Regierung kommt Gründe sie sich also Beschluß der
fassungswidrig. Bis dieses geschehen, werde die behaupten, daß sie in ihrem Rechte sei. Redner auf die Auflösung des vorigen Landtags zurück.
derselben seien nicht angegeben worden; Jeder könne nach dem Geschehenen selbst zusammenstellen; der letzte Beschluß d Kammer aber, welcher der Auflösung vorausgegangen, sei eine Ver⸗
kennung der richterlichen Autorität des Landes gewesen. —
Cretzschmar sagt, statt Entschuldigungsgründe zu geben, habe man ihnen noch Vorwürfe gemacht, die er in weitläufiger, Grt rung bekämpft. Er ist ganz für den Ausschuß „Bericht. Steinberger: Der Herr Finanz⸗Direktor habe sie gestern 71 ihren Eid erinnert und an die Pflichten für das “ und von diesem Gesichtspunkte wolle er ausgehen. Gewiß gewillt, nach bester eigener Ueberzeugung nur hierfür 8* wozu gewiß das materielle Wohldes Volkes gehöre. W“ sich halten. Nirgends finde sich in der Verfassungs⸗Urkunde ein 89 1g Recht und die Verpflichtung der Stände für Verlängerung des estei . den Budgets. Indessen habe man doch auf vorigem Landtage ge⸗ stimmt, als Akt der Nothwendigkeit. Diese Nothwendigkeit 1 iege jetzt nicht mehr vor. Es sei möglich gewesen, in der Zwischenzeit ein Budget aufzustellen und die nöthigen Nachweise zu liefern. Welchen verfassungsmäßigen Weg solle man aber nun einschlagen? Das Amendement des Herrn von Steinherr führe hierzu. Man habe kein Recht zur Prolongation des Finanzgesetzes; aber die Un⸗ terzeichner dieses Amendements hegten den besten Willen, nicht eine Verwirrung herbeizuführen, vielmehr den Weg anzubahnen, auf welchem die Sache später verfassungsmäßig erledigt werden könne. Man biete dadurch der Regierung die Hand, den Staatshaushalt auf diesem Wege zu ordnen. Dieser Ausweg sei möglich, wenn die Regierung darauf eingehe; man möge ihn einschlagen und nicht nachäffen, was in einem Bruder⸗ und Nachbarlande geschehen; man möge den Muth haben, das Amendement zu vertheidigen. Am 6. März 1848 sei das wahre constitutionelle Prinzip statt des monarchischen in Hessen ins Leben getreten; das Edikt von jenem Tage besage dies; es habe der Bundes⸗Verfassung selbst den Fehdehandschuh hingeworfen, und diese habe keine Geltung mehr; die Grundrechte beständen und nichts in der Welt dürfe die Stände hindern, ihre Rechte auszuüben für das Wohl des Volkes. Redner protestirt dagegen, daß sie den Umsturz wollten. In dem Amende⸗ ment Steinherr's sei Alles gewahrt. Er wolle nichts von Ver⸗ trauens⸗ oder Mißtrauens⸗Votum reden, sondern nur auf ruhi⸗ gem verfassungsmäßigem Wege die Finanzen geordnet haben. — Abgeordneter Eigenbrodt erkennt an, daß diese Vorschläge in
bester Absicht gemacht wurden, aber die Regierung habe schon er⸗ klärt, daß sie nicht darauf eingehen könne, und wirklich sei dieses auch schwer. Auf vorigem Landtage hätten er und seine Freunde zur Partei der Regierung gehört, weil diese für die deutsche Frage gewesen, oder sie wenigstens geglaubt hätten, daß sie dafür sei. Jetzt gehöre er nicht mehr zur Partei der Regierung, sondern spreche nur für sie, weil er höhere Interessen durch sie vertreten sehe, die er auch vertrete. Die Gründe des Finanz⸗Direktors von Schenck hätten gestern die Gründe des Ausschusses als unerheblich hingestellt. Er habe dadurch die Ueberzeugung gewonnen, daß die Regierung Alles vorgelegt, was nöthig zur Darthuung der Noth⸗ wendigkeit der Prolongation des Finanzgesetzes. Was man auch thue, ob die Proposition der Regierung oder von Steinherr's Antrag annehme, immer müsse man eine Summe ohne vorherigen Nachweis verwilligen; also liegen finanzielle Gründe dagegen nicht vor; die Gründe seien politischer Natur. Man fürchte, durch fortwährende Auflösungen das Steuerbewilligungsrecht illusorisch zu machen. Aber das jetzige Mi⸗ nisterium habe gar nicht anders handeln können, als es gehandelt habe, wie er näher nachweist und zweifelnd die Frage aufwirft: ob, wenn einer der entgegenstehenden Partei Minister würde, es anders wäre? Müller⸗-Melchiors habe gestern gesagt, das Volk werde urtheilen, was Declamation, was Wahrheit sei. Das Volk könne aber auch anders urtheilen. Bei uns werde nicht die Einstimmigkeit stattfin⸗ den, wie in Kurhessen, und die Sache an der Gleichgültigkeit ster ben. Allerdings würden seine Gegner einen Theil des Volkes hinter sich haben, aber nicht das ganze. Er möge Nie⸗ manden verletzen, aber die Wahrheit müsse er sagen, wenn sie auch bitter sei. Herr Metz habe gestern schon angedeutet, daß die Meinung im Lande über diese Majorität sehr getheilt sei. Die Demokratie habe sie zwar für sich, ein sehr großer Theil des Volkes sei aber auch gegen diese, wenn auch sonst aus ver⸗ schiedenen Parteien zusammengesetzt. Die Abneigung gegen die Demokratie sei noch stärker, als der Mangel des Vertrauens zum Ministerium. Niemand im Lande habe sich über die Auflösung des vorigen Landtages gewundert; diese vielmehr die Billigung eines großen Theiles der Bevölkerung erhalten. Man werde in der Steuerverweigerung einen Angriff des Radikalismus auf die Re⸗ gierung sehen. Der Theil der Bevölkerung, der bei Zahlung der Steuern am schwersten in die Wage falle, dürfte schwerlich für die Verweigerung sein. Lehne spreche von 14 Verfassungs⸗Verletzungen, aber Niemand sei durch diese Verordnungen aufgeregt worden, ein großer Theil habe nur Nothwehr gegen die Demokratie darin ge⸗ sehen. Sie hätten nicht die Majorität des Volkes für sich, schon darum nicht, weil ein großer Theil desselben das Wahlgesetz für mangelhaft halte und ein anderes wolle. Die Verhältnisse iu Kurhessen seien ganz anders. Wenn man nicht noch mehr dem Constitutiona⸗ lismus, der schon so große Stöße erhalten, schaden, wenn man nicht dem Brudervolke, das für sein gutes Recht stehe, schaden wolle, so müge man den Ausschuß⸗Antrag nicht annehmen. Die Regierung befinde sich auf abschüssiger Bahn. Man möge ihr nicht nuoch einen Stoß ge⸗ ben, der sie darauf weiter führe zu Gewaltmaßregeln. Redner hat sich nicht verhehlt, daß sein Wirken hier gleich Null sei, aber er habe die Wahl doch angenommen aus Achtung für seine Wähler und um das Verfahren der Constitutionellen zu mißbilligen, welche sich der Wahl enthalten und so die Regierung zu Gewaltmaßregeln drängten. Dixi et salvavi animam meam. Abg. Metz, der ge⸗ stern sehr für Mäßigung und Gerechtigkeit gegen jeden und für Rückgabe des Ganzen an den Ausschuß war, ist heute unbedingt für den Ausschuß⸗Antrag aus finanziellen Gründen. Man müsse als Vertreter des Volks seine Schuldigkeit thun, was auch daraus folge. Man sei berechtigt, die Steuern nicht zu verwilligen mit Rücksicht auf die heillose Finanz⸗Wirthschaft, die seit Jahren in unserem Länd⸗ chen getrieben werdr. Den Bericht nennt er jetzt ein Meisterstück. Die Kammer habe gesagt, die Folgen der Nichtverwilligung kom⸗ . dseens cc und wenn sie sich jetzt nicht zu Puppen her⸗ Maäbürger, e. wollten, so müßten sie die Steuern verweigern. Serlen ger, rufe en, wir stehen hier als die Vertreter von 800,000 das Land 8neaa ats dnen dem Ministerium, das so wirthschaftet, die Besoldungen, cüssen dxe “ 89 11. Etvilliste, Recht und verpflichten, die n as llitair. Wir sind im vollen auf die Vermittelung Steinherr's zu .“ wir dürfen nicht würden auch andere Tage wiederkommen und man dunn Rechenscheh on denen forder 1 ann Rechenscha Sen denen fordern, die das Recht des Volkes mit Füßen Er bedauert, daß Eigenbrodt als vöbrnnes ee Conblirne. . Recht der Stände nicht besser äb 8. Prorogation blos aus sinanziellen Günden. Lehne’s Antrag übe kei⸗
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nen Einfluß auf seine Abstimmung. Aber man habe Verfassung und Gesetz mit Hohn behandelt und mit Füßen getreten. Bezüglich der Hauptpunkte (Versammlungsrecht, religiöse Freiheit, Erfurt, Bundestag ꝛc.) könne dem Ministerium eine Vertheidigung unmög⸗ lich gelingen. Nichtbeachtung der von dem unbestritten „souverai⸗ nen“ Parlamente festgesetzten Verfassung liege vor. Doch will er den Lehneschen Antrag an den Ausschuß zurück haben, um zu un⸗ tersuchen, wem eigentlich die Verletzungen zur Last fallen. Er schließt mit einem Antrag behufs Herstellung eines verfassungsmäßigen Zu⸗ standes und Ahndung der begangenen Verfassungswidrigkeiten. Na mentlich scheinen ihm jedoch die Punkte 13 und 14 des Lehneschen Antrages noch einer gründlicheren Nachweisung zu bedürfen. Paulsackel beklagt sein Loos, nach einem der ersten Redner sprechen zu müssen, doch werde man auch die Wahrheit in einfachem Kleide hören. Er habe gestern und heute mehr gelernt, als durch jahrelange Studien des Staatsrechts; er hätte geglaubt, in constitu⸗ tionellen Staaten hätten Regierung und Volk Rechte und Pflichten; man habe aber anders zu lehren gesucht; dies seien aber Sophistereien, nur bei gehörigen Nachweisungen sei man schuldig, Steuern zu bezahlen. Diese hätte unser kleiner Staat in der Zeit geben können. Wenn der Steuer⸗ Einnehmer oder Groschenzettelträger am 10ten des Monats komme, so müsse der Steuerpflichtige auch bereit sein. Er be⸗ kämpft die Ansicht der Regierung in Bezug auf die Lehrer. Wer ein definitives Dekret habe, müsse auch definitiver Staatsdiener sein u. s. w. Sammeln wir uns Alle, ruft er mit heftig gesteigerter Stimme, unter dem Banner der Verfassung, um dem Volke das Wenige zu erhalten, was es noch hat! Droht ein schweres Unge⸗ witter, so muß man es auf die Häupter derjenigen leiten, die es heraufbeschworen. Man muß die Verfassung wie eine Festung ver⸗ theidigen und sich lieber unter ihren Trümmern begraben, als sich auf Gnade und Ungnade ergeben! Abg. Matty (Pfarrer) ist gegen jeden Vermittelungsvorschlag. Der Nothzustand im Volke sei ein im⸗ menser; der Pauperismus vermehre sich stets und bald würden neun Zehntel des Volkes dieser Klasse angehören. Noth kenne aber kein Gebot; welcher Zukunft gehe man also entgegen; deshalb müsse man den Staatshaushalt regeln. Jener Nothstand der ärmeren Klasse verbiete ihm aber, auf eine Prolongation des Finanzgesetzes ein⸗ zugehen; auch die Verfassung verbiete ihm dieses. Die Regie⸗ rung möge prolongiren auf ihre Verantwortlichkeit. Er kenne die Stimmung des Volkes; es wolle die gesetzliche Ordnung, aber auch Nachhülfe für seine Interessen. Welche Gefühle müßten es dagegen durchdringen, wenn es sehe, wie man seine besten Män⸗ ner verfolge, ihnen das Brod entziehe, sie über das Meer zu flie⸗ hen zwinge, blos weil sie die verbrieften Rechte des Volkes verthei⸗ digten. Er ist gegen die Prolongation, weil man den üblen Zustän⸗ den baldigst abhelfen müsse. Büchner hält eine ausführliche Rede, deren Sinn ist, die Maßregeln zu suspendiren und erst noch weitere Vorlagen zu verlangen. Die Regierung möge sich einst⸗ weilen behelfen, die Kassen könnten nicht so leer sein. Gehe man auf die Straße, so sehe man Manöver, die viel Geld koste ten, oder den Hof, der auch viel brauche ꝛc. Man möge das Militair beurlauben, was ihm ohnedies angenehm sein würde, die Civilliste und Apanagen nur theilweise auszahlen, Besoldungen über 1000 Fl. zurückhalten u. dgl. m. Kurz, man möge sich be⸗ helfen. Das Ministerium möge zeigen, ob es wirklich Alles thun wolle was möglich, oder ob es ihnen den Handschuh hinwerfen wolle. Heldmann will nur wenige Worte sagen, da er schon seit vier Jahren gegen diese Prolongationen gesprochen habe und hier nur wiederholen müsse. Man müßte endlich ins Reine kom⸗ men, ob die Rechte der Stände geachtet werden sollten. Nicht Anarchie wolle man, sondern Herstellung des gesetzlichen Bodens. Sollte etwas Anderes entstehen, so sei es durch die Regierung herbeige⸗ führt worden. Er habe es schon gesagt, die nächste Revolution werde nicht die der Intelligenz, sondern die der hungernden Massen sein. Die Mitglieder der Kammer gehörten meistens zu den Höchstbesteuerten; Eigenbrodt's Behauptung, daß sie nur eine Minorität des Volkes, die Demokratie, verträte, sei deshalb sehr gewagt. Die Gothaer aber hätten fast gar keine Partei im Lande; daß sie sich nicht an den Wahlen betheiligt, hätte hauptsächlich in einem Gefühl der Schwäche, des zunehmenden Alters gelegen. Erst hätten sie das Wahlgesetz gemacht und dann seien sie dagegen. Er fürchtet Octroyirungen nicht und belegt das durch einen medizinischen Ver⸗ gleich von Opiumrausch, dem man noch einen Weinrausch beisetze. Das jetzige Ministerium hält er für verantwortlich auch für das, was das vorige gethan, weil in der Eröffnungsrede ausdrücklich ge sagt worden, es trete in dessen Fußstapfen. Man möge mit Ernst und Würde in vollem Maße seine Pflicht thun. Sie seien die Ge⸗ schwornen, die öffentliche Meinung der Richter. Ministerialrath von Schenk ist einverstanden, daß der Schritt ein sehr wichtiger, den man nicht leichtfertig thun möge. Nicht die Regierung sei es, welche den Handschuh hinwerfe; werde er aber hingeworfen, so könne er vielleicht auch aufgenommen werden. Redner wiederholt, daß die nöthigen Nachweise vorlägen, mehr als sonst, da das Budget 1849 aufgestellt sei, also schon ein großer Theil der Finanzperiode mit seinen Ergebnissen vorgelegen hätte. Daß aber immer noch Verän⸗ verungen vorkämen, läge in der Natur eines jeden Budgets. Auf die von Herrn Büchner vorgeschlagenen Mittel, dem Einen zu ent⸗ ziehen, um es dem Anderen zu geben, könne man sich nicht einlas⸗ sen. Wenn man sage, das Wohl des Landes erfordere die Verwer⸗ fung der Regierungsproposition, so sage er gerade das Gegentheil. Das Wohl des Landes werde im höchsten Grade gefährdet durch Ablehnung dieser Proposilion, wenn dann nicht die Regierung die Sache in die Hand nehme. Ministerialdirektor von Dalwigk: Wenn die Regierung solche Wünsche hätte, wie man ihr schon mehr⸗ fach unterstellt, so würden die Stände heute nicht hier versammelt sein. Abgeordneter Reh: Zum erstenmale seit 30 Jahren schlage eine Stände⸗Kammer vor, nothwendige Abgaben zu verweigern. Der Artikel 67 der Verfassungs⸗Urkunde sei entscheidend; wenn man ihn wörtlich und streng einhalte, so sei gar keine Prorogation des Finanzgesetzes statthaft, und der Regierung bleibe dann nur der Artikel 73 für solche außerordentliche Fälle. Wer aber könne eine solche Konsequenz wollen? Darum sei auch schon seit dem zweiten Landtage und fast auf allen Landtagen, namentlich auch in den 1830er Jahren, wo die intelligentesten und freisinnigsten Männer in der zweiten Kammer saßen, eine solche Prolongation vorgekom⸗ men und nie beanstandet worden. Sie bestehe also förmlich in der Praxis, und man sei nicht verpflichtet, eine solche abzuweisen. Nichtbewilligung von Steuern und Steuer⸗Verweigerung sei eines. Es wäre diese eine ultima ratio, ein letztes Mit⸗ tel, nur anwendbar, wenn alle anderen constitutionellen Mittel erschöpft, wenn der Staat in Auflösung sich be⸗ finde und man ihm den Gnadenstoß geben wolle. Eine Steuer⸗ Verweigerung, sagt Redner, ist immer der erste Schritt zur Revo⸗ lution. Kein einziger finanzieller Grund zur Steuer⸗Verweigerung
liege vor. Er begreife nicht, wie der Wohlstand steigen solle, wenn man keine Steuern erhebe, und um den Armen zu helfen, habe man gerade Geld nöthig. Eine Steuer⸗Verweigerung sei das Aergste, was dem Lande passiren könne. Daß kein Budget abge⸗ schlossen, verschulde die Kammer von 1847—49 mit, weil sie sich immer dessen geweigert und die Linke behauptet habe, sie eigne sich,
als aus den alten Wahlen hervorgegangen, dazu nicht; Zeit hätte sie hinlänglich gehabt, das Budget zu berathen. Also nur politische Gründe seien es, welche zur Ablehnung der Prorogation trieben, die Furcht vor einer Auflösung, wenn die Kammer be⸗ willigt habe. Warum aber solle man auflösen, wenn diese thue, was die Regierung wolle? Er sei aufrichtig und gebe zu, was Tausende sagten, daß man nicht lange beisammen bleiben werde; indessen hänge es ja von der Kammer ab, ob sie kürzer oder länger bleiben wolle. Er stelle ihr kein langes Progno
stieon, doch möge sie es nicht machen wie der, welcher sich aus Furcht vor dem Tode selbst umgebracht. Früher seien die Verhält
nisse weit ungünstiger gewesen, denn srit 1818 habe man viele wahre constitutionelle Freiheiten gewonnen, und doch sei es Nie
manden eingefallen, einen solchen Antrag zu stellen, weil man den Staat nicht zerrütten wollte. Erst musse man eine Anklage ꝛc. unternehmen, bevor man zu dem letzten Mitel schreite. Er ver⸗ traue dem Ministerium auch nicht, sein Vertrauen müsse erst wieder erworben werden, denn er sei bitter getäuscht worden. Hätte man offen und patriotisch an der Union festgehalten, so würde jetzt Deutschland nicht in der traurigen Lage sein, worin es sich be
finde. Obgleich die Demokraten viele verschrobene und dunkle Köpfe in ihrer Mitte zählen, so haben sie doch auch viele anstän
dige und patriotische Männer, die dann Gothaer geworden wären, sie aber würden nie Demokraten. Wenn man Gagern wieder zum Minister gemacht hätte, so würde man sich in einem weni⸗ ger trostlosen Zustande befinden. Mit Bedauern sehe er, daß das jetzige Ministerium großdeutsche Pläne hege und den Bundes⸗ tag beschicke, dennoch wolle er sein Mißtrauen nicht durch Ver⸗ weigerung der Steuern bethätigen. Was solle daraus folgen? Doch wohl nicht ein Ministerium aus Ihrer Mitte? Sie würden doch nicht denken, daß Einer von Ihnen dazu passe? also An⸗ wendung des Artikels 73, denn der Staat werde bestehen müssen. Er habe sich bei seinen Wählern befragt, nicht nur bei den Buür⸗ germeistern, auch bei anderen wohlhabenden und geachteten Lenten. Alle hätten die Steuerbewilligung für nothwendig gehalten. Wohl könnten sie bei einer Volksversammlung ein Bravo ärndten für die Steuerverweigerung, aber sie würden nicht den Beifall der Ver
nünftigen haben. Wer habe gewählt zu diesem Landtage? Nur eine große Minorität, (der Präsident erinnert an „Erfurt“) nun und nimmermehr habe die Stimme des Landes gewählt. Aus dem letzten Zusammenraffen der demokratischen Kräfte seien sie hervor⸗ gegangen (laute Zeichen des Unwillens in der Kammer); die con⸗ stitutionelle Partei habe fast gar nicht gewählt. Präsident: Diese Abschweifung gehört nicht hierher. Reh: Die öffentliche Meinung ist hier nicht vertreten, es gehört dies zu meiner Auseinander⸗ setzung. Man werde den vollkommenen Untergang des constitutionellen Lebens herbeiführen, wenn man thue, was kein Vernünftiger billit
gen könne. In Kurhessen seien ganz andere Verhältnisse; dort sei man unzweifelhaft im Recht. Redner ist gegen das Amendement Steinherr's, als in keinem Falle entsprechend. Auf früheren Land⸗ tagen habe man übrigens immer vorläufige und definitive Rechen⸗ schaftsberichte vorgelegt, man hätte dies jetzt auch thun sollen; ein constitutioneller Minister müsse wie durchsichtig sein, keine Heimlich⸗ keiten haben. Schließlich beantragt er, die Prolongation des Finanz⸗ Gesetzes zu genehmigen, bezüglich des Lehneschen Antrages dem Pro⸗ test gegen Beschickung des Bundestages beizustimmen, das Uebrige aber zur weiteren Prüfung an den Ausschuß zurückzugeben. Mi⸗ nisterial⸗Direktor von Dalwigk erwiedert auf im Laufe der Dis⸗ kussion vorgekommene Bemerkungen, seine politische Ueberzeugung sei seit 1848 nur eine und dieselbe gewesen; stets habe er die Ueber⸗ zeugung gehegt, daß die Union nicht die Einheit Deutschlands her⸗ stelle; habe sie ja doch zwölf Millionen Oesterreicher von vorn her⸗ ein ausgeschlossen. Diese Ueberzeugung habe sich hestätigt, als Bayern und Württemberg sich nicht angeschlossen, als Hannover und Sachsen wieder ausgetreten. Die Idee möge ursprünglich großartig gewesen sein, aber sie sei unausführbar, er werde sich nie dazu hergeben, für die Zerreißung Deutschlands zu wirken. Was Frankfurt beltreffe, so möge man die obschwebenden Verhand⸗ lungen abwarten. Er werde in dem Geiste, den er ausgesprochen, forthandeln. Es sei nicht möglich, die Union mit einem Parla⸗ mente und einer Bundes⸗Regierung auszuführen. Er nehme die Dinge praktisch und nicht ideal. Heldmann, auf eine Bemerkung Reh's: Zur Hebung des Wohlstandes sei vor allen Dingen genaue Regelung der Finanzen nöthig. Auch Matty entgegnet Reh⸗kurz, worauf Lehne das Wort er⸗ hält. Er bemerkt Eigenbrodt, daß er die Stimme des Volkes nicht kenne; sie, Männer, die im Volke lebten, wüß⸗ ten das besser. Möglich, daß die Geheimen Räthe und Ge⸗ vatter Handschuhmacher in Darmstadt nicht mit ihrem Beschlusse zu⸗ frieden seien, aber sie würden sich dadurch nicht abhalten lassen. Die Gothaer hätten die Rechte des Volks selbst vernichtet, damit sie Nie⸗
mand vernichten könne. Er erörtert, wie die Religionsfreiheit rein illusorisch geworden, wie man die Volksversammlungen, wo man die niederträchtigste Censur ausübe, beschränkt habe: die Schullehrer in die unterste Klasse der Staatsdiener setze ꝛc. Die Demokratie allein stehe auf dem Boden des Gesetzes. Die ganze Finanzlage des Lan⸗ des liege im Art. 70 der Verfassungs⸗Urkunde. Man wolle die Ci⸗ villiste nicht mit einer vom Volke gewählten Kammer berathen, daher dies Drehen, Wenden und Prorogiren. Sie würden nicht den an⸗ geblichen Zustand der Nothwehr zu verantworten haben. Möge die Reaction ihre Trümpfe ausspielen. Der Boden wanke ihr un⸗ ter den Füßen. Dem Volke sei das Rechtsbewußtsein gestiegen. Man scheue sich nicht, mit der Verfassung in der Hand den Stoß zu geben, wovon ein Gegenredner gesprochen; möge die Regierung in den Abgrund fahren, wohin solche Thaten gehörten. Die Zu⸗ stände seien hier schlimmer als in Kurhessen. Hier lägen maßlose Verfassungs⸗Verletzungen vor, die Finanz⸗Zustände wären schlech⸗ ter. Hassenpflug nur sei dort der Stein des Anstoßes. Es wäre wieder echt gothaisch, dort recht zu finden, was man hier für Unrecht halte. Er giebt dem Ministerium Jaup die Schuld, durch seine Vertagung des Landtages, daß damals das Budget nicht berathen worden. Systematisch habe man das Steuerver⸗ willigungsrecht vernichtet. Er beklagt, daß jenes Ministerium nicht festgehalten habe an Gesetz und Verfassung. Wenn die März⸗ Ministerien festgehalten hätten an der Reichsverfassung und die kleinen Staaten zu dem Ende zusammengetreten wären, so würde man sich nicht in den jetzigen Gefahren befinden. Die Demokraten würden nun und nimmer die Gothaer aufnehmen, weil sie ihnen nur eine neue Revolution verderben können. — Ministerial⸗Direktor von Dalwigk protestirt gegen solche Aeußerungen, die an Hoch⸗ verrath gränzten. Nicht auf Revolutionen dürfe man bauen. Lehne erklärt den Sinn seiner Aeußerung dahin, eine Despotie sei nicht möglich in Deutschland, weil der Grad der Bildung seiner Bewoh⸗ ner zu groß sei, das constitutionelle System wolle man von oben nicht, also bleibe nur die Republik. — Der Präsident will kei⸗ nen Grund gefunden haben, jene Aeußerung zu rügen, weil er sie dahin verstanden habe, wenn die Reaction so fortfahre, so komme man zur Republik. — Ministerial⸗Direktor von Dal⸗ wigk giebt keine Reaction zu. — Präsident: Nun so nenne er es Verfassungs⸗Verletzung. — Lehne:
Wer hier nicht Re⸗
action sähe, der wäre so blind, wie Eisenmann. Nicht auf ihre Bajonnette möge sich die Regierung verlassen; wenn einmal das ganze Volk gegen sie, so wären auch die Truppen, die Söhne der Proletarier, nicht mehr auf ihrer Seite. Wehe ihr deshalb, wenn sie einmal das Spiel verliere, und sie werde es verlieren. Ministerial⸗Rath Maurer: Abgeordneter Lehne habe vorhin ge⸗ sagt, die Regierung habe die „niederträchtigste“ Censur eingeführt bei den Volksversammlungen. Nur Achtung vor der Versammlung sei es, wenn er verschweige, welchen Eindruck diese Aeußerung ge⸗ macht. Er überlasse es der Kammer, dies zu würdigen. — Lehne: Er habe nur von der Censur als solcher gesprochen, doch gebe er zu, daß er einen anderen Ausdruck hätte wählen können. Prä⸗ sident: Er habe dem Ausdruck auch nur eine objektive Bedeu⸗ tung gegeben. Schluß der Sitzung um 2 Uhr Nachmittags. Fortsetzung der Berathung um halb 5 Uhr Abends.
Darmstadt, 27. Sept. (Darmst. Ztg.) Die gestern Nach⸗ mittags um 5 Uhr begonnene Sitzung der zweiten Kammer schloß nach 9 Uhr Abends und wurde darin die Debatte über den An⸗ trag des Finanz⸗Ausschusses über den Steuer⸗Prorogations⸗Gesetz Entwurf und den damit in Verbindung gebrachten Antrag des Abg. Lehne beendet. Am Schlusse derselben sprach der Regierungs⸗ Kommissär Ministerial⸗Rath Maurer und nach diesem in anderthalb⸗ stündigem Vortrag Namens des Finanz⸗Ausschusses der Abg. Müller⸗ Melchiors. Ersterer verbreitete sich über die mannigfach unseligen und wohl auch unberechneten Folgen, die ein Beschluß, wie der be⸗ absichtigte, nach sich ziehen würde; Letzterer strebte in seiner aus⸗ schreitenden und alle Verhältnisse übertreibenden Rede darzuthun: daß die Stände das Steuerverwilligungs⸗ und zugleich auch das Steuerverweigerungsrecht haben; daß jetzt der rechte Augenblick da sei, von letzterem Gebrauch zu machen, indem das Ministerium das Vertrauen der Demokratie nicht besitze und sich überdies, wie Herr Lehne klar bewiesen, so viele Verfassungs⸗Verletzungen habe zu Schulden kommen lassen, so zwar, daß (hört) unsere Zustände viel trostloser als die kurhessischen seien; vor den wahrscheinlich wieder verfassungswidrigen Folgen dieses Beschlusses wolle und werde man, d. h. die Demokratie, nicht zurückscheuen. — Wegen vorgerückter Zeit wurde der Antrag gestellt, die Abstimmung (welche mit den aufschiebenden und vermittelnden Amendements beginnen soll) auf heute zu vertagen und dieser mit 26 gegen die übrigen Stimmen angenommen.
Darmstadt, 27, Sept. (Dst, Ztg.) In der heutigenn Sitzung der zweiten Kammer kam ein Schreiben des Großherzog⸗ lichen Gesammt-Ministeriums, welchem ein Schreiben des Groß⸗ herzoglichen Ministerial⸗Direktors, Freiherrn von Dalwigk, und ein Protokoll des Substituten des Großherzoglichen General⸗Staats⸗ Prokurators am Obergerichte zu Mainz beigefügt war, zur Verle⸗ sung, Aktenstücke, welche wir nachstehend folgen lassen: I. Schrei ben des Großherzoglichen Staats⸗Ministeriums. „Dem unterzeich neten Staats⸗Ministerium ist aus Anlaß der hierher gelangten Mit⸗ theilung von der Beilage Nr. 117 zum Protokoll der zweiten Kam⸗ mer der Stände das beigefügte weitere Schreiben des Großherzog⸗ lichen Ministerial⸗Direktors, Freiherrn von Dalwigk, zugekommen, in dessen Anlage sich ein von dem Substituten des Großherzoglichen General⸗Staats⸗Prokurators am Obergericht zu Mainz am 25sten d. M. aufgenommenes Protokoll findet.
Das unterzeichnete Staats⸗Ministerium hat in seinem Schrei⸗ ben vom 25. d. M. auf die Ungehörigkeit hingewiesen, mit welcher eine Denunciation vor die verehrliche zweite Kammer gebracht wor⸗ den ist, und kann sich auch nur, ohne näher darauf einzugehen, auf diese Mittheilung beschränken, glaubt solche aber um so weniger unterlassen zu dürfen, als es ungeachtet jener Verwahrung an dem Versuch nicht gefehlt hat, in der Kammer für politischen Zweck ein Rüstzeug zu benutzen, über dessen Bereitung der beigefügte gericht⸗ liche Akt Aufschluß giebt. Darmstadt, den 27. September 1850. Großherzogliches Staats⸗Ministerium.“ II. „Schreiben des Groß⸗ herzoglichen Ministerial⸗Direktors, Freiherrn von Dalwigk an das Großherzogliche Staats⸗Ministerium. „Der Unterzeichnete beehrt
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bäude hier und Herr von Dalwigk reiste als Minister nach Darm⸗ stadt ab, ohne daß ich denselben gesprochen oder gesehen hätte. Ich schrieb deshalb (und dies war mein erster Brief) an Herrn von Dalwigk, schilderte ihm meine gedrückten häuslichen Verhältnisse, bat ihn um Verwendung bei der Regierungs⸗Kommission in Worms, und versicherte ihn in diesem Briefe, daß ich den demokratischen Grundsätzen abhold sei und ihm gern als treuer Unterthan, wie er es wünsche, dienen wolle. Ein Anerbieten zum Auskundschaften machte ich aber nicht, sondern drückte in obigen Worten nur meine treue Ergebenheit gegen die Regierung aus. Erst etwa 14 Tage nachher erhielt ich durch Herrn Regierungs⸗Secretair Müller da⸗ hier das Schreiben des Herrn von Dalwigk, dasselbe, das ich spä⸗ ter Pollitz gab, wie dies weiter unten erzählt werden wird, das erste und einzige Schreiben, das ich von Herrn von Dalwigk erhielt. Mit Urlaub des Herrn Müller⸗Melchiors ging ich nach Darmstadt zu Herrn von Dalwigk, daß ich dahin gehen wolle, sagte ich Herrn Müller⸗Melchiors nicht, weil er mich sonst sicher nicht fortgelassen haben würde. In Darmstadt nun wurde ich bei Herrn von Dal⸗ wigk vorgelassen und sah denselben jetzt zum erstenmal. Ich schil⸗ verte ihm wiederholt meine traurige Lage und bat um Verwendung. Herr von Dalwigk erwiederte mir, er bedauere meine traurigen Verhältnisse, könne im Augenblicke Mangeks einer geeigneten Stelle jedoch nichts für mich thun. Sollte sich später etwas ergeben, so solle ich berücksichtigt werden, bis dahin aber bei Herrn Müller⸗ Melchiors fortarbeiten, weil es bis zu meiner Verwendung doch noch zu lange dauern könnte, und ich bis dahin durch meinen Verdienst bei Herrn Müller⸗Melchiors mich doch noch würde erhalten können. Zugleich sagte mir Herr von Dal⸗ wigk, daß, wenn ich in Mainz Neuigkeiten, welche die Politik berührten, erführe, so möge ich ihm dies mittheilen. Damit ent⸗ ließ er mich, ohne daß er mir eine Belohnung gegeben, ohne daß er mir näher bezeichnet hätte, worüber ich ihm berichten solle, ohne mich auch nur im geringsten über Herrn Müller⸗Melchiors oder des⸗ sen Treiben befragt oder ausgeforscht zu haben. Auch versichere ich auf das heiligste, daß Herr von Dalwigk mich nicht beauftragte, das Treiben des Herrn Müller⸗Melchiors auszuspioniren und es ihm mitzutheilen, und bezog sich sein Rath, ich möge fort bei Herrn Müller⸗Melchiors arbeiten, nicht auf ein Verlangen einer Spionire⸗ rei, sondern nur auf mich persönlich, indem er meinte, daß ich, wollte ich jetzt schon meinen Verdienst bei Herrn Müller⸗Melchiors aufgeben, vielleicht zu lange brodlos sein könnte. Von hier aus nun schrieb ich an Herrn von Dalwigk zwei Briefe, in welchen ich demselben Mittheilungen machte über Dinge, welche im demokrati⸗ schen Vereine hier vorkamen, und über die Redaction der Mainzer Zeitung. In letzterer Beziehung namentlich theilte ich Herrn von Dalwigk mit, daß Suder nur no⸗ minell als verantwortlicher Redacteur figurire, daß in der That aber jene Zeitung von Herrn Müller⸗Melchiors, Dr. Pollitz, Dr. Schmitz und einem gewissen Engelmann redigirt würde. Ob diese Briefe Herr von Dalwigk erhielt, weiß ich nicht. Mir wurde keine Antwort, keine Aufmunterung. An dem Tage nun, an wel chem die Kammern eröffnet werden sollten, reiste Herr Müller⸗ Melchiors des Morgens 8 Uhr nach Darmstadt ab, Dr. Pollitz setzte sich nunmehr in dessen Arbeitszimmer und ich blieb im Vor⸗ zimmer sitzen. Hier nun wollte ich einen den Tag von mir entwor⸗ fenen Brief an Herrn von Dalwigk, in welchem wieder ähnliche Mittheilungen standen, wie in den früheren Briefen, abschreiben, als Pollitz mich beauftragte, einen Brief wegzutragen. Ich schloß nunmehr jenes Konzept nebst der begonnenen Reinschrift in ein Schränkchen an meinem Pulte, steckte den Schlüssel zu mir und trug den Brief fort. Als ich zurückkam, war das Schraͤnkchen ge⸗ öffnet, Pollitz hatte jenes Konzept und die begonnene Reinschrift in der Hand und überhäufte mich mit einer Fluth von Schimpfworten und Gemeinheiten. Er drängte mir die Erklärung ab, daß ich allerdings von Herrn von Dalwigk ein Schreiben besäße und nö⸗ thigte mich, mit der Drohung, ich würde in die Mainzer Zeitung, das Tageblatt, den Straßen⸗Anzeiger gesetzt und genöthigt werden, die Stadt zu verlassen, mit ihm in meine Wohnung zu gehen und
sich, Großherzoglichem Staats-Ministerium das anliegende ihm so ihm hier den Brief des Herrn von Dalwigk zu zeigen. Ich wollte
eben zugekoömmene gerichtliche Protokoll, enthaltend Deposition des
denselben nicht herausgeben, überließ ihm den Pollitz aber doch, als
Heinrich Muller zu Mainz über Verhandlungen, welche kürzlich in mich dieser auf sein Ehrenwort versicherte, es solle von demselben
der zweiten Kammer der Stände vorgekommen sind, zu übersenden.
Der Unterzeichnete braucht wohl kaum auf Pflichten zu ver⸗ sichern, daß die fragliche Protokoll-Aufnahme von ihm weder be⸗ gehrt, noch irgenrwie veranlaßt worden ist, und daß der Entschluß des Herru Substituten des Gr. General⸗Staatsprokurators zu Mainz, den Heinrich Müller zu vernehmen, erst durch die Mitthei⸗ lung des Protokolles selbst zur Kenntniß des Unterzeichnelen ge⸗
langt. Darmstadt, am 27. September 1850. von D alwigk.
34“ Heute den fünf und zwanzigsten September Eintausend achthundert und funfzig.
Vor uns, Dr. Hermann Julius Schalk, Substitut des Gr. Ge⸗ neral⸗Staatsprokurators am Obergerichte zu Mainz, erschien auf unsere Einladung und da uns das Gerücht zu Ohren ge⸗ kommen, daß durch Artikel der Mainzer Zeitun g sowohl die Privat⸗ als auch die Dienstehre des Herrn Direktors der Ministerien des Innern, des Hauses und des Aeußern durch unwahre Darstellung seiner Beziehungen zu dem Skribenten Heinrich Muller zu Mainz verletzt sei, genannker H einrich Mül⸗ ler und erklärte; Ich arbeitete etwa vier Jahre auf dem Büreau des Herrn Zitz als Skribent. Nachdem derselbe nach Amerika aus⸗ gewandert war, wurde das ganze Zitzsche Büreau in die Woh nung seines bisherigen Stagiärs Dr. Müller⸗ Melchiors gebracht und wurde auch ich von Herrn Müller⸗Melchiors mit sihernommen. Dieser nun besorgte die laufenden Prozesse, indem er — nöthigen juristischen Akte fertigte und sie von Herrn Hernsheim unterzeichnen ließ. Ich selbst wurde besonders mit Abschrifte von Urtheilen, Fertigung von Qualitäten und Cessionen beschäf⸗ tigt; letztere bestanden alle in Ueberträgen Zitzscher Ausständ an Müller⸗Melchiors. Seit 8 — 9 Monaten arbeitete b “ Müller-Melchiorsschen Büreau auch der Accessist Pollitz beschäftigte sich derselbe daselbst den ganzen Tag ausschließlich mit allen auf jenem Büreau vorkommenden juristischen Arbeiten 8 daß er, obgleich bei Herrn Creizenach als Stagiär eingeschrieben bei diesem sich nie beschäftigte. Meine Bezahlung betrug zuerst 10, dann 12 und im letzten Monate 15 Fl. Da Herr Müller⸗Melchiors, um so viel als möglich zu verdienen, ; Haus gab, sondern sie um ein paar Heller billiger von Anderen, insbesondere von dem Literaten Horneyer, fertigen ließ, so mußte ich
mich, um meine gedrückte Lage zu verbessern, um einen besseren Er-
werb umsehen, und als nun die Regierungs⸗Kommission in Worms gegründet wurde, beschloß ich, zu Herrn von Dalwigk da⸗ hier zu gehen und denselben um eine Stelle als Diurnist bei dieser
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selbst die schrieben.
kein Gebrauch gemacht und mir kein Nachtheil zugefügt werden. Kaum aber besaß Pollitz den Brief, als er erklärte: 5l. dieser Brief sei gut, Herrn von Dalwigk in der öffentlichen Meinung zu vernich⸗ ten und ihn ordentlicher zu machen.“ Das sind genau seine Worte. Von da an nahm mich Pollitz wieder mit in die Wohnung von Müller⸗Melchiors und drängte mir hier ein schriftliches s. g. Be⸗ kenntniß ab. Was in demselben steht, weiß ich gar nicht mehr; enthält es aber mehr und Anderes, als das eben Gesagte, so ist es unwahr und mir im Drange des Augenblicks abgepreßt worden. Zugleich schrieb Pollitz eine Quittung über den Empfang meines Gehaltes und legte sie mir zur Unterschrift vor. Was in dieser Quittung stand, wußte ich nicht, ich schrieb darunter: „p. a. H. Müller“, und überließ sie dem Pollitz. Dies ist der wahre Hergang der Sache, und kann ich in der Dar⸗ stellung, wie sie in der Mainzer Ztg. enthalten ist, nur Lügen und Entstellungen erkennen. Ih muß hier eine obengemachte Acu⸗ ßerung rektifiziren. Ich las allerdings die von Pollitz geschriebene Quittung und erklärte demselben, daß das darin Stehende unwahr sei und daß ich es nicht unterschreibe. Hierauf entgegnete mir Pollitz, ich solle sie nur unterschreiben, es mache die Sache nicht besser und nicht schlimmer, und sie würde ja doch nicht öffentlich benutzt; und als ich mich dennoch zu unterschreiben weigerte, drohte er mir mit Vorenthaltung meines Gehaltes. Ich war ohne Hülfs⸗ mittel und des Geldes sehr bedürftig, und da bewirkte diese Dro⸗ hung, daß ich endlich unterschrieb. Vorgelesen, bestätigt, unter⸗ Dr. Schalk. Müller.
Im weiteren Verlaufe der Sitzung wurde die Abstimmung über die auf das Finanzgesetz und die Lehnesche Motion bezüglichen An⸗ träge vorgenommen. Nach Ablehnung aller aufschiebenden oder ver⸗ mittelnden Amendements wurde der Ausschuß⸗Antrag „A. bezüglich des Gesetz⸗Entwurfes, die Erhebung der Staats⸗Auflagen für das letzte V Quartal des Jahres 1850 betreffend: 1) die zweite Kammer der Stände wolle diesem, unter dermaligen Verhältnissen den Rechten und Pflich⸗ ten der Landesvertretung zuwiderlaufenden Ansinnen ihre Zustim mung versagen;“ mit 38 gegen 11; 2) „die zweite Kammer wolle
gegen die seitens des abgetretenen Ministers Jaup und der gegen⸗ wärtigen Räthe der Krone geübte systematische Mißachtung der Vorschriften der Art. 67 und 68 der Verfassungs⸗Urkunde und die dadurch erzielte rechtes feierlichen Protest einlegen“, mit 42 gegen 7 Stimmen an⸗ genommen. Motion angeführten Erlasse und Maßnahmen (1 bis 12) des
abgetretenen Ministeriums Jaup und der gegenwärtigen Verwal⸗
tung als die dort citirten Grundlagen des hessischen Staatsrechts
faktische Aufhebung des ständischen Besteuerungs
Ferner wurde dem Lehneschen Antrage: die in dessen
neu gegründeten Stelle zu ersuchen. Ich hatte Herrn von Dalwigk verletzend zu erklären, mit Majoritäten von 26 zu 10, bis 38 zu
früher noch nie gesprochen, ja noch nicht einmal gesehen, und wenn in der Mainzer Zeitung auf frühere Verbindung zwischen mir
und Herrn von Dalwigk hingedeutet ist, so ist dies rein aus der Luft gegriffen. st, so is es rein aus der
Ich war dreimal vergeblich in dem Regierungsge⸗
1 Stimme beigetreten die vorbezeichneten (1—12) Regierungsmaßregeln feierlichen Ein⸗ spruch zu erheben, mit verhältnißmäßig gleicher Stimmenmehrzahl angenommen. Vor Schluß der Sitzung erhob sich der Großherzog⸗
und der fernere Antrag desselben: gegen
liche Direktor des Ministeriums des Ha
Hauses und des Aeußern, so 8 des Innern, und verlas das landesherrliche Edikt, 8 ve r ern der Kammern verordnet (s. u.) und sprach den Schluß es Landtags aus, worauf sich derselbe mit allen Mitgliedern des Ministeriums entfernte und der Präsident mit einer kurzen An⸗ rede die Versammelten entließ. 1
Darmstadt, 27. Sept. (Darmst. * schienene Nr. 45 des Großgen age- S19.) nachstehendes Großherzogliches Edikt, die Auflösung der Stände⸗ Kammern und die Anordnung neuer Wahlen betreffend „Ludwig III., von Gottes Gnaden Großherzog ꝛc. Wir haben auf den Grund der Artikel 63, 64 und 65 der Verfassungs⸗Urkunde des Großherzogthums verordnet und verordnen wie folgt: Art. 1. Die vermalige Versammlung der Stände des Großherzogthums ist auf⸗ gelöst und die Wirksamkeit jeder der beiden Kammern der Land⸗ stände hört mit der Verkündigung dieses Edikts in demselben auf. Art. 2. Alle Rechte der in Beziehung auf den dreizehnten Land⸗ tag stattgefundenen Wahlen sind erloschen. Art. 3. Es sollen so⸗ bald als thunlich neue Wahlen angeordnet werden. Art. 4. Unser Ministerinm des Innern ist mit der Vollziehung dieses Edikts be⸗ auftragt. Urkundlich ꝛc. Darmstadt, den 27. September 1850. Ludwig. von Dalwigk.
Frankfurt. Frankfurt a. M., 28. Sept. (Fr. J.) Der Prinz von Preußen wird auf der Reise nach Weimar und Berlin in den nächsten Tagen hier erwartet. v“
Ausland.
Fraukreich. Paris, 27. Sept. Herr von Persigny ist heute, mit einer Mission beauftragt, nach London abgereist.
Der General⸗Secretair der Bank von Frankreich macht be⸗ kannt, daß Billets von 100 Fr. auf weißem Papiere definitiv zum Ersatze der provisorischen Noten gleichen Betrages auf grünem Pa⸗ piere bestimmt sind und ladet daher die Besitzer solcher Noten ein den Umtausch in der Bank oder ihren Sukkursalen zu bewirken.
Die französische Akademie hat gestern ihr Büreau erneuert;
Guizot wurde zum Direktor, Pougerville zum Kanzler ernannt.
Horace Vernet hatte (wie bereits erwähnt) während des letzten Manövers bei Versailles das Unglück, zweimal vom Pferde zu stür⸗ zen. Man hielt seine Verletzungen Anfangs für ungesährlich, was sich jetzt leider als irrig herausstellt. L'Ordre meldet nämlich daß sein Zustand Befürchtungen einflößt. w
Die Assemblée nationale stellt heute folgende Fragen: „Ist es wahr, daß das im Bulletin de Paris ohne Auftrag veröffentlichte und an der Spitze des Moniteur du Soir abge⸗ druckte Manifest der Ausdruck der politischen Umgebung des Prä⸗ sidenten ist? Ist es wahr, daß es in gemäßigten und zurückhal tenden Ausdrücken die öffentlich von Louis Napoleon's geheimsten Vertrauten ausgesprochenen Hoffnungen und Drohungen wieder⸗ giebt? Ist es wahr, daß man noch immer mit der parlamentari⸗ schen Regierung wenig Umstände macht und sich ohne Scheu rühmt, die beiden großen Fractionen der gemäßigten Partei in der Kam⸗ mer entweder zu bändigen oder zu zermalmen? Ist es wahr, daß der kühnste und thätigste Parteigänger bei Louis Napoleon's Unter⸗ nehmungen (Persigny) Niemand das nächste Ziel des Strebens im Elysee verbirgt? Ist es wahr, daß er keinen Anstand nimmt, vor ganz unbekannten Personen unter anderen Drohungen ungefähr folgende Sprache zu führen: „„Die Kammer wird zum Weichen gezwungen werden. Hat sie den politischen Generalstab, so haben wir die Soldaten. Wir wissen, daß die monarchischen Parteien uns feind⸗ lich sind, aber sie werden sich unterwerfen oder wir werden sie zer⸗ malmen. Gegen den Widerstand werden wir unversöhnlich sein. Der Augenblick ist noch nicht gekommen, und wir verstehen, ihn ab⸗ zuwarten. Wenn Ihr mich ankommen seht, dann seid überzeugt, daß die Dinge Schlag auf Schlag folgen. Ich werde mich durch Nichts aufhalten lassen. Was die National⸗Versammlung verwei⸗ gert, werden wir vom Lande zu fordern oder selbst zu nehmen wis⸗ sen.““ Ist es wahr, daß diese Stetigkeit der Revuen sonderbar den Eiser der Ungeduldigen anspornt und daß nach der Sprache der Hausfreunde die Inscenesetzung nicht mehr fern ist? Ist es endlich wahr, daß die Unzufriedenheit der in Paris anwesenden Repräsentanten eine sichtliche wird und daß sie entschlossen sind, alle Vorrechte der Versammlung, selbst gegen ein Ministerium der Lö⸗ sung zu vertheidigen?“
Larochejacquelin hat dem legitimistischen Repräsentanten⸗Verein der Rue Rivoli seine Entlassung eingesendet. .
Der Maler Claudius Jacquaud hat das Gemälde des älteren nepalesischen Prinzen vollendet, wovon die Regierung eine Kopie fü das versailler Museum bestellt hat. Der Prinz ist in großem Hof⸗ Anzuge dargestellt, welcher allein an edlen Steinen einen Werth von drei und einer halben Million Franken hat. An seiner Seite trägt er einen reichen tatarischen Säbel, mit dem er bereits zwei Tiger in seiner Heimat erlegt hat.
G Die heute er⸗ Regierungsbl. enthält
Großbritanien und Irland. London, 27. Sept. Am Dienstag hielt die Königin in Balmoral eine Geheimeraths⸗ Sitzung, welcher Prinz Albrecht, Lord John Russell, Sir Francis Baring, erster Lord der Admiralität und Fox Maule, Kriegs⸗Se⸗ cretair, beiwohnten. Es wurde beschlossen, das Parlament vom
15. Oktober bis zum 14. November zu prorogiren.
Der Bau der Parlamentshäuser naht sich rasch der Vollendung. Im Versammlungssaal der Lords sind die Maler beschäftigt, die historischen Deckengemälde zu vollenden; im Saale der Gemeinen sind alle nothwendigen Verbesserungen gemacht worden, um den großen Raum akustisch zu machen. Das große Portal und der Trep⸗ penflur des Haupt⸗Einganges ist fertig; auch die Statuen des Vie toriathurmes liegen zur Aufstellung bereit, und man hofft, daß die Königin schon bei der nächsten Parlaments⸗Eröffnung ihren Einzug durch dieses Portal halten wird.
Italien. Turin, 24. Sept. (Wien. Ztg.) Die Gaz⸗ zetta piemontese widerlegt das zuerst vom Corriere verbrei⸗ tete Gerücht, daß Oesterreich und Rußland dem sardinischen Kabi⸗ nette bezüglich der Zerwürfnisse mit Rom eine drohende Note hätte zustellen lassen. Die Armonia versichert, Pinelli habe den Auf⸗ trag erhalten, Rom augenblicklich zu verlassen, falls der Papst in dem Konsistorium, welches nach Briefen aus Rom am 23sten d. M. stattfinden wird, sich gegen Piemont mit Strenge aussprechen sollte.
Rom, 17. Sept. Das offizielle Journal veröffentlicht heute
nie Bestimmungen über Beschickung der londoner Industrie⸗Aus ellung.
Wissenschaft und Kunst. Elfte Versammlung der deutschen Philologen, Schulmänner und Orientalisten.
Berlin, 30. Sept. Nachdem sich bereits gestern Abends die meisten hiesigen und auswärtigen Mitglieder der deutschen Philologen⸗Ver-