Kommission zur Berathung der Coalitzonsfrage. Berlin, 30. August. Die Kommission setzte heut die Diskussion der den Prüfungszwang der Handwerker betreffenden Frage fort, welche für die Abstimmung in die beiden folgenden Fragen zerlegt wurde: 1) Folgt aus der Aufhebung der §§. 47 und 48 und der §§. 31 u. 32 dder Verordnung vom 9. Februar 1849, daß die Vorschriften über die Prüfungspflicht der Handwerker in den Abschnitten II. und III. der⸗ selben Verordnung aufgehoben werden müssen; ist, abgesehen von der Aufhebung der §§. 47 und 48 und der §§. 31 und 32 der Verordnung vom 9. Februar 1849, die Aufhebung der in den Abschnitten II. und III. dieser Verordnung enthaltenen Vor⸗ schriften über den Prüfungszwang der Handwerker an sich zu em⸗ pfehlen? „Die erste Frage wurde mit 18 gegen 16 Stimmen verneint; die zweite mit 25 gegen 9 Stimmen bejabht. Demnächst gelangten folgende Anträge zur Abstimmung: Die Kommission wolle beschließen: a) Auch nach Aufhebung des Zwanges zur Meisterprüfung sollen die Lehrlinge gezwungen sein, sich einer Prüfung zu unterwerfen, welche naach den jetzt für die Gesellenprüfung bestehenden Vorschriften abzu⸗ naehmen sein würde. b) Nach Aufhebung des Zwanges zur Meisterprüfung soll es den Lehr⸗ lingen frei stehen, sich einer Prüfung zu unterwerfen, um Gesellen zu werden, und zwar vor einer aus der Gesammtheit der Arbeitgeber und Arbeitnehmer des betreffenden Handwerks gewählten Kommission. Der erstere Antrag wurde mit allen gegen 5 Stimmen abgelehnt, der letztere mit 23 gegen 11 Stimmen angenommen. Endlich wurde folgende Resolution einstimmig angenommen: Aus der Aufhebung der Vorschriften über den Prüfungszwang der Handwerker in den Abschnitten II. und III. der Verordnung vom 9. Fe⸗ bruar 1849 folgt nicht, daß auch die Vorschriften im §. 45 der Allgem. Gewerbe⸗Ordnung vom 17. Januar 1845 aufgehoben werden müssen. Der Sitzung hatte von der Eröffnung bis 12 Uhr der Herr Handels⸗ minister beigewohnt. Die näaͤchste Sitzung findet am Donnerstag statt.
Kunst⸗ und wissenschaftliche Nachrichten.
— Der Preußische Terminkalender auf das Jahr 1866 für Justiz⸗ und Verwaltungsbeamte, welcher bei R. v. Decker erschienen ist, enthaäͤlt außer dem gewöhnlichen juristischen Kalender zur Einrückung der Termine, wobei die Tage der Gerichtsferien mit rother und die gebotenen katholischen Feiertage mit grüner Schrift gedruckt sind, unter den Beilagen neben dem gewohnten, am häufigsten in der Praxis vorkommenden Ge⸗ richtsmaterial diesmal auch die Notariats⸗Ordnung von 1845, und unter den Anciennetätslisten auch die der Referendarien, so daß die ganze Einrich⸗ tung nunmehr kaum noch etwas zu wünschen übrig läßt. Uebrigens sei bemerkt, daß nach den Listen die Zahl der Assessoren, welche im Juli 1864 1079 betrug, im Juli 1865 sich um 50 vermindert hatte.
— Die Sprichwörter, schreibt die »Schles. Ztg.«, sind stets ein bedeutsames Stück Kulturgeschichte der Nation, welche sie — wenn man so sagen darf — verfaßt hat. Nichts — das Volksmärchen und Volkslied vielleicht ausgenommen — zeichnet so bestimmt die Anschauungen und Er⸗ fahrungen, die Lebensweise, den Bildungsgrad, den ganzen Charakter einer Nation, als die Sprichwörter. Daher sind sie auch fuͤr den Kulturgeschichts⸗ forscher eine unentbehrliche Quelle Das scheint in der neueren Zeit vielfach erkannt worden zu sein; wenigstens haben die Sprachforscher massenhaft Sprichwörter gesammelt und theils in Zeitschriften, theils in eigenen Werken veröffentlicht. Zu den fleißigsten Sammlern gehört O. Freiherr v. Reins⸗ berg⸗Düringsfeld. Während seine Gemahlin, die bekannte Dichterin und Romanschriftstellerin Ida v. Düringsfeld (aus Schlesien) in dem »Sprich⸗ wort als Kosmopolit« (3 Bde. 1863) uns dasselbe als Philosoph, Praktikus und Humorist darstellte, veröffentlichte Freiherr v. Reinsberg mehrere Sam⸗ melwerke: »Die Frau im Sprichwort« (1862), »Das Kind im Sprichwort« (1864) »Das Wetter im Sprichwort« (1864). Derselbe Verfasser bereitet ein Sammelwerk »Der Maun im Sprichwort« zur Herausgabe vor.
— In den Nachbarländern, berichtet die »Cöln. Ztg. «, wird der Hegel⸗ schen Philosophie nach und nach kräftig Bahn gebrochen. Besonders besitzt Italien eine sichtbar zunehmende Anzahl von Denkern, welche für Hegel's Methode Propaganda machen. Auch in England hat das Hegel'sche System eifrige und hingebende Apostel gefunden. Die bedeutendste englische Vorschule für unsern Philosophen ist unzweifelhaft das Werk von J. Hut⸗ chinson Stirling: »The secret of Hegel; being the Hegelian System in origin, principle, form and matter. (London, Longman, Green, Long- man, Roberts and Green.)« Der Verfasser führt seine Arbeit als die jüngste, obgleich zuerst veröffentlichte Frucht einer anhaltenden ernsten Beschäftigung mit Kant und Hegel und speziell mit den drei Werken der »Kritik« von er⸗ sterem und der »Logik« und »Encyklopädie« des letzteren ein. Der englische
Autor äußerte, daß er mit der deutschen Philosophie mehr Zeit verthan habe, als er einzugestehen wage, um seinen Landsleuten die Sache zu er⸗ leichtern, und er giebt, ehe er an die schwierige Uebertragung der »Logik« geht, in den einleitenden Kapiteln des ersten Buches Anleitung, die Vor⸗ urtheile zu widerlegen, Vortheile zu zeigen und die Hülfsmittel zu einem richtigen Verständnisse anzudeuten. Diese Einleitung ist auch für deutsche Leser nicht ohne literarisches Interesse. In Bezug auf das, was in Eng⸗ land bisher für Hegel geschafft, empfiehlt unser Autor besonders Sebree's Uebertragung von Hegel’'s Philosophie of History als »den besten Beitrag zur deutschen Philosophie, der in England bis jetzt erschienen«.
— Im südlichen Querschiffe des Köͤlner Domes sind, der »Elbf. Ztg.« zufolge, in den letzten Tagen wieder zwei Galeriefenster definitiv verglast worden, so daß nunmehr alle Seitenfenster dieses Querschiffes mit in der Masse gefärbtem Glase in sehr wirkungsreichen Mosaikmustern geblendet sind. Das Hauptfenster über dem Portal ist bekanntlich mit figuralen Darstellun⸗ gen von gebranntem Glase geschmückt.
Hamburg, 30. August. (H. B. Z.) Das englische Schrauben⸗ Dampfschiff »Queen of the Isles« (welches bekanntlich fur die Sheabn. Recognoszirungsfahrt von hier aus bestimmt ist) traf in letzter Nacht von London zu Cuxhaven ein.
— Trotz seines nur sehr kurz bemessenen Aufenthaltes in München schreibt die »Bayrische Ztg.«, besuchte Se. Majestät der König deh Preußen die Sammlungen des bayerischen Nationalmuseums in ihrem
dermaligen noch provisorischen Aufbewahrungsorte in der Herzog⸗Mag⸗Burg
Der König verweilte mit seinem Gefolge über eine Stunde in deesen Raäu⸗ men und folgte mit höchstem Interesse den Aufschlüssen, welche der Vorstand des bayerischen Nationalmuseums, Freiherr von Aretin, zu geben die Ehre hatte. Besonders lange verweilte der König in den den älteren Kulturperioden zugewiesenen Räumen. Sodann besichtigte derselbe das neue Museumsgebäude in der Magximiliansstraße. Das Stiegen. haus, bereits mit dem herrlichen Dachauer Plafond geschmückt, sowie die übrigen achtzehn alten in die verschiedenen Säle vertheilten Plafonds, das liebliche gräflich Fugger'sche Boudoir aus dem 16. Jahrhundert, die herr⸗ lichen Glasfenster in alten Steinumrahmungen, die theilweise schon vollzogene Einräumung einer Abtheilung des 15. Jahrhunderts erregten des Königs höchste Theilnahme. Vor allem begrüßte er als eine herrliche Idee die histo⸗ rische Galerie, mit welcher der erste Stock dieses Prachtgebäudes geschmückt ist. Er bezeichnete die ganze Anlage dieser Schöpfung als ein würdi⸗ ges und unvergängliches Denkmal des erhabenen Geistes und des warmen Patriotismus des verlebten Königs, seines Königlichen Neffen, an welcher ebenso die Idee des Schöpfers, als die geistreiche, tadellose und von dem tiefsten Studium zeugende Ausführung in gerechtes Erstaunen setze. Es können diese Aeußerungen eines kunstsinnigen Fürsten, in dessen Residenz selbst so viel für diese Bestrebungen geschieht — fügt das genannte Blatt diesem Bericht hinzu — nur im höchsten Grade erfreulich genannt werden, nicht nur für Bayern überhaupt, das sich nun im dauernden Besitze dieser Sammlungen befindet, sondern besonders für den verlebten hohen Fürsten, der in warmer Vaterlandsliebe seinem Volke dieses herrliche Denkmal zu Ehr und Vorbild aufrichtete.
1 — Friedrich von Hurter, K. K. Hofrath und Reichs⸗Historiograph, ist, wie die Grazer Blätter melden, am 27. d. in Graz gestorben. Hurter (geboren 1786 in Schaffhausen), meldet die »Ostd. Post«, bezog 1804 die Universität Göttingen, um Theologie zu studiren. Seit 1825 Antistes und Dekan in seiner Vaterstadt, erregte er zuerst die allgemeine Aufmerkfamkeit durch eine »Geschichte Papst Innocenz' III. und seiner Zeitgenossen«. Ob⸗ schon die gediegene Forschung und geistreiche Darstellung dieses Werkes all⸗ gemeine Anerkennung fanden, so wunderte man sich doch, daß der Antistes der reformirten Kirche in Schaffhausen sein ganzes historisches Material eifrigst zu einer Rechtfertigung der päpstlichen Hierarchie, einer Verrherrlichung des Mittelalters und einer bitteren Anklage der Gegenwart und ihrer Strebungen benutzte. Durch einen an sich unbedeutenden Vorfall fanden sich auch seine theologischen Kollegen in Schaffhausen veranlaßt, ihren Vorsteher wegen katholisirender Richtung zu einer bestimmten Erklärung aufzufordern. Seine von Leidenschaftlichkeit übersprudelnde Vertheidigung: »Der Antiste Hurter von Schaffhausen und seine sogenannten Amtsbrüder« (Schaffhausen
1840), konnte ihn auch so wenig rechtfertigen, daß er sich veranlaßt sah,
seine Stelle niederzulegen. Erst 1845 jedoch erfolgte sein Uebertritt zum Katholizismus in Rom selbst. In einer eigenen Schrift: »Geburt und Wiedergeburt. Erinnerungen aus meinem Leben« (zwei Bände, Schaff⸗ hausen 1845 bis 1846) suchte er die Umwandlung zu erklären. In seiner Vaterstadt, wohin er nach dem Uebertritt zurückkehrte, war dadurch seine Stellung auch als Privatmann so unhaltbar geworden, daß ihm Fürst Metternich ein erwünschtes Asyl eröffnete, indem er ihn als Kaiserlich König⸗ lichen Historiographen nach Wien berief. Die Ereignisse des Jahres 1848 verdrängten auch Hurter aus seiner Stellung, die er jedoch später wieder zurückerhielt. Seine bedeutendste Arbeit aus dieser jüngsten Periode ist die »Geschichte Ferdinands II. und seiner Eltern, bis zu dessen Krönung in
8 Statisti sche Nachri chten. v
— Im Amtsblatt (34) der Regierung zu Stettin werden statistische Mittheilungen über diesen Regierungsbezirk nach der Aufnahme im Dezem⸗ ber vorigen Jahres gegeben, denen Nachstehendes entlehnt ist: Der Regie⸗ rungs⸗Bezirk umfaßt 13 Kreise einschließlich des Stadtkreises Stettin, ist 238,61 Quadratmeilen groß (darunter 18,69 Q.⸗Meilen Wasser) und enthält in sich: 36 Städte, 4 Flecken, 1056 Dörfer, 476 Güter und Vorwerke, welche nicht im Anschlusse von Doͤrfern gelegen sind, 153 Kolonieen und senen 463 einzelne Etablissements, welche einen besonderen Ortsnamen ühren.
Die Gesammt⸗Bevölkerung des Regierungs⸗Bezirks beträgt mit Ausschluß der Militair⸗Bevölkerung 665,994 Seelen. Die Einwohnerzahl vertheilt sich auf die Städte mit 230,944 Einwohner, auf das platte Land mit 435,050- Einwohner. Von den 230,944 Einwohnern vom ECivil in den Städten sind: im Alter bis inkl. 14 Jahren 37,873 männlichen und 36,462 weiblichen Geschlechts, über 14 Jahre alt 74,993 männlichen und 81,616 weiblichen Geschlechts. Von den 430,050 Einwohnern auf dem platten Lande sind: im Alter bis inkl. 14 Jahren 80,869 männlichen und 78,990 weiblichen Geschlechts, über 14 Jahre alt 134,594 männlichen und 140,597 weiblichen Geschlechts.
Dem Familienstande nach sind bei der Civil-Bevölkerung unver⸗ heirathet und niemals verhbeirathet gewesen 206,158 männlich, 198,704 weib⸗ lich; verheirathet 112,697 Männer, 112,952 Frauen; verwittwet 9108 Män⸗ ner, 25,200 Frauen; geschieden und nicht wieder verheirathet 366 Männer, 809 Frauen.
Der Art des Zusammenlebens nach sind bei der Civil⸗Bevölke⸗ rung: Einzeln lebende Personen 5840 männliche, 3896 weibliche; in Fa⸗ milien⸗Haushaltungen lebende Personen und zwar in 130,289 Familien⸗ Haushaltungen 318,532 männliche und 330,682 weibliche Personen.
8 J 11“1““ Nach der Religion besteht die Bevölkerung vom Civil aus: 652,083
wwangelischen, 4265 katholischen Christen, 16 Mennoniten, 2835 Dissidenten,
6790 Juden, 5 anderer Religion. Davon kommen auf die Städte: 221,744 wangelische, 2511 katholische Christen, 15 Mennoniten, 920 Dissidenten, 5751 Juden, 3 anderer Religion; auf das platte Land: 430,339 evan⸗ gelische, 1754 katholische Christen, 1 Mennonit, 1915 Dissidenten, 1039 Juden, 2 anderer Religion. 81 1
Im Laufe des Jahres 1864 sind im Negierungsbezirk Stettin, unter Einschluß der Ereignisse bei der Militair⸗Bevölkerung, überhaupt: 1) Ge⸗ boren 28,355 Kinder (darunter 2910 unehelich) und zwar 14,514 Knaben, darunter 1508 unehelich, 13,841 Mädchen, darunter 1402 unehelich. Nach der Religion ihrer Eltern zerfällt die Gesammtsumme der geborenen Kinder in: 27,418 evangelische, 140 katholische, 411 evangelisch⸗lutherische, 36 re⸗ formirte, welche beide letztere sich nicht zur unirten Kirche halten, 101 Dissi⸗ denten, 249 Juden. Die Zahl der vorgekommenen Mehrgeburten betrug 35), und zwar 352 Zwillingsgeburten und 3 Drillingsgeburten. Von diesen treffen a) auf die Städte des Regierungsbezirks 114 Zwillingsgebur⸗ ten, b) auf das platte Land 238 Zwillingsgeburten und 3 Drillingsgebur⸗ ten 2) Getraut überhaupt 5600 Paare, worunter sich 94 Ehepaare vom Militair und 21 Misch⸗Ehen (evangelisch⸗katholische) befinden. 3) Gestor⸗ ben überhaupt: 16,696, wovon 8782 männlichen, 7914 weiblichen Geschlechts, mithin sind 11,659 mehr geboren als gestorben. Die Zahl der Gestorbenen bilden: a) toͤdtgeboren 646 Knaben, 480 Mädchen, b) an Lebensschwäche bald nach der Geburt gestorben 792 Knaben, 613 Mädchen, e) an Alter⸗ schwäche 776 männlich, 964 weiblich, d) durch Selbstmord 91 männlich, 26 weiblich, e) durch Mord 9 männlich, 6 weiblich, k) durch allerlei Unglücks⸗ fälle 236 männlich, 52 weiblich, g) in der Schwangerschaft und im Kind⸗ bett 205 weiblich, h) durch die Pocken 307 männlich, 305 weiblich, i) durch die Wasserscheu oder Hundswuth 8 männlich, 14 weiblich, k) darch andere innere akute Krankheiten 2369 männlich, 2091 weiblich, !]) durch innere chronische Krankheiten 2437 männlich, 2270 weiblich, m) durch plötzliche Krankheitszufälle 684 männlich, 510 weiblich, n) durch äußere Krankheiten 114 männlich, 93 weiblich, o) durch unbestimmte Krankheiten 313 männ⸗ lich, 285 weiblich.
Gewerbe⸗ und Handels⸗Nachrichten.
— Der »Alt⸗-preußische Handwerkertag« hat für die Tage des 4. und 5. September c. einen Handwerkertag nach Königsberg ausgeschrieben. Auf diesem Handwerkertage nun, zu dessen Beschickung der gedachte Vor⸗ ort Einladungen an alle ihm bekannten Ortsverbrüderungen Ost⸗ und West⸗ preußens erlassen hat, werden Fragen und Vorschläge zur Erörterung kommen, welche von der größten Bedeutung für den ganzen Handwerkerstand sind; nämlich: 1) die Frage des Coalitionsrechtes; 2) die Errichtung von Gewerbe⸗ räthen behufs Beurtheilung der darauf Bezug habenden §§. des Gewerbe⸗ gesetzs vom 9. Februar 1849; 3) die Errichtung von Gesellen⸗Verbänden neben den Ortsverbänden der Meister; 4) das Aufhören der Kreis⸗Prüfungs⸗ Kommissionen.
— Die Sturmsignale, schreibt man der »Osts.⸗Ztg« aus Stral⸗ sund, werden hier bereits von den Schiffern aufmerksam beachtet. Selbst für die Küstenschifffahrt sind sie von erheblicher Wichtigkeit. Die von der Oder über das Haff. und dem Greifswalder Bodden hierher kommenden gäͤhne sind keineswegs seefest und unterziehen sich bei dem Durchsegeln der genannten Binnengewässer einer nicht geringen Gefahr. Sie können sich nunmehr vor jeder Fahrt erkundigen, ob sie Sturm zu befürchten haben, und wenn Anzeichen eines solchen telegraphisch gemeldet werden, ihre Fahrt aufschieben. Die mehrfach geäußerte Ansicht, als seien die Sturmsignale in kinem Binnenhafen, wie der unsrige, nicht von Bedeutung, ist sonach schon tbatsäͤchlich widerlegt. — 8
Nishni⸗Nowgorod. Ueber die Messe schreibt man der »R. Z.⸗« vom 9. August: Die Tbeepreise sind festgesetzt; für die besseren Sorten zahlt man 106 R., während im vergangenen Jahre der Preis auf 100 R. stand. Auch ist die Zufuhr geringer als im vorigen Jahre, dennoch aber sind gegen 40,000 Kisten angekommen und, wie die Theehändler behaupten, ist der Thee von ausgezeichneter Qualität. — Ueber die Bucharen sind sehr verschiedene Gerüchte in Umlauf. Einige behaupten, es sei noch Hoff⸗ nung vorhanden, daß sie sich einfinden werden, Andere dagegen, daß man ihrer vergeblich harre. Die letztere Annahme ist wohl die wahrscheinlichere, da der größere Theil der Jahrmarktszeit bereits verstrichen ist. Man ezählt als bestimmt, daß die bucharische Baumwolle, wenigstens ein großer Theil derselben, in Orenburg angehalten sei und sich daselbst ein Comité von 6 bis 8 Händlern gebildet habe, um die Angelegenheiten der Bucharen hin.⸗ sichtlich ihrer hinterlassenen Schulden und Bestellungen zu ordnen. Zwei oder drei Mitglieder dieses Comités sollen die Baumwolle zur Messe trans⸗ portiren und mit dem Erlös aus derselben liquidiren Vor einigen Tagen langten jedoch mehrere Kaufleute aus Chiva an, mit der Nachricht, daß die Bucharen gegen die Bildung des Comites aus russischen Händlern protestirt hätten, in ihrer Angelegenheit selbst entscheiden und mit einer desfallsigen Bitte eine Deputation nach St. Petersburg senden wollten. Wie dem auch sein mag, die Händler sind jedenfalls durch die Ungewißheit in die peinlichste Verlegenheit gesetzt; wäre das Ausbleiben der Bucharen gewiß, so könnten sie die von ihnen bestellte Waare anderweitig absetzen, während sie seht gezwungen sind, dieselbe aufzubewahren. Durch das Ausbleiben der Bucharen sind auch die Preise für Lämmerfelle sehr gestiegen; der Handel mit Pelzwerk, der vorzüglich von den Moskowitern betrieben wird, geht gut. Man sollte sich daruͤber wundern, daß Moskowiter und nicht Sibirier denselben betreiben, da ja doch das meiste Rauchwerk aus Sibirien kommt. Allerdings wird es zum größten Theil aus Sibirien bezogen, aber im Rohzustande und im Bearbeiten der Felle ist man nirgends, selbst nicht im Auslande, so geschickt wie in Moskau. 1“
— Ueber das administrative Verfahren, welches bei größeren Meliora⸗ tionen nach Maßgabe der betreffenden Gesetzgebung einzuhalten ist, theilt ein Artikel im Amtsblatt der Regierung zu Königsberg (Nr. 34) al Fortsetzung eines früheren (S. Nr. 197 d. Bl.) das Nähere mit. Die Dar legung dessen, was durch die Durchbildung des Meliorationswesens speziell in der Provinz Preußen bereits geschaffen worden und die Aufzählung der zum Theil großartigen Unternehmungen, welche entweder noch in der Ent⸗ 8 stehung oder in der weiteren Entwickelung begriffen sind, soll Gegenstand 8 einer späteren Besprechung sein.
„Elbing, 30. August. Die aus mehreren Theilen und Orten der näheren und weiteren Umgegend uns zugehenden Mittheilungen, schreibt de »Elb. Anzeiger«, lauten sehr verschieden, modifiziren aber doch in bedeuten dem Maaße die neulichen Besorgnisse. In den tiefer belegenen Niederungs⸗ Gegenden hat allerdings die anhaltende Nässe sehr Vieles beschädigt, Man- ches ganz verdorben. Der Roggen war zwar auch hier zum überwiegendsten Theil, namentlich Seitens der aufmerksamen und thätigeren Wirthe, geborgen; dagegen ist hier der Weizen wohl nahezu eben so überwingend durch Auswach beschädigt; ähnlich, wenn auch in geringerem Maaße, die Gerste; von Hafer ist Wieles ausgefallen oder auch verdorben, doch hofft man von dem während der Regentage noch auf dem Halme Stehengebliebenen Manches, wenn auch in geringerer Qualität, zu bergen. Hier auch haben die Kartoffeln durch Fäulniß, welche stellenweise der Kartoffelkrankheit ähnliche Form zeigt, ge litten. Dagegen ist der Nachwuchs des Heugrases und der Futterkräuter überaus üppig; und nicht blos auf den niedrigen, sondern auch auf den höher belegenen Wiesen und Feldern ist dies der Fall; die Kleefelder nament⸗ lich zeigen eine Fülle, wie man sie mitunter in einer Reihe von Jahren nicht sieht. — Auf den huͤgeligen Gegenden der Höhe hat der anhaltende Regen Manches unterspült und ausgewaschen; doch ist das Gebliebene da, wo die Wirthe fleißig dahinterher waren, größtentheils unbeschädigt einge⸗ bracht worden, Manches auch jetzt erst gehauen. Im Ganzen ist man mei⸗ stens dort gerade nicht ganz unzufrieden, in manchen Orten so ar beinahe zufrieden mit dem Ertrage. — Am Günstigsten hat sich die Ernte auf den Hochebenen der Provinz, als im Oberlande, in der Christburger, Rosen⸗ berger Gegend ꝛc., gestaltet. Auf den meisten, sorgsam bewirthschafteten Gütern hat man, allerdings mit Aufwendung besonderer Emsigkeit, die Feldfrüchte fast insgesammt einbringen können, wobei allerdings der Rog⸗ gen von der vorhergegangenen Hitze theilweise leicht im Korn, der Weizen mit mehr oder weniger Auswachs behaftet, die Erbsen theilweise geplatzt und etwas beschädigt, im Ganzen aber Alles in ziemlich reichlichem Ertrage sich herauszustellen scheint, — was freilich der Erdrusch erst näher nach⸗ weisen kann. Auch hier ist der Nachwuchs der Wiesen und Futterkräuter ein herrlicher. Vorzugsweise versprechen aber die Kartoffelfelder, deren Ernte mit Nächstem beginnen soll, einen außerordentlich reichen Ertrag der bis jetzt durchaus unbeschädigten und in Qualität überaus schönen Frucht. 1
— Das Amtsblatt der Königlichen Regierung in Gumbinnen (Nr. 34) bespricht mit Hinweisung auf frühere Erörterungen über Melio⸗ rationen denselben Gegenstand in Bezug auf die jüngsten Unternehmungen dieser Art und bemerkt darüber Folgendes:
Bereits in der Ausführung begriffen, die Entwässerung des großen und kleinen Wons⸗See's und des Niedtlitzer Bruches in den Kreisen Johannisburg und Lötzen, bei welcher es sich um die Trockenlegung der gedachten Seeen und um die Gewinnung vorzüglicher Wiesen in einem Flächen⸗Inhalte von nahezu 2000 Morgen, sowie um die Entsumpfung von 6000 Morgen angrenzender Brücher handelt. Dieses für die dortige wiesen⸗ arme Gegend die segensreichsten Folgen versprechende Unternehmen wurde und wird von der Staats⸗Regierung durch Bewilligung der Kosten der Vor⸗ arbeiten und dadurch unterstützt, daß die Kosten der technischen und kom⸗ missarischen Leitung auf die Staatskasse übernommen, ein Darlehn von 10,000 Thlrn. und verschiedene Vorschüsse bewilligt sind.
In dem Darkehmer FKreise ist ist in diesen Tagen der erste Spaten⸗ stich erfolgt, um ein gleichartiges, wenn auch kleineres Unternehmen, näm⸗ lich die Senkung des Rogahler und Gleisgarber See's zur Ausführung zu bringen. Die Staats⸗Regierung hat für dieses Projekt ein Darlehn von 4000 Thlr. und die Kosten der Vorarbeiten und der technischen Leitung bewilligt. Viel umfangreicher ist das Projekt zur Trockenlegung der Linkuhnen⸗Seckenburger Niederung/ die schon im Jahre 1859 begonnenen Meliorationsbauten, namentlich die Dampfschöpfwerke bei Pe⸗ tricken, sollen erweitert, das schädliche Hochwasser abgeleitet, die Wassergänge im Innern der Niederung sollen eingedeicht werden.
Zu diesen Ergänzungsbauten allein ist ein Staatsdarlehn von 100,000 Thlr. bewilligt; täglich werden 500 bis 600 Arbeiter bei den Handarbeiten beschäftigt.
8 ds Delta zwischen Gilge und Ruß, den Ausflüssen des Memel⸗ stromes, unterliegt bisher den Ueberfluthungen des kurischen Haffes, welches nur zu oft die Wiesen jener fruchtbaren Niederung vor der Heuernte, die Aecker mit ihren Früchten überstaute und die Hoffnungen der Besitzer auf die Ernte vernichtete. Es wird beabsichtigt, im Anschlusse an die bestehen⸗ den Gilge⸗ und Ruß⸗Dämme vorlängs des Kurischen Haffes einen Damm von 7 Meilen Länge zu erbauen, Dampfschöpfwerke, wie in der Linkuhnen⸗ Seckenburger Niederung, anzulegen und jenes aus 5 Quadratmeilen be⸗ stehende Delta vor den schädlichen Ueberfluthungen zu schützen. Das Unter⸗ nehmen verursacht einen Kosten⸗Aufwand von etwa 600,000 Thalern.
— Das Stralsunder Amtsblatt (Nr. 34) enthält einen Artikel, welcher die Vortheile des Obstbaums darstellt und mit Rücksicht dar⸗ auf zur weitern Verbreitung der Obstzucht auch in den nördlichern Gegen⸗ den des preußischen Staats, wie in Neu⸗Vorpommern und Rügen ermahnt, indem er die gewöhnlichen Einwendungen der ungünstigen Boden⸗ beschaffenheit oder des hemmenden Klimas widerlegt. Was die Einträglichkeit des Obstbaues betrifft, so wird derselbe im Allgemeinen wohl anerkannt, aber, wie hoch sich die baaren Einnahmen belaufen koͤnnen, davon werden Viele kaum eine Ahnung haben. In Württemberg z. B., wo die Obstkultur auf hoher Stufe steht, giebt eine durchschnittliche jährliche Obsternte über 3,256,000 Scheffel, d. h. per Kopf der Bevölkerung circa 30 Metzen, und die Ernte