2708
groben Ungehorsams ober beharrlicher Widerspenstigkeit schuldig machen, mit Strafe belegt werden, nach Aufhebung der Coalitions⸗ Beschränkungen beizubehalten?
Was kann gescheyen, um die auf Selbsthülfe beruhenden Genossen⸗ schaften (Vorschuß⸗ und Kredit⸗Vereine, Vereine zur Beschaffung von Rohstoffen, Konsum⸗Vereine, Produktiv⸗Associationen) zu fördern? Welche dieser Associationen können auch unter Fabrikarbeitern Ein⸗
gang sinden, und auf welchem Wege würde dies zu erreichen sein? Weiche Mittel bieten sich dar, um den bestehenden Mangel an billigen
und gesunden Arbeiter⸗Wohnungen abzuhelfen?
In der gestrigen Sitzung trat die Kommission in die allgemeine Dis⸗ kussion über die ersten drei, die Aufhebung der Coalitions⸗Beschränkungen betreffenden Fragen ein, die ihren Abschluß noch nicht erreicht hat. Von den Eingeladenen sind am Erscheinen verhindert gewesen: der Fabrikbesitzer Kesselkaul von Aachen, der Fabrikbesitzer Tiemann von Biele⸗ feld, der Schlossermeister Weiser aus Düsseldorf und der Rathsmaurermeister Münch aus Stettin. Für den Letzteren ist der Maurermeister Piper aus Stettin eingetreten. Der Abgeordnete Dr. Faucher wird an den Verhandlungen von der Milte der nächsten Woche an Theil nehmen.
Kunst⸗ und wissenschaftliche Nachrichten.
— In diesen Tagen, berichtet die »Aach. Ztg.« unter dem 21. August st in Meerssen, nahe bei Mastricht, der letzten Station auf der Aachen- Mastrichter Eisenbahn, eine wichtige Entdeckung auf dem Landgute des Herrn Baron Lamberts⸗Cortenbach gemacht worden, indem bei Wegräumung der Grundmauern des Wohnhauses die Reste einer römischen Villa gefunden wurden. Man hat ein cementirtes Pflaster, Fragmente von irdenen und gläsernen Vasen, Eisenarbeiten, Marmorstücke, einen schönen Bronzehaken mit zwer Löwenköpfen, einen kupfernen Griffel, um auf Wachstafeln zu schreiben, das Fragment einer Glasflasche mit einem Traubenblatt verziert,, usgegraben. Die Untersuchungen werden thätig fortgesetzt, und man hofft uf ergiebige Resultate, welche auf die noch ziemlich dunkle Geschichte der römischen Herrschaft in dieser Gegend Licht werfen können. G — Am 21. August starb in Neuß der durch seine vielen Schriften bekannte frühere Gymnasial⸗Oberlebrer Dr. Franz Ahn, 68 Jahre alt, an allmäliger Entkräftung, nachdem er durch Alters⸗ und Körperschwäche chon seit Herbst 1863 veranlaßt worden, sich von den Mühen des Amtes urückzuziehen, in welchem er 20 Jahre hindurch erfolgreich gewirkt hatte. 1 In der reformirten Kirche zu Wetter a. d. R. wurden beim Ab⸗ kratzen des Bewurfes Wandgemälde mit der Jahreszahl 1437 gefunden. Bis jetzt sind der Kampf des h. Georg mit dem Drachen, sowie mehrere Bilder, Steinigungen von Heiligen darstellend, und ein Wappen offen gelegt. Oesterreich. Die »Wiener Ztg.« bringt folgende Bekanntmachung: In dem Allerhöchst genebmigten Finanzgesetze für das laufende Verwal⸗ tungsjahr ist der Betrag von fünfun dzwanzigtausend Gulden Oe. W. bewilligt worden, welcher seiner Bestimmung zufolge: a) zur Ertheilung von Stipendien an mittellose, aber hoffnungsvolle Künstler, welche entweder bereits mit einem größeren selbstständigen Werke vor die Oeffentlichkeit getreten sind oder Leistungen von tieferem künstlerischen Gehalte aufzuweisen in der Lage sind; b) zur Ertheilung von Pensionen, das ist Unterstützungsbeiträgen für Künst⸗ er, welche bereits Ersprießliches und Verdienstliches geleistet haben und welchen durch die erwähnte Beihülfe die Möglichkeit gewährt werden soll, auf der mit Glück betretenen Bahn fortzuschreiten; endlich e) zu Auf⸗ trägen auf dem Gebiete der bildenden Kunst und zwar an solche Künstler, welche bereits das Maß künstlerischer Selbstständigkeit erreicht haben, verwendet werden soll. Indem das Staatsministerium, welchem die Durchführung dieser Widmungen anheimgestellt ist, sich vorbehält, rück⸗ sichtlich der Zuwendung von Pensionen im eigenen Wirkungs⸗ kreise vorzugehen, ohne jedoch deshalb die hiezu berechtigte Kompe⸗ enz auszuschließen, bezüglich der an bildende Küustler zu ertheilenden Auf⸗ träge jedoch zunächst die Befriedigung der in dieser Richtung sich geltend machenden Bedürfnisse des Staates zum Ausgangspunkt zu nehmen und diesfalls das Erforderliche einzuleiten, werden zur Bewerbung um Sti⸗ pendien alle Künstler aus dem Bereiche der bildenden Künste (Archi⸗ ektur, Skulptur und Malerei), der Dichtkunst und Musik aus allen König⸗ reichen und Ländern des Kaiserstaates, welche auf die Zuwendung eines Stipendiums Anspruch zu haben glauben, aufgefordert, sich diesfalls läng⸗ stens bis 20. September d. J. bei den betreffenden Länderstellen Schließlich werden die Angaben bekannt gemacht,
in Bewerbung zu setzen. velche die resp. Gesuche zu enthalten haben.
8 — Nach der »Pr.“« beabsichtigt der österreichische Kunstverein,
um Rahl'’s Andenken zu feiern, im Monat September eine Ausstellung
der Werke dieses Künstlers zu veranstalten. Das Unternehmen soll von
Seiten der Besitzer Rahlscher Arbeiten die bereitwilligste Unterstützung finden.
— Ueber die evangelische Kirche in der Provinz Posen brachte die »Pos. Ztg.« vor Kurzem eine historisch⸗statistische Uebersicht, der das Nachfolgende entlehnt ist: Als Preußen im Jahre 1815 die Provinz Posen
bernahm, war die Zahl der Evangelischen, obgleich zur Zeit der Verfol⸗ gungen massenhafte Uebertritte zur katholischen Kirche erfolgt waren, noch immer ziemlich ansehnlich. In dem jetzigen Regierungsbezirk Bromberg
efanden sich jedoch bei der ersten Theilung Polens noch neun evangelische
irchspiele. Viele waren unter der Ungunst der Umstände zu Grunde ge⸗ gangen, und die, welche die Verfolgungen überdauert hatten, befanden sich in elender Lage, so daß sie (wie Lobsens um 1790) später fast von Neuem
sofort auf die Vermehrung der kirchlichen Institute Bedacht und 3 in der Zeit von 1772 bis 1807 schon L Sewr F.hec⸗ din a lonnamn Bromberg, Czarnikau, Schönlanke, Chodziesen, Witkowo, Czerniejemo, a. bischin, Margonin, Schneidemühl, Mroczen, Strzelno, Grabowo, Miaste 8- Brostowo, Schubin, Nakel, Gnesen und polnisch Krone. Bei der nach üne Jahre 1815 fortgesetzten Errichtung von Pfarrsystemen kamen zuerst e wraclaw, Fordon, Runowo und Exin an die Reihe, dann ve eine Pause ein, aber der Ober⸗ Präsident von Flottwell 28 gann wieder seine Thätigkeit auf diese Angelegenheit zu 8 ken. Von 1833 ab entstanden die Kirchspiele in Mogilno, Wongrowin Gollancz, Schulitz, Samoczyn, Wirsitz, Uscz, Altsorge, Trezemeszno, Krusi witz und später Klecko, Gr. Golle, Kl. Murzyno, Barcein und Znin 5 viel war bis zum Jahre 1848 geschehen. Die Zahl der evangelischen Ki spiele im Regierungsbezirk Bromberg war von 1772 bis dahin von 9 19 45 gestiegen; allein dem Bedürfniß der über einen Flächenraum von 21 Meilen zerstreuten, etwa 200,000 Evangelischen war damit noch nicht vehn zumal die vorhandenen Kirchspiele zum großen Theil noch der Kirchen 1 Pfarrhäuser, der gesicherten und ausreichenden Dotationen entbehrten. 6 blieb daher noch vieles zu thun übrig und so sind denn nach dem Jahn 1848 bis in die neueste Zeit noch 19 evangelische Kirchspiele errichtet wor⸗ den: Rojewo⸗Kaczkowerdorf, Gr. Dombrowo, Luisenfelde, Kwieciszewo 8 Neudorf, Josepbowo, Pakosé, Szydlowiec, Kierschkowo Refier, Bialoflime Schitter, Dembowka⸗Racic, Wissek, Lindenwerder, Behle⸗Radolin, Gembiz Fitzerie, Milkowo, Romanshof⸗Althütte, Kreuz. Ein Theil dieser Kirchspien bedarf jedoch noch der definitiven Regulirung. Außerdem sind an 1 schiedenen Orten, z. B. in Powitz, Jeziory ꝛc. Filiale eingerichtet, und i 9. älteren und neueren Parochien die noch fehlenden Kirchen erbaut worden. 1 Der Regierungsbezirk Posen, welcher jetzt auf einem Flächenra 311 Quadratmeilen ungefähr 265,000 ist erft 11 preußisch geworden. Hier befand sich die evangelische Kirche in einer bif Weitem günstigeren Lage, als im Retzdistrikt. Es wurden bei der preuße⸗ schen Besitznahme 71 evangelische Kirchspiele vorgefunden, darunter 20 auß dem 16ten, 22 aus dem 17ten, die übrigen aus dem 18. Jahrhundert Während der preußischen Herrschaft von 1793 bis 1806 kamen nur 5 neue Kirchspiele, Pleschen, Samter, Schwenten, Dobrzyca und Schildberg, und in dem langen Zeitraume von 1815 bis 1850 nur 7 neue Parochiem Racot, Jarocin, Kosten, Pinne, Schrimm, Buk, Jablonne hinzu; dagegen geschah Manches für die Ordnung und Befestigung der alten, zum Thill verfallenen Kirchspiele, namentlich wurden in den dreißiger und vierziger Jahren viele neue Kirchen, z. B. in Meseritz, Fraustadt, Luschwitz, Schmie⸗ gel, Schwersenz, Dobrzyca, Pudewitz ꝛc. erbaut Neues kirchliches Leben er⸗ wachte hier erst in den fünfziger Jahren, zum Tbeil in Folge der rüstigen Thaͤtigkeit des im Jahre 1855 verstorbenen Ober Regierungsrath und Kon⸗ sistorial ⸗Dirigenten Dr. Klee. Es entstanden seit dem Jahr. 1851 folgende 22 evangelische Kirchspiele: Waice, Lewitz ⸗Hauland Jastrzemski, Betsche, Kopnitz, Lubin, Czempin, Konkolewo, Neubrück, Duftnik, Polajewo, Posen 2. Gemeinde, Nekla⸗ Hauland, Schroda, Miloslaw, So⸗ botka, Sierzew⸗Hauland, Pogorzelle, Borek, Latowice, Strzyzew, Schwar⸗ wald (Czarnylas). Außerdem sind an verschiedenen Orten z. B. in Kröben, Dolzig, Strzalkowo, Zerkow ꝛc. Filiale gegründet worden. Aus dieser Uebersicht ergiebt sich, daß seit dem Anfang der fünfziger Jahre bis jetzt bei weitem mehr für die Hebung der evangelischen Kirche geschehen ist, als in dem ungleich längeren Zeitraume vorher. Während in dem letzteren in der ganzen Provinz nur 26 neue Kirchspiele entstanden, sind seit 1850 mehr als 40 errichtet worden; dessenungeachtet würde, um das Bedürfniß auch nur annähernd zu befriedigen, wenigstens noch die Gründung von 50 neuen erforderlich sein. Eine Progression, in dem Verhält. nisse der verglichenen beiden Zeitabschnitte steht aber um so sicherer für die Zukunft in Aussicht, als bei den unzureichenden Mitteln des Staats sich immer mehr der gute Wille der Privaten für die Errich⸗ tung von Kirchen zu bethätigen beginnt, und daneben der Gustav⸗Adolph⸗ Verein seine Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse der Provinz richtet. Die Evangelischen machen der Seelenzahl nach etwa 33 pCt. der Gesammt⸗ bevölkerung der Provinz aus, die Katholiken 62 pCt., der Rest kommt auf die Juden. Mit der Konfession fällt noch wesentlich die Nationalität zu⸗ sammen, so daß die große Mehrzahl der Polen der katholischen, der Deut⸗ schen der evangelischen Kirche angehört. Eine bemerkenswerthe Ausnahme machen die polnisch evangelischen Gemeinden im südlichen Theile der Pro⸗ vinz, in Kempen (4654 Seelen), Schildberg (gegen 5000), Adelnau 2734); Ostrowo (4366), Latowice (1116), Strzyzew (300), Schwarzwald (1646) welche sieben Gemeinden seit 1860 die neue Diözese Schildberg bilden, dir den Adelnauer und Schildberger Kreis umfaßt und unter 20,619 evangel⸗ schen Christen über 12,000 evangelische Polen zählt. Auch die gegen 9 Feae zählende, ehemals wendische Gemeinde Chwalim bei Karge gehört ierher. hehe Es ist schon gemeldet, daß die anhaltische Regierung ein besonderes statistisches Büreau für das Herzogthum einzurichten beschlossen hat. Wie die »Bank⸗ u. Hdls. Ztg.“ erfährt, soll der Regierungsrath Roth zum Chef des Büreaus ernannt werden; Dr. A. Lange in Dessau und Assessor Franke daselbst werden demselben als Mitarbeiter adjungirt.
„Erfurt, 21. August. Die letzte Nummer des »„Amtsblattes« der hiesigen Regierung bringt über den Zustand des Gew erbebetriebes im diesseitigen Regierungsbezirke im Laufe der Monatt Juni und Juli ec. folgenden Artikel:
„Die im hiesigen Bezirke vertretenen Gewerbe erfreuen sich fast sammt⸗ lich eines lebhaften Verkehres und find trotz der ungünstigen Ernte⸗Aussich⸗
ten im Wachsen begriffen; dies gilt namentlich von dem Gewerbebetriebe
wieder aufgerichtet werden mußten. Das preußische Gouvernement nahm
der Stadt Langensalza. Die dortigen Kamm⸗ und Streichgarnfabriken, so
ein nicht unbedeutend
2709
wie die Fabrik für Modetuche sind trotz der fortwäͤhrenden Vergrößerung durch Aufstellen neuer Maschinen zeitweise nicht im Stande, die erhaltenen Auf⸗ näge auszuführen, und eben so fehlt es der Sago⸗ und Wagenfabrit selbst nicht an anhaltender Beschäftigung. Das Bierbrauereigewerbe wächst fast gleichmäßig im ganzen Bezirke, eben so genügen die vorhandenen Ziegeleien in manchen Gegenden nicht, um die durch die rege Baulust hervorgerufene bedeutende Nachfrage nach Baumaterial zu befriedigen. Nur in den gewerb⸗ lichen Verhältnissen der Stadt Suhl ist eine merkliche Veränderung zum Besseren noch nicht eingetreten. Die Stockung in dem Hauptzweige der dortigen Gewerbethäͤtigkeit, der Militairwaffen⸗Fabriken dauert fort und auch die Fabrication der Jagd⸗ und Lugxuswaffen hat, wenn man von den alljährlich in den Sommermonaten eingehenden zahlreicheren Bestellungen absieht, einen erheblichen und nachhaltigen Aufschwung nicht erfahren. Dagegen sind die Barchent⸗, Drell⸗, Glas⸗ fabriken und Holzschleifereien des dortigen Kreises im lebhaften Gange. — Durch die ihrer Vollendung mehr und mehr entgegengehende Halle⸗Kas⸗ seler Eisenbahn finden nicht nur jetzt schon eine große Anzahl von Men⸗ schen dauernde und lohnende Beschäftigung, sondern es steht auch überhaupt zu erwarten, daß durch dieselbe dem von den größeren Verkehrslinien bisher entfernt gelegenen Eichsfelde hinsichtlich seiner landwirthschaftlichen und Gewerbeverhältnisse neue Abzugs⸗ und Zugangswege eröff⸗ net werden, namentlich sobald die projektirte Bahn von Gotha nach Göttingen zur Ausführung gekommen sein wird. Ueber den Bau einer direkten Verbindung Erfurts mit Nordhausen durch eine sogenannte secundaire Bahn haben Verhandlungen statt⸗ gefunden und dieses Projekt erfreut sich auch über die handelstreibende Be⸗ völkerung hinaus eines regen Interesses. — In den U. satzverhältnissen des fiskalischen Steinsalz⸗Bergwerkes bei Erfurt ist eine wesentliche Veränderung nicht eingetreten. — Neben der Saline zu Dürrenberg blieben die chemischen Fabriken am Rheine die hauptsächlichsten Abnehmer. Durch die erneuerte Herabsetzung des Preises für Wuͤrttembergisches Salz⸗ wie die Ermäßigung der Tarifsätze für Staßsurter Salze auf der Köln⸗ Mindener Eisenbahn kann indessen dem Werke der Absatzmarkt am Rheine leicht beschränkt oder ganz verschlossen werden, wenn nicht auch die Fracht für Erfurter Salz auf den Eisenbahnen der Rheinisch⸗Thüringischen Linie herabgesetzt wird. Der Betrieb der Kupferbergwerke in den Kreisen Ziegenrück und Schleusingen wurde in dem bisherigen Umfange fortgeführt. Es ließ sich jedoch wenig Ertrag erzielen, da die früͤher vorhandenen Anbrüche sich sehr vermindert haben und neue nicht ge⸗ macht sind, obgleich die Anschlußarbeiten ununterbrochen fortgesetzt wurden. Die Eisensteingewinnung im Schleu singer Kreise kam in Folge der billi⸗ gen Preise, zu denen dort das Rheinische und Westfälische Eisen verkauf wird, fast gänzlich zum Erliegen und hat auch nur dann Aussicht auf Wie⸗ derbelebung, wenn durch die Ausführung
der projektirten Eisenbahn von
Grimmenthal nach Suhl der Bezug von Schmelzmaterialien erleichtert und der Absatzkreis für das Eisen erweitert sein wird. In der Enclave Kamsdorf dagegen hat der Eisensteinbergbau einen recht erfreulichen Auf⸗ schwung genommen, indem besonders die Marienhütte bei Zwickau von dorther größere Mengen Eisenstein und Roheisen bezog. Die in Aussicht genommene Eisenbahn von Gera nach Suhl wird die Eisenindustrie dieser Gegend sehr bedeutend heben. — Nothstände unter den Bergarbeitern sind nirgends eingetreten, wennschon im Ziegenrücker und Schleusinger Kreise das Angebot von Arbeit die Nachfrage periodisch uüberstieg.
— Zu den mancherlei Kundgebungen der sächsischen Handels⸗ kammern zc. zu Gunsten des italienischen Handelsvertrages ist in letzter Zeit, wie man der »„Weser Ztg.“« berichtet, noch eine gekommen, welcht wegen ihrer lichtvollen Darstellung und wegen der Unwiderleglichkeit ihrer gewichtigen Argumente die allgemeinste Beachtung verdient. Es hat nämlich unter dem 6. August der Magistrat von Leipzig eine Eingabe an das Ministerium des Innern gerichtet, um dasselbe zu bitten: ves möge im Interesse des hiesigen Handels in nachdrücklichster Weise auf das baldigste Zustandekommen eines Handelsvertrages zwischen dem Zollverein und Italien hinwirken, wodurch den Angehörigen des ersteren die Vortheile der meist⸗ begünstigten Nationen gesichert werden«, und diese Bitte auf wahrhaft glän. zende Weise motivirt. Der Magistrat erachtet den baldigen Abschluß des Handelsvertrages als eine Angelegenheit, von welcher der Handel und das Gedeihen unserer Stadt in nicht geringer Weise berührt wird, und führt zur Erhärtung dessen Folgendes an:
Zu den sächsischen Fabrikaten, Italien haben, gehören insbesondere wollene Tuche, Poil de choores und andere Kleiderstoffe, Strumpfwaaren, und halbwollene Waaren, verschiedene halbseidene Fabrikate d waaren. Auch glatte, bunte und gedruckte Thibets aus Gera, Greitz, Roch⸗ lit, Ronneburg, Wachstuche aus Leipzig (theils direkt, theils über Nürnberg mit dortigen Spielwaaren), Tischdecken aus Reichenbach und Chemnitz, Tapeten aus Leipzig und Wurzen, Stickereien, Posamentir⸗Waaren, Spitzen und Crinolinen aus Annaberg, Schneeberg, Buchholz werden ausgeführt. Nicht minder hat der Export von Rauchwaaren von Leipzig aus nach Italien eine nicht unwesentliche Bedeutung erlangt, eben so der von Spiri⸗ tus, den wir später noch erwähnen werden. Das bei weitem bedeutendste Objekt bilden aber Tuche, Flanelle, baumwollene und halbseidene Waaren, und hierin hat unser Handel mit Italien einen bedeutenden Umfang erreicht. Von den größeren Fabrik⸗Etablissements Sachsens werden die vorstehend erwähnten Artikel zum Theil durch eigene Reisende in Italien oder durch Platzagenten direkt abgesetzt und während des amerikanischen Krieges war es für manche Etablissements dieser Absatz nach Italien, der ihr Bestehen sicherte. Zum anderen Theil werden große Quantitäten namentlich in den billigen und geringen Waaren, von hiesigen Kommissions⸗ und Exporthäusern gekauft und für eigne Rechnung nach Italien ausgeführt. 8. mehr dies Geschäft in den letzten 10 bis 15 Jahren in die Hände von Deutschen gekommen ist, um so mehr hat es an Soli⸗ dität und Ausdehnung gewonnen. Wir können unter den hiesigen Groß⸗ handlungshäusern etliche zwanzig Firmen zählen, die vorzugsweise diesen Export nach Italien betreiben. Außerdem wird während der hiesigen Messen
Quantum durch italier sche Einkäufer aus hiesigen
die einen regelmäßigen Absatz nach Buckskins, Flanele, baumwollene und Leinen⸗
V V
b
V
““ 8 v“ Wenn es schwer ist, den Umfang dieses Handels zu quantifiziren, so ist doch so viel sicher, daß Millionen berechnet, und um annäherungsweise den Um⸗ uns gestattet, das Urtheil von betheiligten Sachken⸗ abgesehen von dem direkten Ab⸗
Meßlagern entnommen. in ganz bestimmten Zahlen derselbe sich nach fang anzugeben, sei es nern anzuführen, welches dahin geht, daß, satz der erwähnten sächsischen Fabriken, der sich jedenfalls jährlich auf mehrere Millionen belaͤuft, der der hiesigen Exvorthäuser auf cirea 2 bis 3 und der Einkauf während der hiesigen Messen auf circa 1 Milion Thaler zu berechnen ist. Ein Handel von dieser Ausdehnung ist gewiß der Berücksichtigung werth. Unsere Leip⸗ ziger Exporthäuser stehen aber in Gefahr, diesen wichtigen Absatz zu ver⸗ lieren, wenn nicht der baldige Abschluß eines Handelsvertrags den Zoll⸗ vereinsangehörigen Italien gegenüber die Vortheile der meistbegünstigten Nationen sichert. Wir gestatten uns, um die große Benachtheiligung dar⸗ zuthun, welche unser Handel gegenüber den schweizerischen, französischen und englischen Exporteurs nach Italien erleidet, auf die Tarifdifferenzen in dem für uns wichtigsten Artikel, in Wollengeweben, zu verweisen. Nach dem allgemeinen Tarif zahlen dieselben 161 ¾ Francs fuͤr 100 Kilogramm, oder 80 ⅞ Francs 21 Thlr. 25 Ngr. für 1 Zollcentner. Dagegen beträgt der Zoll nach dem Vereinstarif 10 pCt. des Werths. Nimmt man den Werth der ordinairsten Tuche zu 70 bis 80 Thlr. per Centner und berech⸗ net man den Durchschnittswerth der nach Italien gehenden Tuche sehr hoch gegriffen zu 140 Thlr. per Ctr., so berechnet sich der Zoll nach dem Ver⸗ einstarif nur zu 14 Thlr., also 50 pECtr. niedriger als nach dem allgemei⸗ nen Tarif. Hierbei ist aber der Durchschnittswerth der Tuche schon ziemlich hoch berechnet, bei einer niedrigern Werthsannahme stellt sich die Zolldiffe⸗ renz noch viel stärker zu Ungunsten unsres Leipziger Handels heraus, und es muß betont werden, daß, wie die sächsischen Wollenfabrikate überhaupt vorzugsweise in den billigen und geringen Artikeln die auswärtige Konkurrenz bestehen können, so auch unser Leipziger Export von Tuchen nach Italien, wenn nicht die allergeringste, doch die geringere und billigere Gattung betrifft. Aehnlich verhält es sich mit einem von hier aus bedeutend exportirten halbseidnen Fabrikat (Gößnitz, Meerane), das nach dem Werth von 1½ Frs. per Meter nach dem allgemeinen Tarif 30 Centimes = 20 pCt. und nach dem Vereinstarif 5 Centimes = 3 ⅜ pCt. Zoll zu entrichten hat. Nach der Versicherung der Betheiligten soll denn auch in Folge der veränderten Zollverhältnisse der Absatz dieses Artikels nach Italien sich so wesentlich verringert haben, daß man glaubt, die für Italien berech⸗ nete und dem dortigen Bedürfniß angepaßte Fabrication aufgeben zu müssen. Ebenso zahlt Leinwand per 100 Kilogramm nach dem allgemeinen Tarif 100 Lire und nachidem Vereinstarif je nach zwei Sorten resp. 90 und 38 Lire. Und dabei erhöht sich noch jeder Zoll für die Länder, die außer⸗ halb des Handelsvertrags stehen, um 15 pCt. Zuschlag für Kriegskosten⸗ tilgung, während die Erzeugnisse aus Vertragsländern von diesem Zuschlag frei sind. Nicht unerwähnt dürfen wir ferner lassen den für Leipzig so wichtigen Export von Spiritus. Sachsen wird nächst Preußen das wichtigste Spiritus erzeugende deutsche Land sein und der ge⸗ sammte saͤchsische Spiritusexport hat sich jetzt fast ausschließlich in Leipzig konzentrirt, von wo schon jetzt bedeutende Sendungen theils über Hamburg und Antwerpen, theils per Eisenbahn über Marseille nach Häfen des Mittelmeers gehen. Mit Vollendung der Brennerbahn würde dieser Export nach Italien und somit unsere Konkurrenz mit dem wichtigen Spi⸗ ritusmarkte Breslau sehr erleichtert, von wo jetzt per Bahn uͤber Triest ex⸗ pedirt wird. Ohne Handelsvertrag müssen wir aber unseren Spirituse port nach Italien verlieren, denn der Zoll dafür nach dem allgemeinen arif schwankt zwischen 40 und 66 Francs per Hektoliter, während der franzoͤ sische Spiritus jetzt in Italien gegen den gleichen Zoll zugelassen wird, wie der französische Spiritus im Zollverein, das heißt für 15 Francs. Diese Zolldifferenz würde unseren Spiritushandel, dem ohnehin jetzt der drohenden russischen Konkurrenz gegenüber jeder Vorschub geleistet werden sollte, ganz vom italienischen Markt ausschließen. Sollte nun ein deutscher Staat ohne Sachsen einen Handelsvertrag mit Italien abschließen, so würde der Verlust für uns unersetzlich sein; denn das so uͤberaus wichtige Spiritusgeschäft müßte uch von hier wegziehen, eine Kalamität nicht nur für Leipzig, son· dern auch für die sächsische Landwirthschaft. Es bedarf gewiß keines wei⸗ teren Nachweises, von welchen Gefahren unser Leipziger Handel nach Italien bedroht ist, wenn die Ungunst dieser Zeitverhältnisse länger auf demselben Lasten sollte. Es kommt dazu, daß der Umweg über Frankreich durch die höhere Fracht die Konkurrenz mit dortigen Erzeugnissen wesentlich erschwert oder unmöglich macht, da es vorzugsweise ordinaire und billige Waaren sind, die von hier exportirt werden, die also einen bedeutenden Frachtzuschlag nicht mehr vertragen. Unser Handel hat also in der That zu fürchten, daß man den französischen, ja besonders auch den billigen mährischen Tuchen in Italien den Vorzug geben wird vor unsern sächsischen, wenn die letzter darch den Zoll in solches Preismißverhältniß zu den erstern gesetzt werden. Ist aber unser Leipziger Handel einmal von dem italienischen Markt ver⸗ drängt, so ist es doppelt schwer, wenn nicht unmöoͤglich, solchen Markt später⸗ hin wieder zu erobern. Bei einer längeren Dauer der jetzigen Ungunst ver⸗ lieren wir nicht nur einen lohnenden Markt, den die Thaͤtigkeit unseres Handelsstandes in den letzten Jahren sich erobert hat, wir verlieren damit auch die Hoffnung auf einen weitern Aufschwung dieses Handels, die man bisher mit Sicherheit hegen durfte; ja es werden damit auch die Fäden weiterer Handelsbeziehungen abgeschnitten, die sich jetzt durch die Ver⸗ bindung mit italienischen Häusern nach verschiedenen Plätzen der Levante gebildet hatten, wogegen der Handelsvertrag unserm hiesigen Handel neue Verbindungen in noch nicht zu übersehender Ausdehnung eröffnen könnte. Zum Schlusse wird noch hervorgehoben, daß jede Verzögerung im Abschluß des Handelsvertrages dem saächsischen Handel schwere Verluste auferlegen müsse und selbst die Gefahr, vom italienischen Markte ganz ausgeschlossen zu werden, mit sich führen könne. Daß diese Auseinandersetzung sich in unserer Stadt des allgemeinsten Beifalls zu erfreuen hat, bedarf kaum der Versicherung; welche Aufnahme sie in Dresden finden werden, ist nicht so leicht zu sagen, doch deuten alle Anzeichen darauf hin, daß im Ministerium keine prinzipielle Abneigung geßen die Anerkennung des Königreichs Italien besteht, die früher in der ekannten Beust'schen Depesche ausgesprochene,