1855 / 289 p. 2 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

q“ 8 G 1e6“ ½ 81 133—E64 3 8 Uebrigens verbleibt es in Ansehung der Theilnahme der einzelnen Gemeinde⸗Mitglieder oder gewisser Klassen derselben an den Nutzungen des Gemeinde⸗Vermögens bei den bestehenden Rechtsverhältnissen. Neue Anbauer in einer Dorfgemeinde baben auf die Mitbenutzung er Gemeingründe in allen Fällen ein Recht, in denen die der Errich⸗ tung ihrer Stellen vorhergehenden Verträge keine ausdrücklich entgegen⸗ gesetzte Bestimmung enthalten. Aus der bloßen Nichterwähnung dieses Rechts in den Verträgen kann dessen Entziehung nicht gefolgert werden. Deshalb ist die Frage über die den Neuanbauern etwa zuzugestehenden zütungs⸗ oder sonstigen Nutzungsrechte an dem Gemeinde⸗Vermögen gleich bei den Verhandlungen über deren Ansiedlung und deren Auf⸗ nahme in die Gemeinde zu ordnen und in solcher Weise künftigen Strei⸗ igkeiten vorzubeugen. 1““ (§. 28 Tit. 7 Th. II. des Allg. Landr.; Plenar⸗Beschluß des Ge⸗

4 Ober⸗Tribunals vom 22. Mäͤrz 1841, Entscheidungen dieses Gerichtshofes Bd. 7 S. 24; Cirkular⸗RNeskript vom 12. August 1841, Ministerialblatt für die innere Verwaltung S. 167 und 244). . In Ansehung der Verwaltung und Verwendung des Vermögens der Stifkungen bewendet es bei den stiftungsmäßigen Bestimmungen. 8 8 Ueber Gegenstände, welche ein von dem Interesse der Gemeinde als Korporation verschiedenes gemeinsames (Societäts⸗) Interesse betreffen, gebührt die Beschlußnahme nicht der Gemeinde sondern den Interessenten (Societaͤts⸗Genossen).

Dem Schulzen gebührt, mit Zuziehung der Schöppen oder Dorf⸗ gerichte, die Verwaltung des Vermögens der Gemeinde, und er ist schuldig, Rechnung darüber abzulegen. (§. 56. Tit. 7. Th. II. des Allg. Landrechts.)

Wo besondere Verwalter der Gemeindegüter bestellt sind, hat der Schulze die Aufsicht über dieselben, und muß sie zur Rechnungslegung anhalten (§. 57. ebendaselbst.) 5.

Gemeinde⸗Abgaben und Dienste.

Wenn in Ansehung des Maaßstabes der Vertheilung der Gemeinde⸗ Abgaben und Dienste, zu welchen kunst⸗ und handwerksmäßige Arbeiten nicht gehören, die bestehende Orts⸗Verfassung dunkel, zweifelhaft oder sonst mangelhaft ist, namentlich hergebrachte Gewohnheit (vergl. §. 31. und 39. Tit. 7. Th. II. des Allg. Landr.), keinen sicheren Anhalt gewährt, oder solcher zu erheblichen Mißverhältnissen fuüͤhrt, so kann zur Ergänzung der Orts⸗Verfassung ein verbesserter Maaßstab im Wege stakutarischer Festsetzung (§. 8) eingeführt werden. Hierbei dienen insbesondere fol⸗

gende Grundsäͤtze zur Anleitung: 1) Die Vertheilung der Gemeindelasten ist, bei Sicherung der nach⸗ lhaltigen Entrichtung, möglichst im Anschluß an die bestehenden örtlichen Verfassungen, mit Berücksichtigung der vorhandenen Ab⸗ stufungen des Grundbesitzes und der Klassenverhältnisse, so wie unter Fortbildung derselben in angemessenen Beziehungen zur Theil⸗ nahme an den Vortheilen des Gemeinde⸗Verbandes und an dem timmrecht zu bewirken. Es kann sich hierbei nach Umständen beispielsweise empfehlen, Grundbesitzer einer Klasse einzureihen, der sie hinsichtlich der Besitzberhältnisse am nächsten stehen, oder die

Zahl der vorhandenen Klassen durch die Bildung einer neuen Klasse resp. Einfügung einer Zwischen⸗Klasse angemessen zu ver⸗

mehren. Unangesessene Dorfeinwohner sind zu solchen Gemeindelasten, wo⸗ von blos die angesessenen Wirthe den Vortheil ziehen, beizutragen nicht schuldig (§. 44 Tit. 7 Th. II. des Allg. Landr.). Wer in einer Gemeinde Grundbesitz hat, oder ein stehendes Ge⸗ werbe betreibt, aber nicht in der Gemeinde wohnt, ist nur ver⸗ pflichtet, an denjenigen Lasten Theil zu nehmen, welehe auf den Grundbesitz oder auf jenes Gewerbe, oder auf das aus diesen Quellen fließende Einkommen gelegt sind. Bei Zuschlägen zur klassifizirten Einkommensteuer muß jedenfalls das Einkommen aus dem außerhalb des Gemeindebezirks belegenen Grundbesitz außer Berechnung bleiben. Die Verpflichtung zur Theilnahme an den Gemeindelasten erstreckt sich auch auf die Verzinsung und Abtragung vorhandener Ge⸗ meindeschulden und beginnt mit dem ersten seit Erwerbung des Wohnsitzes in der Gemeinde eingetretenen Verfalltage und dauert beim Aufgeben dieses Wohnsitzes auch für den letzten vorher einge⸗ tretenen Verfalltag fort. Wo bisher Hand⸗ und Spanndienste üblich waren, müssen sie in der Regel ferner unentgeltlich geleistet werden, auch wenn der Fall der Unzulänglichkeit des Gemeinde⸗Vermögens nicht vorliegt. 1616172* IuIuI

Gelingt es nicht, durch statutarische Festsetzung vorhandene Dunkel⸗ heiten, Zweifel oder andere wesentliche Mängel in der Ortsverfassung hiinnsichtlich des Maßstabes zur Vertheilung der Gemeinde⸗Abgaben und

Dienste zu beseitigen (§. 42), so kann die Regierung auf Anlaß von Streitigkeiten oder Beschwerden zur Abhülfe der Dunkelheiten und Zweifel nach Vernehmung der Betheiligten und der gutsherrlichen Orts⸗

Bbrigkeit auf das Gutachten des Landraths deklaratorische Entscheidung treffen, oder bei anderen wesentlichen Mängeln in der Ortsverfassung

interimistisch die zur gehörigen Erreichung der Zwecke des Kommu⸗

nalverbandes oder Abwendung von Nachtheilen für das gemeine Wohl⸗

erforderlichen Anordnungen nach Anhörung der Betheiligten, der guts⸗ herrlichen Orts⸗Obrigkeit, des Landraths und des Kreistags bis dahin erlassen, daß eine zweckdienliche statutarische Festsetzung zu Stande kommt. Bei diesen Entscheidungen, beziehungsweise interimistischen Anordnungen, sind die in §. 42 gegebenen Anleitungen bei Nr. 5 jedoch unbeschadet der Vorschriften in b 94 bis 104, 184 und 185 Tit. 6 Th. II. des Allg. Landr. ebenfalls zu benutzen. (Vergl. §§. 35 und 191 Tit. 6 Th. II. des Allg. Landr.; Nr. 6 des Ministerial⸗Reskripts vom 20. Juli 1839, von Kamptz Annalen 1839 S. 1385‚..

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Auch in Fällen der Zertheilung von Grundstücken und Gründung

neuer Ansiedelungen, beziehungsweise Bildung neuer Kolonieen und Ge⸗ meinden, sind die im §. 42. gegebenen Anleitungen in Ansehung der Vertheilung der Gemeindelasten bei Errichtung der Regulirungspläne durch die Behörden zu befolgen.

(Vergl. §. 6. Nr. 4. des Gesetzes vom 31. Dezember 1842, Gesetz⸗ samml. Nr. 2318; §. 7. Nr. 1., §§. 12. 18. 25. 26. 31. und 32. des Gesetzes vom 3. Januar 1845, Gesetzsamml. S. 25; auch §§. 6. und 12 des Gesetzes vom 24. Mai 1853, Gesetzsamml. S. 241.) ö §. 42 8 38 Diejenigen persönlichen und dinglichen Befreiungen, welche zur Zeit der Verkündigung der Gemeinde⸗Ordnung vom 11. März 1850 rechts⸗ gültig bestanden, dauern in ihrem damaligen Umfange fort.

Wegen der Besteuerung der Beamten sind die Vorschriften des Ge⸗ setzes vom 11. Juli 1822 (Gesetzsamml. S. 184), der Allerhöchsten De⸗ claration vom 21. Januar 1829 (Gesetz⸗Samml. S. 9) und der Aller⸗ höchsten Kabinets-Ordre vom 14. Mai 1832 (Gesetz⸗Samml. S. 145) anzuwenden, insofern nicht die Beamten sich nach der bestehenden Ver⸗ fassung im Besitze einer weiter gehenden Begünstigung befinden, wobei es alsdann sein Bewenden behält. (Vergl. Ministerial⸗Erklärung vom 10. Oktober 1835, von Kamptz Annalen Bd. 19 S. 1034.)

Hinsichtlich der Heranziehung derjenigen Grundstücke zu Kommunal⸗ steuern, welchen wegen ihrer Bestimmung zu öffentlichen oder gemein⸗ nützigen Zwecken die Befreiung von Staatssteuern zusteht, kommen die Vorschriften der Allerhöchsten Kabinets⸗Ordre vom 8. Juni 1834 (Gesetz⸗Samml. S. 87) zur Anwendung.

§. 46. Die Theilnahme an den Gemeinde-Nutzungen kann durch Gemeinde⸗

.

beschluß mit Genehmigung der Regierung von der Entrichtung einer

jährlichen Abgabe und anstatt oder neben derselben von Entrichtung eines Einkaufsgeldes abhängig gemacht werden, durch deren Entrichtung. aber die Ausübung des Stimmrechts niemals bedingt wird.

Durch solche Gemeindebeschlüsse werden die mit dem Besitze einzelner

Hrundstücke verbundenen oder auf sonstigen besonderen, Rechtstiteln be ruhenden Nutzungsrechte niemals berührt. (Vergl. §. 12 des Gese vom 31. Dezember 1842, Gesetz⸗Samml. Nr. 2317). Die Steuern und andern öffentlichen Abgaben müssen nach Maßgabe des §. 54 Tit. 7 Th. II. des Allg. Landr., wenn es die Gemeinde ver⸗ langt, von dem Schulzen eingesammelt und gehörigen Orts abgeliefert werden. (Vergl. auch §. 3 des Gesetzes über die Entrichtung des Ab⸗ gabenwesens vom 30. Mai 1820, Gesetz⸗Samml. S. 134).

Es kann jedoch auch von der Gemeinde ein besonderer Orts⸗Erheber gewählt werden. Derselbe bedarf der Bestätigung durch die gutsherrliche Orts⸗Obrigkeit, insofern die Verfassung des Orts dieserhalb nichts be⸗ sonderes bestimmt. (Vergl. §§. 160. und 166. Tit. 6. Th. II. des Allg. Landr. und Cirkular⸗Reskript der Ministerien des Innern und der Finan⸗ zen vom 3. Oktober 1842.)

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Wer die ihm obliegenden 1. nicht rechtzeitig entweder selbst, oder durch einen tauglichen Stellvertreter leistet, kann zur Zahlung des Werths der Dienste, nach anderweitiger Bestreitung derselben für Rech⸗ nung des Verpflichteten, durch den Schulzen angehalten werden, borbe⸗ haltlich der etwa in Gemäßheit des §. 32. Alinea 1. der gegenwärtigen Zusammenstellung verwirkten Strafe.

Ob der Stellvertreter als tauglich anzusehen ist, hat der Schulze zu entscheiden. 18

Die Allerhöchste Verordnung vom 30. Juli 1853 (Gesetzsammlung S. 909) wegen exekutivischer Beitreibung der direkten und indirekten Steuern und anderer öffentlicher Abgaben und Gefälle, Kosten u. s. w. findet auch Anwendung auf die zwangsweise Einziehung der Gemeinde— Abgaben, so wie der Geldbeträge für Leistungen oder Lieferungen, welche nach fruchtlos gebliebener Aufforderung des Verpflichteten für dessen Rechnung durch Dritte im Auftrage der Behörden ausgeführt worden sind. (Vergl. §. 1 Nr. 1, 6 und 14 der Allerhöchsten Verordnung vom 30. Juli 1853, und die dazu ergangene Ministerial⸗Instruction vom

15. November 1853, Ministerial⸗Blatt für die innere Verwaltung Seite

293; ferner §. 20 des Gesetzes über die Polizei⸗Verwaltung vom 11ten⸗

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März 1850, Gesetz⸗Samml. S. 265.)

Das Gesetz vom 18. Juni 1840 über die Verjährungs öffentlichen Abgaben (Gesetz⸗-ESamml. S. 140) findet ebenfalls auf die Gemeinde-Abgaben Anwendung. (Vergl. §. 14 des ebengedachten Ge⸗

Die Gemeindelasten, Gemeinde⸗Abgaben und Gemeindedienste bleiben von der Ablösung ausgeschlossen, wie überhaupt in Beziehung auf die Kommunal⸗Verhältnisse durch die Ausführung des Gesetzes vom 2. März 1850, betreffend die Ablösung der Reallasten und die Negulirung der gutsherrlich⸗bäuerlichen Verhältnisse, keine Veränderungen eintreten. (§§. 6 und 96 des Gesetzes vom 2. Mr. 1850, Gesetz⸗Samml. S. 77.)

Aufsicht über die Gemeinden und die öffentlichen Angelegenheiten der selbstständigen Gutsbezirke.

Dorfgemeinden können ohne Vorwissen und Erlaubniß ihrer guts⸗

herrlichen Orts-Obrigkeit keine unbewegliche Güter durch einen lästigen

Vertrag an sich bringen. (§. 33 Tit. 7 Thl. II. des Allg. Landr.)

Ein Geschäft aber, wodurch EE“ als moralische Person, oder einzelne Klassen, oder mehrere Mitglieder derselben, ein Rittergut ganz oder theilweise erwerben, ohne Unterschied, ob sie es in Gemeinschaft behalten, oder unter sich vertheilen wollen, ist nur dann erst rechtsgültig und begründet einen gerichtlichen Anspruch wider die Erwerber, wenn solches von der Provinzial⸗Regierung zuvor geprüft und genehmigt wor⸗

den. (Allerhöchste Kabinets⸗Ordre vom 25. Januar 1831, Gesetzsamml. S. 5 und die darin angeordnete Instruction vom 18. Dezember 1832, von Kamptz Annalen Band 16. Seite 914.)

88.

Auch wenn eine Gemeinde eine Pachtung außerhalb der Feldflur eingehen will, wird dazu die Genehmigung der gutsherrlichen Orts⸗ Obrigkeit erfordert. (§. 34 Tit. 7. Th. II. des Allg. Landr.)

Zu Veräaͤäußerungen von EE““ und Gerechtigkeiten, so wie zu Schulden, welche die Gemeinde verpflichten sollen, ist ebenfalls die Einwilligung der gutsherrlichen Orts⸗Obrigkeit nothwendig. (§. 35

Versagt die gutsherrliche Orts⸗ Obrigkeit ihre Erlaubniß oder Ge⸗ nehmigung ohne erheblichen Grund, so kann die Gemeinde auf deren Er⸗ gänzung durch die Behörde (die Regierung) antragen.

(§. 36 ebendaselbst; Ministerial⸗Reskript vom 22. Juli 1840, Ministe⸗ rial⸗Blatt für die gesammte innere Verwaltung 1840 S. 285.)

Bei dem Austausch einzelner Parzellen der Gemeinde⸗Grundstücke kommt das Gesetz vom 13. April 1841 zur Anwendung. (Gesetz⸗ Samml. S. 79.)

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Kontrahirt in den Fällen der §§. 51, 53 und 54 die gutsherrliche Orts⸗Obrigkeit selbst mit der Gemeinde, so ist die Genehmigung der Re⸗ gierung erforderlich. (Ministerial⸗Reskript vom 29. März 1832, von Kamptz Annalen Band 16 S. 129, und vom 30. November 1836, von Kamptz Annalen Band 20 S. 941.)

Bei Prozessen, woran Dorfgemeinden Theil nehmen, und welche die Substanz ihres Vermögens betreffen, muß die Genehmigung der Guts⸗ herrschaft zur Anstellung der Klage und deren Beantwortung beigebracht werden, insofern nicht die Gutsherrschaft selbst als Gegner der Gemeinde dabei ein eigenes Interesse hat. Verweigert oder verzögert die Guts⸗ herrschaft die nachgesuchte Genehmigung, und verlangt die Gemeinde da⸗ gegen rechtliche Hülfe, so ist es hinreichend, daß die erstere zur Wahr⸗ nehmung ihrer Gerechtsame bei der von der letzteren angestellten Klage adeitirt werde.

(Anhang §. 4. der Allgemeinen Gerichtsordn ung.) 8

Beschließt eine Gemeinde die Verwandlung der Gemeinde⸗Waldungen in Acker oder Wiesen, so hat der Schulze den Beschluß zu beanstanden und darüber nach Vorschrift des §. 20. dem Landrathe Anzeige zu er⸗ statten.

Dasselbe muß geschehen: wenn eine Gemeinde die Veräußerung oder wesentliche Veränderung von Sachen, welche einen besonderen wissen⸗ schaftlichen, historischen oder haben, beschließt.

§. 60.

Der Schulze und die Aufsichts⸗Behörden haben dahin zu wirken, daß die Gemeinden, ihren nachhaltigen Interessen und Kräften ent⸗ sprechend, die ihnen gehörigen Sandschollen decken und bepflanzen.

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In den zum Verwaltungsverbande der Provinz Sachsen gehörigen, der westfälischen Zwischen⸗Regierung unterworfen gewesenen Landesthei⸗ len tritt in den §§. 51, 53 und 54 bezeichneten Fällen der Landrath an die Stelle der gutsherrlichen Orts⸗Obrigkeit (§. 3. a. der Allerhöchsten Verordnung vom 31. März 1833, Gesetz⸗Samml. Nr. 1433).

Auch kommt wegen Behandlung der Gemeinde⸗Waldungen Behufs deren Erhaltung die Allerhöchste Verordnung vom 24. Dezember 1816, die Verwaltung der den Gemeinden und öffentlichen Anstalten gehörigen Forsten in den Provinzen Sachsen (mit Einschluß der Altmark), West⸗ falen, Cleve, Berg und Niederrhein betreffend (Gesetz⸗Samml. pro 1817

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Soll gegen eine Dorfgemeinde oder gegen eine ganze Klasse von Mit⸗ gliedern derselben eine gerichtliche Execution vollstreckt werden, so müssen die Gerichte über die Art, wie solche ohne gänzlichen Ruin der Schuldner zu realisiren ist, jederzeit mit der Regierung Rücksprache halten, und wenn sie sich mit dieser über die zu nehmenden Maßregeln nicht vereini⸗ gen können, die Execution aussetzen und die Vorbescheidung des Justiz— Ministers einholen. G

(Anhang §. 153 der Allgemeinen Gerichtsordnung). Die unmittelbare Aufsicht über die Gemeinden, soweit dabei in An⸗ sehung einzelner Gegenstände durch die Gesetze nicht ein Anderes aus⸗ drücklich bestimmt ist, hat die gutsherrliche Orts-Obrigkeit (Gutsherr⸗ schaften, Domainen-Aemter u. s. w.), unter Leitung und Kontrole des Landraths zu führen.

Wo es an einer gutsherrlichen Orts ⸗Obrigkeit mangelt, kaun der Landrath die Aufsichtsrechte derselben einstweilen mit wahrnehmen. Es

ist jedoch zuvor darüber bei neu⸗ vorkommenden Fällen dem Minister des Innern Anzeige zu erstatten. 1

Der Landrath führt auch die Aufsicht über die öf entlichen Ange⸗ legenheiten der selbstständigen Gutsbezirke.

Die Ober⸗Aufsicht des Staats über die Gemeinden und bffentlichen Angelegenheiten der selbstständigen Gutsbezirke wird durch die Regierung, vorbehaltlich des Rekurses an den Ober⸗Präͤsidenten, ausgeübt. Gegen die Verfügung des Ober⸗Praͤsidenten ist Beschwerde an den Minister des Innern zulässig. b

(Vergl. §§. 26. und folgende, 35. und 191. Tit. 6., §§. 33. 34. 35. 36. 47. 48. 19. 66. 69. 73. und 78. Tit. 7. Th. II. des Allg. Landr.; §. 10. Tit. 17. ebendaselbst; Ministerial⸗Reskript vom 29. März 1832, d. Kamptz Annalen Bd. 16. S. 129, und vom 22. Juli 1840, Ministerial⸗ blatt für die innere Verwaltung S. 285; Reskript des Königlichen Justiz⸗ Ministerii vom 4. Februar 1841, Ministerialblatt für die innere Verwal⸗

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tung S. 59;

59; §§. 1. und folgende der Allerhöchsten Verordnung vom 31. März 1833, Gesetzsamml. Nr. 1433; §§. 36. und 39 der Allerhöchsten Verordnung vom 30. April 1815, Gesetzsamml. S. 85; Regierungs⸗ Instructionen vom 23. Oktober 1817, Gesetzsamml. S. 248, und vom 31. Dezember 1825, Gesetzsamml. pro 1826 S. 7; §§. 5. 11. und 20 der Verordnung vom 30. Juni 1834, Gesetzsamml. S. 96. §. 6. der Deklaration vom 26. Juli 1847, Gesetz⸗Samml. S. 327; Instruction für die Ober⸗Präsidenten vom 31. Dezember 1825 §. 11. Nr. 4. a., Gesetz⸗Sammlung pro 1826 S. 1; Allerhöchste Kabinets⸗Ordre vom 25. Januar 1831, Gesetz⸗Sammlung S. 5; Cirkular⸗Erlaß vom 20. Juli 1839, von Kamptz Annalen 1839 S. 128; §. 8. des Gesetzes vom 31. Dezember 1842, Gesetz⸗Sammlung pro 1843 S. 8; §§. 8. 19 23. 29 —32. des Gesetzes vom 3. Januar 1845, Gesetz⸗Samm lung S. 25; §. 4. des Gesetzes vom 24. e 1850, Gesetz⸗Sammlung S. 68; §S§. 9, 11, 13 und 14 des Gesetzes vom 24. Mai 1853, Gesetz⸗ Samml. S. 241; §. 20 des Gesetzes vom 11. März 1850, Gesetz⸗Samml. S. 265; Gesetz vom 14. Mai 1852, Gesetz⸗Samml. S. 245; §. 100 des Gesetzes vom 21. Juli 1852, Gesetz⸗Sammlung S. 465; §. 2 der Aller⸗ hoͤchsten Verordnung vom 30. Jus 1853, Gesetz⸗Samml. S. 909). Fortdauer der Straßen⸗Gerechtigkeit oder des Auenrechts. Die über die Straßengerechtigkeit oder das Auenrecht im § 3 Nr. 14 des Gesetzes vom 2. März 1850 (Gesetz⸗Sammlung S. 77) enthaltenen Bestimmungen, deren Wirksamkeit dort von Einführung der neuen Ge⸗ meinde⸗Ordnung abhängig gemacht worden, bleiben, da die Einführung derselben nicht stattgefunden hat, auch fernerhin außer Anwendung (Gesetz vom 24. Mai 1853, Gesetz⸗Sammlung S. 238.)

Berlin, den 29. Oktober 1855.

8 Der Minister des Innern.

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Preußen. Memel, 6. Dezember. Kriegsschiffe haben sich hier seit dem 3ten d. M. nicht gezeigt, doch hat man nach einge⸗ gangenen Nachrichten aus Libau am 4ten d. M. noch Kriegs⸗ schiffe vor Libau kreuzend gesehen. (Osts. Ztg.) 1—

Baden. Karlsruhe, 7. Dezember. Se. Königl. Hoheit der Regen t ist heute Mittag hier eingetroffen. (Karlsr. Ztg.)

8 Schweiz. Bern, 6. Dezember. Der Bundesrath hat die Bu ndesversammlung zum 21. Januar k. J. einberufen.

Belgien. Brüssel, 7. Dezember. Die Centralsection der Repräsentantenkammer hat sich für Annahme des Gesetzentwurfs in Betreff der freien Einfuhr der Lebensmittel einstimmig erklärt und zugleich den Wunsch ausgesprochen, daß alle fremden Fische zollfreien Eingang finden mit Ausnahme der Häringe. Zu⸗ gleich empfahl sie dem Gouvernement, von der ihm zustehenden Befugniß Gebrauch zu machen und den Transport von Fischen auf den Staats⸗Eisenbahnen um die Hälfte zu ermäßigen.

Großbritannien und Irland. London, 7. Dezember Gestern Nachmittags wurde im auswärtigen Amte ein Kabinetsrath abgehalten; man glaubt, daß in demselben die Frage über den Zeitpunkt der Einberufung des Parlaments berathen und entschieden wurde, da die „Times“ heute meldet, es werde in einer auf den heutigen Tag angesetzten Geheimrathsversammlung die weiter Prorogirung des Parlaments vom 11ten d. bis zum 31. Januar und die Einberufung desselben zu diesem Termine angeordnet werden. Es wäre dies also die gewöhnliche Zeit de jährlichen Versammlung des Parlaments.

Der König von Sardinien, in Begleitung des Prinzen Albert und des Herzogs von Cambridge, traf gestern um 8 Uh 40 Minuten in Folkestone ein. Lord Panmure, General Westall und Baron Stutterheim empfingen ihn. Um 9 Uhr schiffte sich Se. Majestät an Bord des „Vivid“ nach Boulogne ein.

Nach dem Abschied vom Könige von Sardinien begab sich Prinz Albert, begleitet vom Herzog von Cambridge, vom Prinzen Eduard von Sachsen-Weimar, vom Kriegsminister Lord Panmure und von einem zahlreichen Stabe, nach Shorneliffe, um zweien der dort lagernden Regimenter der deutschen Legion neue Fahnen zu überreichen. Die Truppen dieser Legion, welche jetzt aus 2 leichten Kavallerie⸗, 2 Infanterie⸗Regimentern und einem Jägercorps be steht, defilirten, unter dem Kommando des Oberst von Stutterheim, vor dem Prinzen. Bei Uebergabe der Fahnen, die von dem Ka⸗ blan der Legion mit einem deutschen Gebet eingesegnet wurden, richtete Prinz Albert, ebenfalls in deutscher Sprache, einige Worte der Aufmunterung an die Legion.

Lieutenant Geneste aus der russischen Gefangenschaft zurückge⸗

kehrt, hat unterm 29. November ein Schreiben an den ersten Se⸗

cretair der Admiralität gerichtet, das heute von der „Times“ in seiner ganzen Ausdehnung gebracht wird. Wir müssen uns damit begnügen, bemerkt die „Deutsch⸗Engl. Korr.“, Einzelheiten daraus

zu geben, bei deren Auswahl wir neben dem Wunsche, das In⸗

teressanteste zu bringen, auch zugleich die Absicht gehabt haben, alles das, was das Benehmen der Russen entschuldigen kann, neben ihre mindestens übereilte That zu stellen. Der Vorgang selbst bleibt, was er ist; aber das spätere Benehmen der russischen Offi⸗