubendampffregatte „Archimedes“ (Dreimaster), einer dreima⸗ stigen Korvette und drei Schoonern („Navarino“, „Galizien“.) Der Großfürst Konstantin landete und fuhr darauf mit seiner (ihn schon seit dem Morgen erwartenden) Gemahlin und dem Herzoge Wilhelm nach der „Pallas“ zurück, von wo aus sie auch die übri⸗ gen Schiffe besuchten und gegen Abend nach Doberan zurückkehrten. Heute Mittag manövrirten sämmtliche Schiffe im Feuer; die Groß⸗ fürstin, der Großfürst, Herzog Wilhelm, der Herzog von Altenburg, zwei Prinzessinnen von Altenburg, die Herzogin von Anhalt⸗Cö⸗ then ꝛc., wohnten dem Manöver bei und kehrten heute Abend 6 ½ Uhr nach Doberan zurück. Dem Vernehmen nach werden die ge⸗ nannten Schiffe morgen Vormittag nach Kronstadt zurückgehen, das großfürstliche Paar aber noch bis zum 15ten d. M. in Doberan ver⸗ weilen und dann auf dem Dampfschiff „Chrabry“ nach St. Peters⸗ burg zurückkehren.

Nassau. Wiesbaden, 8. Sept. (O. P. A. Z.) So eben ist folgende, die Berufung des Landtags betreffende Verfügung erschienen:

Wir haben beschlossen, den durch Unsere Entschließung vom 26. März d. J. vertagten Landtag auf den 25. September d. J. wieder zu berufen. Mit der Vollziehung dieses durch das Verord⸗ nungsblatt zu verkündenden Beschlusses ist Unser Staats⸗Ministe⸗ rium beauftragt. So gegeben Biebrich, den 7. Sepiember 1850. (1. S.) Adolph. Wintzingerode. Lex. Hadeln.

Se. Hoheit der Herzog ist Sonnabend Abend von Baden⸗ Baden in Biebrich eingetroffen, und gestern Vormittag wieder dort⸗ hin abgereist.

Wiesbaden, 8. Sept. (Fr. J.) Der Konflikt des Bi⸗ schofs Blum nebst Liguorianern mit unserer Regierung hat seit gestern eine ernstere Entwickelung genommen, als man fürchten mochte. Nachdem auf den Protest der Kirchenvorstände und Ge⸗ meinderäthe zu Camp, dem Bornhofen eingepfarrt ist, das Dom⸗ kapitel zu Limburg das Gemeindegesetz ohne Bedenken dahin in⸗ terpretirte, wenn die beiden Liguorianer je 60 Fl. Aufnahmegeld bezahlten, hätten sie dem Gesetz genüge gethan und im Uebrigen hätte sich der Gemeinderath und das Kreisamt um nichts mehr zu bekümmern, sandte gestern der betreffende Kreisbeamte von Nassau einen Expressen (einen reitenden Gendarmen) hierher, mit der Bitte um Verhaltungsmaßregeln. Der Kreisbeamte erhielt nach sofor⸗ tigem Beschluß des Ministerraths (dem auch der Herzog beiwohnte) die Ermächtigung, die Einsetzung der Liguorianer zu behindern, zunächst den etwa zu Bornhofen anlangenden Bischof zu verwarnen und die geistlichen Gäste, wenn sie nicht freiwillig gingen, nöthi⸗ genfalls auszuweisen. Der heutige Sonntag wird ein entscheiden⸗ der werden, da der Gendarm nur so lange vor dem Ministerial⸗ gebäude anhielt, bis er das Reskript empfangen hatte, das er dann sofort nach Nassau brachte.

Lübeck. Lübeck, 7. Sept. 8 Tagen täglich nur mehr zwischen 1 und 4 Opfer gefordert. heute sind 500 Personen der Krankheit erlegen. 8

Die Cholera hat in den letzten Bis 8

Ausland. .“

Frankreich. Paris, 9. Sept. Die neuesten Nachrichten aus Cherbourg sind von heute 8 ½ Uhr Morgens: Der Präsident begab sich gestern um 9 Uhr an Bord des Admiralschiffes. Nach⸗ dem er der auf dem Verdecke abgehaltenen Messe beigewohnt hatte, setzte er die Besichtigung der Schiffe der Flotte fort. Um 3 Uhr führte dieselbe Bewegungen mit bemerkenswerther Geschicklichkeit und Genauigkeit aus. Zu einem großen vom Präsidenten gegebe⸗ nen Diner versammelten sich die höheren Flotten⸗Offiziere und meh⸗ rere Offiziere der englischen Marine, namentlich die Admirale Cochrane, Napier und Lessons. Auch die Repräsentanten des De⸗ partements La Manche, welche den Präsidenten seit seinem Eintritte in das Departement begleiten, wohnten demselben bei. Der Vice⸗ Admiral Parseval Deschenes brachte einen Toast auf den Präsidenten aus, welchen der Präsident mit einem gleichen auf die französische Marine erwiederte. Diese beiden Toaste wurden mit allgemeinem Beifall und dem Rufe: „Es lebe Napoleon! Es lebe der Präsident!“ aufgenommen. Auf den Toͤast des Maire, welcher dem Andenken des Kaisers und L. Napoleon gegolten, erwiederte der Präsident: „Meine Her⸗ ren! Je mehr ich Frankreich durcheile, desto mehr erfahre ich, raß man viel von der Regierung verlangt. Ich komme durch kein De⸗ partement, durch keine Stadt, durch keinen Weiler, wo nicht die Maires, die Generalräthe und selbst die Repräsentanten von mir entweder Kanäle, Eisenbahnen oder Vollendung begonnener Arbei⸗ ten verlangten. Ueberall fordert man Maßregeln, welche dem ge⸗ drückten Ackerbau aufhelfen, Industrie und Handel beleben. Nichts ist natürlicher, als die Aeußerung dieser Wünsche. Glauben Sie wohl, sie fallen nicht in ein unaufmerksames Ohr. Ich meinerseits aber muß Ihnen sagen: Diese so ersehnten Resultate sind nur zu erreichen, wenn Sie mir das Mittel geben, sie zu vollenden, und dieses Mittel besteht einzig darin, daß Sie Ihre Unterstützung bie⸗ ten zur Kräftigung der Regierung und zur Beseitigung der Ge⸗ fahren der Zukunft. Warum hat der Kaiser trotz der Kriege Frank⸗ reich mit diesen unvergänglichen Arbeiten bedeckt, auf die man bei jedem Schritte und nirgends bedeutungsvoller als hier stößt? Weil, abgesehen von seinem Genie, er zu einer Epoche kam, wo die von Revolutionen ermüdete Nation ihm die nöthige Gewalt gab, um die Anarchie zu bekämpfen, die Parteien zu unterdrücken und auswärts durch den Krieg, im Lande durch kräf⸗ tigen Antrieb die Gesammt⸗Interessen des Landes zum Siege zu führen. Giebt es nun eine Stadt, die napoleonisch und kon⸗ servativ gesinnt sein muß in Frankreich, so ist es Cherbourg. Na⸗ poleonisch aus Erkenntlichkeit, konservativ durch die richtige Würdi⸗ gung ihrer Interessen. Was ist in der That ein durch so riesige Bemühungen geschaffener Hafen, wie der Ihrige, anders als ein W Zeugniß dieser franzosischen Einheit, die uns zur großen

ation gemacht hat. Vergessen wir aber nicht, daß eine Na⸗ tion nur dann auf der Hohe ihrer Bestimmung sich erhalten kann, wenn ihre Einrichtungen mit den Forderungen ihrer politischen Lage und ihren materiellen Interessen im Einklange sind. Die Einwohner der Nor⸗ mandie wissen solche Wahrheiten zu würdigen, sie haben mir den Beweis davon und mit Stolz bringe ich einen Toast aus auf die Stadt Cherbourg. Ich bringe diesen Toast Angesichts des von uns ge⸗ bändigten Meeres, in Gegenwart dieser Flotte, welche die franzö⸗ sische Flagge so ehrenvoll nach dem Orient getragen, die bereit ist, sie überall hinzuführen, wo die Ehre der Nation es erfordert, in Gegenwart dieser Fremden, die heute unsere Gäste sind. Sie können sich hier überzeugen, daß wir den Frieden nicht aus Schwäche wollen, sondern aus Gemeinsamkeit der Interessen und

dem Gefühle gegenseitiger Achtung, welches die beiden civilisirtesten 3 Nationen verbindet. Dem Hafen von Cherbourg.“ Das Sisele bemerkt zu dieser Rede des Präsidenten, Frank⸗ reich solle also nur Eisenbahnen, Kanäle ꝛc. haben, wenn man Herrn Bonaparte die unumschränkte Gewalt schenkt, welche der Kaiser durch sein gewaltiges Genie an sich gerissen. Dieser „Tausch⸗ handel“ sei lächerlich. Das Blatt erinnert den Präsidenten daran, daß Neffen eines Kaisers nicht die einzigen Prinzen seien, welche die beschränkte Gewalt eines Präsidenten anzieht. „Es giebt deren, welche eine ehrenvolle Vergangenheit, glänzende Dienste aufweisen können, welche Frankreich, in ehrfurchtsvoller Unterwerfung unter seinen Willen, edel und würdig ins Exil wandern sah. Dies kann man Alles mit Vortheil ausbeuten, und wenn man sich benimmt, wie in Cherbourg, so arbeitet Herr Louis Napoleon Bonaparte in sonderbarer Weise für seine Nebenbuhler.“

Großbritanien und Irland. London, 9. Sept. Die Vorarbeiten für das Gebäude der großen Industrie⸗Aus⸗- stellung in Hydepark werden seit einer Woche mit großem Eifer betrieben. Mehrere große Schuppen sind einstweilen errichtet wor⸗ den, von denen der eine, 200 Fuß lang, als Werkfstätte, der andere, 60 Fuß lang zur Benutzung der Beamten u. s. w. bestimmt ist. Letzteret trägt ein Dach, wie es für das Gebäude selbst im Großen bestimmt ist, und auch die Oberlichte des Gebälkes ist nach demsel⸗ ben Plane, swie der des Hauptgebäudes, mit Glasfenstern versehen. Die erste Ladung eiserner Grundpfeiler und Säulen ist am Sonn⸗ abend angekommen; es werden deren 3230 verwendet werden, und da sie sämmtlich hohl sind, können sie zugleich dazu die⸗ nen, um das Wasser vom Dach in die Abzugskanäle zu lei⸗ ten, andererseits das Wasser bis auf die Höhe des Daches zu heben. Zu letzterem Zwecke werden nicht weniger als 34 Meilen eiserner Gossenröhren erforderlich sein. Von den 50,000 Stück Brettern, welche für den Fußboden bestimmt sind, ist eine große Anzahl bereits angelangt, auch Bauholz für Decken und Seitenwände ist in Masse auf dem Bauplatz vorräthig. Die Grundeinfassung wird ungefähr eine Meile betragen und be⸗ steht aus 5000 Brettern, welche so aneinandergefügt werden, daß sie nicht durch Nägel verletzt zu werden brauchen. Der 31ͤste Ok-⸗ tober ist der letzte Tag, an welchem Anmeldungen für etwa zu wün⸗ schenden Raum angenommen werden. Bis jetzt wurden von den verschiedenen londoner Distrikten 27,774 Quadratfuß Boden⸗ und 24,243 Wandraum in Anspruch genommen. 10,000 Quadratfuß wurden für Manchester und 80,000 für Amerika bestimmt. Der ganze zu benutzende Flächenraum des Gebäudes, die Gallerieen mit eingerechnet, wird 855,360 Quadratfuß betragen. 3

Dänemark. Kopenhagen, 9. Sept. (Berl. Tid.) Am 6ten d. ist die Auswechselung der Ratificationen des Friedens⸗ vertrages zwischen Dänemark und nachfolgenden deutschen Staaten und freien Städten, nämlich: Anhalt⸗Deßau und Anhalt⸗Bernburg, Baden, Bremen, Hamburg, Lübeck, Lippe⸗Detmold, Mecklenburg⸗ Schwerin, Preußen, beiden Fürstenthümern Reuß (ältere und jün⸗- gere Linie), Sachsen⸗Weimar, Sachsen⸗Meiningen und Sachsen⸗Al⸗ tenburg, Schwarzburg⸗Sondershausen und Schwarzburg⸗Rudolstadt nebst Waldeck vollzogen worden. Die Auswechselung fand in dem dortigen britischen Gesandtschafts⸗Hotel statt, nach vorausgegange⸗ ner Einladung des Repräsentanten der vermittelnden Macht, Mr. Howard, der darauf im Verein mit dem dänischen Geschäftsträger, Herrn von Bielke, und dem preußischen Gesandten in der Schweiz, Herrn von Sydow (durch welchen die Auswechselung seitens der genannten deutschen Regierungen stattfand), das über die Ratifica tions⸗Auswechselung aufgenommene Protokoll unterzeichnete.

Aus Sonderburg meldet der Danske Slesv., daß der 25jäh⸗ rige Thronbesteigungstag des russischen Kaisers daselbst am Zten d durch Flaggen und lebhafte Kanonade der dort liegenden russische Schiffe und der dortigen Mühlenbatterie gefeiert wurde. (Di Kanonade der Schiffe vor dem kieler Hafen am Zten d. geschah wohl 8 gleicher Veranlassung.) Der Großfürst wurde daselbst 6 wartet. 1

Großfürst Konstantin war am 5ten d. vor Sonderburg, Tags darauf vor Flensburg. Das russische Geschwader liegt bei Alsen.

Der Friedens⸗Apostel Elihu Burritt hat sich bereits mit dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten über die Ausgleichung der schleswig⸗holsteinischen Frage besprochen.

Der Departements⸗Chef General⸗Kriegskommissar Wiborg, ist zum Ritter des Stanislaus⸗Ordens erster Klasse ernannt.

Berliner Getraidebericht vom 12. September. Am heutigen Markt waren die Preise wie folgt: Weizen nach Qualität 56—60 Rthlr. Roggen loco 33— 35 Rthlr. pr. Sept. / Okt. 32 ¾ a 33 Rthlr. bez. u. G. 8 Okt. /Nov. 34 Rthlr. Br., 33 ¼ bez., 33 ½ G. pr. Frühjahr 1851 38 ¼ Rthlr. Br., 37 ½ a 38 bez. u. G. Gerste, große loco 27—29 Rthlr. 8 »„ kleine 24 —26 Rthlr. Hafer loco nach Qualität 18—20 Rthlr. 50pfd. pr. Sept./Okt. 18 ½ Rthlr. 48pfd. pr. Frühjahr 20 ½¼ Rthlr. Br., 20 G. »„ 50pfd. 21 Rthlr. Br., 20 ¾ G. Erbsen 40—45 Rthlr. Rüböl loco 13 Rthlr. bez. u. Br., 12 Q⅜ G. pr. Sept. 12 ¾ Rthlr. Br., 12 ½1 G. Sept./ Okt.) Okt. /Nov. 2 Rthlr. Br., 12 ⁄2 bez., 12 ½ G Nov. /Dez. d 8 Dez. /Jan. Jan. /Febr. Febr. /März März / April 12 ½ a 1⁄½2 Rthlr. bez., 12 ½ Br., April / Mai 12 ½ a ½ Rthlr. bez., 12 1 Br., Leinöl loco 12 Rthlr. bez. 1 pr. Sept./Okt. 12 Rthlr. Br., 11 ¾ G. Mohnöl 13 ½ 2 13 ¼ Rthlr. Palmél 11 ¾ Rthlr. Südsee⸗Thran 12 ½ a 12 Rthlr. Spiritus loco ohne Faß 15 1 a 15 ½ Rthlr. verk. I Foshr. ö 15 ½ Rthlr. Br., 159 Okt./Nov. 15 ¾ Rthlr. bez. u. Br., 15 ½ G. pr. Frühjahr 1851 16 ¼ a 17 Rthlr. bez. u. G.

Stettin, 11. Sept. 2 ½ Uhr. Roggen still, 33 35, pr. Herbst 32 ½, pr. Frühjahr 37 ½ Gld., 38 Br. Rüböl bis Februar 12 ½⅛. 8

Spiritus 24 Gld., pr. Frühjahr 22 ¼ Br.

Weizen 89pfd. gelb. schles. 58, 57 ½

12 ⁄2 Rthlr. Br., 12 ½ bez. u. G.