1855 / 124 p. 3 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

Abgereist: Se. Erlaucht der Graf Heinrich von

Sch önburg⸗Glauchau, nach Gusow.

Berlin, 30. Mai. Se. Majestät der König haben Aller⸗ gnädigst geruht: dem Grafen Friedrich zu Westerholt und Gysenberg zu Schloß Arenfels bei Coblenz die Erlaubniß zur Anlegung des von dem Patriarchen von Jerusalem ihm verliehenen Ordens vom heiligen Grabe zu ertheilen.

85 b . ½ 5.s Nichtamtliches. Preußen. Man schreibt der „Pr. C.“ aus Memel unter dem 27. d. M.: „Heute Vormittags kam der englische Kriegsdampfer „Archer“, Capitain Heathcote, auf unserer Rhede an und salutirte die noch hier liegende britische Kriegskorvette „Basilisk“’ mit 21 Kanonen⸗ schüssen, die indessen von letzterer nicht erwidert wurden. Unser Bugsirboot „Hekla“ hatte einen Kauffahrer aus dem Hafen ge⸗ bracht, und nahm auf seiner Rückfahrt ein Boot vom „Archer“, in welchem sich 2 Offiziere befanden, ins Schlepptau. Der Kriegs⸗ dampfer „Basilisk“ hat gestern auf der Rhede Kohlen eingenom⸗ men; der Tag seines Wegganges ist noch unbekannt.“ Holstein. Kiel, 28. Mai. Seit vorgestern Abend befindet sich das englische Räder⸗Dampfschiff „Volcano“ mit einem Kanonen⸗ boote im hiesigen Hafen. (H. C.) Großbritannien und Irland. London, 26. Mai. Wir theilen in Folgendem nachträglich das Wesentlichste aus der vor⸗ estern im Unterhause gehaltenen Rechtfertigungsrede Lord John Ruffells mit. Er wandte sich zunächst zur Widerlegung der von Herrn Gladstone gegebenen Auseinandersetzung. darauf gelegt, daß die Bedingungen, denen Rußland bereits seine Zu⸗ stimmung gegeben habe, weiter gehen, als die von den Verbündeten ur⸗ sprünglich aufgestellten. Das erkläre sich ganz natürlich. Der Friede sei ein so schaͤtbares Gut, daß man ihn ungern aufgebe, so lange noch ein Mittel vorhanden sei, die Gefahr des Krieges zu umgehen, sei aber einmal der Rubicon überschritten und der Krieg eröffnet, dann handele es sich nicht mehr um das, was vor dem Ausbruche des Krieges genügt haben würde, sondern um einen Frieden, der die Gewähr der Sicherheit und Dauer in sich enthalte. Auf die jetzt von Rußland gemachten Friedens⸗Propositionen lege aber überdies Herr Gladstone ein zu großes Gewicht. Rußland habe andere Saiten aufgezogen, nur weil es den Druck der Verbündeten als kriegführende Parteien empfinde und die dro⸗ hende Feindseligkeit Oesterreichs, so wie auch wegen der Lage der Dinge in der Krim. Frage man nun aber nach der Sicherheit, welche die russischen Vorschläge für die Zukunft gewähren, so könne man mit der Erledigung des 1. und 2. Punktes wohl zufrieden sein, nicht aber mit der auf den 3. Punkt bezüglichen Proposition. Die Gefahr, welche auch schon Mar⸗ schall Marmont als solche anerkannt habe, liege darin, daß Rußland mit freinen in Sebastopol Zeit im Stande sei, sich des Bosporus zu ein Truppen⸗Corps in dessen unmittelbarer Nähe zu landen. Rußland schlage nun vor, daß es den Flotten der andern Mächte zu jeder Zeit gestattet sein solle, ins Schwarze Meer einzu⸗ segeln, vorausgesetzt, daß auch seiner eigenen Flotte jeder Zeit die Durch⸗ fahrt durch den Bosporus und die Dardanellen freistehe. Die Folge da⸗ von würde sein, daß, während die Flotten von England und Frankreich sich nur selten im Schwarzen Meere zeigen würden, die 20 russischen Linienschiffe sich zu jeder Zeit vor den Palast des Sultans legen und ihm jede beliebige Bedingung würden vorschreiben können. Was der Traktat von 1841 untersagt, würde dann für Rußland möglich und leicht durchführbar sein und dennoch haben die russischen Bevollmächtigten darin eine Erfüllung der ihnen gestellten Bedingungen erblicken wollen. Nach seinem (Lord J. R.'s) Abgang von Wien sei dann ein neuer Vorschlag gemacht worden: Der Traktat von 1841 solle bleiben, wie er sei, die Türkei aber ermächtigt werden, die Flotten der Verbündeten zu ihrem Schutze herbeizurufen, wenn sie sich bedroht finde. Der Vorschlag sei vollkommen illusorisch, denn Niemand werde doch be⸗ streiten wollen, daß dem Sultan, auch ohne daß der Vertrag von 1841 revidirt werde, das Recht zustehe, Hülfe herbeizurufen, wenn er der Hülfe bedürfe, und weil dabei Alles auf die Priorität an⸗ komme, so sei es klar, daß die Russen, deren Flotte in der nächsten Nähe liege, aller Wahrscheinlichkeit nach ihre Drohung schon zur Ausführung gebracht haben werden, ehe der Sultan die Flotten der Verbündeten auch nur herbeirufen könne. Hätte man eilter solchen Bedingung zustimmen wollen, so wäre es am besten gewesen, den dritten Punkt ganz aufzu⸗ shen. Die Genehmigung des einen oder des anderen der ruffischen Vor⸗ würde eine Täuschung Europas, und der verbündeten Maͤchte durchaus unwürdig gewesen sein. Hr. Gladstone habe bei der Gelegenheit auf die Gefahr der Doktrin aufmerksam gemacht, daß die verbündeten Mächte, abgesehen von allen festzustellenden Friedensbedingungen, sich erst des militairischen Erfolges ihrer jetzigen Unternehmung versichert haben müssen. In der Sache selbst stimme er dem vollkommen bei, zumal in Betracht der Tapferkeit und Ueber⸗ legenheit, welche die verbündeten Truppen dargethan haben sei es sicherlich nicht noͤthig, den Krieg nur mit Rücksicht auf den -v- ve. Erfolg fortzusetzen; andererseits aber sei zu erwägen, daß, sollir 8 mangelnde Erfolg vor Sebastopol die Veranlassung werden 22 ehe r ehn es für den Frieden nicht zu erlangen „an heiße d ie Türkei sich bedeutend vergrößern würde, denn e e heißen, England und Frankreich haben nicht nur Bedingungen aufgegeben, welche Oesterreich als gerecht und vernünftig anerkannt hat, während es die russischen Vorschläge nicht als genügend anerkennen

bemächtigen oder

Herr Gladstone habe Gewicht

angesammelten 20 Linienschiffen zu jeder.

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wollte, sondern sie haben sich auch genöthigt gesehen, aus der uziehen, obgleich sie ein Heer von 150 200,000 Mann zu . ügung hatten. Darin wuͤrde ein großer Zuwachs des Uebergewichte von Rußland nicht nur im Schwarzen⸗ Meere, sondern in der gan Welt enthalten sein. zen Lord John Russell wandte sich dann zu den Verhandlungen auf d Wiener Konferenzen. Er bevorwortete, daß, wenn er auch den Erfafg dieser Verhandlungen im Bereich der Möglichkeit geglaubt, er doch 9 keiner Zeit denselben als sehr wahrscheinlich angesehen habe. Was sei Person betreffe, so sei er, als an den diplomatischen Verkehr sein Lebe⸗ lang nicht gewöhnt, keineswegs geneigt gewesen, sich dem Auftrage 8 diesen Unterhandlungen Theil zu nehmen, zu unterziehen. Nur⸗ die dringende Aufforderung Lord Clarendons, welcher Lord Palmerston bei⸗ trat, und der Wunsch der Königin habe ihn vermocht, nach Wien 8 gehen. Herr Disraeli habe es ihm zum Vorwurf gemacht, daß er 9- Feehhibkunsen nicht gleich mit dem dritten Punkte begonnen habe Darüber habe aber die Entscheidung nicht ihm zugestanden, vielmehr se ibm während seiner Anwesenheit in Paris die Weisung zugegangen, da die Artikel in der Reihenfolge, in welcher sie von England und Frna⸗ reich aufgestellt worden, auch diskutirt werden sollen. So sei denn zuerst der auf die Donaufürstenthümer bezügliche Artikel zur Erwägung gekom⸗ men, und er glaube, daß die in diesem Punkte gemachten Concessionen Rußlands von Wichtigkeit seien. Herr Disraeli habe ihm einen Vorwurf daraus machen wollen, daß er das von den Russen in Anspruch genommene Schutzrecht der Christen als ein traktatenmäßiges anerkannt habe. Es beruhe dieser unbegründete Vorwurf auf einer Verwechselung zweier Thatsachen In Betreff der Moldau und Wallachei bestehe allerdings für den Kaiser von Rußland nicht nur nach Maßgabe des Vertrages von Kutschuk Kainardschie, sondern auf die Verträge von Bukarest und Adrianopel das Recht, die christlichen Kirchen zu schützen. Was aber seiner Zeit Fürst Mentschikoff verlangt habe, ein Schutzrecht über alle griechischen hristen im türkischen Reiche, gehe weit über diese Verträge hinaus und beruhe auf einer irrigen Interpretation des Vertrages von Kutschuk Kainardschie, wie das auch bereits von Lord Clarendon in seinen De⸗ peschen nachgewiesen sei. Im Verlaufe der früheren Verhandlungen in St. Petersburg habe Sir Hamilton Seymour den verstorbenen Kaiser ge⸗ beten, ihm die Stipulationen des Traktates von Lainardschie anzugeben auf welchem jene Farderung bafirt werde. Der Kaiser habe darauf er⸗ widert: „Ich beziehe mich Ihnen gegenüber nicht auf besondere Vertrags⸗ Stipulationen; gehen Sie zum Grasen Nesselrode, er wird Ihnen den Artikel zeigen.“ Von dem Grafen Nesselrode habe darauf Sir Hamilton Seymour die Antwort erhalten: „Ich bin mit den Vertrags⸗Artikeln nicht besonders bekannt; Baron Brunnow kennt sie aber genau, und es scheint mir am besten, Sie verweisen Ihre Regierung an diesen, er wird Ihnen vielleicht sagen, welcher Theil des Vertrages dem Kaiser das beanspruchte Recht verleiht.“ Baron Brunnow aber habe niemals versucht, das zu thun,

und sei dann er (Lord J. R.) zu der Schlußfolgerung gekommen, daß

kein Theil des Vertrages von Kainardschie dem Kaiser das Recht gebe. Hr. Disraeli nun verwechsele dieses unbegründete Recht mit dem unbe⸗ zweifelten Rechte des Kaisers von Rußland in den Donaufürstenthümern. Was die freie Donauschifffahrt, den zweiten Punkt, anbelange, so sei die⸗ selbe durch die Stipulation der wiener Konferenz wenigstens so ziemlich sicher gestellt, aber der dritte Punkt involvire die Bedeutsamkeit der gan⸗ zen Frage, der Frage, welche auch noch künftige Generationen möglicherweise beschäftigen werde, nämlich, ob es nicht nöthig sei, den Ausschreitungen Ruß⸗ lands gewisse Gränzen zu stecken, und in welcher Weise dieser Zweck zu erreichen sei? Die Lage Rußlands sei der Art, daß fie allerdings nicht den Antrieb gegeben haben würde, dasselbe mit Krieg zu überziehen, 88 sie aber jetzt, wo es einmal zum Kriege gekommen ist, die ernsteste Auf⸗ merksamkeit Aller unbedingt in Anspruch nehme. Seit dem Beginne des Jahrhunderts habe sich Rußland mehr als alle anderen europäischen Nationen erweitert; es habe über 60 Millionen Einwohner und ein Heer von 800,000 Mann in Friedenszeiten. Man habe Rußland, nach beträchtlichem Widerstande von Seiten Lord Castlereagh's und des Sehe Talleyrand auf dem wiener Kongreß gestattet, Polen zu erwer⸗ en, unter der einzigen Bedingung, daß Polen eine abgesonderte Ver⸗ fassung, ein abgesondertes Heer und eine abgesonderte nationale Stellung haben solle, eine Bedingung, die aber nach dem Aufstande von 1831 auch weggefallen sei. Rußland habe in Polen sechs oder sieben Festungen von der Stärke Sebastopols erbaut, durch eine dem Zwecke schlau angepaßte Politik die Bauern zum großen Theil für sich gewonnen und die jungen Männer von Ansehen und Einfluß, welche, von patriotischem Eifer und historischen Erinnerungen erfüllt, eine Nei⸗ gung zum Aufstande gegen die russische Macht verrathen möchten, in entfernte russische Provinzen versetzt, wo sie unbekannt und vergessen verkommen. In der Ostsee habe man im vorigen Jahre die Entwürfe von theilweise schon ausgeführten Festungswerken gefunden, welche na der Ansicht des Sir Charles Napier, der sie nach England schickte, wenn ausgeführt, Rußland das vollständigste Uebergewicht in der Ostsee gegeben haben würden, so daß weder Dänemark, noch Schweden, noch irgend eine andere Macht in der Ostsee auch nur einen Finger gegen Rußland würde haben aufheben koͤnnen. Was Deutschland betreffe, so sei es durch seine fürstlichen Familien in vielfachen Verbindungen mit Rußland. Leider herrsche in vielen deutschen Staaten noch Besorgniß vor revolutionairen

9 der Unterthanen, gegen welche man eine Stütze in der be⸗

waffneten Macht suche, die in mannigfachen Beziehungen zum russischen Hofe stehe. Deutschland aber sollte, seiner Meinung nach, in völlig un⸗ abhängiger Stellung und eine Schutzwehr Europa's sein. Die von Ruß⸗ land her drohende Gefahr, welche den Anlaß zu dem gegenwärtigen Kriege gegeben habe, beruhe indeß in dem Vertrage von Adrianopel, welcher Rußland neue ewährte und viele früheren Machtbefugnisse vv Die Gefahren ieses Vertrages seien in der im vorigen Jahre bekannt gewordenen Depesche Lord Aberdeen's trefflich dargelegt, aber der Herzog von Wellington, der damals an

weder Lord Aberdeen, noch Regierung stand, haben dieser Gefahren wegen

der Spitze der

8

Aufmerksamkeit, welche der verstorbene Kaiser

IG sie sich beim

mußten.

. seinen Interessen und seiner Würde mehr entsprochen haben, wenn

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seiner Ansicht nach,

Krieg beginnen wollen, und sie haben, einen g värfe

weise ehandelt. Jetzt aber, wo England im Kriege sei, r bie zebren Lord Aberdeen’s nicht vergessen. G 3 Was nun die Verhandlungen über diesen dritten Punkt betrifft, so er⸗ llarte Lord John Russell, daß der Antrag, den russischen Bevollmächtig⸗ ten die Initiative in Betreff der Vorschläge zur Ausführung dieses Punk⸗ tes zu überlassen, von dem Grafen Buol ausgegangen sei, der den Be⸗ vollmächtigten der Westmächte vorgestellt habe, Rußland könune seine Würde dadurch verletzt finden, wenn man ihm Vorschläge wegen Be⸗ schränkung seiner Streitkraͤfte mache, werde aber vielleicht im Interesse des europäischen Friedens einen derartigen Vorschlag direkt an die Tür⸗ kei richten. Diesen Vorstellungen habe er (Lord J. Russell) gern Gehör egeben und bei Mittheilung der Sache an die russischen Bevoll⸗ mäͤchtigten hinzugefügt, daß seiner Ansicht nach die besten Frie⸗ densbedingungen diejenigen sein würden, welche die Ehre Ruß⸗ lands wahren und zugleich Europa die genügende Sicherheit geben. Man habe darauf vergebens 18 Tage lang auf die russische Rückantwort gewartet, welche, als sie endlich eintraf, die Initia⸗ tibe ablehnte. Aus dem Nesselrode’schen Cirkulair ersehe man, daß dies in Folge von Instructionen des Kaisers Nicolaus geschehen sei. Seiner Ansicht nach seien diese Instructionen sehr unweise gewesen. Russen von Einsicht und Erfahrung haben stets die Ansicht gebegt, daß die große

seiner Marine in Kron⸗ stadt und Sebastopol zuwendete, seine Macht nicht wesentlich stärken werde, und daß seine Flotten wohl in Friedenszeiten Parade zu machen, im Kriege aber mit den Flotten der anderen Seemächte es aufzunehmen nicht im Stande seien. Er halte das für eine weise Ansicht und glaube daher, daß es möglich gewesen wäre, ohne irgend etwas, was wirklich zur Macht und Würde Rußlands beiträgt, aufzugeben, den russischen Bevollmächtigten die Instructionen zu ertheilen, daß sie den Vorschlag machen sollten, sowohl die russische als die türkische Seemacht im Schwarzen Meere auf eine gewisse Schiffs⸗ zahl zu beschränken und unter Beibehaltung der Schließung des Bospo⸗ rus als Regel würde dann für Nußland selbst dort keine Gefahr zu be⸗ fürchten gewesen sein. Man wendet ein, daß dann England und Frank⸗ reich die Durchfahrt erzwingen und Rußland im Schwarzen Meere in⸗ sultiren könnten. Aber selbst dann würde Rußland nicht schlimmer daran sein als jetzt. Seine 18 oder 19 Linienschiffe in Sebastopol haben ihm

har nichts genützt; sie konnen erst nach Verlauf von Jahren wieder in

würden ihm dann

Stand gebracht werden und haben, wo

nützen, als sie ihm jetzt Erscheinen der westmächtlichen Flotte hinter die Wälle von Sebastopol zurückziehen und zum groͤßten Theil versenkt werden mußten. Eine Person von großem An ehen habe

en früheren

wenig genützt

ihm gesagt, daß man in der Weigerung Rußlands, die Zaßl seiner Schiffe

zu beschränken, nur den sicheren Beweis für seine Aggressiv⸗Politik er⸗ bliceen könne, und das scheine unleugbar, denn, wenn es sich nicht um einen künftigen Angriff auf die Türkei handle, so sei nicht einzusehen,

warum Rußland sich weigern sollte, Frieden zu schließen, nur um 18

oder 19 Linienschiffe in Sebastopol zu haben. Unsererseits wird be⸗

hauptet, Rußland beabsichtige, sich Konstantinopels zu bemächtigen und dort die Herrschaft zu führen.

Der Gesichtspunkt der Russen ist, daß die Türkei nicht länger bestehen kann, daß sie binnen Kurzem zusammenbrechen

muß. Dieser Gesichtspunkt sei der Ansicht des verstorbenen Kaisers ent⸗

nommen, dessen Meinungen natürlich in Rußland großes Ansehen haben Die Russen glauben nun, unter diesen Umständen zur Hand sein zu müssen, und zu verhindern, daß ihnen nicht England oder Frankreich zuvorkomme, um sich Konstantinopels zu bemächtigen. Aus

welchem Gesichtspunkte also man die Sache auffasse, so sei es klar, daß es das Interesse und der Zweck Rußlands ist, über kurz oder lang Kon⸗

stantinopel in Besitz zu nehmen. Unter solchen Umständen können sich die Westmächte aber unmöglich mit dem Vorschlage Rußlands begnügen, welcher keine andere bewahr darbietet, als daß es dem Sultan, wenn

er sich bedroht glaubt, gestattet sein soll, die Flotten der Westmaͤchte

zur Hülfe zu rufen. Man wolle sich erinnern, daß die Westmächte kraft der Vereinbarung mit Oesterreich, durch Protokoll und gemäß ihrer dermaligen militairischen Stellung, daran verhindert sind, eine Gebiets⸗Abtretung von Nußland zu verlangen. Ganz unzwei⸗ elhaft würde die Abtretung eines Theiles der Provinzen, welche Rußland seinem Nachbar weggenommen hat, eine viel bessere Gewähr darbieten, als die Beschränkung der Schiffszahl. Aber es sei gewiß, daß die russischen Bevollmächtigten die Konferenz verlassen haben würden, wenn man eine solche Bedingung gestellt hätte. Man habe daher andere Vorschläge machen müssen, und er wenigstens köͤnne keinen besseren finden, ausgenommen den von Rußland noch ent⸗ schiedener verworfenen Vorschlag, das Schwarze Meer ausschließlich der Kauffahrteifahrt vorzubehalten. Wollte man aber auch auf die Be⸗ chränkung der Schiffzahl verzichten, so würde den Westmäͤchten nichts Anderes übrig bleiben, als sich in unaufhörlichem Kriegszustande zum Schutze der Türkei zu halten oder die Sachlage ganz unverändert zu lassen

und sich mit der bloßen Versicherung Rußlands, daß es die Integrität der

Türkei achten wolle, zu begnügen. Was Oesterreich betreffe, so müsse er allerdings sagen, daß es den Westmächten nicht alle die Unterstüßzung gegeben habe, die es ihnen häͤtte geben koͤnnen. In den Konferenzen habe es freilich die Westmächte unterstützt und u. A. auch den russischen Vorschlag, welcher die Gewähr das Recht der Herbeirufung der westmäͤchtlichen Flotten beschränkt vissen will, für unzureichend erklärt. Daß Oesterreich aber in der gegen⸗

ärtigen Lage der Dinge zur unverweilten Betheiligung am Kriege gegen Seiner Meinung nach würde Oester⸗

schon vor einiger Zeit den Krieg begonnen haͤtte; indeß dürfe man daß es auch mächtige Beweggrüͤnde habe, den Frieden ten. Es besitze nicht eine genügende Zahl von Fortifi⸗ „um Rußland zu verhindern, gleich nach einem etwa EPöP1

schiffe als bei Korpo in Sicht telegraphirt.

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errungenen ersten Siege direkt auf Wien vorzurücken; es fehle ihm die sichere Allianz mit Preußen, und dieser Umstand sei so ent⸗ scheidend, daß Oesterreich in der gegenwärtigen Lage der Dinge kaum gerechtfertigt sein würde, 1. den Krieg einzugehen. Er sage das sowohl, um Oesterreich gerecht zu werden, als auch um zu ver⸗ bindern, daß man sich Hoffnungen hingebe, welche nicht erfüllt werden dürften. Andererseits aber glaube er, daß, wenn der Krieg sich noch längere Zeit fortspinne, Oesterreich sowohl durch die Verträge mit den Westmächten, als um dem Uebergewichte Rußlands nicht zu erliegen, sich nereehge sehen werde, am Kriege Theil zu nehmen; denn Rußland werde Oesterreich die Rolle, die es gespielt habe, niemals verzeihen und Oesterreich werde seine Sicherheit nur in solchen Allianzen finden, welche geeignet find, Shohe die Türkeit, als ganz Europa gegen die ruffischen Uebergriffe kräftig zu schützen.“

Frankreich. Paris, 28. Mai. Der Marschall Graf Harispe ist am 26. Mai zu Lacarre, bei Bayonne, nach einer Krankheit von drei Wochen gestorben. Der heutige „Moniteur“ veröffentlicht, wie er es versprochen hatte, das Cirkularschreiben des Grafen Nesselrode seinem ganzen Umfange nach. Die Bischöfe von Evreux, Carcassonne und Quimper haben gestern dem Kaiser den Eid der Treue geleistet.

Türkei. In der Depesche des Generals Pelissier, Krim, 25. (27.) Mai 10 Uhr Abends, welche der „Moniteur“ vom 28. Mai veröffentlicht (S. Nr. 123 d. Bl.) wird am Schlusse noch bemerkt: „Ein Waffenstillstand ist abgeschlossen, um die Todten zu beerdigen, und wir haben den Verlust des Feindes berechnen können; er muß 5 6000 Todte und Verwundete betragen.“

RNRußland und Polen. Helsingfors, 15. Mai. Am 12ten d. M. erschienen englische Kriegsschiffe bei der Grahara⸗ Bake, unmittelbar vor Sweaborg.

Abo, 18. Mai. Vorgestern wurden drei feindliche Kriegs⸗ Die hiesigen Truppen wurden allarmirt, kehrten indeß, da man nichts weiter von Kreu⸗ zern bemerkte, am Abend wieder in ihre Quartiere zurück. (H. B. H.)

Leipzig, 29. Mai. Leipzig-Dresdener 203 Br. Söchsisch- Baiersche 78 ½ Br. Sichsisch-Schlesische 100 ½ Br., 100 ¾¼ G. öͤbau- Zittauer 40 ½ Br., 40 G. Magdeburg-Leipziger 312 Br. Berlin- „alti- sche 142 ¾ G. Köln-Mindener 143 ½ G. Thüringer 106 ½ Br., 105 ¾ G. Altona-Kieler 124 G. Anhalt-Dessauer Landesbank-Actien 135 ¼ Br. Braunschweiger Bank-Actien Lit. A. 115 ¾ G.; B. 114 ¾½ G. Wei- marsche Bank-Actien Lit. A. 104 Br.; B. 102 Br. Wiener Bank- noten 80 ½⅛ Br., 79 ½ G. Oesterreichische 5 proz. Metalliques 64 ¾ Br., 63 ¾ G. 1854er Loose 81 ½ G. 1854er rgee. 68 ¼ Br., 67 ¾ G. Preussische Prämien-Anleihe 109 ¼ G.

Wien, Mittwoch, 30. Mai, Nachmittags 1 Uhr. (Tel. Dep. d. C. B.) Stimmung sehr beliebt, nur durch Geldmangel zurückgehalten. Schluss-Course: Silberanleihe 96 ½. 5proz. Metalliq. 79 ¾. 4 ½proz. Me- talliques 69 ½. Bank-Actien 988. Nordbahn 190 ½¼. 839er Loose 117. 1854er Loose 101 ½. National-Anlehen 84 ½. Oestreichische Staats- Eisenbahn-Actien 314. London 12, 16. Augsburg 126 8. Hamb. 92. Paris 146 ½. Gold 32. Silber 29.

Anassterdamnn, Dienstag, 29. Mai, Nachmittags 4 Uhr. (Tel. Dep. d. C. B.) Etwas niedriger bei ziemlich lebhaftem Umsatze. Schluss - Course: 5 proz. österreich. National-Anlehen 64 26. 5proz. Metalliques Litt. B. 73 1%2. 5proz. Metalliques 61 %. 2 ⁄proz. Metal- liques 31 %2. 1proz Spanier 18 ½. 3 proz. Spanier 30 ⁄. Londoner Wechsel, kurz 11, 87 ½. Hamb. Wechsel, kurz 35 ¾. Holländische In- tegrale 62 ⁄. Holländische Eisenbahn-Actien 90.

Getreidemarkt. Getreide lebhaft, unverändert. Herbst 84 ½. Rüböl, pro Herbst 49 ½.

Paris, Dienstag, 29. Mai, Nachmittags 3 Uhr. (Tel. Dep. d C. B.) Die 3proz. cröfflnete zu 69, 60. Nachdem aber Eisenbahn- Actien be- deutend höbher gegangen waren und auch in Renten starke Käufe effek- iuirt wurden, hob sich die 3proz. auf 70, 10 und schloss bei sehr leb- haftem Um'atze und sehr fest zur Dotiz. Consols von Mittags 12 und 1 Uhr waren 92 ¼½ gemeldet. Schluss-Course: 3proz. Rente 70. 4 ½proz. Rente 93, 75. 3proz. Spanier 32. Silberanleihe 83. Oesterreichische Staats-Eisenbahn-Actien 638, 75.

Londomn, Dienstag, 29. Mai, Mittags 1 Uhr. C. B.) Consols 92 ½¼.

Nachmittags 5 Uhr 30 Min. (Tel. Dep. d. C. B.) Consols eröffneten 91 ¼ und schlossen fet zur Notiz. Schluss-Course: Consols 92 ½¼. 1proz. Spanier 18 ½. Mexikaner 22. Sardinier 88. 5proz. Russen 99. 4 ½ proz. Russen 89.

Hamburg 3 Monat 13 Mh. 7 ¼ Ssbh Wien 12 Fl. 35 Kr.

Liverpool, Dienstag, 29. Mai. (Tel. Dep. d. C. B.) Baum- 35,000 Ballen Umsatz. 4

Raps, pro

(Tel. Dep. d.

wolle: Preise ¼ höher als am vergangenen

Freitage.

I Königliche Schauspiele. Donnerstag, 31. Mai. Im Opernhause. (95ste Vorstellung.) Die Hugenotten. (Letztes Auftreten der Frau Koͤster vor ihrem Urlaube.) Anfang 6 Uhr. Mittel⸗Preise.

Freitag, 1. Juni. Im Opernhause. (96ste Vorstellung): Ballanda, oder: Der Raub der Proserpina. (Letzte Vorstellung dieses Ballets vor dem Urlaube der Frls. M. Taglioni und Forti, so wie des Hrn. C. Müller, und letztes Auftreten de hitte⸗Pfeise. 16“

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