1850 / 264 p. 4 (Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

““ 8 ö“ tes et tacentes, quando citati sunt, pro praesentibus et consentienti-

bus gehalten werden ꝛc. .

Aber das ist klar, man wich hierbei nur dem Unerläßlichen und ließ

es nicht dahin kommen, daß der Charakter des Individualrechts selbst dar⸗

über ganz unterging. 5 3

Intasssant Aft Pesonders ein Rechts⸗Gutachten der Jurssten⸗Fakultät

zu Helmstädt noch aus der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, welches sich bei 1“ 8 8

Struben, Nebenstunden, I. 1, §. 11, p. 7a) 1 8 8 8 vnder. e den Land⸗

Das Hochstift Hildesheim hatte sich einem die Jagd bese⸗fen tags * Beschlusse nicht fügen wollen. Die Fakultät sprach üich dahen Nas⸗

s bei si 11.“ es Mittel vorhanden sei, daß bei sich ereignenden Streitigkeiten kein aunderes rität Folge zu geben um zu einer Entscheidung zu gelangen, als der Majoritaͤt Folg 4 1u“ aber es wird dies eben nur aus dieser Unmöglichkeit abgeleitet, in anderen Weise lanat z sst charakteristisch, daß die helm⸗ Weise zum Ziele zu gelangen, und es ist ch mee einftießen ließen

um zu zeigen, daß ein scharf begründetes * SIes hen n daß 6 die Ritterschaft der meisebeghende Theif i, und die Güter ich bie die Kavi - je ihri sufructuarie . i 1a.Hase e esne hecsem Mbe des Landstandschaftsrechts uu“ widersprechende und in der Minorität bleibende Einzelne mehr nur einer faktischen Nöthigung, als daß er einem fremden Rechte unter⸗ namentlich aber ein Beschluß gefaßt, welcher direkt in die Sub⸗

stanz seines besonderen landständischen Rechts eingriffe oder gar etwa 8 ganzes Landstandschaftsrecht ihm entzöge, so würde dann die Na⸗ zur des Verhälmisses besonders klar hervorgetreten sein. Der gan⸗ zen rechtlichen Eigenthümlichkeit der alten deutschen landständischen Verfassung nach, in der die einzelnen Stände (ganz im Gegen⸗ satz gegen die neuen Repräsentativ⸗Verfassungen) unzweifelhaft mit ihren individuellen Rechten auch dann Stände blieben, wenn sie auch nicht versammelt waren, würde der einzelne dissentirende und in der Sub⸗ stanz seiner Individualrechte verletzte Stand durch einen derartigen Beschluß sein Recht an sich nicht verloren haben, hätte dasselbe auch einstweilen fak⸗

tisch nicht zur Geltung gebracht werden können, und mochte es gleich viel⸗ leicht dahin kommen, daß er davon als einem landständischen niemals wie⸗ der Gebrauch machen konnte, in welchem Falle denn freilich der Erfolg der⸗

selbe war, den ein realer Untergang des Rechts gehabt hätte. Das auch durch einen Beschluß der Majorität verletzte Recht war einstweilen durch

Protestation zu wahren, und der Rechtsweg wäre nicht ausgeschlossen ge⸗ wesen.

So viel liegt aber außer Zweifel, daß das reine Verhältniß des dent⸗ schen Landstandschaftsrechts nicht überall bewahrt ist. Schon vorher ist davon die Rede gewesen, daß für einzelne Länder mit ausdrücklichen Ge⸗ setzen eingeschritten ist. Ueberall ist davon zwar auszugehen, daß ein gänz⸗ licher Untergang des Individualrechts als eines solchen und ein gänz⸗ liches Aufgehen desselben in eine bloße (quotative) Theilnahme an den korporativen Berathungen und Beschlüssen nicht anzunehmen sei, daß demnach für ein einzelnes Land, für welches eine Abweichung hiervon behauptet werden sollte, diese auch besonders nachzuweisen wäre. Die Feststellung aber, wo für den in allen landständischen Verfas⸗ sungen eingetretenen Konflikt zwischen dem ursprünglich im Fundamente wie im Gebrauche völlig freien Individualrechte und dem diese Freiheit beengenden Rechte der Corporation die Gränze der Entscheidung liegt diese Feststellung kann für jede besondere landständische Verfassung nur in dem Wege erfolgen, daß ihre eigenthümliche rechtliche Entwickelung einer speziellen Prüfung unterworfen wird.

Für den hier vorliegenden Fall wird diese Prüfung dadurch sehr ver⸗

einfacht, daß freilich zwar nicht für die Gesammtheit der mecklenburgischen

Landstände, doch aber auch nicht in Geltendmachung der Individualrechte

Einzelner, vielmehr was zwischen diesen beiden in der Mitte liegt, Na⸗ mens einer der zwei Körperschaften geklagt ist, aus denen die Landstände bestehen.

Am 5. Oftober 1849 war in Rostock ein sogenannter ritterschaftlicher Konvent abgehalten. Die Deputirten, welche jetzt als Kläger aufgetreten sind, wurden aufe ihm gewählt und nach einem mit 168 Stimmen gegen

3 Stimmen gefaßten Beschlusse mit den Aufträgen versehen, welche sie zu⸗ letzt durch den Antrag auf Eröffnung der Kompromiß⸗Instanz und durch

as Hervortreten mit der Klage ausgeführt haben.

Auf eine, vom Konvent selbst beschlossene und genehmigte „verwahrende Erklärung gegen die Rechtsgültigkeit der mit der Abgeordneten⸗Versamm⸗ lung vereinbarten Verfassung“, welche die Deputirten dem Herrn Groß⸗ herzoge von Mecklenburg⸗Schwerin ihrer Instruction gemäß zunächst zu

berreichen hatten, wurde ihnen mittelst Reskripts Sr. Königl. Hoheit vom

2. Oktober 1849 eröffnet:

daß nach den Erklärungen der Stände auf dem außerordentlichen Land⸗

tage des Jahres 1848 die am 5. Oktober in Rostock stattgehabte Ver⸗

sammlung als ein legaler Konvent der Ritterschaft, befugt, sich mit der

Berathung und Beschlußnahme über Verfassungsgegenstände zu befassen,

von Höchstdemselben nicht anerfannt werden könne. Deshalb könnten die

jetzigen Kläger auch nicht als zu dem überreichten Antrage berechtigte Be⸗

o erkannt werden und sonach keinen Bescheid in der Sache er⸗

halten.

Die hierin ausgesprochene Ansicht ist von dem Herrn Großherzoge auch später festgehalten. In der Behauptung, daß mit den landständischen Be⸗ schlüssen des Frühjahrs 1848 die Existenz der Ritter⸗ und Landschaft als landständischer, zur Landes⸗Repräsentation berufener Corporationen beendigt sei, lag der Hauptangriff gegen die Zulässigkeit der auf der rostocker Zu⸗ sammenkunft vom 5. Oktober beschlossenen Schritte.

Die für Se. Königl. Hoheit eingereichte Streitschrift erkennt indessen,

dieser Einwand gegen die Legitimation zugleich mit der Entscheidung

streitigen Hauptfrage und durch diese Entscheidung seine Erledigung jiinde. Es ist dies richtig, und auf den so fundirten Angriff ist daher hier nicht weiter einzugehen.

Einer näheren Prüfung bedarf dagegen der seitens des Herrn Ver⸗ klagten aufgestellte fernere Einwand,

daß der Ritterschaft überhaupt, insbesondere aber im vorliegenden Falle,

das Recht nicht beigewohnt habe, selbstständig die Eröffnung einer Kompro

miß⸗Instanz zu beantragen.

Nicht der Ritterschaft für sich, und nicht der Landschaft allein, sondern

nur der Ritter⸗ und Landschaft, also den Landständen als Gesammt⸗

Körperschaft, soll nach der Patent⸗Verordnung vom 28. November 1817

das Recht zustehen, die Eröffnung einer Kompromiß⸗Instanz in Anspruch

zu nehmen. Dies wird abgeleitet:

.) aus den zwischen den Großherzoglichen Regierungen und der Ritter⸗ und Landschaft vor Erlaß jener Verordnung gepflogenen Ver⸗ handlungen,

b) aus der Fassung der Vexordnung selbst, und

'e) aus den Bestimmungen des §. 142 des L. Erbvergleichs, wodurch jedes Separathandeln in gemeinsamen Angelegenheiten untersagt sei.

Zugleich wird darauf hingewiesen, daß hier nicht von einer Sozietät, sondern von einer juristischen Person die Rede sei, und daneben auf ein der Klage beiliegendes, dem Verwaltungsrathe in Berlin übergebenes Promemoria des Großherzoglich schwerinschen Staats⸗Ministeriums ver⸗ wiesen, in welchem sub II. auszuführen gesucht ist, daß ein Stand allein gegen den Landesherrn nicht klagen, wohl aber den anderen Stand, allen⸗ sals im Wege Rechtens, nöthigen könne, geeignetenfalls mit ihm gemein⸗ schastliche Sache zu machen. 1eDie ager haben auch ihrerseits diesem Einwande eine sehr ausführ⸗ ben im nhs aecidmer und hhsene⸗ dle⸗ Begründung dessel⸗ zu entnehmen widerlegen sich bemüht, welche aus dem Promemoria

er beide Theile einig, daß in einem früheren Falle aus dem

Kompromf r ohne Beitritt der Ritterschaft auftretenden Landschaft die

omiß⸗Instanz eroffnet i

Alle die Legitimatio üb 8 in di it i

Anregung zelommenen 2 überhaupt betreffenden, in diesem Rechtsstreit in

oder weniger lief in die 88 en bs ben das mit einander gemein, daß sie mehr

Verfassung vineinsühren 5 üheiten der mecklenburgischen landständischen

dadurch aber ein besondtres e zunächst zur Prüfung gelangende nimmt

male der siaͤndischen deen Viterese in Anspruch, daß sie nicht das For⸗

Stände betrifft. ingen, sondern das materielle Recht der

8b

1606

Ihre Entscheidung muß sich zuletzt auf eine richtige Anwendung der Patent⸗Verordnung vom 28. November 1817 gründen, durch deren Erlaß ein Zwiespalt zwischen den Herren Großherzogen und den Ständen geho⸗ ben wurde, der seinen Ursprung schon im vorigen Jahrhundert hatte.

Als Entschädigung für erhobene Ansprüche, welche kein Anerkenntniß gefunden hatten, wurde in dem tescher Frieden (1779) den Herzogen von Mecklenburg das privilegium de non appellando verheißen. Es lag sehr nahe, daß die Stände dabei wesentlich interessirt seien, wenn sie etwa in Folge davon das Recht hätten verlieren sollen, bei Streitigkeiten zwischen ihnen und den Landesherren sich an die Reichsgerichte zu wenden. Ritter⸗ und Landschaft, auch die Stadt Rostock remonstrirten deshalb und suchten Hülfe beim Reichshofrath. In dem von diesem erlassenen Konklusum vom 11. April 1781 wurde bestimmt, daß, unbeschadet des privilegium de non appellando, der Weg an die Reichsgerichte offen bleiben solle, unter Ande⸗ rem auch

in den Fällen, da die Herren Herzoge entweder selbst oder durch die Ih⸗ rigen gegen den Erbvergleich vom Jahre 1755 oder gegen die mit der Stadt Rostock getroffenen Erbverträge kontravenirten oder die auf all⸗ gemeinen Landtagen vorkommenden Beschwerden ꝛc. ꝛc. nicht erledig⸗ ten u. s. w. Auch damals wurde indessen das Privilegium selbst nicht ausgefertigt. Auf diese Ausfertigung sollte vielmehr erst angetragen werden, wenn zuvor we⸗ gen Besetzung eines einzurichtenden Appellationgerichts und über eine die⸗ sem zu ertheilende Gerichtsordnung mit Ritter⸗ und Landschaft eine Verein⸗ barung getroffen sein werde. Hagemeister, Mecklenb. Staatsrecht S. 134. Hierzu kam es nicht; das Ober⸗Appellationsgericht wurde selbst in der Zeit nicht errichtet, als mit dem deutschen Reiche die Reichsgerichte aufgelöst wurden. Der zwischen Kommissarien der beiden Herzoglichen Häuser im Jahre 1808 entworfene Plan zur Bildung eines solchen Gerichts Mecklenb. Gesetze ꝛc. Heft 2, S. 103, kam nicht zur Ausführung, und als auf dem Landtage von 1816 die Mit⸗ wirkung der Stände zur Errichtung des Gerichts in Anspruch genommen wurde, lehnten diese die Proposition bis dahin ab, daß ihnen ein Ersatz für den gerichtlichen Schutz geschafft werde, den sie in Verfassungs⸗ früher bei den Reichsgerichten gehabt hätten und jetzt ent⸗ behrten.

Das führte in weiteren Verhandlungen zu der demnächst auch vom deutschen Bunde garantirten Patent⸗Verordnung vom 28. November 1817,

abgedruckt u. A. in Meyer’'s Staatsakten Th. II. p. 95 u. f. und demnichst zur Einrichtung des Ober⸗Appellationsgerichts.

Der §. 1 jener Verordnung, über dessen Auslegung gestritten wird, lautet wörtlich dahin:

„Sollte zwischen Uns und Unseren getreuen Landständen, sei es die gesammte Ritter⸗ und Landschaft oder mit einer von beiden allein, entweden unmittelbar oder bei einer ihnen landesverfassungsmäßig zustehenden Ver⸗ tretung über Landesverfassung, Landesgrundgesetze, sonstige öffentliche Ver⸗ träge, die Auslegung und Anwendung derselben, so wie überhaupt bei der Ausübung der landesherrlichen Gewalt, eine Verschiedenheit der Ansichten entstehen und ein streitiger Fall sich ergeben: so soll zwar nach wie vor der Weg der Beseitigung durch unmittelbare gütliche Unterhandlungen aufrichtig, redlich und ernstlich versucht, im Entstehungsfall aber, und sobald Unsere Landstände darauf antragen werden, der Gegenstand auf kompromissarischem Wege zur rechtlichen Entscheidung gebracht werden.“

Die Differenz der Auslegung besteht darin, daß

1) die Kläger in dem im Eingange des Paragraphen enthaltenen und, wie unstreitig ist, auf eine ausdrückliche Bemerkung der Stände auf⸗ genommenen Satze: „sei es die gesammte Ritter⸗ und Landschaft oder mit einer von beiden allein“, klar entschieden finden, daß im sonst dazu geeigneten Falle auch die Ritterschast allein auf die Kompromiß⸗Instanz provoziren könne, während

2) von Seiten des Herrn Großherzogs mit Rücksicht darauf, daß im letzten Theile des Paragraphen der Satz: „sobald Unsere Landstände darauf antragen werden“, jenen Zusatz nicht enthält, die Auslegung für die richtige genommen wird, daß zwar auch einseitige Interessen der Rit⸗ terschaft Gegenstand einer schiedsrichterlichen Erörterung und Entscheidung werden könnten, daß eine Provocation auf die Kompromiß⸗Instanz aber immer nur von den gesammten Landständen und nicht von einer der bei⸗ den sie bildenden Corporationen ausgehen könne.

Die Kläger finden in dem von ihnen hervorgehobenen Zusatze eine nähere Bestimmung des Wortes Landstände zu dem Zwecke, daß dieselbe auch für den Schluß des Paragraphen, wie für die spätere Wiederholung dieses Wor⸗ tes, maßgebend bleibe, des Großherzogs Königliche Hoheit hält aber dafür, daß zwischen der fraglichen Bezeichnung im Eingange des Paragraphen und derjenigen am Schlusse desselben ein Gegensatz obwalte.

Daß die Ritterschaft im Gegensatz zur Landschaft auch für sich allein eine Corporation bildet, welche individuelle landständische Rechte hat, und diese unter Umständen überhaupt geltend machen kann, ist außer Zweifel. Sollte dies auch aus der gewöhnlichen und offiziellen Bezeichnung der Land stände mit den Worten „Ritter⸗ und Landschaft“ allein nicht abgeleitet wer⸗ den können, so ergiebt es sich doch sonst klar. Gleich im §. 2 des Landes⸗ Erbvergleichs ist von den Rechten, Gerechtigkeiten, Freiheiten u. s. w. die Rede, welche

„Unsere Ritter⸗ und Landschaft überhaupt oder ein jeder Stand für sich

allein und ein jeglicher derselben insonderheit rechtsbeständig erworben

und hergebracht habe“, die zulässige itio in partes deutet an sich schon darauf hin, daß es sich hier von zwei in Rechten verschiedenen Körperschaften handelt, der §. 213 des Landes⸗Erbvergleichs redet von Anlagen, welche die Ritterschaft allein be⸗ willigt, diese hält ihre besonderen Konvente (§. 201 ibid.), ihr ist ein be⸗ sonderes Siegel für ihre Ausfertigungen verliehen (§. 184 I. c.) u. s. w. Nicht die vorhandenen Landstände schieden sich es post für gewisse Unter⸗ zwecke in die Ritterschaft und die Landschaft, sondern durch die Vereinigung beider waren die Landstände gebildet. Der §. 139 des Landes⸗Erbvergleichs sagt ausdrücklich:

Es versteht sich also die Landes⸗Union theils von der Verbindung der

Provinzen unter sich, theils von der Verbindung der Landstände, nämlich

der Ritterschaft und der Städte, in Ansehung ihrer selbst, unter einander.

Darüber, daß in der Ritterschaft ein im Allgemeinen zu Rechten be⸗ fähigtes Subjekt vorliegt, ist auch kein Streit.

Diese Ritterschaft war aber, wie oben erwähnt, durch die Union eben so der Landschaft gegenüber gebunden, wie beide zusammen nach einer früheren Ausführung zu den Landesherren durch dieselbe Union in festen vertragsmäßigen Verpflichtungen standen. Auch in Beziehung auf die Land⸗ schaft durfte die Ritterschaft einseitig keinen rechtlichen Akt vornehmen, der irgendwie das bestehende, durch die Union gebildete Rechteverhältniß alteri⸗ ren konnte. Der §. 142 des Landes⸗Erbvergleichs sagt das ausdrücklich:

„Wie denn auch ein Stand (Ritter⸗ und Landschaft), ohne Zuziehung und Einwilligung des anderen, eine Verbindung über gemeinsame Rechte zu treffen nicht befugt sein, allenfalls aber solche für null und nichtig geachtet werden soll.“ 8

Der Sinn dieses Paragraphen ist klar. Ueber die gemeinsamen Rechte konnte gültigerweise nur nach gemeinsamen Beschlüssen und in gemeinsamen Handlungen disponirt werden; eine einseitige, nicht auf einem gemeinsamen Beschlusse beruhende Disposition mußte schon deshalb unkräftig sein, weil hier von untheilbaren Rechten (jura iudiviqua) die Rede ist, und jede Dispo⸗ sition der Art in fremdes Recht eingreift. Auch eine theilweise Gültigkeit des etwa Gehandelten war danach nicht möglich. Der in L. 28 D. com- muni divid. ausgesprochene Rechtssatz: melior est conditio prohibentis ist eine allgemein geltende Grundnorm für alle Rechtsverhältnisse der Art, auch die staatsrechtlichen. 8

Eine auffallende Rechtsansicht ist es aber, wenn der Verfasser der für Se. Königl. Hoheit eingereichten Schrift aus diesem §. 142 abzuleiten ver⸗ sucht, daß die Ritterschaft auch den vorliegenden Prozeß nicht allein habe anstellen dürfen, und wenn auch in anderen Schriften diese Deduction, und anscheinend mit großer Zuversicht, aufgestellt ist.

Daraus, daß Jemand ein Recht, welches ihm mit einem Anderen gemein⸗ sam ist, nicht einseitig ändern kann, folgt so wenig, daß ihm auch eine einseitige Vertheidigung dieses gemeinsamen Rechts gegen von außen herkommende An⸗ griffe nicht erlaubt sei, daß vielmehr eher das Gegentheil daraus abgeleitet werden kann. Der unternimmt gewiß nicht eine rechtliche, das Rechtsverhältniß ändernde Verfügung über eine Sache, welcher seine Kräfte gerade dazu an⸗ wendet, daß das bestehende Recht für die Sache aufrecht erhalten wird;

t besserem Grund ließe sich, wenn die Bezeichnung überhaupt hierher

paßte, die Behauptung aufstellen, daß derjenige eine solche Disposition vor⸗ nähme, welcher die Vertheidigung der Sache unterläßt. Unter dem Worte: „Verbindung“ im §. 142 cit. kann aber dem an sich nicht zweifelhaften Sinne nach nichts Anderes verstanden werden, als ein „Sich binden, sich verbindlich machen, ein Verfügen durch Vertrag.“ 8

Hier handelt es sich von einer Frage, mit deren Entscheidung zugleich darüber abgeurtelt wird, ob überhaupt Ritterschaft und Landschaft als be⸗ rechtigte Körperschaften noch eristiren. Je nach dem Ausfalle der Entschei⸗ dung sind mit der Existenz dieser beiden Corporationen ihre Gesammt⸗Be⸗ rechtigungen untergegangen oder erhalten. Die Ritterschaft behauptet und vertheidigt die Eristenz beider und die ihrer Rechte, und darin, daß sie dies thut, stößt sie so wenig gegen die Pflichten aus der Union an, daß sie viel⸗ mehr den einzigen Weg eingeschlagen hat, auf dem unter den obwaltenden Umständen diese Pflichten noch erfüͤllt werden konnten.

Am wenigsten kann aber das Wort „Verbindung“, wenn man dasselbe auch noch so ausdehnend erklärt, auf die Erhebung eines Rechtsstreits ange⸗ wendet werden, durch welche gerade ein neuer Gegensatz erzeugt wird.

Richtig ist, daß auch durch Prozesse gerade die Rechte möglicherweise verloren gehen können, welche durch dieselben vertheidigt werden sollen. Wer seine Rechtssache in Begründung und Durchführung fehlerhaft behandelt, kann allerdings durch das Urtel, durch welches er Huülfe suchte, seines auch an sich begründeten Rechts selbst verlustig gehen. Das ändert aber die rechtliche Narur des Prozesses nicht. Dieser bleibt ein Versuch, das Recht zu schützen, auch wenn der Versuch mißlingt. Jedenfalls ist dies hier auch schon deshalb ohne Einfluß, weil nach bekannten Rechtsgrundsätzen die Landschaft niemals durch die Entscheidung eines Prozesses leiden kann, an dem sie selbst nicht Theil genommen hat, für die also durch das Mißlingen nichts verloren geht. 8 88 1

Der §. 142 des Erbvergleichs entscheidet nichts fur die vorliegende Frage, und es ist dennoch zu prüfen, wie sonst das Recht⸗der Ritterschaft

kommt. 1 11— s 1 68 oben gegebenen Darlegung über die Natur der Individual⸗ rechte in den deutschen landständischen Verfassüngen würde folgen, daß die Ritterschaft zu einer Klage besugt gewesen wäre, in welcher sie durch Be⸗ rufung auf gemeinsame Rechte ihre eigene Existenz, also insofern recht ei⸗ gentlich auch ein Individualrecht. vertheidigt. 8 8 Es kommt also zunächst auf die mecklenburgische Verfassung an, wie sie vor dem Jahre 1817 war, und diese ist daher zu ermitteln.

Ist in der Klage das vorher schon angeführte Reichs⸗Hofraths⸗Kon⸗ tlusum vom 11. April 1781 ganz richtig eitirt Cund dies muß angenommen werden, da sich die Gegenschrift ausdrücklich auch auf dieses Citat beruft), so ist schon darin ein füͤr das Recht der Ritterschaft sprechender Präcedenz⸗ fall vorhanden, denn diese wichtige, gewiß die gemeinsamen Rechte der Land⸗ stände betreffende Entscheidung ist in Sachen der Ritterschaft gegen die Herren Herzoge, pcto. privilegii de non appellando illimitati, also auf die alleinige Klage dieser einen Körperschaft ergangen. Der Reichs⸗Hofrath hat diese also für legitimirt angenommen.

Ueberall fehlt es aber auch nicht an früheren Fällen der Art. Der Reichs⸗Hofrath, bei welchem vorzugsweise die mecklenburgischen Streitigkei⸗ ten zwischen Landesherren und Ständen anhängig gemacht wurden, hat be⸗ kanntlich im Laufe der Zeit oft Gelegenheit gehabt, durch seine Entschei⸗ dungen sich über die mecklenburgische Versassung auszusprechen und sie fest⸗ zustellen. Es genügt, wenn hier zwei besonders schlagende Fälle angeführt werden.

1) Im Jahre 1701 kamen zwischen dem Herzoge von Mecklenburg⸗ Schwerin und den Landständen zwei Vergleiche über Landes⸗Gravamina zu Stande.

Im Jahre 1709 klagte die Ritterschaft, daß einer der Vergleiche nur in den ihr und dem Lande nachtheiligen Punkten nicht in den niilibus observirt werde; es seien niemalen mehrere und härtere Eingriffe in die Landschaftliche und deren Glieder (Rechte) vorgegangen, als nach diesem Vergleiche entstanden seien.

Der Reichs⸗Hofrath erließ darauf ein weitläuftiges mandatum s. c. J. J. Moser. Von der Teutschen Reichsstände Landen S. 1265 Wichtiger noch sind

2) die Streitigkeiten, welche zwischen der Ritterschaft allein und den Herzogen beider mecklenburgischen Lande in der Mitte des vorigen Jahr⸗ hunderts beim Reichs⸗Hofrathe anhängig waren. Sie wurden mit beson⸗ derer Lebhaftigkeit eine Reihe von Jahren hindurch geführt. Die Ritter⸗ schaft berief sich auf die Union und verlangte, daß die Landschaft, und daß namentlich auch die Stadt Rostock als Streitgenossen sich ihr zuge⸗ sellten. Beide lehnten dies ab. Die Ritterschaft setzte, was ihr als Recht nicht bestritten, wenn auch als Beweis von Streitsucht zum Vorwurf ge⸗ macht wurde, den Betrieb der Sache allein fort, und der Erfolg lediglich dieses Betriebes war der Abschluß des Landes⸗Erbvergleichs vom Jahre 1755, an dem nun die Landschaft Theil nahm.

Moser l. c. S. 1276 1282.

Daß so der Ursprung des Landes⸗Erbvergleichs gewesen, geht aus ihm

selbst hervor. Im Eingange desselben heißt es: Ihre Kaiserliche Majestät habe bereits unterm 9. Juni 1749 zu gütli⸗ cher Hinlegung aller zwischen dem Herzoge und der Ritterschaft der Zeit entstandenen und entstehen wollenden Streitigkeiten eine Kaiserliche Hof⸗ Kommission verordnet, und in deren Verfolg sei mit der Ritter⸗ und Land⸗ schaft der Vergleich geschlossen.

Das ist hiernach nicht zweifelhaft, der Satz: auch jede einzelne der beiden Körperschaften kann gemeinsame Gerechtsame der gesammten Landstände aus ihrem, der besonderen Kör⸗ perschast, eigenen Rechte gegen Angriffe vertheidigen, dieser Satz war auch mecklenburgischen Rechtens.

Die Patent⸗Verordnung vom 28. November 1817 müßte ihn also ge⸗ ändert haben, wenn er jetzt nicht mehr gelten sollte.

Daß dies wirklich in der Absicht gelegen, kann nach den Verhandlun⸗ gen, in deren Folge die Patent⸗Verordnung publizirt wurde, nicht angenom⸗ men werden.

In dem ersten, den ständischen Deputirten von den Großherzoglichen Kommissarien mitgeiheilten Entwurf lautete der §. 1 anders, als oben an⸗ gegeben, nämlich dahin:

„Sollte zwischen Smis und Ihren getreuen Landständen über Landesver⸗ fassung, Landesgrundgesetze, die Auslegung und Anwendung derselben, überhaupt wei der Ausübung der landesherrlichen Gewalt eine Verschiedenheit der Ansich⸗ ten entstehen und streitige Fälle sich ergeben, so soll zwar nach wie vor der Weg der Beseitigung durch unmittelbare gütliche Unterhandlung aufrichtig, redlich und ernstlich versucht, im Entstehungsfalle aber und sobald die Land⸗ stände darauf antrügen, der Gegenstand auf kompromissarischem Wege zur rechtlichen Entscheidung gebracht werden.“

Sammlung neuerer Gesetze und Urkunden, welche auf das mecklenbur⸗ gische Staatsrecht Bezug haben, Bd. 2, S. 262.

Die ständischen Deputirten erklärten sich im Ganzen mit dem Entwurse einverstanden und machten nur „wenige Bemerkungen“, die sie „nicht als Gegenerinnerungen“, sondern nur als „Vorschläge zu einigen näheren Be⸗ stimmungen“ angesehen wissen wollten.

Sie meinten, es möchte allerdings zu weit führen, wenn auch jeder einzelnen Kommune und jedem einzelnen Unterthan bei eigentlichen landes⸗ herrlichen Handlungen dieser Kompromiß⸗Rechtsweg über das bei der Aus⸗ übung der landesherrlichen Gewalt vermeintlich gekränkte Privatrecht ohne alle Einschränkung eröffnet werden sollte, sie hielten doch aber eine Einrich⸗ tung wünschenswerth, in welcher auch dem Einzelnen durch Vermittelung der Stände und sodann event. auch durch Beschreitung des Kompromiß⸗ weges von Seiten der letzteren ein ausreichender Schutz gesichert werde. Der Sache nach wünschten sie also für solche Fälle den Rechtsschutz, welche die Stände nach dem Assistenz⸗Reglement von 1788 vor sich ziehen konnten:

Dem hingen sie die Bemerkung an: daß hinter dem Worte „Landständen“ die Worte „sei es nun mit der Ritter⸗ und Landschaft gemeinschastlich oder mit jedem Stande allein”“ hinzuzufügen seien.

Sammlung ꝛc. S. 265 seq. 8

Diese beiden Desiderate sanden Beachtung, und das führte zu der neuen, oben angegebenen Fassung, mit welcher die Verordnung publi⸗ zirt ist.

Wird dieser Hergang der Sache unbefangen geprüft, so ist es nicht wohl möglich, zu dem Resultate zu gelangen, daß die Herren Großherzoge anfangs nur der Gesammtheit der Landstände in Fällen der Verletzung ihrer gemeinsamen Rechte den Rechtsweg bewilligt, auf eine Remonstration

1267.

durch die

anders die Rede, als in dem, 7

setzen in Einklang setzen will, so hat Folgendes in seinem souverainen Namen bekannt zu machen.

theilt, Justiz und Gnadensachen, 3) Ministerium der Finanzen, 4) Mini⸗

Minister

aber die bescheänkte Konzession gemacht hätten, nach welcher zwar Separatrechte der einzelnen Körperschaften, aber auch diese nur Gesammtheit der Stände zur rechtlichen Erörterung ge⸗ bracht werden konnten. Das richtige Ergebniß liegt vielmehr in der Annahme, daß von Anfang an die Großherzoglichen Regierun⸗ gen von keiner anderen Ansicht ausgegangen sind, als daß jede der beiden

Corporationen auch selbstständig solle klagen können, und daß dies nur nicht

klar ausgedrückt worden. Nirgends ist von einer Aenderung der bisherigen materiellen Rechte was die ständischen Deputirten selbst rück⸗

sichtlich der Kommunen und einzelnen Personen angeführt haben; im Ein⸗

gange der Verordnung wird vielmehr der Zweck derselben dahin angegeben, daß nach der seit Auflösung des deutschen Reichs stets gehegten Absicht

den Landständen befriedigende Mittel und Wege eröffnet werden sollten, um bei streitigen Fällen in Angelegenheiten, welche die Landesverfassung betreffen, zur rechtlichen Entscheidung zu gelangen.

Nur bei der Annahme, daß man über das 8 einig war, und daß beide Theile davon ausgingen, die bestehende . fassung solle durch die neue Einrichtung geschützt und nicht geändert wer⸗ den, wird es erklärlich, daß die landesherrlichen Kommissarien, und zwar ohne vorherige Anfrage bei den Herren Großherzogen, auf die erste 8 wich⸗ tigere Erinnerung, nach welcher einzelne Personen und Kommunen zwar nicht mehr sollten klagen, aber auch in ihren Rechten durch eine Klage der Stände rechtlich sollten vertreten werden können, sofort eingehen, und daß die zweite sogar nur als eine bloße Redactions⸗Bemerkung aufgestellt und als solche ohne weitere schriftliche Vorerörterung auch erledigt wird.

Hätte damals wirklich die jetzt aufgestellte Ansicht vorgewaltet, daß es sich von einer vorher nicht beabsichtigten Ausdehnung des Rechts handle, und daß diese nur in der seitens der Großherzoglichen Regierung demnächst aufgestellten Beschränkung eintreten solle, so würde der Gegensatz, welcher jetzt in dem Paragraphen gefunden worden, gewiß in sehr bestimmten und in ganz anderen Worten ausgesprochen sein, da gerade dann die Verhand⸗ lung auf die Nothwendigkeit einer möglichst scharfen Hervorhebung dieses

eigentlich Beabsichtigte Ver⸗

Gegensatzes hinführte.

Jedenfalls hätte eine wirklich beabsichtigte Aenderung des Rechts der

eeinzelnen Corporation klar ausgesprochen werden müssen, wenn sie hätte ein⸗ treten sollen.

Wie der Paragraph jetzt lautet, kann aber überall auch kein Gegensatz der angegebenen Art in ihm gefunden werden. Auch nach sprachlichen Re⸗ geln kann der Nachdruck am Schlusse des Paragraphen nur auf die Worte „sobald“ und „antragen“, und nicht auf das Wort „Landstände“ gelegt werden.

Pütter warnt in den

Beiträgen zum Teutschen Staats⸗ und Fürstenrechte Thl. II. S. 22.

davor, daß man solche Gesetze, die nur ältere Gewohnheitsrechte befestigen, mit anderen Gesetzen, die ganz neue Verordnungen enthalten, nicht auf einer⸗

lei Fuß behandle. Der Rechtsgelehrte soll dabei, sagt er, immer eingedenk

bleiben, daß der Inhalt solcher Gesetze schon lauge vorher seine Rechts⸗

krasft gehabt, und daß also der Ursprung und wahre Grund eines solchen

Rechts nicht erst in jenen neuecren Gesetzen, sondern schon in weit älteren

Zeiten zu suchen sei.

Das findet hier volle Anwendung. Zweck der Verordnung war, wie sie auch ausdrücklich rubrizirt worden, die Beschaffung einer „angemessenen Instanz zur Erlangung einer rechtlichen Entscheidung in Streitigkeiten zwi⸗

schen den Landesherren und den Ständen“, nicht aber eine neue Reguli⸗

rung oder Aenderung der längst verfassungsmäßig feststehenden Regeln über

die Klagbarkeit der politischen Rechte.

Wenn daher des Herrn Großherzogs Königl. Hoheit im Jahre 1832 den bisher vorgekommenen einzigen Fall einer Anwendung der Patent⸗Ver⸗

ordnung de 1817 ganz in dieser Ansicht behandelt hat und der Landschaft, welche damals ohne Beitritt der Ritterschaft die Eröffnung der Kompro⸗

miß⸗Instanz in Anspruch nahm, diese dennoch bewilligte, so kann in diesem für die hier vorliegende Beurtheilung allerdings sehr wichtigen Präcedenz⸗ falle nur eine ganz sachgemäße Anwendung der Verordnung, nicht aber, wie das mehrfach erwähnte Promemoria glaubt geltend machen zu können, eine Bewilligung ohne Verpflichtung und nach freiem Entschlusse gefunden werden.

Dem behaupteten Rechte, der einzelnen ständischen Körperschaft die Instanz zu verweigern oder jetzt zu bestreiten, fehlt alles haltbare Fun⸗ dament.

Schluß folgt.)

Italien. Rom, 11. Sept. Das Giornale di Roma

veröffentlicht im amtlichen Theile folgende Verordnungen:

Giacomo Antonelli, Kardinal der heiligen römischen Kirche,

Diakonus von S. Agata alla Suburra, Unterstaats⸗Secretair Sr.

Heiligkeit unseres Herrn, des Papstes Pius IX. ꝛc. Da Se. Hei⸗ ligkeit, nnser Herr, die Bildung der Ministerien mit den kraft sei nes Motuproprio vom 12. September 1849 zu verfassenden Ge⸗ er uns den Befehl ertheilt,

Vorläufige Bestimmungen. Sämmtliche Zweige der öffentlichen Administration sind in fünf Ministerien unter dem Vorsitze von fünf Ministern einge⸗ nämlich: 1) Ministerium des Innern, 2) Ministerium der

sterium des Handels, des Ackerbaus, der Industrie, der schönen

Künste und öffentlichen Arbeiten, 5) Ministerium des Krieges.

Diese Eintheilung ist nicht desinitiv; die Zahl der Ministerien

kann von Sr. Heiligkeit nach Maßgabe der Umstände vermehrt oder

vermindert werden.

§. 2. Außer der Ernennung der wirklichen Minister verleiht Se. Heiligkeit den Männern, die Sie als würdige anerkennen, den Titel von Staats⸗Ministern, die keine bestimmten Functionen haben.

§. 3. Jeder Minister hat einen Stellvertreter, der ihn in der Leitung des Ministeriums repräsentirt. §. 4. Im Falle einer langen Abwesenheit eines wirklichen Mi⸗

nisters, oder der Erledigung des Ministeriums, beruft der heilige

Vater nach seiner eigenen Wahl entweder einen anderen wirklichen oder einen Staats⸗Minister zu den interimistischen Functionen.

§. 5. Die Beziehungen der Regierung des heiligen Stuhles zu den übrigen Mächten werden immer einem Kardinal von der heiligen Kirche übertragen, der den Titel und die Attributionen eines Staats⸗Secretairs annimmt.

§. 6. Der Kardinal⸗Staats⸗Secretair ist das Organ des Souverains, auch in den Erlassen der legislativen Akte.

§. 7. Jede, wenn auch von einem der fünf anderen Ministerien abhängige Angelegenheit, wenn es Bezug auf das Ausland hat oder haben kann, muß im Einverständniß mit dem Staats⸗Scere tair behandelt werden. Der Kardinal⸗Staats⸗Secretair allein un terhält die Korrespondenz mit den Regierungen oder den ausländi⸗ schen Repräsentanten.

§. 8. Dem Kardinal⸗Staats⸗Secretair steht besonders zu: Alles das, was die diplomatischen Traktate und die Conventionen jeder Art, auch die des Handels, betrifft, so wie auch deren Voll⸗ ziehung; die genaue Demarcation und der Schutz der Staatsgrän zen; die Beschützung der päpstlichen Unterthanen, welche in das Aus⸗ land reisen oder dort ansässig sind; die Ertheiluug der Pässe zu Reisen ins Ausland; die Erlaubniß⸗Ertheilung für Fremde, sich im Staate niederzulassen und deren Naturalisation; die Legalisirung der Dokumente, die außerhalb des Staates versendet werden sollen

ittt. ..

Die Zusammentretung der fünf Minister bildet einen

§. 9. 1 bilt Ministerrath. Die Stellvertreter der Minister woh⸗ Nach, genefane nag orhe euch nicht in Abwesenheit oder in Abgang des respektiven Ministers bei. Die Präsidentschaft des Rathes ist ein Attribut des Kardinal⸗Staats⸗Secretairs.

§. 10. Im Zusammenhange mit dem zu erlassenden Gesetze über die Verwaltung der Provinzen korrespondirt der Kardinal⸗ Staats⸗Secretair in seiner Eigenschaft als Präsident des Minister⸗ rathes, überdies noch mit den Kardinälen⸗Legaten.

8 1 Gemeinschaftliche Attributionen der fünf Minister.

Die Minister, jeder in seinem Departement, schlagen Sr— . ligkeit die von ihnen verfaßten neuen Gesetze und neuen allgemei⸗ nen Reglements, so wie auch die Modifsicationen und authentischen Auslegungen der in Kraft stehenden Gesetze, vor.

§. 11. Dergleichen Vorschläge werden, im Sinne des §. 48, im Ministerrathe diskutirt, um alsdann der Prüfung des Staats⸗ rathes vorgelegt zu werden. 4 61 8

§. 12. Sie verbreiten die Gesetze und Allerhöchsten Verfü⸗ gungen behufs deren Vollziehung, erlassen die entsprechenden In⸗ structionen, um alle Zweifel, die sich über die Art der Vollziehung erheben könnien, zu beseitigen. 1“

§. 13. Sie leiten jenen Theil der öffentlichen Administration, der ihnen anvertraut wird, durch Reskripte, Ordonnanzen und mi⸗ nisterielle Reglements, wobei sie sich, falls in den Gesetzen oder in den Allerhöchsten Anordnungen nichts vorgesehen worden ist, der discretionairen Gewalt bedienen. 88

§. 14. Sie sorgen für die Bedürfnisse und den Fortgang der Administration durch abzuschließende Verträge, die in der für die Regierungs⸗Akte vorgeschriebenen Form abgefaßt werden müssen.

§. 15. Sie entscheiden über die Rekurse, welche gegen die Verfügungen oder Beschlüsse der ihnen untergeordneten Behörden erhoben werden, indem sie selbe abändern oder, wo es nöthig ist, gänzlich abschaffen. 8 165. e⸗ haben die Disziplinar⸗Ermächtigung hinsichtlich ihres eigenen Dicasteriums oder derjenigen, die von ihnen abhängig sind; sie ertheilen den untergeordneten Behörden oder den respek⸗ tiven Beamten, welche vie ihnen obliegenden Amtspflichten nicht genau erfüllen, Verweise. b

§. 17. Sie schlagen dem Ministerrath oder direkt dem Sou⸗ verain, die Erneunungen, Beförderungen oder Absetzungen der Be⸗ amten, nach den in dem folgenden Kapitel IV. vorgeschriebenen Normen, vor.

§. 18. Sie bereiten jedes Jahr die Voranschläge und Rech nungsablegungen ihrer eigenen Administration vor, um sie dem Fi⸗ nanz⸗Minister zur bestimmten Zeit vorzulegen.

II .. Besondere Attributionen lste Section: Ministerium des Innern:

§. 19. Der Minister des Innern leitet die innere Regierungs⸗ Administration des Staates, so wie auch die Provinzial⸗ und Mu⸗ nizipal⸗Administrationen, nach der in den darauf Bezug habenden Gesetzen festgestellten Art und Weise.

§. 20. Nach den in denselben Gesetzen bestimmten Normen, unterliegen diesem Ministerium: Die Regierungsbehörden der Pro⸗ vinzen; die Provinzial-⸗Conseils; die Magistraturen und Gemeinde⸗ Conseils; die Direction der Archive und des Notariatswesens, die Direction des Forstwesens und die der öffentlichen Sanitäts⸗An⸗ stalten für das Festland und die Marine, nach der im §. 7 fest gestellten Norm; die Gouverneure mit Vorbehalt der im §. 24 für die richterlichen Functionen festgestellten Bestimmungen.

§. 21. Die allgemeine Direction der Staats⸗Polizei steht un⸗ ter dem Minister des Innern.

§. 22. Zu den Attributionen dieses Ministeriums gehören ferner noch: die Normen für die Ertheilung der Pässe für das In⸗

nere des Staates so wie der Sicherheits⸗Karten und des freien

Verkehres; die Normen für die Abfassung der statistischen Verzeich⸗ nisse der verschiedenen Klassen der Einwohner; die höhere Ober Aufsicht und Administration der Gefängnisse, der Corrections⸗ und Strafhäuser; die Direction des offiziellen Journals und die Vor⸗ schriften für die Preß⸗Censur.

2te Section: Ministerium der Justiz und Gnadensachen. „S§. 23. Der Minister der Justiz und der Gnadensachen leitet die Administration der Civil⸗ und Kriminal⸗Justiz.

§. 24. Die Tribunale und die Richter, aus denen dieselben bestehen, die Prokuͤratoren, die Kanzler, die Advokaten und ihre Disziplinar⸗Kammern oder Conseils, die Beamten, Angestellten und Amtsdiener bei denselben stehen unter diesem Ministerium. Die Gouverneure stehen ebenfalls unter diesem Ministerium, in Bezug auf die Ausübung der richterlichen Functionen.

§. 25. Die Begnadigungen, Verminderungen oder Abände rungen der Strafen müssen durch dieses Ministerium von Sr. Hei⸗ ligkeit erbeten werden.

§. 26. Die Ansuchen um Untersuchung auf freiem Fuße und um Auslieferung und Ueberantwortung der Schuldigen gehören in den Bereich desselben Ministeriums; über die letzten zwei Gegen⸗ stände muß dem Justiz⸗Minister die betreffende Aufsorderung vom Kardinal⸗Staats⸗Secretair zugekommen sein.

§. 27. Es gehören ferner noch zu den Attributionen des Mi⸗ nisters der Justiz und der Gnadensachen: Die gerichtliche Statistik behufs des an Se. Heiligkeit, besonders in Kriminalsachen, jährlich abzustattenden Berichts; die periodische Zusammenstellung der Gesetze und Regierungsakte, die wenigstens jedes Vierteljahr publizirt wer⸗ den müssen; die Polizei und die Disziplin des richterlichen Standes.

§. 28. Die Tribunale und Richter der gemischten Jurisdictio⸗ nen und der geistlichen Jurisdictionen in Rom und in den Provin⸗ zen korrespondiren mit dem Kardinal⸗Staats⸗Seecretair.

3Zte Section: Ministerium der Finanzen. §. 29. Die Aufgabe des Finanz⸗Ministeriums ist die Admi⸗

nistration des Staats⸗Eigenthums und der Staats⸗Einkünfte.

§. 30. Staatsgebäude, Minen, Nachgrabungen und alle Ge⸗ rechtsame des Staatsschatzes stehen unter der Leitung dieses Mini⸗ steriums.

§. 31. Ferner steht unter der Leitung dieses Ministeriums: die Staatsgüter, die Münze, direkte und indirekte Zölle, die Staatsschuld, Stempel⸗Registrirungs⸗ und Hypothekar⸗Gebühren, das Postwesen, das Lotto. .

§. 32. Die gegenwärtig einem Kardinal überantwortete Di⸗ rection des Census bleibt mittelst des Staats⸗Sekretariats so lange direkt abhängig von Sr. Heiligkeit, als nicht die Revision des Cen⸗ sus vervollständigt und sanctionirt ist.

§. 33. Das Institut des Monte und alle den öffentlichen Kredit angehenden Banken und Institute hängen ebenfalls von die⸗ sem Ministerium ab.

§. 34. Der Finanz⸗Minister schlägt die neuen Zolltarife vor, führt die Staats⸗Einkünfte in die öffentlichen Kassen ab, leitet die nöthige Vertheilung der Gelder und regelt alle auf den Staats⸗

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§. 35. Er faßt die Voranschläge und die Rechnungs⸗Ablegung der einzelnen Ministerien zusammen, so wie sie ihm von denselben zugemittelt werden; sobald dieselben im Minister⸗Rathe geprüft sind, formulirt er das gesammte Staats⸗Budget und die Staats⸗Rech⸗ nungslegung aus denselben.

§. 36. In dem Maße, als die einzelnen Voranschläge die nöthige Zustimmung erhalten, stellt er den einzelnen Ministerien die bezüglichen Summen zur Bestreitung ihrer Ausgaben zu Gebote.

§. 37. Die Secretaire und Kanzellisten (Cancellieri) der Apostolischen Kammer bleiben mit ihren Aemtern und Archiven dem Finanz⸗Ministerium zugewiesen; es liegt ihnen jedoch die Verpflich⸗ tung ob, die Aktenstücke, welche die übrigen Ministerien angehen, in Empfang zu nehmen und festzustellen.

§. 38. Auch das Fiskal⸗Conseil für streitige Angelegenheiten bleibt dem Departement des Finanz⸗Ministers zugewiesen, welchem jedoch ebenfalls die Verpflichtung obliegt, auf Anforderung irgend eines Ministeriums, demselben dienstliche Huülfe zu leisten. 1

§. 39. Die Finanzwache bleibt ebenfalls dem Finanz⸗Ministe⸗ rium untergestellt.

Ate Section: Ministerium des Handels und Ackerbaues, der Indu⸗ strie, der schönen Künste und öffentlichen Arbeiten.

§. 40. Das Ministerium des Handels und Ackerbaues, der Industrie, schönen Künste und öffentlichen Arbeiten umfaßt Alles, was auf das Gedeihen und die Entwickelung des Handels, der In⸗ dustrie und Agrikultur, auf die Erhaltung der antiken Monumente und Kunstwerke und auf die Ausführung öffentlicher Arbeiten Be⸗ zug hat.

. 41. In dem den Handel, Ackerbau und die Industrie be⸗ treffenden Theile hängen von diesem Ministerium ab: Die Han⸗ delskammer und Handels⸗Institute; die Börsen, Mäkler und Wech⸗ sel⸗Agenten; die innere und auswärtige Schifffahrt mit Bezugnahme auf §. 7, die Merkantil⸗-Marine; die Hafen⸗Capitaine; die das industrielle oder literarische Eigenthum betreffenden Erklärungen; die allgemeinen Bestimmungen über Maß und Gewicht: das Ma⸗ nufakturwesen; die Ackerbau⸗Institute; die Bewilligung zur Abhal⸗ tung von Jahrmärkten; die neuen, zu amtlichen Zwecken bestimm⸗ ten Kupferstich⸗Arbeiten; die den schönen Künsten gewidmeten In⸗ stitute; die Erhaltung der antiken und öffentlichen Monumente.

§. 42. Rücksichtlich der öffentlichen Bauten sind der Sorge die⸗ ses Ministeriums anvertraut: Die Arbeiten an den Landstraßen; die öffentlichen Wasserbauten; alle Arbeiten an den Gebäuden, die nicht zum Gebrauche der anderen Ministerien bestimmt sind; alle Hafen⸗ Arbeiten; die Brückenbauten und Wasserleitungen, die nicht von den einzelnen Prooinz⸗ oder Munizipal⸗Behörden zu leiten sind; die Arbeiten in und an den Ufern der Tiber; die großen Austrocknun⸗ gen, und zwar vorzüglich in Bezug auf die Pontinischen Sümpfe, nach gepflogenem Einvernehmen mit dem Finanz⸗Ministerium, ob der bezügliche Landstrich denn auch Staats⸗Eigenthum sei. Die neuen Gebäude, auch wenn sie zum Gebrauche für die anderen Mini⸗ sterien bestimmt sind.

§. 43. Zu diesem Ministerium gehört das Conseil für Künste und das Corps der Civil⸗Ingenieure, die aber auch nach vorher⸗ gegangener Aufforderung den anderen Ministern zu Gebote stehen müssen.

5te Section: Kriegs⸗Ministerium.

§. 44. Das Kriegs⸗Ministerium hat die Organisirung, Dis⸗ ziplin und Verwaltung der päpstlichen Armee zu leiten, so wie die Besetzung und Konservirung der zur Vertheidigung des Staats die⸗ nenden Plätze.

§. 45. Von diesem Ministerium hängen ab: Alle Infanterie⸗ und Kavallerie ʒCorps; die Genie⸗- und Artillerie⸗Corps; alle Festungs⸗ und militaitischen Vertheidigungswerke, zu denen auch die Engelsburg gehört, die im Innern des Staats oder an den Küsten liegen; die Waffenfabriken, Zeughäuser und Pulvermühlen; die Kasernen und Militair⸗Spitäler; die Militair⸗Marine.

§. 46. In Beziehung auf die Gendarmerie⸗Corps werden be⸗ sondere Verfügungen erlassen werden.

8— eee“ Der Ministerrath.

§. 47. Alle wichtigeren Angelegenheiten der sterien müssen im Ministerrathe verhandelt weeden. 6

§. 48. Zu den wichtigeren Angelegenheiten gehören: Attr but⸗Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Ministerien; Bestim mungen, aus denen irgend eine Regierungsmaxime hervorgeht; neue Gesetze, allgemeine Reglements, authentische Auslegungen der, beste henden Gesetze und Reglements; die allgemeine Sicherheit des Staates betreffende Polizeimaßregeln; Veränderungen in der Gebiets-Eintheilung; Alles, was sich auf das Eigenthum, die Rechte des Staates und dessen ökonomische Verwal tung bezieht; die Ernennung hochgestellter Beamten; Reclamationen einzelner Parteien gegen die respektiven Entscheidungen eine der Ministerien; Versetzungen von Beamten in den Ruhestand; Ange legenheiten, welche der heilige Vater auf direktem Wege oder durch den Kardinal⸗Präsidenten dem Minister⸗Rathe vorlegt. 8

§. 49. Reclamationen der Parteien gegen die Entscheidung einzelner Ministerien müssen an den Kardinal⸗ Staats⸗Secretair, Präsidenten des Minister⸗Rathes gerichtet sein, der sie dem Mini⸗ ster⸗ e vorlegt. 8 ö. Minister steht das Recht zu, der Prüfung des Minister⸗Rathes auch die nicht im §. 42 erwähnten Angelegenhei⸗ ten seines Departements unterzubreiten, sobald er sie der allgemei nen Berathung würdig findet.

§. 51. Die durch ein Motuproprio oder Breve von Sr. Heiligkeit ausgehenden Ernennungen werden vom Kardinal⸗Staats⸗Secreta ausgefertigt. Sonstige im Sinne des §. 48 dem Minister Rath vor⸗ zulegende Ernennungen werden nach erhaltener Allerhöchster Sane tion von dem kompetenten Ministerium ausgefertigt; im S rnen⸗ nungs⸗Dekrete muß der Tag der Ernennung angegeben sein.

§. 52. Die übrigen Ernennungen werden dem heiligen Va⸗ ter vorgeschlagen und vom kompetenten Ministerium ausgefertigt. Ueber die Ernennungen zum Staatsrathe und der Finanz⸗Consulta⸗ verfügt ein besonderes Gesetz.

einzelnen Mini⸗

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Versammlungen und Berathungen des Minister⸗Conseils. Wenn der Minister⸗Rath nicht die Chre hat, von Sr. Heiligkeit berufen zu werden, so versammelt er sich vor dem Kar⸗ dinal⸗Staats⸗Secretair-⸗Präsidenten. In Abwesenheit des Kardi⸗ nals präsidirt jener Minister, der die persönlich höchste Würde be⸗ sitzt; wo eine solche nicht vorkömmt, wird jene Ordnung betrachtet, die im §. 1 angegeben ist.

§. 54. Auch die Staats⸗Minister können den Conseils⸗Be⸗ rathungen beiwohnen, wenn sie vom Minister⸗Präsidenten berufen werden.

§. 55. In der Regel versammelt sich der Ministerrath ein⸗ mal in der Woche, außerdem, so oft er vom heiligen Vater oder

Minister⸗Präsidenten berufen wird

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