1850 / 286 p. 4 (Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

Reihe wahrscheinlich unüberwindlicher Schwierigkeiten, und muß sich voraussagen, daß mit der Ueberwindung dieser Schwierigkeiten doch in der Sache selbst kein erwünschter Erfolg erreicht werden würde.

Zunächst bedürften die zu vereinbarenden Modificationen der Zustimmung aller Regierungen, und man darf daher, ungeachtet des festen Vertrauens auf allseitigen guten Willen, auf eine Einigung keinesweges mit Gewißheit rechnen. Jene Modificationen selbst bieten zu große Schwierigkeiten dar. Soll eine auf nationale Einigung des gesammten außerösterreichischen Deutschlands berechnete Verfas⸗ sung auf einen nur aus Preußen und einer Anzahl kleinerer Staaten bestehenden Kreis angepaßt werden, so ist eine solche 8 änderung selbst der Grundzüge der Verfassung nöthig, daß es sich in Wahrheit nicht um bloße Modificationen von etwas Gegebenem, sondern um eine völlig neue Vereinbarung handelt. Eine solche Vereinbarung mag möglich sein; es leuchtet indeß ein, 9 sie schwierig ist. Den nationalen und wenigstens in Anlage und X 8 auf eine Einigung Deutschlands berechneten Charakter werden 8 Unionsstaaten immer nicht aufzugeben geneigt sein, und dennoch läßt es sich nicht verkennen, daß gegen die Angemessenheit und Räthlichkeit einer bundesstaatlichen Verfassung mit gemeinsamer re⸗ dräsentativer Regierung, also gerade derjenigen Form, welche man als Ziel im Auge behalten muß, für diesen engeren Kreis aller⸗ dings Bedenken möglich sind. Nicht sowohl die Einzelnheiten der Verfassung, als eben ihre Grundzüge, eben die Anordnung einer gemeinschaftlichen Regierung über allen Staaten, die Einrichtung einer gemeinsamen Vertretung neben den Volksvertretungen der Einzelstaaten bieten hier die Schwierigkeiten dar.

Zu diesem inneren Grunde kommt noch ein äußerer Grund hinzu. Werden die bisherigen Grundlagen der Einigung verlassen, so bedürfen die einzelnen Unionsstaaten zu der neu einzugehenden

Einigung der Zustimmung der ständischen Corporationen. Auf diese Zustimmung ist nicht überall mit Sicherheit zu zählen. Es hieße daher den einzelnen Regierungen nicht nur neue Verlegenheiten zuziehen, sondern ihnen vielleicht auch die Theilnahme an der Ver⸗ folgung des gemeinsamen Planes geradezu unmöglich machen, wenn man den jetzigen Grundlagen der Einigung neue und verschiedene substituirte.

Wird hiernach als die ins Auge zu fassende Eventualität die Ausführung der in Erfurt festgestellten Verfassung für jetzt ausge⸗ schlossen, so ergeben sich daraus nähere Gränzen für das, was wirk⸗ lich geschehen kann.

Die nächste mögliche Maßregel wäre die, nach einmal aner⸗ kannter Unausführbarkeit der Verfassung, diese Verfassung selbst aufzugeben und sich auf ein Bündniß zu beschränken. Es ist indeß nicht schwer zu zeigen, daß auch diese Maßregel nicht im Interesse der Unionsstaaten und nicht in der Konsequenz der bisher von ih nen befolgten Politik liegt. Mit dem Aufgeben des wichtigsten Stücks des Bündnisses vom 26. Mai 1849 giebt man die Idee, die bisher die leitende war, auf. Die Gründe, aus welchen eine An zahl Staaten dem Bündniß nicht beigetreten oder von demselben wieder abgefallen sind, müssen gerade in der Verfassung gesucht werden, und giebt man diese auf, so treten auch für die Ordnung des Verhältnisses zu diesen Staaten und zu dem weiteren Bunde andere Erwägungen ein. Abgesehen hiervon kann ein bloßes Bünd⸗ niß den Unionsstaaten nicht diejenigen Vortheile gewähren, welche sie von einer verfassungsmäßigen Einigung erwarten müssen. Nur eine solche Einigung sichert die Existenz der minder mächtigen Staa⸗ ten, indem sie das Maß der Befugnisse der einzelnen Mitglieder auf unüberschreitbare rechtliche Gränzen beschränkt und so durch feste Normen rie Besorgnisse entfernt, welche man sonst, bei allem Vertrauen auf Rechtssinn und Uneigennützigkeit, vor politischen Nothwendigkeiten und dem Drange der Ereignisse hegen könnte. Nur eine solche Einigung wirkt durch Verlegung des politischen Lebens in einen Mittelpunkt in konservativem Sinne und giebt die Möglichkeit, von diesem Mittelpunkt aus die Regierung und Gesetz⸗ gebung zum wahren Nutzen der Staaten zu handhaben, sie legt endlich wenigstens den Keim zu einer umfassenden und den deutsch⸗ nationalen Ideen Genüge leistenden Einigung. Ein bloßes Bünd⸗ niß kann diesen Erwartungen nicht entsprechen, und selbst der ge⸗ genseitige Schutz, den es im Innern gewährt, ist so werthvoll

er im Augenblicke der Gefahr sein kann doch in einer anderen Rücksicht von minder bedeutendem Werthe. Ein bloßes Bündniß der Regierungen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ord⸗ nung wird nach den in Deutschland ziemlich allgemein herrschenden und durch den alten Bundestag wie durch dessen wiederhergestelltes Nachbild befestigten Ansichten lediglich als eine Verbindung der Re⸗ gierungen gegen das Volk aufgefaßt werden und Gegenstand be⸗ ständigen Mißtrauens sein. Die von ihm getroffenen Maßregeln werden jedesmal, wenn es sich nicht gerade um Unterdrückung einer bereits ausgebrochenen und Leben und Eigenthum unmittelbar be⸗ drohenden Anarchie handelt, selbst von dem besseren Theile der Be⸗ völkerung als Schritte einer volksfeindlichen Reaction betrachtet werden. Diesem Mißverhältnisse ist nur durch eine Betheiligung des Volks an den gemeinsamen Angelegenheiten, also nur durch eine gemeinsame parlamentarische Vertretung, vorzubeugen; eine solche Vertretung setzt aber nicht blos ein Bündniß, sondern eine gemein⸗ same Verfassung voraus.

Also auch eine Beschränkung auf ein bloßes Bünd⸗ niß scheint nicht räthlich zu sein.

Wenn man aber einerseits die Verfassung, wie sie in Erfurt sestgestellt und auf dem berliner Fürsten⸗Kongresse angenommen wurde, für jetzt nicht ausführen, andererseits sich aber auch nicht auf ein bloßes Bündniß beschränken will, so bleibt nichts übrig, als den bisher verfolgten Plan in seinen beiden Hauptrichtungen vorläufiges Bündniß und als Ziel eine Bundesstaats⸗Verfassung im deutsch⸗nationalen Charakter festzuhalten und etwa nur das jenige hinzuzufügen, was sich zu seiner weiteren Befestigung und

scherung seiner Ausführung den Umständen nach hinzufügen läßt.

„Es ist einzugestehen, daß die Entscheidung hier am Ende durch

die Ereignisse und die allgemeine politische Lage gegeben werden nuß. Erscheint nach dieser ein Plan schlechtweg unausführbar, nuß man die Hoffnung zu seiner Verwirklichung aufgeben, so ist

8 besser, ihn offen zu verlassen, als Zeit und Kräfte daran zu ver⸗ schwenden und durch Verfolgung unmöglich gewordener Dinge die Position, von welcher aus am Ende ein Resultat erreicht werden muß, zu verschlechtern. So stehen aber allerdings die Dinge in Bezug auf die Unions⸗Angelegenheit nicht; vielmehr ist die allge⸗ meine politische Lage selbst seit der Zeit des berliner Fürsten⸗Kon⸗ greses eine entschieden günstigere geworden. In dem Chaos der naneschen Angelegenheiten tritt nämlich der Umriß einer festen Ord⸗ stimmmter Sihs chgc hervor, als in einem kleineren Kreise ein be⸗ Verworrenhrit in Plan vorliegt, außerhalb dieses Kreises aber die Plan vor sich vabeer größer wird. Diejenigen, welche einen festen halten und sich en, sind also darauf angewiesen, denselben festzu⸗ sich gegen das Eindringen der Verwirr bzuschlie⸗

ßen, in welcher die Uebrigen befaneh erwirrung abzuschlie nen Phasen und Ueb igen befangen sind. Nach allen verschiede⸗ im Ganzen in Deutschkand zwer hhtn zwei Jahre stehen sich jetzt einen, welcher die Unions⸗Staaten c 11.c 9 stgatlichen Einigung mit repräsentativor Herfas fmer. Sucpes⸗ er Verfassungsform. Durch

Füi

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diese soll dem Auslande gegenuber Einheit geschaffen und dem na⸗ lionalen Bedürfnisse genügt, im Innern aber die Ordnung gesichert werden, indem den politischen Bestrebungen, selbst da, wo sie in krankhafter Uebertreibung sich äußern, nicht die reine Repression entgegengesetzt, sondern ein würdiger und nationaler Schauplatz ih⸗ rer Thätigkeit geboten und zugleich ein Mittelpunkt geschaffen wird, von welchem aus die Ordnung und Regelmäßigkeit der Zustände mit Nachdruck hergestellt und gewahrt werden kann. Nach der an⸗ deren Ansicht ist vorläufig, und ohne die weitere Entwickelung aus⸗ zuschließen, zu der Organisation des Bundes von 1815 zurückzu⸗ kehren. Das Einschreiten gegen die excentrischen politischen Bestre⸗ bungen und die im constitutionellen Leben fühlbaren Nachwirkungen des Jahres 1848 bleibt den einzelnen Regierungen überlassen, und der Bundestag hat die alte Function, hierbei in letzter Instanz unterstützend mitzuwirken, wieder übernommen. Jetzt ist bereits so viel klar, daß die erste Ansicht zur Herstellung der Ordnung in Deutschland ge⸗ führt haben müßte, und daß sie ungeachtet ihre volle Verwirk⸗ lichung nicht zu erreichen war bis jetzt wenigstens dazu beige⸗ tragen hat, in denjenigen Staaten, welche sich zu ihr bekennen, ge⸗ regelte Zustände zu bewahren, während die zweite Ansicht sehr schnell zu Zerrüttungen und Unregelmäßigkeiten geführt hat. Die Regierungen, welche ihr folgen, müssen bei ihren Bestrebungen auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen. Die Sympathieen des bes⸗ seren Theiles der Bevölkerung müssen ihnen fehlen, ihre Politik ist in Gefahr, hinsichtlich des Maßes und der Mittel die Gränzen zu verfehlen, und hat den ganz sicheren Erfolg, die übertriebenen Ansichten von dem Werthe und der Bedeutung des constitutionellen Systems in den Einzelstaaten, anstatt sie zu berichtigen, in ihrer Uebertreibung und falschen Richtung zu befestigen. Daß der her⸗ gestellte Bundestag ihnen keinen Rückhalt bietet, ist offenbar genug. Theils kann dieser Bundestag den ihm beigelegten Charakter über

haupt nicht durchführen, theils lastet auf ihm, außer dem Nachtheile dieser halben Stellung, die volle Ungunst, unter welcher der wahre Bundestag zu Grunde gegangen ist. Weit entfernt, eine Sicher⸗

heit zu bieten, ist die Herstellung des Bundestags vielmehr eine gefährliche Maßregel: sie verletzt das Rechtsgefühl und das Ver⸗ trauen auf das empfindlichste und arbeitet neuen Umwälzungen und Erschütterungen vor. 1

Diese Wirkungen der Politik derjenigen Staaten, welche sich der Union abgewendet haben, sind bereits in der augenblicklichen Situation erkennbar genug. Die Entwickelung der allgemeinen deutschen Verfassungs⸗Angelegenheit ist gehemmt, und dafür ist in die Verhältnisse einer Anzahl einzelner Territorien eine Verwirrung gekommen, deren Folgen völlig unberechenbar sind.

Die weitere Entwickelung wird nicht auf sich warten lassen. Der rasche Verlauf der Ereignisse, ihre schnelle Aufeinanderfolge, das unverzügliche Abnutzen ihrer Resultate und das unausgesetzte Treiben zu Neuem sind charakteristische Merkmale der Geschichte unseres Jahrhunderts.

So beklagenswerth dieser verworrene und chaotische Zustand Deutschlands ist, so wenig sich die weiteren Folgen desselben genau berechnen lassen, so liegt in ihm doch für die Unionsstaaten kein Anlaß, ihren bis jetzt verfolgten Plan aufzugeben und zu gestehen, daß derselbe ein unausführbarer war. Was sie unter günstigerer Lage der Dinge gerade mit der Voraussicht auf die abzuwendende und jetzt eingetretene ungünstigere Lage für richtig und heilsam hiel⸗ ten, werden sie auch jetzt noch dafür halten können. So lange man für den Unionsplan auf richtige Einsicht, Aufopferung besonderer untergeordneter Interessen für allgemeine und höhere, und einen den Drang stürmischer Zeiten überdauernden Willen zu einer dem Ver⸗ langen des Volkes wie dem wahren Interesse der Regierungen entsprechenden Einigung rechnete, hat man erfahren müssen, daß die Berechnung mannigfach fehlschlug. Der rasche Verlauf der Ereig⸗ nisse führt jetzt die Folgen der wahren und der falschen Politik praktisch herbei, und diese wirklich eintretenden Folgen mögen be⸗ wirken, was die bloße noch so sichere Aussicht auf dieselben nicht zu bewirken im Stande war. In dieser Lage haben die Unionsstaaten eine doppelte Aufgabe. Sie werden zunäͤchst die einreißenden Zer⸗ rüttungen von sich selbst abhalten und ihnen, so weit ihre Befug nisse und ihre Mittel reichen, entgegenwirken müssen, damit ein Weitergreifen derselben nicht zu einer Lage führe, in welcher vorerst jeder Plan und jede Voraussicht scheitert. Dann aber werden sie den Unionsplan jetzt mit größerer Entschiedenheit als je festzuhalten Anlaß haben. Er ist nicht nur der dem wahren Bedürfnisse des Volkes wie der einzelnen Staaten entsprechende, sondern er ist auch in dem gegenwärtigen verworrenen Zustande überhaupt der einzige vorhandene positive Plan. Er ist aus der Periode, in welcher seine Gegner sich darauf beschränken konnten, ihn zu bestreiten und zu hemmen, ungeachtet mancher Beeinträchtigungen gerettet: jetzt, wo seine Gegner ihrerseits etwas Positives zu bieten hätten, wo ihre hierauf gerichteten vergeblichen Versuche nur der Beginn von Ver⸗ wirrungen gewesen sind, jetzt wird man den Unionsplan weniger als jemals aufgeben dürfen.

Ist es sonach gerathen, nach dem 15. Sktober d. J. den bis⸗ her verfolgten Plan in seinen beiden Hauptrichtungen vorläufig ein Bündniß und als Ziel die Verfassung festzuhalten, so fragt es sich um die Form, in welcher dies geschehen soll.

Die einfachste Form scheint eine abermalige Verlängerung des jetzigen Provisoriums auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zu sein.

Die bisherigen Provisorien können nicht als Verlängerungen des Bündnisses aufgefaßt werden. Die Bestimmungen des Bünd⸗ nisses sind mit Ausnahme der Verabredungen über die Aus⸗ übung der an die Krone Preußen übertragenen Oberleitung ohne Zeitbeschränkung getroffen und bedürfen einer solchen Verlängerung nicht. Die Provisorien sind nur Abschnitte, die man dem noch nicht möglichen Definitivum vorangehen ließ und an deren Schluß zu er⸗ wägen war, ob und in welchem Maße man in das Definitivum übergehen könne, die aber das rechtliche Verhältniß der 2 heilneh⸗ mer des Bündnisses zu einander keinesweges auf neue Grundlagen ührten. 11“ füh Gegen die Provisorien kommt indeß zunächst in Betracht, daß dieselben der öffentlichen Meinung so wenig genügen, als sie den einzelnen Regierungen genügen können. Auf unbestimmte Zeit ver— längerte Provisorien haben augenscheinliche Bedenken gegen sich. Nicht minder muß aber auch den Regierungen die periodische Wie⸗ derkehr von Terminen, zu welchen neue Entschließungen zu fassen sind, unerwünscht sein. Solche Termine, wie sie sich aus Proviso⸗ rien für bestimmte Zeiträume ergeben, lassen sich in der That auch vermeiden. 8

Die Bedeutung einer Zeitbestimmung bei einem Provisorium könnte entweder nur die sein, daß nach Ablauf der angenomme⸗ nen Dauer falls bis dahin das Definitivum nicht zu Stande

ekommen, auch das Bündniß erloschen sein und nur durch freiwil⸗ ige Erneuerung fortgesetzt werden solle. Oder man könnte die Bedeutung damit verbinden, daß bei Ablauf der bestimmten Frist nur zu erwägen sei, ob in das Definitivum überzugehen oder das Provisorium noch fortzusetzen sei. Diese letztere Bedeutung hat, wie sich aus dem Protokolle der vierten Sitzung des berliner Für⸗ sten⸗Kongresses ergiebt, dieser Kongreß allerdings mit der damals getroffenen Vereinbarung verbunden. Hält man aber diese Bedeu⸗

tung fest, so erscheint die Festsetzung einer bestimmten Zeitdauer überflüssig. Die Erwägung, ob in das Definitivum übergegangen werden könne, steht jederzeit offen und der Ablauf des Termins hat wenn ein solcher Uebergang nicht erfolgt ist keine andere Folge, als daß der bisherige Zustand fortdauert. Die Festsetzung eines Termins ist aber auch nachtheilig. Man kann den Termin nur nach Gutdünken und ohne eine feste und zuverlässige Voraus⸗ sicht auf den Gang der Ereignisse feststellen, und es wird immer ungewiß bleiben, ob man damit gerade den Zeitpunkt trifft, wo wirklich eine Erwägung, ob der Uebergang in das Definitivum möglich sei, von Nutzen sein wird. Man setzt einen Abschnitt viel⸗ leicht da fest, wo die Thatsachen auf welche hier Alles ankommt keinen Abschnitt andeuten, macht neue Entschließungen zu einer Zeit nöthig, wo vielleicht die faktischen Voraussetzungen neuer Ent⸗ schließungen fehlen, und richtet die allgemeine Erwartung auf einen Zeitpunkt, zu welchem dieser Erwartung vielleicht nichts geboten werden kann.

Es kommt hiernach nur darauf an, dasjenige, was bereits be-

steht, festzuhalten, und man ist nicht genöthigt, in ein auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geschlossenes Provisorium einzutre

ten. Als noch fortbestehend ist aber das Bündniß vom 26. Mai 1849 in allen seinen Haupt⸗ und Nebenbestimmungen und in der

ihm durch die Beschlüsse der berliner Konferenzen gegebenen Aus⸗ bildung allerdings zu betrachten. Zu diesem Ende ist auf die Grundsätze des Völkerrechts über das Erlöschen völkerrechtlicher Ver⸗ träge Bezug zu nehmen.

Am Einfachsten tritt das Erlöschen solcher Verträge durch Ab b

lauf der für sie bestimmten Zeit ein. Eine Zeitbestimmung findet sich aber in dem Vertrage vom 26. Mai, namentlich im Art. III §. 1, nicht in Bezug auf den ganzen Vertrag, sondern nur in Be

zug auf einen ganz speziellen Punkt, nämlich die Ausübung der der Dieser Punkt ist von

Krone Preußen übertragenen Oberleitung. den übrigen Bestimmungen des Vertrags sehr wohl zu sondern und

nicht von der Art, daß selbst sein gänzlicher Ausfall den Vertrag Enthält

in seinen übrigen Theilen unausführbar machen würde. ein völkerrechtlicher Vertrag keine Zeitbestimmung, so ist zu unter⸗ scheiden, ob sein Zweck durch einen einmal zu erreichenden Erfolg

erfüllt wird, oder gerade in einem dauernden Verhältniß und wie⸗

derholten Leistungen besteht. Im letzteren Falle ist der Vertrag

ein fortwährend gültiger, im ersten entscheidet sich seine Fortdauer

nach dem Eintritte oder dem Verfehlen des Ersolgs, auf den er ge⸗ richtet ist. Wendet man dieses anf den Vertrag vom 26. Mai

1849 an, so scheint es einleuchtend, daß der mit seinem Abschlusse beabsichtigte Zweck weder so vollständig erfüllt ist, daß der Vertrag

von keinem ferneren Interesse wäre, noch daß dieser Zweck so voll⸗

ständig verfehlt ist, daß man aus diesem Grunde auf den Vertrag

zu verzichten hätte. 1 Man hat nicht das Bündniß als mit dem 1sten Mai 1850,

oder als mit der einstweiligen Unmöglichkeit, die Verfassung einzu-

führen, als erloschen betrachtet, auch nicht angenommen, daß das⸗ selbe nach dem Ablaufe des Provisoriums erlösche, falls dann die Verfassung nicht ausgeführt werde, sondern der Kommissarius der Bezug auf den angenommenen Termin des Provisoriums in folgen⸗ der Weise geäußert:— „Gegen den Schluß des Termins wird durch die Organe des Provisoriums zu bestimmen sein, ob das Provisorium in der Weise, wie es jetzt ins Leben kritt, oder in einer anderen Gestalt zu verlängern, oder aber ob es alsdann in das Definitivum ein⸗ zutreten haben wird.“ 8 b 1

Diese Aeußerung hat nur in Bezug darauf, ob die Bestim⸗ mung gerade durch die Organe des Provisoriums erfolgen solle, einen Widerspruch erfahren.

Wenn man hiernach nur bei dem Pleiben will, was bereits be⸗ steht, so ist an dem Bündniß in seiner zwiefachen auf unmittelbare Sicherung des Rechtsschutzes und Erreichung einer verfassungsmä⸗ igen Einigung gerichteten Tendenz festzuhalten. Es ist zu erklä⸗ ren, daß das Bündniß keiner Prolongation bedarf, und somit der Ansicht, als seien die bisherigen Provisorien nur Prolongationen eines Verhältnisses gewesen, welches ohne dieselben erloschen sein würde, zu begegnen. Es ist zugleich ein Zeugniß zu geben, daß die ursprüngliche nationale Idee bewahrt, daß sie, als die richtige dem Bedürfnisse des Vaterlandes und den dem Volke gegebenen Zusagen entsprechende fortwährend erkannt und auch unter ungün⸗ stigen Umständen mit vollem Ernste verfolgt wird.

Hält man den Unionsplan nach seinen beiden Hauptrichtungen Bündniß und Verfassung fest, so ergiebt sich daraus kein kachtheil und keine Gefährde für die einzelnen Regierungen. Denn was 1) das Bündniß betrifft, so ist dasselbe nicht nur ohnehin bereits verpflichtend, so daß es dabei uͤberhaupt nicht auf Eingehung neuer Verbindlichkeiten ankommt, sondern seine Bestimmungen sind an sich von der Art, daß sie keine Bedenken erregen kön⸗ nen. Sie verfolgen im Ganzen die Zwecke des deutschen

Bundes von 1815 und berühren die Selbstständigkeit der

einzelnen Staaten in weit geringerem Maße als die Bundes⸗

Verfassung.

Die Verfassung, deren Einführung unter den ietzigen Umstän⸗

den den Staaten nachtheilig erscheinen könnte, darf eben so

wenig Bedenken erregen. Ihre Einführung ist in dem jetzt⸗ gen Staatenkreise überhaupt nicht möglich, und etwaige Mo⸗ dificationen, um sie ausführbar zu machen, oder Anfänge der

Ausführung würden des Konsenses aller einzelnen Staaten

bedürfen.

Zeigt sich endlich, daß der Zweck des Bündnisses, die Herstel⸗ lung einer Verfassung, überhaupt nicht zu realisiren ist, so ist nach den oben angeführten rechtlichen Grundsätzen zuzugestehen, daß den einzelnen Staaten unbenommen bleiben muß, die ihnen angemesse⸗ nen Schritte zu thun. Jedenfalls sind indeß Gründe dafür vor⸗ handen, dieses Resultat, das definitive Verfehltsein des Verfassungs⸗ planes, nicht voreilig und nicht ohne die klarste Augenscheinlichkeit anzunehmen.

Bleibt man bei den bisherigen für die Union vorhandenen rechtlichen Grundlagen der Einigung stehen, und hält also den Ver⸗ trag vom 26. Mai 1849 und die Beschlüsse des berliner Fürsten⸗ Kongresses für die in dem unmittelbar bevorstehenden Zustande maßgebenden Normen, so fragt es sich, ob diese Normen nicht noch näher präzisirt und vervollständigt werden können, ohne daß damit der Charakter des Verhältnisses alterirt oder den Interessen der einzelnen Staaten und den zur Sicherung dieser Interessen zu fas⸗ senden freien Entschließungen der Regierungen irgend präjudizirt würde. Die Zeitumstände enthalten allerdings eine dringende Auf⸗ forderung für die Union, wo möglich einen Schritt vorwärts zu thun, und es verdient die ernsteste Erwägung, ob sich dieses nicht durch nähere Präzisirung von Einzelnheiten erreichen läßt.

Was sich in dieser Beziehung vorschlagen läßt, möchte Folgen⸗ des sein: 1 1

1) Es ließe sich eine besondere Vereinbarung treffen, zufolge welcher von allen Unionsstaaten in der allgemeinen deutschen

Verfassungssache gemeinschaftlich und in gleichem Sinne ge⸗

Königlich preußischen Regierung hat in der vierten Sitzung sich in

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handelt werden müßte. Am sichersten ließe sich ein solches ge⸗ meinschaftliches Handeln durch Unterwerfung unter Majori⸗ täts⸗Beschlüsse im Fürsten⸗Kollegium erreichen: sollten hier für Preußen, welches ganz besonders wichtige Interessen wahrzunehmen hat, Bedenklichkeiten obwalten, so ließe sich vielleicht der Ausweg treffen, daß nur eine Majorität, welche auch die preußische Stimme in sich schlösse, den Ausschlag Wie wichtig ein solches gemeinschaftliches Handeln sei, leuchtet ohne Schwierigkeit ein. Die Union hat danach zu streben, daß bei der Reorganisation des weiteren Bundes ihr ein angemessener Spielraum bleibe, sie hat zu verhüten, daß ihre Mitglieder nicht in eine unhaltbare Doppelstellung, welche aus einer gleichmäßigen Betheiligung am engeren wie am weiteren Bunde folgen kann, gerathen. Die hieraus folgen⸗ den Uebelstände haben sich bereits in der Geschichte des Bünd⸗ nisses vom 26. Mai erfahrungsmäßig bestätigt. Sie werden in der jetzigen Lage der Union leicht noch bedenklicher und noch fühlbarer werden können. Zu vermeiden sind sie aber nur, wenn bei allen die Reorganisation des weiteren Bundes betreffenden Verhandlungen ein völlig gemeinsames Verfahren eintritt, und als Ziel das Auftreten der Union als eines Ge⸗ sammtkörpers ins Auge gefaßt wird.

Ein solches gemeinsames Verfahren liegt ganz im Geiste des Vertrags vom 26. Mai 1849. Die Denkschrift vom 11. Juni 1849 hat zu §. 1 des Verfassungs Entwurfs nur den Bundesstaat, also nur die Gesammtheit der Bundesge⸗ nossen, als die bei der Regulirung der Verhältnisse zu den nicht beigetretenen Staaten in Betracht kommende Partei vor Augen. Hätte man bei Abschluß des Bündnisses vorausge⸗ sehen, daß diese Regulirung vor dem Eintritte in das Defi⸗ nitivum und während der Fortdauer des Bündnisses nöthig sein könne, so würde man bisher in dem Bündniß⸗Statut selbst ein gemeinsames Handeln vorgeschrieben haben. Eine hierauf gerichtete, jetzt getroffene Bestimmung würde daher nur das, was im Geiste der bestehenden Einigung liegt, er⸗ gänzen.

Von großer Wichtigkeit würde es sein, eine einheitliche Re⸗ gulirung der Militair⸗Angelegenheiten unter der Oberaufsicht Preußens zu verabreden.

Die Militair⸗Verfassung des deutschen Bundes ist in den letzten zwei Jahren tn Verfall gerathen und der jetzt in Frank⸗ furt versammelte sogenannte Bundestag wird dieselbe weder nach den jetzigen Umständen erneuern und verbessern, noch auch in den Militair⸗Angelegenheiten irgend eine Leitung oder Aufsicht führen können. Die einzelnen Staaten sind da⸗ her in dieser Beziehung rein sich selbst überlassen. Hieraus muß aber, da nur durch gemeinsame Leitung das Militair⸗ wesen der einzelnen Staaten in Ordnung zu halten ist und finanzielle Gründe nur zu leicht hemmend und störend ein wirken, ein allgemeiner Nachtheil hervorgehen, und die Streit⸗ kraft der Union muß danach geringer werden, als sie sein könnte und müßte. Die Solidarität unter ihren Mitgliedern im Falle der Gefahr fordert, daß auch die Mitle! zur Ab⸗ wendung der Gefahr in gleichem, den Kräften angemessenen Maße beschafft werden. Das ist aber nur durch eine ge⸗ meinsame Organisation und gemeinsame Leitung und Ober⸗ aufsicht möglich.

Einen Anhaltspunkt gewähren hier bereits die Bestimmun⸗ gen des Vertrags vom 26. Mai 1849. Nach Art. III. §. 5 des Bündniß⸗Statuts gebührt nämlich der Krone Preußen die Leitung der militairischen Operationen, es ist die Bundes⸗ Kriegsverfassung auf die Staaten des Bündnisses für anaglog anwendbar erklärt und nähere Verabredungen über die Zahl der zu stellenden Truppen sind vorbehalten. Es würde sich also jetzt, da eine blos analoge Anwendung der Bundes⸗ Kriegsverfassung schwierig und unsicher sein möchte, darum handeln, eine Kriegsverfassung für die Union im Einzelnen zu entwerfen und hierdurch dasjenige, was bereits im Sinne des Art. III. §. 5 cit. liegt, praktisch zu machen.

Daneben tritt indeß die Erwägung der Rücksicht ein, welche auf die Reorganisation des weiteren Bundes und den nöthi⸗ gen Einklang mit den Bestimmungen des Bundesrechts oder den zu dessen Fortbildung zu vereinbarenden Bestimmungen genommen werden muß. Diese Rücksicht darf um so weniger unbeachtet bleiben, als dieselbe auch bereits in dem vom er furter Parlamente beschlossenen und von den Unions⸗Regie⸗ rungen genehmigten Zusätzen zu Art. V. der Additional⸗Akte hervorgehoben ist.

Es wird daher hier nur als ein der näheren Prüfung zu empfehlender Gegenstand zu bezeichnen sein, in welchem Maße und welcher Weise die wünschenswerthe weitere Ergänzung der Bestimmungen des Bündniß⸗Statuts über die Militair⸗ Angelegenheit jetzt möglich sei.

Bereits auf dem berliner Fürsten⸗Kongresse ist die Entwer⸗ fung legislativer Vorlagen für das näͤchste Parlament verab⸗ redet, und es sind zu dem Ende bereits mehrere Gesetz⸗Ent⸗ würfe ausgearbeitet worden.

1 Die Gemeinsamkeit der Gesetzgebung nach Maßgabe der Verfassung würde gewiß für die Unionsstaaten im höchsten Grade werthvoll sein. Die hier in Betracht kommenden Ge⸗ genstände der Legislation sind sämmtlich der Art, daß eine Fortbildung derselben durch die partikularen Gesetzgebungen üh 8es h s e de dühn. Durch die Gemeinsamkeit wird Zukunst Bedeutung und die Aussicht der Union 1 en; 1“ Auch köͤnnen die Besorgnisse gering sein, indem ihre Selbstständigkeit hier nur sehr gerlng sein, indem, so lange die Verfassung nicht eingeführt ist, eine gemeinschaftliche Gesetzgebung nur auf freier Zustim⸗ mung beruhen und nur durch 1 8 18 Staaten bindend werden könnte. vWIIAA“; „Für das Zustandebringen gemeinsamer Gesetze würde es einen doppelten Weg geben, den der Feststellung mit den Ein⸗ 1 . ZII1“ . g mit den Ein⸗ zelkammern oder mit einem wieder zu berufenden Unions⸗ Parlamente. 8 I“

Der erste Weg ist der regelmäßige, aber auch augenschein⸗ lich der mit den meisten Schwierigkeiten und Weitläuftigkeiten verbundene. Es ist indeß nicht schlechthin für unmöc sich zu halten, daß ein von den Unions⸗Regierungen 11.“ heilsames und zweckmäßiges Gesetz, dessen Werth hauptsäch⸗ lich in seiner gemeinsamen Geltung beruht, von allen Einzel kammern unverändert angenommen werden sollte.

Daß dagegen eine Wiederberufung des Parlaments zu besonderen Zwecken nicht im Sinne der bisherigen Abreden liegt, bedarf keines Nachweises. Ob Gründe der Zweckmä⸗ ßigkeit dafür eintreten werden, läßt sich jetzt nicht voraussa⸗ gen; es wird das, was darüber zu vereinbaren wäre, in glei⸗ cher Weise wie der gleich zu erwähnende letzte Punkt, daher nur von weiterer Beobachtung ver Ereignisse und Erwägung abhängig zu machen sein. 1

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1723 4) Wird für die Dauer des unmittelbar eintretenden Zustandes kein Termin bestimmt, sondern es von der weiteren Beobach⸗ tung der Ereignisse abhängig gemacht, wann die weiteren Scchritte zu der Verwirklichung der bundesstaatlichen Eini⸗ gung der zur Union gehörigen Staaten in Erwägung zu nehmen seien, so ist es nöthig, auch über diesen Punkt eine

wenigstens vorläufige Verabredung zu treffen. 8

Es kann nöthig werden, zu untersuchen, welche Modifi⸗ cationen der Verfassung man zu wünschen habe, entweder um sie den Verhältnissen anzupassen, oder um den Beitritt ande⸗ rer deutschen Staaten zu erleichtern. Es läßt sich hierüber nur so viel verabreden, daß den Organen der Untion die weitere Erwägung anheimgestellt bleibe, wann und in welcher

Weise der Uebergang in einen definitiven verfassungsmäßigen

Zustand möglich sei. 5

Bestimmter Vorschläge und genau formulirter Anträge glaubt sich der Ausschuß enthalten zu müssen. Der ihm ertheilte Auftrag ging nur dahin, die rechtlichen und politischen Momente, welche für die zu fassenden Entschließungen in Betracht kommen, zusammen⸗ zustellen, und diesm Auftrage glaubt der Ausschuß im Vorstehenden nachgekommen zu sein. Berlin, den 6. Oktober 1850. Vollpracht. Dr. Liebe.

Mit dem vorstehenden Vortrags⸗Entwurfe im Allgemeinen ein⸗ verstanden, würde ich doch, um mir dessen ganzen Inhalt aneignen zu können, noch verschiedene Abänderungen im Einzelnen wünschen müssen. Bei der Kürze der für die Ausschuß⸗Berathung gegebenen Zeit ziehe ich jedoch vor, die für solchen Zweck erforderliche Erör⸗ terung zu vermeiden, und stelle die Vorlegung des Ausschuß⸗Be⸗ richts in der nächsten Sitzung mit dem Beifügen anheim, daß ich hoffen darf, gleichzeitig mit der Vortrags⸗Erstattung die preußischer⸗ seits in der Sache geltend zu machenden praktischen Gesichtspunkte mittelst einer besonderen Erklärung zur Kenntniß des Kollegiums bringen zu können. Berlin, den 7. Oktober 1850. von Sydo w.]

Der Vorsitzende fordert sodann die Mitglieder des Kolle⸗ giums zu ihrer Aeußerung über diesen Bericht des Verfassungs⸗ Ausschusses auf, indem er sich zugleich in den Stand gesetzt sieht, für die von ihm vertretene Königlich preußische Regierung sofort die nachfolgende Erklärung abzugeben:

Preußen kann sich den in dem Gutachten des Verfassungs Aus⸗ schusses entwickelten Ansichten über die durch den Ablauf des Pro⸗ visoriums am 15. Oktober eintretende Sachlage im Allgemeinen nur anschließen. 8 1“

Hiernach ist eine abermalige Verlängerung des Provisoriums nicht als zulässig zu erachten, da eine solche den schon bestehenden Mißverständnissen und Mißdeutungen über den Zweck eines provi⸗ sorischen Zustandes neue Nahrung zuführen wurde, und diese Maß⸗ regel überdies nicht von allen unirten Staaten gewünscht wird.

Es ist ferner einleuchtend nachgewiesen, daß die Verkündigung der Verfassung vom 28. Mai unter den gegenwärtigen Verhältnis⸗ sen nicht ausführbar ist. Ihrem Wesen und ihrer Bestimmung nach beruhte diese Verfassung auf der Hoffnung, daß alle oder der grö ßere Theil der deutschen Staaten sich der bundesstaatlichen Einigung anschließen werden. Preußen hat diese Voraussetzung in dem gu⸗ ten Glauben zu Grunde gelegt, daß seine Ueberzeugung von dem, was für Deutschland wahrhaft heilsam, was für die Nation wirk⸗ liches Bedürfniß sei, allgemeine Zustimmung finden werde. Diese Hoffnung ist nicht erfüllt worden. Mehrere deutsche Staaten haben den Zutritt zu der auf dieser Grundlage zu errichtenden Union ab⸗ gelehnt, andere haben sich durch übernommene Verpflichtungen nicht gebunden erachtet und sind in mannigfacher Art und Weise abge⸗ fallen. Bei dem Grundsatze unbeschränkter freier Entschließung zum Eintritt in die Union, den Preußen festgehalten hat, mußte es die⸗ ses Ergebniß, sowohl um des gemeinsamen Vaterlandes, als um jener Staaten selbst willen, tief bedauern; die Königliche Regierung hat jedoch den Gedanken eines auszuübenden direkten oder indirek⸗ ten Zwanges jederzeit von sich gewiesen. 8

Jede unbefangene Erwägung zeigt nun, daß die Reihenfolge der Bestimmungen, welche die Urkunde vom 28. Mai 1849 einschließt, in einem Staaten⸗Komplerx von so beschränktem Umfange, wie ihn die Union zur Zeit aufweist, nicht zur Ausführung gelangen kann. Den in dem Gutachten des Verfassungs⸗Ausschusses dargelegten Gründen kann hierin nur durchweg beigepflichtet werden.

Es würde daher zu schließlicher Erwägung kommen, ob der Augenblick geeignet sei, die erforderlichen Veränderungen in der mehrgedachten Verfassung jetzt in Berathung zun nehmen und auf gesetzlichem Wege festzustellen. Auch hier muß dem Güutachten bei⸗

gepflichtet werden, daß dieses weder räthlich, noch möglich sei. Außer dem dort Angeführten, ist hervorzuheben, daß, obgleich die Ver handlungen über die Neugestaltung des weiteren Bundes noch zu keinem Resultate geführt haben, es doch im allgemeinsten Interesse liegt, diesem Ziele unverwandt nachzustreben. Da die Hoffnung, es zu erreichen, noch nicht aufgegeben werden muß, so können im jetzigen Augenblick die Beziehungen der Union zu der Verfassung des weiteren Bundes weder ignorirt, noch blos vorbehalten werden. Preußen wird den großen Gedanken der engeren bundesstaat⸗ lichen Einigung für alle deutsche Lande, die hierzu das Bedürfniß fühlen, zu keiner Zeit aufgeben oder fallen lassen; es wird vielmehr auf voller Anerkennung des freien Unirungs⸗Rechtes der deutschen Fürsten und Staaten, als unerläßlichem Grundsatze entschieden be⸗ harren. Erst dann, wenn der deultsche Bund von 1815 die Ge⸗ stalt angenommen hat, zu welcher alle seine Glieder zustimmen können und wollen, und wenn innerhalb desselben die Union der⸗ jenigen Staaten ins Leben getreten ist, welche zu gemeinschaftlicher Gesetzgebung auf parlamentarischer Grundlage mit einheitlicher Exekutivgewalt sich verbunden haben, erst dann ist die große Krise beendet, die seit drei Jahren über dem deutschen Vaterlande schwebt. Bis dahin aber, wo nach dem Ermessen der unirten Regierun⸗ gen zu definitiver Durchführung der bundesstaͤatlichen Verfassung für die Union geschritten werden kann, erkennt Preußen es mit dem Ausschuß⸗Vortrage am angemessensten, daß die Staaten, welche im Provisorium zusammenstanden, fest vereinigt bleiben und ihren ge⸗ genwärtigen Bedürfnissen durch eine entsprechende Entwickelung des Bündniß⸗Statuts vom 26. Mai 1849 genügen. 8 Eine solche würde nach unserer Ansicht zum Gegenstand haben: 1) den Schutz gegen innere und äußere Angriffe jeder Art; 2) die gemeinschaftliche und übereinstimmende Handlung in Be⸗ zug auf die Neugestaltung des weiteren Bundes; 3) die Vereinbarung über die Konstituirung der Union auf Grund der erforderlichen Modificationen der Verfassung vom 28sten Mai 1849. Besonderer Erwägung bleibe dabei vorbehalten, welche weitere Einrichtungen im allseitigen Interesse schon jetzt in Wirksamkeit treten könnten. 8 Als Organe der Union würden unter den im Mai ver⸗ einbarten Maßgaben der Unions Vorstand, das Fürsten⸗Kollegium und das Unionsgericht, die letzteren in ihrer gegenwärtigen Zusam⸗ mensetzung, fortdauern. Die Königliche Regierung sieht in der Annahme dieser ihrer Vorschläge die entsprechendste Lösung der für den 15. Oktober vor⸗

liegenden Aufgabe, und trägt daher darauf an, daß die verbündeten Regierungen denselben ihre Zustimmung baldigst ertheilen mögen. Der Vorsitzende, als Vertreter der Königlich preußischen Regierung, verbindet mit dieser Erklärung der Königlichen Regie⸗ rung schließlich den Antrag: Das Kollegium wolle beschließen, die in der vorstehenden Er⸗ klärung der Königlich preußischen Regierung enthaltenen Vor⸗ schläge dieser Regierung unverzüglich zur Kenntniß der anderen im Kollegium vertretenen Regierungen zu bringen und deren baldigste Erklärungen über diese Vorschläge zu erbitten.

Das provisorische Fürsten⸗Kollegium beschließt mit Einstimmigkeit nach dem gestellten Antrage.

von Sydow. von Porbeck. Seebeck. von Schack. Mosle. Vollpracht. Dr. Liebe. Dr. Elder. Dr. Banks. Bloemer.

Paris, 12. Okt. Der Constitutionne seinem leitenden Artikel die Gerüchte über beabsichtigte Staatsstreiche und wiederholt, daß der Präsident der Revpublik nicht! daran denke. „Seine früheren, so wie seine späteren Handlungen und seine Re⸗ den sind eben so viele Garantieen. Aber wenn wir auch anneh⸗ men, daß alles dies nichts beweise, so giebt es doch wenigstens eine Garantie, die man nicht zurückweisen wird, und das ist sein per⸗ sönliches Interesse.“ Das Blatt geht sodann über zu der Wieder⸗ erwählung des Präsidenten und sucht darzuthun, daß weder die Le⸗ gitimisten, noch die Orleanisten, noch die Republikaner eine Kandi datur für die Präsidentenwahl im Jahre 1852 aufstellen können, und Louis Napoleon daher wiedergewählt werden müsse. Die Ver⸗ fassung sei kein ernstliches Hinderniß für die Wiedererwählung. „Die Verfassung hat den Zweck, die Gewalt und die Rechte der⸗ jenigen, welche das Volk repräsentiren, zu regeln; aber die Rechte des Volkes selbst zu beschränken, ist unmöglich. Ist die Wahl nicht in Uebereinstimmung mit dem Wortlaut der Verfassung, so ist diese Wahl eine Revision der Verfassung auf direktem Wege. Die Nichtwiederwählbarkeit ist daher kein Hinderniß.“

Das Pouvoir bespricht heute die günstigen Aussichten der bonapartistischen s unter Anderem: „Was die

Frankreich. 1 bespricht heute abermas in

Partei und sagt Stärke Louis Napoleon's ausmacht, sind die Fehler und die Ohn⸗ macht der übrigen Parteien.“ Durch dieselben seien diese insge⸗ sammt dem Lande entfremdet, welches sehr gut wisse, wie es durch sie bisher in Gefahr gekommen, und sich daher vollständig Bona⸗ parte anschließe. Achtzehn Monate der Ordnung, des Vertrauens, der gesunden Politik sprächen für ihn.

Das Bulletin de Paris bemerkt, man beschäftige sich all⸗ gemein viel mit der Thatsache, daß bei der letzten Revue weder Truppen noch Volk die Republik haben leben lassen.

Herr von Chateaubriand, französischer Gesandtschafs⸗Attache zu St. Petersburg, ist mit Depeschen des dortigen Gesandten Castel⸗ bajac hier angekommen.

Contre⸗Admiral Montagnies de la Roque ist an Trehouart's Stelle, dessen Dienstzeit abgelaufen, zum Besehlshaber des franzö⸗ sischen Levante⸗Geschwaders ernannt worden.

Die Schwester des verstorbenen Casimir Périer ist im Alter von 79 Jahren zu Grenohble gestorben.

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Großbritanien und Irland. London, 11. Okt. Unter dem Patronate der Lady Magoreß wird von Damen ein Teppich für die Ausstellung gearbeitet. Er wird 150 Qua⸗ drate erhalten, 30 Fuß lang und 20 Fuß breit sein. Die Wolle dazu ist berliner Fabrikat. Ein anderer Teppich von riesigen Di⸗ mensionen wird auf den Vorschlag von Mrs. Purcell von Damen angefertigt.

Der erste Beitrag für die große Ausstellung vom Kontinente ist bereits angekommen. Er besteht in 98 Verpackungen aus St. Petersburg durch das Dampfboot „Neptun“, sie werden bis zur Vollendung des Ausstellungs⸗Gehäudes in den Magazinen der Ka⸗ tharina⸗Docks aufbewahrt. Es ist eine zweite eben so große Sen⸗ dung von St. Petersburg zugleich angemeldet worden.

Am 1. Dezember wird in der Capstadt eine Ausstellung von Kolonial⸗Erzeugnissen veranstaltet. Diejenigen Artikel, welche den Preis erhalten, sollen zur londoner Ausstellung gesandt werden. Das Comité hat eine Liste jener Artikel veröffentlicht, die sich für die londoner Ausstellung am besten eignen würden: Wolle, Weizen Mehl, Baumwolle, Indigo, Oelsamen, getrocknete Früchte, Kolonial⸗ hölzer, präparirte Felle, Mineralien, Straußfedern, Beerenwachs, Aloe, Gummi, Medizinalpflanzen, Modelle von Wagen, Pflügen, Werkzeuge und Kuriositäten der Kaffern u. s. w.

Die Modification des Stempelgesetzes, welches bedeutende Stempelgebühren⸗Reductionen auf Urkunden, Kontrakte und dergl. in sich schließt, ist ins Leben getreten. Viele Dokumente waren, um einen billigeren Stempel zu erzielen, wie leicht erklärlich, in den letzten Wochen zurückgehalten worden, und die Beamten des Stem⸗ pelamts haben jetzt nicht Hände genug, um die Eingaben rasch genug zu stempeln, trotzdem daß neue Büreaus eröffnet wurden, und die Beamten von 9 Uhr Morgens bis 9 Uhr Abends unausgesetzt ar beiteten. Es wurden in der letzten Woche allein 250,000 bis 300,000 Stempel nach der neuen Akte ausgefertigt, und es dürfte noch 4 bis 6 Wochen dauern, bis alle eingereichten Pergamente mit Stempel versehen sind. v“

Gestern Abend hielt die londoner botanische Gesellschaft ihr Vierteljahrs⸗Sitzung. Es wurden Berichte üͤber mehrere Schen⸗ kungen abgestattet, welche der Gesellschaft gemacht worden, und von Herrn Oliver eine in England neuentdeckte Pflanzenspezies, Naias HexiI1s. vorgelegt. Ihr Fundort ist Roundstone, Galway, in Ir land. Ihre Blüthezeit im August.

Dem Globe zufolge wird bei der kommenden Parlamentssitzung eine Bill eingebracht worden, um ein drittes Bisthum in London und zwar in Southwark zu gründen. Zu seiner Diözese soll die ganze Grafschaft Sürrey, so wie derjenige Theil von Middlesex, welcher abwärts von der City liegt und ein Stück der Grafschaf Kent gehören.

Dänemark. Kopenhagen, 12. Okt. (D. R.) Der Ober⸗ general von Krogh hat am 7ten d. M. folgende Proclamation an die Armee erlassen: „Der Feind hat in der verflossenen Woche durch⸗ wiederholte gewaltige Angriffe, vorbereitet und unterstützt durch Anwendung einer Anzahl schwerer Geschütze, versucht, sich unserer Werke bei Friedrichsstadt zu bemächtigen und uns aus dieser Stel⸗ lung zu vertreiben. Auf die heldenmüthigste Weise hat die Be⸗ satzung der Stadt, unter dem tapferen Kommandanten, Oberstlieu⸗ tenant Helgesen, diese Angriffe abgeschlagen. Die Ausdauer, die Todesverachtung und die wahre kriegerische Begeisterung, welche

lin den heftigsten Augenblicken des Kampfes unter den verschiedenen